Das bedingungslose Grundeinkommen

 

Auffassungen, die den Kapitalismus von seinen hässlichen Schattenseiten bereinigen wollen, sind so alt wie der Kapitalismus selbst. Eine davon ist die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens (BGE). Seine Befürworter begründen ihre Forderung wie folgt: Sie stellen ein Missverhältnis zwischen dem nie dagewesenem Reichtum auf der einen Seite und der tatsächlich vorhandenen Armut“, genauer der Bedrohung durch Armut, auf der anderen Seite fest, das – so ihre Behauptung – nicht sein müsste und das sie aus der Welt schaffen möchten. Dieser nie dagewesene Reichtum sei das Resultat der Produktivkraftentwicklung. Das widersprüchliche Ergebnis dieser Entwicklung – Armut, Existenzunsicherheit wegen zunehmender Arbeitslosigkeit – sei die Konsequenz davon, dass das Einkommen immer noch an „Erwerbsarbeit“ gebunden sei. Mit dieser Feststellung liefern sie zwar eine zutreffende Beschreibung der Sachlage, eine Erklärung für den an sich doch merkwürdigen Umstand, dass ausgerechnet eine Steigerung der Produktivkraft der Arbeit zunehmende Armut nach sich zieht– von ihnen umstandslos mit Arbeitslosigkeit gleichgesetzt –, geben sie mit der bloßen Benennung dieses Sachverhaltes aber nicht.

 

Dabei ist eine solche Erklärung unbedingt notwendig, will man an den angeführten Umständen tatsächlich etwas ändern, sprich will man die Armut aus der Welt schaffen. Zu fragen wäre, was das für eine seltsame Sorte Reichtum ist, wenn dessen enormes Wachstum dazu führt, dass eine zunehmende Anzahl an Menschen Schwierigkeiten hat, über die Runden zu kommen.

 

Die Vertreter eines BGE machen anders weiter. An die Stelle der Suche nach einer solchen Erklärung setzen sie die schlichte Behauptung, dass diese Armut angesichts des vorhandenen enormen Reichtums eigentlich nicht sein müsste. Es handle sich um einen „Anachronismus“. Trotz Reichtums gibt es immer noch Armut, schreiben sie, und geben mit diesem „trotz“ zu erkennen, dass sie dahinter keinen gesellschaftlichen Zweck erkennen wollen oder können. Damit wird in anderen Worten jede Notwendigkeit eines Zusammenhangs von Reichtum und Armut im Kapitalismus implizit zurückgewiesen und stattdessen dieses Nebeneinander von Reichtum und Armut als ein im Grunde zufälliges, nicht gewolltes Nebeneinander behauptet. Es ist genug für alle da! verkünden sie. Es gäbe also den Reichtum, man müsste ihn nur richtig verteilen.

 

Wie soll das geschehen? Statt Einkommen weiter an Erwerbsarbeit zu binden, solle jedem ohne Ansehen der Person ein bedingungsloses Grundeinkommen ausgezahlt werden und zwar in einer – gemessen am von den Vertretern eines Grundeinkommens entworfenen Bild enormen Reichtums – sehr bescheidenen Höhe. Mit dieser für ihr Umverteilungskonzept konstitutiven Trennung von Erwerbsarbeit und Einkommen, für das der Kapitalismus wie sie sagen mit Produktivkraftentwicklung und Massenarbeitslosigkeit selbst die nötige Grundlage liefert, werde dann nicht bloß die „Bedrohung durch Armut“ gebannt, sondern außerdem auch jene bessere, an den sittlichen Größen Gleichheit, Freiheit und Menschenwürde wahrhaft orientierte Gemeinschaft möglich.

 

Für diese Sorte Umverteilungsvorstellung wird ein Bild von Kapitalismus entworfen, in dem all das, was in ihm für den Zweck dieses Umverteilungskonzepts nötig ist – stofflicher Reichtum als Verteilungsmasse und Geld als Verteilungsmittel und der Staat als Verteilungsinstanz – nicht nur vorhanden, sondern auch für ihr Verteilungsanliegen – zumindest im Prinzip – verfügbar ist. Die dieser Vorstellung zu entnehmende Behauptung heißt: Reichtum und zwar stofflichen Reichtum gäbe es genügend, um alle gut und ausreichend zu versorgen. Das Zugriffsmittel auf diesen Reichtum sei das Geld, von dem im Prinzip auch genug da sein und das sich in Form des Grundeinkommens in den Dienst dieser Umverteilung stellen ließe. Auch an der Institution, das Zugriffsmittel Geld aufzutreiben und als bedingungsloses Grundeinkommen, also als frei verfügbares Einkommen getrennt von der Erwerbsarbeit an alle zu verteilen, fehle es nicht, sondern liege in Gestalt des Staates, der schon jetzt Gelder einzieht, verwaltet und verteilt, längst vor.

 

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Wenn ein und dieselbe Ökonomie, der Kapitalismus, Massenarmut hervorbringt und gleichzeitig ihre Überwindung ermöglichen, seine Wirklichkeit also zugleich die Möglichkeit ihres Gegenteils, Reichtum ohne Armut, enthalten soll, dann zeigt dies, dass das Bild der Grundeinkommensbefürworter vom Kapitalismus widersprüchlich ist. Die Forderung nach einem BGE lebt in anderen Worten von einer Reihe von Unterstellungen hinsichtlich des Charakters von Ökonomie und Staat, die allesamt einer Überprüfung nicht standhalten.

 

 

Diese Überprüfung wollen wir im Rahmen eines Workshops im Rahmen der auch heuer wieder stattfindenden Rosa-Luxemburg-Konferenz an der VHS Hietzing vornehmen und zwar am Samstag, 14.März von 15:00 bis 16:30 Uhr, im Kursraum 11.

 

Thema des Gegenargumente - Workshops: Das bedingungslose Grundeinkommen: alternative Armutsverwaltung statt Beseitigung der Armutsgründe

 

Im Vortrag und der anschließenden Diskussion soll nachgewiesen werden,

 

dass diese Umverteilungsvorstellung nicht ohne Widersprüche und verkehrte Urteile über den Charakter einer kapitalistischen Ökonomie und die Rolle des Staates in ihr zu haben ist

 

und was man daraus lernen kann, wenn inzwischen auch manch Manager und Konzernvorstand für ein Grundeinkommen eintritt.

 

Nähere Informationen dazu auch auf www.rosaluxemburgkonferenz.at

 

 

Wir haben uns mit dem Thema Grundeinkommen bereits ausführlich in drei Sendungen im Jahr 2017 beschäftigt. In unserer heutigen Sendung bringen wir folgende Ausschnitte aus diesen Sendungen:

·         Was ist von der Aussage zu halten, das Grundeinkommen sei eine Antwort auf die „Krise der Arbeitsgesellschaft“?

·         Manche Linke sehen im Grundeinkommen etwas Drittes – nämlich ein „erstes Element einer neuen, nachkapitalistischen Gesellschaft“. So etwa Karl Reitter in seinem Buch „Bedingungsloses Grundeinkommen“. Um dessen Aussagen geht es im letzten Beitrag mit dem Titel - Was ist von der Aussage zu halten, das BGE sei „ein erstes Element einer neuen, nachkapitalistischen Gesellschaft“?