GEGENARGUMENTE

Ein Sittengemälde der bürgerlichen Klassengesellschaft:

Vorweihnachtliche Spendenaktionen

Wie alle Jahre hatte auch in der vergangenen Weihnachtszeit die Nächstenliebe Konjunktur. "ÖsterReich hilft ÖsterArm", "Licht ins Dunkel" und wie sie sonst noch heißen die Hilfsaktionen hatten vor Weihnachten Hochkonjunktur. Oder wie ein Obdachloser in der Presse vom 24.12.2003 zitiert wird: "Vor Weihnachten denken plötzlich alle an uns. Da wird dann gespendet und Leute kommen her. Bis Ostern können wir Weihnachtskekse essen, weil soviele gebracht werden. Dann schert sich wieder das ganze Jahr niemand um uns". Was hat es mit dieser vorweihnachtlichen Spendierfreudigkeit auf sich? Dazu ein Beitrag des Gegenstandpunktes auf Radio Unerhört in Marburg.

1.

Ohne fürchten zu müssen, eine Welle der Empörung in der aufgebrachten Bevölkerung auszulösen, führen die humanitär gesinnten Elendsreporter ungerührt die ganze Brutalität unseres sauberen Klassenstaates vor. Zeitungen, die tagaus, tagein gegen überzogene Ansprüche einer "besitzstands-orientierten" Bevölkerung hetzen, die Löhne als "zu hoch" geißeln und die Kosten für die in der Arbeiterschaft massen- und dauerhaft anfallenden "Sozialfälle" inzwischen für "unbezahlbar" halten, schildern plötzlich Alter und Krankheit als eine Katastrophe, die den Betroffenen das bloße Existieren schier unmöglich macht. Alter? Das Alter wäre doch wohl weiter nicht tragisch, wenn man genug Geld und Kraft hat, um sich das Leben gemütlich zu machen! Was ist am Alter schlimm, wenn man geruhsam gelebt hat? Man sehe sich nur einmal die kraftstrotzenden Endsechziger und Mittsiebziger unter den Künstlern, Pfaffen, Professoren und Politikern an, die einfach nicht altern wollen! Krankheit? Dafür gibt es doch wohl die Ärzte, die dazu da sind, einen zu betreuen.

Am bloßen Altsein oder der Krankheit liegt es eben auch nicht, wenn beides sich bis hin zur Bestreitung der Überlebensmöglichkeit zerstörerisch auswirkt. Die Beispiele, die zur Stimulierung der Spendenbereitschaft dem mitleidigen Publikum ausgemalt werden, lassen da keine Zweifel:

"Karins Vater wurde krank, musste seinen Beruf aufgeben. Seitdem lebt das Ehepaar mit seinen drei kleinen Töchtern von einer kleinen Rente. Der Umzug in eine viel zu kleine Wohnung wurde notwendig..." usw. usf.

Diesen Menschen wird das Notwendigste zum Leben verweigert, nachdem sie das Pech hatten, nicht mehr brauchbar zu sein. Dauert eine Krankheit erst einmal länger und ist sie schwerer als der winterliche Schnupfen, dann hat das ersprießliche Dasein als Lohnempfänger schnell sein Ende. Nach der Entlassung gerät der für unbrauchbar Befundene in die Maschen des sozialen Netzes, und da vollstreckt der Staat an ihm dasselbe Urteil noch einmal: Geld für überzählige Esser bloß zum Leben... - dafür ist eigentlich jeder Cent zu schade. Weshalb auch der Nachweis der Anspruchsberechtigung als Hindernislauf organisiert ist: Frau F. (79), der es gar nichts nützt, dass sie "noch rüstig" ist und "bei schönem Wetter die fünf Kilometer bis zum Arzt im nächsten Ort noch zu Fuß läuft", durfte der "Frankfurter Rundschau" folgende Erfahrung mit der staatlichen Sparpolitik berichten:

"Von einer Stelle wurde sie zur nächsten geschickt. Eingetragen hat ihr das insgesamt etwas über 300 Euro. Die Miete allein beträgt seit der Renovierung ihrer Wohnung bereits gut 200 Euro."

Die staatlichen Gemeinheiten der Oma gegenüber so ungeschminkt auszuposaunen, ohne dass dabei dem Staat auch nur ein einziges böses Wort nachgesagt wird, unterstellt, dass es in unserer schönen Republik jeder für normal hält, dass man mit den staatlich gesetzten Existenzbedingungen zurechtkommen muss. Dass diese Normalität auf Armut beruht, auf dem dauerhaften Ausschluss von Reichtum also, ohne den der Gang zur Arbeit nicht täglich aufs neue notwendig wäre, stört denjenigen nicht, der schon zufrieden ist, wenn man überhaupt zurechtkommen kann - welche Kunststücke man sich dafür auch immer einfallen lassen muss. Wirkliche Armut fängt für ihn erst dann an, wenn beim besten Willen das Zurechtkommen nicht mehr geht. Das gilt dann als "Extremfall", als Ausnahme, mit der die gewöhnliche Fresserei des Lohnarbeiterdaseins nichts zu tun hat. Diese kann man nämlich aushalten, also sind Zustände, die man nicht mehr durchsteht, auf keinen Fall einfach die Auswirkungen des täglichen Knochenhinhaltens gegen eine kümmerliche, keine Zukunftsabsicherung zulassende Entlohnung, sondern etwas ganz anderes: Not. So ist der Grund für die Elendsfälle, an denen sich die Vorweihnachtschristen das Herz erwärmen, glücklich um die Ecke gebracht, indem die Lohnarbeit und ihre Folgen nach dem Grad ihrer Aushaltbarkeit auseinanderdividiert werden. Not wird als Unglück angesehen, das einen Menschen grundlos trifft, als Folge des zufälligen Zusammentreffens vieler verschiedener widriger Umstände. Arbeitslosigkeit als Schicksal, die knappe Rente als zusätzliche erschwerende Bedingung, die zur Einsamkeit und den Depressionen dazukommt, der Tod des Mannes, die Scheidung der Tochter, Krankheit und Invalidität - all das taucht friedlich und gleichberechtigt nebeneinander auf. Lauter missliche Umstände firmieren so als Ursache des Elends, und keiner will mehr sehen, dass derartige "Schicksalsschläge" nur bei solchen Figuren zur existenziellen Bedrohung werden, die selbst nichts haben, um ihr Auskommen zu sichern, daher vom Verkauf ihrer Arbeit leben müssen für ein Entgelt, das weder die Kosten einer Scheidung noch eines vierten Kindes oder gar von Phasen längerer Arbeitsunfähigkeit abdeckt - wenn sie überhaupt das zweifelhafte Glück haben, eine Arbeit zu finden.

2.

Im Kapitalismus gilt das Gesetz: Wer nicht arbeitet, obwohl kein anderer Erwerb für ihn vorgesehen ist, hat nichts zu essen. Das radikale Staatsbürgerbewusstsein verschärft dies zu der moralischen Losung: Wer nicht arbeitet, verdient nicht zu essen. Entsprechend hat der moderne Christenmensch in Sachen Mitleid so seine Ansprüche. Nicht jeder Fall von Armut regt sein Mitleid an. Ein "Dauerstudent" z.B., der sich mehr schlecht als recht mit Gelegenheitsarbeiten durchschlägt, oder eine osteuropäische Elendsfigur, die sich von professionellen Schleppern in einen Kleinbus eingepfercht über tausend Kilometer nach Deutschland karren lässt, um im Vorweihnachtsrummel ein paar Kreuzer zu erbetteln und prompt von Presse und Rundfunk als "Abstauber" entlarvt wird, wird, statt Mitleid zu erwecken, eher den Vorwurf zu hören bekommen, zum "arbeitsscheuen Gesindel" zu zählen. Man sieht also: Die Menschlichkeit richtet sich keineswegs bedauernd auf jedwede Not, sondern sie macht da ihre deutlichen Bedingungen: Mitleid verdient nur, wer nachweislich schuldlos in Not geraten ist. Die Lebensgeschichte eines Elendsopfers ist eigentlich erst dann wirklich rührend, wenn sie zeigt, dass sich hier einer den Brutalitäten, die der Kapitalismus für sein Arbeitermaterial so auf Lager hat, bis zum bitteren Ende unterworfen hat. Die weihnachtlichen Hilfsaktionen tragen dieser brutalen Bedingung christlichen Mitleids vorbildlich Rechnung, indem sie vorwiegend von Fällen berichten, bei denen die Betroffenen Höchstleistungen in Sachen Aushalten von Zwängen erbringen; z.B.:

"Auch die neue Arbeit nahm sie mit großer Energie wieder auf, packte zu, veränderte, was ihr nötig erschien. ‚Ich hab’ gearbeitet wie ein Mann’, erzählt sie. Irgendwann hat aber dann der Körper nicht mehr mitgemacht."

Hier liegt eindeutig echtes Unglück vor. Weihnachtsseliger Drang zu helfen stellt sich ein, der sich in klingender Münze niederschlägt.

3.

Dieser Griff zum Geldbeutel soll Hilfe sein? Wenn man das ernst nähme, müsste man schier verzweifeln. Das Almosen ändert ja nichts an den Ursachen der Not, sie bleibt nach seinem Verzehr genau dieselbe wie davor. So macht das gute Gewissen des weihnachtlichen Menschenfreunds meist schon beim Gang auf die Bank und beim Ausfüllen des Spendenformulars nicht mehr so recht froh. Die unchristliche Lauheit in Sachen Spendenlust während des sonstigen Kirchenjahres muss einem ja hier wohl oder übel einfallen - auch ein Punkt, an dem man merken könnte, dass Almosen die Not nicht verkleinern, sonst müssten sie nicht dauernd wieder gegeben werden. Statt sich ein schlechtes Gewissen zu machen und sich mit den Mutter Teresas und Karl-Heinz Böhms zu vergleichen, die das ganze christliche Jahr hindurch mit der Betreuung kapitalistisch produzierter, weltweiter Hungerbäuche und Leichen beschäftigt sind, sollte man hier eine kurze Denkpause einlegen: Sollte man wirklich die Herstellung der Not durch Staat und Kapital mit seinem eigenen schlechten Gewissen begleiten, damit diese umso ungenierter weitermachen können? Letztlich ergänzt man doch bloß die Opfer, zu denen andere gemacht worden sind, durch sein eigenes. Man sollte sich also nicht vormachen lassen, dass den "Armen" eigentlich nur unsere Hilfe abgeht, und sich gegen solch zynische Vorstellungen wie die folgende verwahren:

"Hilfe kann bereits ein Schritt im Gedränge sein, eine Geste, ein einfacher Satz, ein Zeichen, dass man den Mitmenschen sieht, nicht an ihm vorbeiblickt. Hilfe... bewirkt mehr als nur die Linderung der akuten Not. Sie nimmt auch jenes so verzweifelte Gefühl der völligen Verlassenheit..." (Süddeutsche Zeitung)

Kaltschnäuzig wird hier vorgeschlagen, man solle einer x-beliebigen Oma, die zu spüren kriegt, dass kein Bedarf nach ihr besteht, einfach so zum Spaß vormachen, sie würde doch noch gebraucht und geliebt werden (eine saubere Liebe, auf die man als Dank für Dienste Anspruch erhebt!).

Damit ist Hilfe auf ihren dürftigen Kern gebracht: Sie ist die geheuchelte Anerkennung des moralischen Werts des Hilfsbedürftigen.

 

Warum afghanische Flüchtlinge "rückgeführt" werden (müssen)

 

Dass nicht jeder Fall von Armut hierzulande das Mitleid anregt, kann man der miesen Behandlung der in Österreich gelandeten Flüchtlinge aus alten und neuen Elendsregionen wie Afrika, Afghanistan, Tschetschenien usw. entnehmen. Diese dürfen sich doch glatt beim christlich sozialen Innenminister dafür bedanken, zumindest über die Weihnachtsfeiertage nicht auf die Straße gesetzt worden zu sein. Ein Fehler ist es, diese Behandlung als Verletzung des Asylrechts zu besprechen. Warum bzw. was es mit dem Asylrecht auf sich hat, davon handelt der zweite Beitrag.

In Hamburg fängt man damit an: Die Flüchtlinge aus Afghanistan, denen man den Status von Asylanten nicht zugestehen will, sollen zurückgeschickt werden. Die Generalsekretärin der deutschen Sektion von Amnesty International, ist darüber empört:

"Wir sind geradezu empört, dass über so etwas derzeit ernsthaft nachgedacht wird. Es ist doch abstrus, wenn die Bundeswehr monatelang nach einem halbwegs sicheren Einsatzort außerhalb Kabuls sucht, Flüchtlinge aber in dieses Land abgeschoben werden." (Interview in der SZ 21.11.)

Es ist offenkundig: In Afghanistan herrschen unsichere Verhältnisse, Krieg und Elend sind die Normalität. Das wissen jedoch die zuständigen Herren, der Hamburger Innensenator und der bundesdeutsche Innenminister, genau so gut wie die aufgebrachte Generalsekretärin und sie bräuchte ihnen das nicht auch noch extra mit dem Hinweis auf die Drangsale der Bundeswehr vor Ort unter die Nase zu reiben. Sie schicken die Leute dennoch zurück – liegt das nun daran, dass ihnen ein menschliches Mitempfinden für deren Schicksal abgeht? Ein wenig will die deutsche Generalsekretärin diesen Vorwurf schon loswerden, wenn sie es für ein "Gebot der Menschlichkeit" hält, den Afghanen dieses Schicksal zu ersparen, und sich umgekehrt darüber empört, dass sich diese zwei Politiker an dieses menschliche Gebot nicht halten. Gerade mit ihrer Empörung über diese Staatsagenten macht sie jedoch deutlich, dass sie eine ausgesprochen gute Meinung vom Asylrecht des deutschen Staates hat: Sie hält das für eine eigentlich menschenfreundliche Einrichtung dieses Staates, der damit besonders bedrohten und verfolgten Menschen aus anderen Staaten Hilfe und Unterschlupf zukommen lassen will. Nur wenn man das glaubt, kann man die Rücksendung der afghanischen Flüchtlinge in ausgesprochen unsichere Verhältnisse für einen Widerspruch zum angeblichen Auftrag, Sinn und Zweck des Asylrechts halten.

Dabei ist die Rücksendung dieser Flüchtlinge, was ja nicht zufällig schon zum x-ten Mal passiert und worüber sich die Freunde des Asylrechts schon x-mal aufregt haben, nur ein weiteres schlagendes Beispiel dafür, dass ein solcher Vorgang erstens nichts mit vermeintlichen bösen Absichten oder gar der vermuteten Weltfremdheit der ausführenden Politiker zu tun hat. – Die würden ihrerseits die Unterstellung, das Los dieser Flüchtlinge wäre ihnen egal als gemeinen Angriff auf sie als Menschenfreunde zurückweisen – und anschließend aber gleich zu der Klarstellung übergehen, dass das Asylrecht nicht von dem Gedanken einer Fürsorge für die Betroffenen bestimmt ist. Die Flüchtlinge werden – so der offizielle Ausdruck – "rückgeführt", weil es sich bei Afghanistan um einen im Asylrecht so genannten "sicheren Drittstaat" handelt - Politiker kennen sich eben aus in der richtigen Reihenfolge von Heuchelei und Gewalt.

Die Frau Generalsekretärin kann es nicht fassen: Man sieht doch oberdeutlich, wie wenig ‚sicher’ dieses Land ist – und ihr will nicht auffallen , wie wenig ihre Auffassung von ‚Sicherheit für Flüchtlinge’ mit dem zu tun hat, was das Asylrecht unter deren‚Sicherheit’ versteht. Gerade der bei Afghanistan so auffällige Widerspruch zwischen der Klassifizierung als "sicherer Drittstaat" und den tatsächlichen landesinneren Verhältnissen könnte einen doch darauf bringen, dass ‚Sicherheit’ im Asylrecht weit entfernt ist von alltäglichen Vorstellungen über mehr oder minder ungefährdete Lebensumstände. Vielmehr definiert der Staat ‚Sicherheit’ gemäß seiner Interessen und er definiert sich entsprechend andere Staaten zurecht, entlang den Interessen, die ihm sagen, welches Maß an "guten" oder "schlechten Beziehungen" er mit anderen Staaten unterhalten will. Der asylgewährende Staat erteilt anderen Staaten Noten, mit denen er ihnen attestiert, welches staatliche Betragen ihm passt oder eben nicht passt. Wann werden Bürger eines anderen Staates als "asylberechtigt" eingestuft, wann wird behauptet, sie würden von dem anderen Staat "verfolgt"? Dann, wenn der notenverteilende Staat eine Generalkritik an der Art und Weise des Regierens im anderen Staat hat, und zwar, weil dieser Staat seine Herrschaft auf eine Art und Weise ausübt, die zu den eigenen Interessen nicht passt, ja, ihnen entgegengesetzt ist. Das drückt der be- und verurteilende Staat so aus, dass er eine ihm missliebige Herrschaft als ein Vergehen des dortigen Staates gegen seine Untertanen bezeichnet, umgekehrt dürfen dann die Untertanen als Kronzeugen dafür herhalten, dass dort doch wohl eine schlechte Herrschaft unterwegs ist. Man muss schon sehr viel Vertrauen in den eigenen Staat haben, um das damit verwechseln zu können, dass dieser be- und verurteilende Staat fremden Untertanen Asyl gewährt, weil ihm die leid tun und es ihn drängt, ihnen ein besseres Zurechtkommen zu ermöglichen: Es handelt es sich dabei um ein hartes Stück Diplomatie – der asylgewährende Staat definiert damit den Stand von Missfallen und Feindschaft – mit einer praktischen und beabsichtigten Konsequenz: In den anderen Staat soll hineinregiert werden, seine Untertanen sollen gegen ihn aufgestachelt wenn nicht gar ihm abspenstig gemacht werden.

Seine Hochzeit erlebte das Asylrecht darum zu den Hochzeiten des Kalten Krieges. Da hatte man es ja mit sehr vielen Staaten zu tun, die ohne große Differenzierung mit dem Verdikt: "Unrechtsstaaten" belegt wurden, mit den Staaten des so genannten Ostblocks. Die Bürger dieser Staaten lebten definitionsgemäß in "Völkergefängnissen". Diese feindlichen Staaten daran zu erinnern und jeglichen Verkehr mit ihnen an die Erinnerung an die deswegen letztendliche Unhaltbarkeit ihres Systems zu knüpfen – solche diplomatischen Erpressungen waren vornehmste Aufgabe deutscher Außenpolitik Und meldeten sich die sog "Systemflüchtlinge" dann hier, waren sie also "ausgebrochen" dann konnten sie sich ziemlich sicher sein, ohne große Umstände als Asylanten mit dem denkbar kürzesten Einbürgerungsverfahren anerkannt zu werden. Die Absicht dieser Asylpolitik, zersetzend ins gegnerische Lager hineinzuwirken, war kaum zu übersehen, gerade das bereitwillige Aufnehmen dieser Leute ohne die heute übliche Härte der "Einzelfallprüfung" belegte, dass es eben nicht um das betrübliche "menschliche Einzelschicksal" ging – diese Leute galten und wurden pauschal behandelt als Beweis für die "Unmenschlichkeit" eines zu bekämpfenden Systems.

 

Teil IIIm ersten Teil unseres heutigen Gegenstandpunktes zur Abschiebung afghanischer Flüchtlinge haben wir klargestellt, dass sich die Abschieberei keinem Mangel an Mitgefühl auf Seiten der Regierenden handelt. Vielmehr ist es doch so, dass das Asylrecht ein sehr probates Mittel eines Staates ist sich in die inneren Verhältnisse eines anderen Staates einzumischen. Naturgemäß natürlich bei Staaten deren Herrschaftsausübung missfällt.

Die Asylanten werden dabei als lebendige Beweise der Unmenschlichkeit einer zu bekämpfenden Herrschaft benutzt. Daß dazu dann auch die menschelnde Heuchelei auf Seiten der Politiker wie Schily und Konsorten gehört, ist nicht verwunderlich.

Genau passend dazu der Umgang mit den afghanische Flüchtlingen. Die kommen ja aus einem Staat, der – nach dem Krieg gegen die Taliban – eindeutig als "befreundet" anzusehen ist, umso mehr, als man diesen Staat geradezu selbst geschaffen hat. Es ist richtig, was die Generalsekretärin der deutschen Abteilung von Amnesty bemerkt: "Das Land wird außerhalb der Hauptstadt von Warlords regiert, im Süden herrscht sogar Krieg." Tatsächlich besteht dieser Staat in kaum mehr als der Hauptstadt Kabul und einem dort residierenden Präsidenten Karsai, aber auf genau dieses Gebilde haben sich die westlichen Aufsichtsmächte nach dem Krieg in ihrer "Petersberger Konferenz" geeinigt – und es den verschiedenen anwesenden ethnischen Gruppe, Stämmen, Warlords etc. aufgezwungen. Sie haben also dieses Gebilde auch als den Staat Afghanistan anerkannt. Wollte man nun Flüchtlingen aus Afghanistan den Status von Verfolgten zugestehen, wäre das gleichbedeutend damit, dieser eigenen Kreatur das Misstrauen auszusprechen. Dass dieser Vasall gar keine eigene Macht hat und die Warlords gewähren lassen muss, spricht keineswegs dagegen.. Dann wird sich halt um das Maß an ’Sicherheit’ gekümmert, dass diesem Kostgänger imperialistischer Ambitionen am Hindukusch ein Überleben gemäß den Interessen der sie beaufsichtigenden Mächte ermöglicht, und solange das gilt und klappt, handelt es sich um einen "sicheren Drittstaat". Oder in den Worten des Innenministers Schily: um einen "Staat im Aufbau" – ein Abschiebestopp für die Flüchtlinge würde dann bedeuten, dass man die eigene Lüge vom "Aufbau" selber desavouiert. Ganz im Gegenteil ist der Zynismus angemessen, dass die Flüchtlinge doch "gebraucht" würden für diesen "Aufbau", dass man sie ihrem Staat nicht entziehen darf, indem man ihren privaten Sicherheitsüberlegungen recht gibt, sie also hier bleiben lässt,.

Doch die Vertreterin von Amnesty baut ihren Vorwurf, das Handeln der Politiker würde sich einem Mangel an menschlichem Mitempfinden verdanken und der eigentlichen Praxis des deutschen Asylrechts letztendlich widersprechen noch ein wenig aus:

"Man will in Deutschland anscheinend demonstrieren, dass man gegenüber diesen seltsamen Ausländern Härte zeigt. Das Rot-Grün hier mitmacht, ist beschämend. Wir hatten von dieser Regierung mehr erwartet."

Das soll es also sein: Ihre rücksichtslose Asylpolitik betreiben deutsche Politiker, weil sie aufs Wahlvolk, dem jede Härte gegenüber Ausländern nur recht ist, schielen. Es wird wohl schon so sein, dass deutsche Politiker ihr Volk dazu erzogen haben, sich in seinem nationalen Rassismus prinzipiell wohl zufühlen sie damit also auch Punkte machen. Trotzdem handelt es sich dabei um eine Verharmlosung:

Deshalb noch ein mal: Asylpolitik ist kein innenpolitisches Mittel der Wählerbetörung, sie ist eines der diversen außenpolitischen Instrumente, mit denen Staaten ihren Verkehr untereinander zu gestalten pflegen. Dieser Verkehr ist grundsätzlich von entgegenstehenden und einander sich ausschließenden Interessen bestimmt – die tragen Staaten mal ‚friedlich’ gegeneinander aus, den Übergang zu kriegerischen Mitteln halten sie hin und wieder aber auch für notwendig. In die ‚friedliche’ Abteilung gehört die Asylpolitik. Wenn ein Staat die Bürger anderer Staaten als Verfolgte bezeichnet und gar bei sich aufnimmt, dann ist das ein feindseliger Akt gegen den anderen Staat und die ‚menschlich’ umsorgten Bürger sind dafür nur Material. Und dass sie das sind könnte einem übrigens auch an der Gefangenen ähnlichen Organisation ihres "Status" hierzulande auffallen – ihr Dasein ist permanent der Kalkulation auf ihre politische Verwertbarkeit unterworfen. Umgekehrt lässt sich diese Politik deshalb niemals von "menschlichem Leid" beeindrucken oder gar anleiten, was Menschfreunden hierzulande zwar auffällt, sie aber nur zu Klagen bewegt, die an der Sache völlig vorbeigehen: Wenn der eigene Staat mit dem anderen kein Hühnchen zu rupfen hat, gar wegen seiner eigenen Interessen Wert auf "gute Beziehungen" legt, dann ist es nach der Logik des Staatenverkehrs unmöglich, die Untertanen des anderen Staates, und wenn es ihnen auch noch so schlecht geht, als Verfolgte zu bezeichnen.

Über diese Logik sollte man sich mal aufregen.