GEGENSTANDPUNKT GEGENARGUMENTE

Die GEGENSTANDPUNKT-Redaktion bietet die Gelegenheit zur politischen Diskussion

Zeit: Dienstag, 25. Jänner 2011, 19:00 Uhr
Ort: Universität Wien, UNI Wien, Hauptgebäude HS 16 (Haupteingang, dann links) - 1010 Wien, Dr.Karl-Lueger-Ring 1

Veranstalter: Gegenstandpunkt
Referent: Dr.Rolf Röhrig

'Wohlstands- und Überflussgesellschaft' - 'Konsumterror - Konsumentenmacht': Konsum im Kapitalismus

Seit Wochen werden die (deutschen) Bürger und -innen darüber informiert, dass sie seit Monaten zusammen mit Eiern, Eiprodukten und Fleisch auch Dioxin verspeisen, und dass das ziemlich giftig ist. Seitdem werden wieder Zweifel laut, ob die Menschen mit der marktwirtschaftlichen Versorgung gut bedient sind. Von Agrarfabriken, die "Profit" erwirtschaften, und von Unternehmen ist zu hören, denen "Kostensenkung" über alles geht, koste es die "Gesundheit des Verbrauchers", was es wolle. Die Politik steht im Verdacht, das Geschäftsinteresse einer ganzen Abteilung "industrieller Massenproduktion" zu fördern.

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Welch großartige Leistungen die Symbiose von Staat und Kapital ermöglicht, zeigt sich an der Tatsache, dass es mit dem Fortschritt von Wissenschaft und Technik gelungen ist, den Unterschied zwischen Müllentsorgung und Nahrungsproduktion zu beseitigen. Nach dem Kriterium der Rentabilität ist jeder nicht verwertbare Abfall ein Widerspruch zum Zweck der Veranstaltung, also eine einzige Kostensenkungsoption und ein Stachel, sie auszuschöpfen. Dass noch der letzte Abfall an Frittierfett, Hufen, Nervensträngen, Augen, Hirnhäuten oder zentrifugal gewonnenem Separatorenfleisch - nicht selten noch veredelt mit "Kot, Urin, Verpackungsmaterial, schutzbehandelten Holzspänen, Klärschlamm" und anderen, nicht verbotenen Geschmacksverstärkern - Eingang in die "Nahrungskette" von Mensch und Tier findet; dass Knochen, Blutbahnen, abgeschabte Tierfette, mit Medikamenten und krebserzeugenden Substanzen vollgepumpte Laborratten und Versuchsmäuse zu einer homogenen Masse zusammengekocht werden, die als Tierfutter ebenso taugt wie als Schmierstoff für Industriemaschinen, das ist unterstellt, wenn findige Unternehmer die Kostensenkung ein Stück weitertreiben - und gleich Industrieschmiere als Tierfutter verkaufen. Das der aktuelle Beitrag zu dem dauernden Experiment mit dem Gebrauchswert der Nahrungsmittel und dem permanenten Härtetest der Verbraucher.

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Das Volk ist freilich keine Ansammlung von "Konsumenten"; seine Rolle hat es darin, die Arbeitermassen zu stellen, auf die das Kapital Anspruch hat, und um deren Verfügbarkeit und Nützlichkeit sich der Staat permanent kümmert. Dass die physische Reproduktion der aktiven wie inaktiven Arbeiter (inkl. Familien) in der "kleinen Zirkulation" des kapitalistischen Warenkreislaufs beheimatet ist, setzt eine "Billigproduktion" voraus, schließlich müssen Arbeiter von einem Lohn oder Lohnersatz leben. Dass sie trotz ihres armseligen Einkommens geglaubt haben, sie könnten sich "alles" leisten, wenn sie nur sorgfältig "auf die Preise achten" und sparsam "mit Geld umgehen" können; dass sie sich an den Sonderangeboten der Marktwirtschaft bedient haben - und dafür wieder einmal die Quittung erhalten haben, ist ein gelungener Witz unserer postindustriellen Spaßgesellschaft. Die Billigproduktion der "industriellen Landwirtschaft", deren "Unfall" wir gerade wieder einmal miterleben dürfen, hat ihren Grund wahrhaftig nicht in der "Anspruchshaltung" der armen Schlucker von der "Geiz-ist-geil"-Fraktion, die es so massenhaft gibt, sondern im Interesse der Privateigentümer, auch aus deren Armut ein Geschäft zu machen. Die Agenten des Profits konkurrieren um den Arbeitslohn als Kaufkraft; um den Arbeitslohn, der als Lohnkost des Kapitals für eine rentable Produktion immer zu hoch ist, dessen Senkung der Staat deshalb erfolgreich zum Kernpunkt seiner Standortpolitik gemacht hat. Als Kaufkraft ist der Lohn außerdem für die Realisierung des Profits zuständig; und da macht sich die Erkenntnis breit, dass er nicht reicht, um all die Waren zu versilbern, die der Markt im Angebot hat. Er reicht einfach nicht, um das Grundeigentum zufriedenzustellen, die Fernseher- und Kühlschrankindustrie zu fördern und auch noch das Lebensmittelkapital am Leben zu erhalten. Wohnen und ordentliches Essen kann sich der Arbeitsmann nicht leisten, ganz zu schweigen von den Haushaltslöchern des Staates, die er auch noch stopfen helfen darf. Wenn das Essen und Trinken aber ein Geschäft sein soll, und das soll es nach staatlichem Willen, dann muss die Ernährung eben so organisiert und bewirtschaftet werden, dass in schöner Regelmäßigkeit die einschlägigen Skandale publik werden. Damit es dazu kommen konnte, mussten die Produktivkräfte nach der Rechnungsart des Kapitals entfesselt werden, so dass all die schönen Wirkungen herauskommen, die der Menschheit zu schaffen machen und die keine Nebenwirkungen sind. Das macht sich auch daran geltend, dass die "kriminelle Energie", die durch das Programm so beflügelt wird, nur schwer und manchmal erst im Nachhinein von der ganz legalen, staatlich erwünschten Geschäftspraxis zu unterscheiden ist.