GEGENSTANDPUNKT GEGENARGUMENTE

Fortsetzung von GegenStandpunkt & Diskussion über die empörten Kritiker der Krise und die Occupy-Bewegungen am
8. November um 19:00 im Café 7stern, Siebensterngasse 31, 1070 Wien

 

Die empörten Kritiker und Okkupanten, ob in Europa oder den USA, rühren mit ihrem Protest an sehr grundsätzliche Fragen der Politischen Ökonomie des Kapitalismus: Wozu, nach welchen Gesichtspunkten und in wessen Interesse wird in der Marktwirtschaft Reichtum produziert; warum werden die Reichen reicher und die Armen ärmer; warum wird in der Krise massenhaft Reichtum entwertet und warum stehen die demokratischen Staaten auf der Seite des Reichtums – und nicht auf der Seite der wählenden Armen?

Ein Teil der Bewegung scheint die Klärung dieser Fragen für sekundär zu halten, weil es jetzt vor allem darum zu gehen hätte, Druck auf die Regierungen auszuüben, damit diese (endlich wieder) mehr die Interessen der Opfer der Krise und weniger die der Banken vertreten. Aber damit rennen die „Empörten“ im Grunde genommen offene Türen ein: Die frühere „Normalität“ wäre auch den Regierenden sehr recht, und zwar überall. Denn die ziehen keineswegs aus Jux und Tollerei ihre Sozialkürzungs- und Verarmungsprogramme durch, in Griechenland, Spanien und anderswo. Die sind nämlich auch sehr für Arbeitsplätze – und das weder aus genuin menschenfreundlichen Haltungen und auch nicht aus demokratiepolitischen Erwägungen, auf die große Mehrheit Bedacht nehmend. Es ist sehr schlicht: Jeder Beschäftigte, der „in der Wirtschaft“ Geld verdient, ist unmittelbar nützlich für die Staatskasse. Er zahlt Steuern und Sozialabgaben, und drückt bei jedem Einkauf noch einmal ans Budget ab; ein Beschäftigungsloser hingegen kostet die jeweils zugestandene Arbeitslosen- oder Sozialhilfe, ist Abzug vom Budget. Die kann der Staat zwar kürzen und streichen, aber nützlich werden die Verarmten dadurch auch nicht, höchstens indirekt, als Lohndrücker der Beschäftigten: Der Staatshaushalt ist der Grund für das staatliche Interesse an Arbeitsplätzen, sogar an der lange entschwundenen „Vollbeschäftigung“.

ABER:

Die Staaten, die eine Marktwirtschaft einrichten und laufend betreuen, haben den Reichtum der Gesellschaft sehr prinzipiell den privaten Eigentümern und deren Interessen überantwortet. Sie unterwerfen sich auch den Resultaten, die eine privat betriebene Reichtumsvermehrung hervorbringt – und die hat bekanntlich seit es sie gibt ihre ganz eigenen Konjunkturen und Krisen, über die Wirtschaftsforscher und kundige Schamanen der Ökonometrie gern mit Prognosen und Modellen der Wirtschaftsastrologie aushelfen, der ein Staat aber nicht einfach das Wachstum befehlen, anordnen, es per Dekret herbeiregieren kann. Was in früheren Krisen durchaus einen Versuch wert war, das war der Anlauf, viel Staatskredit in die Infrastruktur zu „investieren“ und „Zukunftsindustrien“ zu fördern; das setzt aber voraus, dass diese Staaten auch in der Krise noch Kredit haben – dass das Finanzkapital, dessen Urteil sich die Souveräne unterwerden, die Staaten weiter finanziert.

Derzeit sind sie alle damit befasst, ihre Kreditwürdigkeit, sofern noch vorhanden, zu retten; durch mehr oder weniger große Verwüstungen in ihrem ökonomischen Bezug auf ihre Gesellschaften, indem sie als „Generalunternehmer“ ihrer Standorte mehr Geld aus ihren Gesellschaften herausziehen und weniger hineingeben, um die Relation von Steuereinnahmen und staatlicher Kreditaufnahme zu modifizieren, auf dass „die Finanzmärkte“ sie weiter oder wieder für kreditwürdig befinden. Dadurch schädigen sie unmittelbar ihre jeweiligen Standorte, indem durch dieses Gebaren das Wachstum noch mehr einbricht – das wird billigend in Kauf genommen.

VERRÜCKT? – NUN JA. – KAPITALISMUS EBEN.

Umso notwendiger, sich über die gültigen ökonomischen Interessen und Interessensgegensätze Klarheit zu verschaffen. Ein Materialvorschlag ist beigefügt. Wer etwas anderes diskutieren will, bitte schicken bzw. am Dienstag mitbringen.

MATERIAL FÜR DIE DISKUSSION: Dissens über Geld, Tausch, Eigentum und Arbeit