Frau im Kapitalismus: Die Anerkennung von „Frauenproblemen“ statt Kritik an deren Gründen
Wenn man sich heutzutage mit dem Thema „Frau“ befasst, hat man es mit folgender Ausgangslage zu tun:
Erstens: Die Forderung der alten Frauenbewegung ist erfüllt: Die rechtliche Gleichstellung der Frau gibt es. Mit der Forderung, dass Frauen in unserer Gesellschaft als gleichwertige Personen anerkannt werden müssten, würde man heutzutage offene Türen einrennen. Das sieht jede maßgebliche Instanz inzwischen so.
Als Frau darf man sich überall zu Wort melden, sich auf eine besondere Betroffenheit berufen und Berücksichtigung einfordern. Der schlichte Umstand, dass jemand, der irgendetwas will, haben möchte, sich über etwas beschwert, dies als Frau tut, sich dabei also auf seine Geschlechtszugehörigkeit beruft, gilt als Argument. Man braucht nur zu sagen, „ich als Frau“ – wie komme ich vor bei Vergabe von Lehrstühlen, Besetzung von Posten, bis hin zu öffentlichen Diskussionen mit der Frage „Haben sich schon Frauen zu Wort gemeldet?“ – ich als Kommunistin möchte was sagen, gilt nicht, ich als Frau schon! Was Frau dann sagt, ist zweitrangig. Aber sie als Frau soll unbedingt was sagen. Sie kann dann unwidersprochen den größten Stuss erzählen bzw. sagt sie was Richtiges und Spannendes, setzt man sich mit dem, was sie sagt, genau so wenig auseinander, weil es um die inhaltlichen Beiträge ja gar nicht geht, sondern dass sie als Frau etwas sagt. Kein anderer Standpunkt kann so daherkommen, Frauen schon, die dürfen fragen, ob es auch um sie geht. Das haben sie wirklich erreicht – die Frauen – die Anerkennung dieses Standpunkts. Den Problemen, die Frauen haben – egal welche – wird Respekt entgegengebracht: es wird betont, dass man sie ernst nimmt.
Es gibt Frauenbeauftragte, Gleichstellungsbeauftragte, Quotenregelungen, selbst in der Bundeshymne findet der Beitrag von Frauen lobende Erwähnung. Auch als Sprachreform feiert die Frauenfrage große Erfolge. Wenn ein Wort, das Berufe, Stände und sonstige Allgemeinheiten bezeichnet, wie Student, Arbeiter, Bürger, Zuschauer usw. kein „Innen“ erhält, gilt das als Missachtung von Frauen.
Wenn heute auch Frauen in Parteien, Unternehmensvorständen und Universitäten Ämter bekleiden, wenn sie Mathematik studieren oder zum Bundesheer dürfen, dann gilt dies immerhin als Schritt in die richtige Richtung, als Ausdruck gelungener Frauenpolitik. Die Vormacht der Männer ist gebrochen, wenn und soweit auch Frauen nach ihrem Bevölkerungsanteil überall dabei sind.
Zweitens gesteht jeder gerne ein: Besondere Probleme haben Frauen weiterhin, die sind durch die Gleichberechtigung nicht beseitigt. Für diesen Befund wird durchaus Disparates zusammengetragen: Nach wie vor sind Frauen in höheren Berufen, wie es so schön heißt, „unterrepräsentiert“, Quote hin oder her. Wenn ein Arbeitgeber Frauen schlechter bezahlt, dann darf er vor Gericht nicht das Geschlecht als Grund nennen. Das gilt dann als Diskriminierung und ist verboten; die schlechtere Bezahlung gibt es weiter. Überall gibt es staatlich geförderte Frauenhäuser; Eheterror und Prügelszenen sind ebenso wenig beseitigt wie die ruinöse Doppelbelastung durch Kindererziehung und Beruf. Härtere Strafen für Vergewaltigung führen nicht dazu, dass die Vergewaltiger aussterben usw.
Es besteht also ein Konsens bis weit hinein in feministische Kreise, dass es diese weiterhin bestehende „Diskriminierung“ der Frau gibt, obwohl doch die Gleichberechtigung – die eigentlich eine gute Sache ist oder war - eigentlich diese Probleme gelöst haben müsste.
Gegen diese Behauptung einer immer noch fehlenden „echten Gleichberechtigung“ und „Diskriminierung der Frau“ soll in der Sendung folgende Gegenthese entwickelt werden:
Die Forderung nach Gleichberechtigung geht an den Gründen für die Schlechterstellung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt ebenso vorbei wie an den Gründen für die unschönen Formen, die das Leben zu zweit gelegentlich annimmt. Dass die rechtliche Gleichstellung die Lage der meisten Frauen nur unwesentlich verbessert, liegt eben – so die These – daran, dass die rechtliche Ungleichheit gar nicht der Grund für diese Lage ist.
Die Sendung gliedert sich in folgende Teile:
1. Frauenemanzipation I – Die Forderung nach Gleichberechtigung – was ist davon zu halten?
Was hat sich da im Berufsleben und in der Familie getan?
2. Frauenemanzipation II - „Diskriminierung“ – als falsche Erklärung dessen, wie mit Frauen umgesprungen wird
3. Frauenemanzipation III – Positiver Geschlechterrassismus gegen Machotum
Anhang:
"Frauen in die Aufsichtsräte - Manuela Schwesig gendert den Kapitalismus: Die Klassengesellschaft wird weiblicher"
(Gegenstandpunkt 2-2015, http://www.gegenstandpunkt.com)
1. Frauenemanzipation I - Gleichberechtigung
Seit ihrem Beginn antwortete die Bewegung der Frauen auf die Rolle, welche Frauen im Kapitalismus spielen müssen, mit dem Ruf nach Gleichberechtigung. Der Ausgangspunkt: Frauen waren auf Kinder und Ehe festgelegt, dem Mann zu ehelichen Diensten verpflichtet und von seinem Einkommen abhängig. In der Konkurrenz um Arbeit und Lohn waren sie schlechter gestellt und den Konjunkturen der Geschäfte ganz besonders ausgeliefert. Die Frauenbewegung kritisierte dies als ein grundloses Unrecht speziell gegen Frauen. Sie stellte eine relative Schlechterstellung gegenüber den Männern fest und trat dagegen an. Frauen und Männer sollen in jeder Hinsicht gleichgestellt sein.
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Die Forderung nach Gleichberechtigung von Frauen geht davon aus, dass ganz jenseits aller Klassen und Schichten, aller Unterschiede und Gegensätze der materiellen Lebenslage, egal, ob Frauen Unternehmersgattin, Lohnarbeiterin, Lehrerin usw. sind, Frauen eine Gemeinsamkeit haben, die sie irgendwie zu Bundesgenossinnen macht. Dass sie also als solche dem anderen Kollektiv „Mann“ gegenüberstehen und dem gegenüber schlecht dastehen.
Was ist der Fehler an dieser Sichtweise? Es ist eine Sache, ob und wie die Staatsgewalt „die Frauen“ zu einem solchen Kollektiv zusammenfasst und rechtlich behandelt. Da war es eben so, dass nach der Seite des Rechts „die Frauen“ in früheren Zeiten, gegenüber den Männern schlechter gestellt waren, alle gleichermaßen von diesen Gesetzen betroffen waren. Bloß: Aus dieser gleichen Betroffenheit durch staatliche Gesetze wird noch lange nicht eine positive Interessenidentität „der“ Frauen.
Eine gleichartige Betroffenheit ummünzen zu wollen in ein gemeinsames Interesse, ohne danach zu fragen, ob diese spezielle Betroffenheit eine Gemeinsamkeit überhaupt hergibt und wenn, ob das überhaupt eine Gemeinsamkeit ist, die man – auch als Frau! - vernünftigerweise wollen sollte, das ist der Ausgangsfehler der gesamten Frauenbewegung, dass es tatsächlich
so etwas gibt wie gemeinsame Fraueninteressen, die alle Frauen zu einem Kollektiv zusammenschmieden oder zumindest zusammenschmieden sollte.
a. Lage der Frau am Arbeitsmarkt und wie sie aufgefasst wird
Nach wie vor hört man, wenn es um die Frau am Arbeitsmarkt geht, als Kritikpunkte, dass Frauen vorwiegend im Niedriglohnsektor beschäftigt sind, dass Frauen in der Berufshierarchie nicht so leicht aufsteigen können, schwerer in Unternehmensvorstände rein kommen usw.
Worauf richtet sich eigentlich die Kritik, wenn man sich darüber beschwert, dass Frauen überwiegend im Niedriglohnsektor beschäftigt sind? „Niedriglohnsektor“ – damit ist doch ausgedrückt, dass es erstens eine Lohnhierarchie gibt und in dieser wiederum Abteilungen, deren Lohn einem das Auskommen extrem schwer macht. Wen es stört, dass es überwiegend Frauen sind, die im Niedriglohnsektor beschäftigt sind, den stört nicht, dass es eine Lohnhierarchie und einen Niedriglohnsektor gibt, sondern dass darin das Verhältnis von Mann und Frau nicht stimmt. Dieser Standpunkt geht nicht von der Frage aus, ob der Lohn fürs eigene Leben reicht, sondern ob die miesen Löhne sich gleichmäßig aufteilen auf Mann und Frau.
Mehr Frauen nach oben in der Berufshierarchie – weniger Männer. Das mag für diejenigen, die solche Posten ergattern, ein Vorteil sein. Aber wieso soll es denn die Sache der Frau, also aller Frauen voranbringen, wenn ein paar von ihnen jetzt auch oben statt unten sitzen. Die Frage, wer davon was hat, wem Frauen auf Professorenposten oder im Bundeskanzleramt fehlen, außer eben der Person, die da zu Macht und Würden kommt, wird gar nicht mehr aufgeworfen.
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Von welchem Maßstab aus kritisiert der Vorwurf der Ungleichbehandlung eigentlich die festgestellten Lohnunterschiede und die unterschiedlichen Karrierechancen? Die Frauenbewegung fragt nicht nach den Gründen dafür, warum Frauen anders behandelt werden, sondern: Ist die schlechte Behandlung berechtigt? Also: Ist es gerecht, dass Frau bloß weil sie Frau ist, von der Konkurrenz ausgeschlossen wird? Sie geht gar nicht vom Interesse aus, sondern gibt ein Kriterium getrennt vom Interesse dafür an, inwieweit es von der Gegenseite Berücksichtigung verdient. Das Kriterium ist genau das, von dem die kapitalistische Gesellschaft selbst behauptet, es würde in ihr gelten: Die Verteilung der Anwärter auf die Berufe soll ohne Ansehen der Person, bloß aufgrund der Leistung erfolgen. Persönliche Merkmale sollen da – so heißt es – keine Rolle spielen.
Diesen, vom Kapitalismus selbst ausgegebenen Maßstab übernimmt die Frauenbewegung und betont: Es liegt nicht an uns, dass wir ausgeschlossen werden. Wir liefern keinen Grund: Genauso leistungsfähig, etc. Bei schlechterer Bezahlung, weniger Uni-Professorinnen etc. handelt es sich um eine unberechtigte Schlechterstellung des Kollektivs Frau; eine, die Frauen nicht verdient haben. Alle Maßstäbe der verlangten Leistung, der Bezahlung, der Einsortierung in gute/schlechte Jobs sind damit anerkannt.
Dass in Ausbildung und Arbeitsmarkt eine Sortierung, eine Verteilung von Lebenslagen stattfindet, dass es Gewinner und Verlierer gibt - was ist die Kritik der Frauenbewegung daran? Nicht dass es Gewinner und Verlierer gibt, sondern die Aufteilung von Männern und Frauen in beiden Gruppen wird überprüft. Nach dem Motto, dass Frauen bei den Konkurrenzverlierern sind, ist o.k., solange gleich viel Männer dabei sind.
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Worin täuscht sich die Beschwerde über die Ungleichbehandlung? Es stimmt nicht, dass die Schlechterstellung von Frauen beim Lohn und der Karriere sich einer Un-Gleichbehandlung verdankt. Sie war und ist Produkt der Gleichbehandlung nach den Maßstäben der gültigen Wirtschaftsordnung. Es liegt an den Kriterien, denen sie in gleicher Weise wie die Männer unterworfen werden, wenn sie auf Jobsuche gehen oder höhere Posten anstreben. An den Maßstäben, die der kapitalistische Arbeitsmarkt an alle anlegt, die darauf angewiesen sind, da ihr Geld zu verdienen.
Was sind das für Maßstäbe? Wo Löhne Kosten sind und der Arbeitgeber möglichst viel Leistung für wenig Geld sehen will, da sucht er sich seine knapp kalkulierten Leistungsträger – schon gleich bei übervollem Arbeitsmarkt – nach extrem kleinlichen Maßstäben aus. Da heißt das Argument gegen Frauen: Die haben doch noch einen zweiten Beruf: Kinder bekommen und aufziehen. Entweder haben sie sie bereits oder das kommt noch. Das Faktum allein, dass Frauen diese zweite gesellschaftliche Rolle haben, gibt Abstrichpunkte an Verlässlichkeit, unabhängig davon ob im konkreten Fall, die Frau überhaupt eine Familiengründung vor hat oder nicht.
Was hier gegen Frauen schlagend wird, ist ein gesellschaftlich anerkannter und durchgesetzter Rassismus bei der Frage der Einstellung von Arbeitskräften. Arbeitskräfte werden nach den Durchschnittseigenschaften des Kollektivs, zu dem sie gehören, beurteilt: Ältere Arbeitskräfte finden keine Arbeitsplätze mehr. Warum? Weil es heißt, je älter, desto kränker. Ob das im Einzelfall überhaupt stimmt, muss der Personalchef gar nicht prüfen. Frau sein = Konkurrenznachteil wegen der zweiten gesellschaftlichen Rolle – egal, wie die einzelne Frau die handhabt, ob sie überhaupt will usw. Dieser Rassismus verdankt sich nicht einfach einer falschen Einstellung, einer Borniertheit von Personalchefs. Er hat seinen Grund in der kapitalistischen Kalkulation mit dem Preis der Arbeit. Die Ungleichbehandlung ist Resultat der Gleichbehandlung in Sachen Brauchbarkeit fürs Kapital. Unter diesem gleichen Maßstab werden die Arbeitskräfte verglichen und Unterschiede an ihnen im Zweifelsfall gegen sie gewendet.
Rücksicht auf Besonderheiten, Eigenheiten von Menschen nach dem Motto wie z.B. „Vielleicht verdienen Frauen, wenn sie schwanger sind, die Regel haben usw. besondere Berücksichtigung“ verbietet sich in solch einer Ökonomie. Diese Ökonomie hat nicht ihren Maßstab darin, was sie für die Menschen taugt, sondern umgekehrt die Menschen werden nach ihrer Brauchbarkeit für die Wirtschaft beurteilt und sortiert. Statt den Maßstab zu kritisieren, engagierte sich die Frauenbewegung in dem Beweis, dass Frauen genauso anpacken und arbeiten können wie Männer, wenn nicht noch mehr.
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Die nach wie vor bestehende Schlechterstellung von Frauen trotz rechtlicher Gleichstellung führen sie auf veraltete Vorurteile zurück. Dass es Vorurteile gibt, ist nicht zu bestreiten. Wie bereits erwähnt, z.B. dass einer Frau beim Bewerbungsgespräch unabhängig von ihrer individuellen Lebensplanung die potentielle Rolle einer Mutter und damit eine verminderte Leistungsbereitschaft als ihre Eigenschaft zugeschrieben wird. Wenn man die Ablehnung durch einen Personalchef auf Vorurteile zurückführt, was macht man da? Die Kritik geht davon aus, dass die Bewertung, die der Personalchef da vornimmt, etwas Objektives sein müsste, erfassen müsste, was wirklich in einem Menschen steckt. Sie streicht die Macht zum Bewerten durch: das Recht, Verhalten als Indiz für Untauglichkeit zu nehmen.
Auch bei dem Inhalt von Vorurteilen handelt es sich nicht einfach um willkürliche Zuschreibungen, sondern um die Macht, aus gültigen gesellschaftlichen Kriterien der Ein- und Unterordnung Urteile über die Person zu fällen: Weil die so ist, gehört sie auch in die niedere /höhere Kategorie. Das zu dementieren, dagegen zu halten: Nein, die ist doch auch vollwertig, kritisiert nicht die Gemeinheit dieser Einsortierung, sondern will eine andere.
Anders gesagt. Dass das Vorurteil seine Wirksamkeit entfaltet, liegt doch daran, dass einer in Amt und Würden es anwendet. Wenn jemand jede Frau prinzipiell als werdende Mutter sieht, könnte einer Frau das doch ziemlich egal sein, wenn sie mit diesem Mann nichts zu tun hat, wenn er keinerlei Entscheidungsgewalt über sie hat wie z.B. ein Personalchef, der über die Frage der Einstellung entscheidet. Es handelt sich eben nicht bloß um bornierte Standpunkte, um die bräuchte man sich nicht weiter zu scheren, sondern im Fall des Personalchefs befindet sich Frau wie Mann in einem Abhängigkeitsverhältnis. Diese Macht, über die Möglichkeit der Einkommenserzielung anderer entscheiden zu können, soll nicht bestritten werden, die Entscheidung soll nur vorurteilsfrei sein. Eine solche Kritik anerkennt, dass sortiert wird und anerkennt in Gestalt ihres Ideals auch die Sortiermaßstäbe, möchte sie nur streng objektiv angewandt sehen.
Eine solche Kritik will auch nicht zur Kenntnis nehmen, warum sich diese Vorurteile – die gegen die Leute bei Jobbewerbungen ausgetragenen rassistischen Urteile – so hartnäckig halten. Sie verdanken sich einem Interesse an perfekter Übereinstimmung von Leistungsfähigkeit des Mitarbeiters und Jobanforderungen, von diesem Interesse her werden Frauen wie Männer begutachtet. Dieses Interesse ist der Skandal und nicht, dass mehr Frauen bei dessen Betätigung hinten runterfallen. Übrigens: Und wenn dem Personalchef beigebogen wird, dass Frauen das auch können – dann ist ihm das auch recht. Und was ist jetzt für die Sache der Frau gewonnen?
b. Frau und Familie
Die Forderung nach Gleichberechtigung in der ehelichen Gemeinschaft richtete sich gegen die Unterordnung der Frau unter den Mann in der Familie. Die war vor nicht allzu langer Zeit noch gesetzlich im Familienrecht verankert. Die Frau hatte die Entscheidungen des Ehemannes zu befolgen. Sie war vor allem für die Arbeit im Haushalt und die Pflege der Kinder zuständig. Über den häuslichen Wirkungsbereich hinaus war sie nicht geschäftsfähig, dh nicht berechtigt, eigenständig und ohne Zustimmung des Ehemannes Kauf- , Miet- und Arbeitsverträge abzuschließen. Sie waren vom Mann finanziell abhängig.
Das ist nach der Seite des Rechts inzwischen abgeschafft: Seit der Familienrechtsreform 1975 ist in Österreich der Mann nicht länger „Haupt der Familie“ und kann seiner Ehefrau nicht mehr verbieten, berufstätig zu sein. Mann und Frau haben nun gleiche Rechte und Pflichten, sie sind nun gleichermaßen dazu verpflichtet, sich um die Familie zu kümmern, wechselseitig für einander und die Kinder einzustehen.
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Die Institution „Familie“: Zusammen leben, Kinder bekommen ist nicht einfach eine private Sache. Der Staat kümmert sich darum, nimmt die Lebensgemeinschaft unter seinen „Schutz“. Er macht aus einem Verhältnis, das aus privaten Gründen eingegangen wird, ganz auf Freiwilligkeit, auf Zuneigung gründet, ein Pflichtverhältnis. Klar: Zwingen kann und will der Staat die Leute zum Heiraten und Kinderkriegen nicht - das machen sie schon selbst, aus eigenen Gründen. Aber kaum machen sie es, schlägt das Familienrecht zu. Was man für den anderen bzw. für das Zusammensein tut, ist dann rechtlicher Auftrag. Der Staat macht aus einer freiwilligen Übereinkunft eine Zwangsgemeinschaft: Zwei Menschen bilden rechtlich eine Wirtschaftseinheit; wird man ein Leben lang nicht los, auch wenn das Interesse am Zusammensein längst erloschen ist. Auch das Verhältnis zum Kind ist nicht einfach das der Zuneigung und des Kümmerns, darauf verlässt sich die Staatsgewalt gar nicht. Kinder = Pflicht zur Aufzucht; elterliche Gewalt = rechtliche Verantwortung ganz unabhängig davon, ob Leute das überhaupt können, finanziell schaffen etc.
Warum macht der Staat das? Er benutzt das ganz ohne sein Zutun vorhandene Liebesverhältnis, um daraus seine eigene Keimzelle, die Keimzelle des Staates zu machen. Wegen der von der Familie verlangten Leistungen überlässt er es nicht der privaten Willkür, sondern stellt es mit dem Familienrecht auf Dauer. Kaum haben sich zwei gefunden und geheiratet, finden sie sich in einem Pflichtverhältnis zu einander und ihrem Nachwuchs wieder. Eltern mögen die Sache sehen, wie sie wollen, für den Staat sind Kinder sein Nachwuchs. Nachwachsende Elemente seines Volkes: Es soll auch in Zukunft genug Österreicher geben für alle Aufgaben und Funktionen, die Staaten so für ihre Bürger bereithalten. Das Volk ist eine nationale Ressource, auf die die politische Gewalt für alle Aufgaben zurückgreifen kann, die sie erledigt haben will: Arbeitsmarkt, Bundesheer usw.
Dabei geht der Staat ganz selbstverständlich davon aus, dass die ökonomischen Verhältnisse, unter denen das Gros seiner Bürger lebt, für die Erbringung der Leistungen der Familie nicht eben förderlich sind. Er benutzt die Zuneigung der Leute dafür, dass die Reproduktion der Arbeitskraft halbwegs klappt: Familie als Wirtschaftsgemeinschaft, mit ihrem Einkommen für einander haftbar. Er benutzt das Interesse an Kindern für die Reproduktion seines Nachwuchses. Der Staat verlässt sich nicht auf Zuneigung/Für-Einander-Einstehen-Wollen, rechte Entscheidungen in Sachen Erziehung. Er macht daraus einen Rechtsanspruch der Eheleute gegeneinander und auch der Kinder gegen die Eltern.
Dieser staatlichen Benutzung der Liebe zur Verpflichtung auf Treue und Fürsorge über die Vergänglichkeit der Liebe hinaus, der Belastung des Geschlechterverhältnisses mit den Kosten und Opfern der völkischen Reproduktion galt die Kritik der Frauenbewegung nie. So als ob es die größte Selbstverständlichkeit wäre, dass das Liebesleben von zwei Menschen untrennbar mit solchen Kosten und Opfern verbunden sein soll, blieb deren Notwendigkeit unbestritten. Kritisiert wurde von der Frauenbewegung ausschließlich, dass die für den Bestand der Familie zu erbringenden Opfer nicht gleichmäßig auf Mann und Frau verteilt waren. Auch der Mann sollte Abspülen, sich der Kindererziehung widmen und dem Glück der Frau dienen, wie sie dem seinen. Auch die Arbeit für den Unterhalt kam dabei in den Blick, aber nicht als das, was sie ist, als Verpflichtung auf einen Dienst am Reichtum anderer, sondern als Privileg, das keinesfalls den Männern vorbehalten bleiben dürfe.
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Das staatliche Interesse an der Familie ist allerdings nur die eine Hälfte: Die zweite ist, wie die „Ehepartner“ selbst sich zu dieser ihrer Lebensgemeinschaft stellen, was sie von ihr erwarten. Die Privatsphäre gilt als die Abteilung des Lebens, wo der Mensch das tun kann, was er selbst will, als die Sphäre der Selbstverwirklichung. Das Arbeitsleben gilt bloß als Mittel dafür. Es passiert eine subjektive Umkehrung des wirklichen Verhältnisses, das für jeden bedeutet, Funktionen für Kapital und Staat zu erfüllen. Die Reproduktion ist Mittel für diesen Zweck.
Wie sich das geltend macht, hängt deshalb wieder schwer vom Geldbeutel ab. Je schlechter der Lohn, desto mehr kürzt sich diese angebliche Selbstverwirklichung auf bloße Wiederherstellung von Funktionsfähigkeit für den Job zusammen. Für diesen Idealismus der Selbstverwirklichung spielt der Lebenspartner eine besondere Rolle. In ihm, in der „gemeinsamen Zukunft“ fasst sich der Standpunkt zusammen. Dafür, für uns macht man doch alles, nimmt man alle Härten des Jobs auf sich…
Dafür erwartet man dann aber auch vom Partner etwas: Zuwendung, Verständnis, für einen da sein, wenn man müde vom Job kommt… Darauf meint man seitens des anderen ein Recht zu haben. Schließlich macht man ja alles nur für die Familie..Mit diesem Anspruch gehen die Ehepartner aufeinander und auf die Kinder los. Das kann nur scheitern und führt zu den in den Zeitungen nachzulesenden unschönen Szenen und Gewaltexzessen im Privaten.
Aus dem Liebesverhältnis wird schnell ein Tausch- und Anspruchsverhältnis, in dem der andere eigentlich nur versagen kann. Der kann gar nicht kompensieren, was man im Job alles mitmacht, vielleicht will er es aber auch gar nicht, sondern macht seinerseits Ansprüche auf: Statt Fußball und Kegelabend mal zuhause bleiben, ich will auch mal was von dir haben etc., kennt jeder zumindest von seinen Eltern. Ähnlich die Kinder: da heißt es, Kinder = mein ganzes Glück. Die Eltern haben eine Vorstellung davon, wie sie zu sein haben, was aus ihnen werden soll: ein Wesen nach dem eigenen Bilde schaffen kann nur schiefgehen, dann sind Kinder „missraten“.…
Beim Hinkriegen der Kompensation spielt dann durchaus die materielle Ausstattung der Familie eine Rolle. Der Fehler ist aber dieser Anspruch, egal, ob er von Mann oder Frau geltend gemacht wird. Deshalb entscheidet die materielle Lage auch wirklich nicht darüber, wie welche Seite ihren Rechtsanspruch auf Dasein, zu Willen sein, sich dem eigenen Anspruch gemäß machen geltend macht, eben bei manchen auch mit Schlägen.
Die Forderung nach Gleichberechtigung der Frau in diesem Verhältnis kritisiert nicht diesen Idealismus, nicht den falschen Anspruch auf Selbstverwirklichung, der sich den Kapitalismus als gute / schlechte Bedingung für Privatheit zurechtdefiniert. Sie kritisiert vielmehr, dass die Familie dem Recht der Frauen auf Selbstverwirklichung zu wenig Raum gibt, diese nur dem Mann eröffnet.
2. Frauenemanzipation II – Volksbewegung gegen „Diskriminierung
Der Ruf nach Gleichberechtigung wurde erhört: Die Angleichung ihrer Rechtsstellung an die der Männer hat das Los der großen Mehrheit der Frauen allerdings nicht verbessert. Die rechtliche Gleichstellung begleitete vielmehr die mehrheitliche Eingliederung der Frauen ins kapitalistische Berufsleben. Die "Befreiung" aus der Enge der Familie führte nur zur allgemeinen Gewohnheit erst des Zu-, dann des Doppelverdienens – so sehr, dass heute kein Mensch einen proletarischen Lohn von Mann oder Frau mehr daran misst, dass man damit eine Familie ernähren können müsste. Aus dem „Frau darf arbeiten“ ist „Frau muss arbeiten geworden“, wenn man sich überhaupt Kinder leisten will. Nur ein Einkommen in der Familie ist heute Ausdruck entweder besonderer Armut (Kinderreiche, Arbeitslose) oder besonders hoher, bei Arbeitern und kleinen Angestellten unüblicher Verdienste.
Die meisten Frauen und Mütter bleiben nicht nur wegen der Lebenslüge vom familiären Glück, sondern aus blanker Not auf das Arrangement mit dem Gatten angewiesen. Mancher Ehekrieg bleibt in der Familie, mag das Scheidungsrecht noch so gleiches Teilen jenseits aller Schuldfragen vorschreiben. Dass dieses Recht den normalen Frauen die Freiheit nicht bringt, liegt nicht am Recht, sondern am durchschnittlichen Masseneinkommen, das eine Versorgung von zwei Haushalten nicht erlaubt.
Dass alle Rechtsgleichheit nichts an der Lage der normalen Frauen geändert hat, haben die Vertreterinnen der Ungleichheitskritik aus den besseren Kreisen nicht zum Anlass genommen, die Vernunft der alten Forderungen nach rechtlicher Gleichstellung in Zweifel zu ziehen.
Wie erklärt die Frauenbewegung sich das? Sie halten an dem Ruf nach gleichen Rechten fest und halten die Lage der Frauen für den Ausdruck verweigerter Rechte, die es gibt. Diskriminierung heißt dies und ist eine sehr positive Einstellung zu den juristischen Anordnungen der Staatsgewalt: Sie würden Gleichheit versprechen, aus anderen Gründen aber würde diese Gleichheit den Frauen im praktischen Leben der Gesellschaft verweigert.
So registriert die Frauenbewegung ganz falsch, dass es sich bei der Lage der Frau nicht um eine Rechtsfrage handelt. Frauenbewegte sehen es so, dass mehr dahinter steckt als schlechte oder ungerechte Gesetze; aber nicht etwa staatliche oder ökonomische Anliegen, sondern eine ganz grundsätzlich falsche Einstellung der Männer zur Frau. Jetzt bekämpfen sie den Geist der abgeschafften alten Gesetze als Männermoral. Diese seien eben zu einer wirklichen Wertschätzung und Anerkennung der Frauen nicht bereit.
3. Frauenemanzipation III – Positiver Geschlechterrassismus gegen die Machos (Feminismus)
So wird die Frauenbewegung zum Feminismus und die Entdeckung verweigerter Frauenrechte wird universell. Erst von diesem Gedanken aus wird das unbestimmte Personalpronomen der deutschen Sprache eine Beleidigung des weiblichen Geschlechts. Erst auf diesem Standpunkt schließt sich die Karrierefrau mit der "unterdrückten Frau", in deren Namen sie kritisiert, wieder solidarisch zusammen und findet sich mindestens ebenso betroffen wie diese. Nicht nur in Fabriken verdienen Frauen weniger, sie können auch nicht so leicht Chefarzt einer großen Klinik werden wie Männer; und beides ist gleich verwerflich, weil beides Ausdruck einer ideellen Missachtung der Frau ist, die überall in der Gesellschaft ihr Unwesen treibt.
Der pur ideelle Standpunkt der Anklage im Namen verweigerter Würde hat aber einen Widerspruch, der dem Feminismus erst seine ganze Radikalität verschaffte. Dass man Anerkennung nicht fordern kann, registrierten die Frauen, aber nicht dahingehend, dass es ihnen darauf eben nicht ankommen sollte, sondern ganz wie die verachteten US-Schwarzen mit ihrem: „Black is beautiful!“, so dass sie sich die verweigerte Anerkennung selbst spenden, und sich die Frauenwürde wechselseitig als Frauen sichern. Sie bekennen sich zu sich selbst und sind stolz auf haargenau das, was die Verächter verachten. So wird das Geschlecht zur absoluten Hauptsache: Man versteht sich als Frau - und pflegt Fraulichkeit. Hat man früher gleiche Chancen und Zugang zu Geschäft, Bildung und öffentlichem Leben gefordert, so nun Rassentrennung: Frauencafes, Frauendiscos und Frauenräume in der Uni. Frauen sind anders, haben eine Frauentradition und Frauenideologie.
Den Inhalt bezieht der Stolz auf die Andersartigkeit der Frau aus all den Macho-Rassismen von der weiblichen Inferiorität; nun freilich als positiv umgewertete Eigenschaften, als Selbstverwirklichung und natürliche Bestimmung der Frau: Fühlen statt Denken, ganzheitlich statt analytisch, Wunder des Lebens statt Technik, Mutteropfer als Mutterglück. Das ist nicht bloß eine abgehobene theoretische Übung: Die Repräsentantinnen der Frauensache wollen für die Besonderheit der Frau gesellschaftliche Anerkennung – worin sie im Einzelnen auch bestehen mag, darüber darf man sich streiten, dass es sie irgendwie gibt, steht fest.
Frau-Sein ist nicht nur Recht, sondern auch ein Beitrag zu dieser Gesellschaft: Die hat was davon, wenn allüberall, selbst in der Armee das weibliche Element eine Rolle spielen darf. Anerkennung der Frau fehlt nicht nur den Frauen, sondern der Gesellschaft. So kommt die Frauenbewegung da an, wo wie heute steht: Das Bedürfnis, ganz Frau und darin frei zu sein, ist in – es darf mitten im Kapitalismus als Argument zu jeder Zeit und zu jedem Anlass vorgebracht werden. Dieses Argument verkündet in allen Angelegenheiten des bürgerlichen Lebens dasselbe, nämlich eine besondere Betroffenheit der Frau, um daraus ein extra Recht auf Berücksichtigung abzuleiten. Mit einer tatsächlichen Veränderung der Stellung der Frau hat das garantiert nichts zu tun – eingeklagt wird ja nur der Respekt vor der Würde der Frau bei dem, was sie im kapitalistischen Betrieb und für ihn leistet. Und dieser Respekt ist dann am Werk, wenn der Frauenstandpunkt vertreten werden darf und Gehör findet.
Einerseits ist Frau deswegen leicht zufrieden zu stellen. Ihre Erwähnung in sämtlichen Affären, von der großen Politik übers Militär bis zu den kleinen Scherzen bei der Parkordnung leistet da hervorragende Dienste. Andererseits dürften die Anwälte der Frauenwürde kaum je zur Beendigung ihrer Plädoyers kommen. Die ausgiebige Zirkulation ihres Standpunkts ist eben der einzige Fortschritt in der Frauenfrage; und aus ihrer Sicht der Dinge gibt es immer noch haufenweise Machos, denen es Bekenntnisse und Quotierungen abzuhandeln gilt.
Anhang:
"Frauen in die Aufsichtsräte - Manuela Schwesig gendert den Kapitalismus: Die Klassengesellschaft wird weiblicher"
(Gegenstandpunkt 2-2015, http://www.gegenstandpunkt.com)
Die Verabschiedung des Gesetzes zur Frauenquote durch Bundestag und Bundesrat im März erklären seine Macher zu einer Sternstunde der Frauenemanzipation. Gefeiert wird das „Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst“ als eine „Initialzündung für mehr Gleichberechtigung“, die „einen Kulturwandel in Deutschland“ einleitet (Staatssekretär Kelber). Die Familienministerin spricht sogar von einem „historischen Schritt“, dem als „nächster Schritt zur Gleichberechtigung“ der „Gesetzentwurf für mehr Lohngerechtigkeit zwischen Männern und Frauen“ (Tagesschau, 27.03.2015) folgen soll. Über diesen „größten Beitrag zur Gleichberechtigung seit Einführung des Frauenwahlrechts“ (Maas, SPD) können sich demnächst also ca. 250 handgezählte Spitzenfrauen freuen: Ab dem 1. Januar 2016 müssen in rund 108 börsennotierten Unternehmen Frauen bei der Besetzung von Aufsichtsratsposten zu 30 % berücksichtigt werden – sonst bleibt die Stelle unbesetzt – , und „3500 weitere Firmen müssen sich ab 2015 zumindest verbindliche Ziele für die Erhöhung des Frauenanteils in Führungspositionen setzen“ (Manager-Magazin, 6.3.). Die politischen Gestalter der sozialen Verhältnisse legen offenbar großen Wert auf Frauen in der Spitze von Konzernen. Dass die dort bislang unterrepräsentiert sind, finden die Gesetzgeber ungerecht, handelt es sich doch bei diesen Jobs um die mit den größten Machtbefugnissen und der höchsten Bezahlung. Dabei spielt das, was die neuen Frauen da im Dienste des großen Kapitals künftig machen sollen, jenseits der abstrakten Bestimmung, sie sollten eben vermehrt „führen“, keine Rolle.
1.
Zwei Prachtexemplare „weiblicher Führungsstärke“ machen aber bereits vor, was in Zukunft für immer mehr Quotenfrauen möglich sein soll. Die Firma Siemens setzt große Hoffnungen in eine Janina Kugel, die Anfang des Jahres als Personalvorstand „eine Schlüsselposition im Konzern übernimmt“ und für 341 000 Mitarbeiter „zuständig ist“. Sie wird also zum Nutzen der Siemens-Aktionäre Entscheidungen fällen über die Arbeit, die andere Leute zu machen haben; sie wird diese kontrollieren und ihnen sagen, für welches Geld was zu tun ist; und sie wird aus ihnen mit Hilfe vieler Untergebener beiderlei Geschlechts die Arbeit herausholen, die die Siemens-Eigentümer noch reicher macht, und, wo dies nicht der Fall ist, solche Arbeit abschaffen. Deshalb hat sie in ihrer Funktion „als neue Arbeitsdirektorin“ unter anderem die Aufgabe, „in Deutschland 3300 und weltweit 7800 Stellen zu streichen“ (FAZ, 4.4.). Das soll man einfach super finden. Jetzt nicht direkt die Entlassungen, obwohl die schon irgendwie – leider natürlich – nötig sein werden; aber dass eine Frau sich dieser „konfliktreichen Aufgabe“ stellt, das soll einen schon begeistern:
„Es ist eine atemberaubende Karriere für die resolute gebürtige Stuttgarterin. …Dabei übernimmt die Mutter von Zwillingen als neue Arbeitsdirektorin eine alles andere als leichte Aufgabe. … Die Strukturen sind noch immer starr, zudem sollen Tausende Stellen gestrichen werden, viele Mitarbeiter müssen sich intern auf neue Jobs einstellen. Das birgt viel Potential für Konflikte. … Kugels Vorgänger sind alle gescheitert.“ (SZ, 27.1.)
Offenbar hielten es Frauenfreunde für einen echten Fortschritt der Gleichberechtigung, wenn nunmehr Frau Kugel bei der rentabilitätsorientierten Um- und Wegorganisation tausender Arbeitsplätze erfolgreicher wäre als ihre männlichen Vorgänger. Soll man sich wirklich vorstellen, dass der Verlust des Einkommens durch Entlassung einen Betroffenen weniger hart ankommt, wenn die Entscheidung gegen seine Lebensverhältnisse durch eine zweifache Mutter getroffen wurde? Die Frage ist unpassend, weil es hier entschieden um die exemplarische Erfolgsgeschichte einer Frau an den Schalthebeln des unternehmerischen Privateigentums gehen soll, weswegen an dieser Stelle nicht interessant ist, dass die weibliche Führungskraft massenhaft anderen Leuten das Leben schwer macht, sondern an sich selbst hohe Ansprüche stellt: einer Frau, die, „ganz Familienmensch“, in all ihrer Weiblichkeit auch für die notwendigen Härten globaler Unternehmerverantwortung einsteht und dafür unsere Sympathie verdient. Und darüber hinaus unsere Bewunderung, wenn sie das, was sie mit der ihr ausgelieferten Belegschaft vorhat, ganz munter als Betätigung ihrer persönlichen Neigung zum Aufräumen ankündigt: Die „Konflikte“, die sie zu Lasten der Belegschaft anzetteln will, schrecken sie nämlich nicht, hatte sie doch „immer mit Veränderungen zu tun, meist mit Situationen, in denen Dinge umgekrempelt werden müssen“ (Human Resources Manager, 5.12.14). Solche Frauen braucht das Land – nicht immer solche, die dauernd ihre Wohnung umräumen, sondern solche wie die Kugel, die als Frau führt und von Berufs wegen die Existenzen tausender Siemens-Beschäftigter „umkrempelt“ – und nebenher noch ihre Zwillinge und ein „kleines Familienunternehmen managt“!
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Während Kugel bereit ist, ein Kommando in der wirklichen Arbeitswelt einer globalen Firma zu übernehmen, spielt eine andere Vorzeigefrau, Christine Lagarde, Chefin des IWF, ihre Rolle auf dem Feld der internationalisierten finanzpolitischen Herrschaft der den IWF beherrschenden Weltmächte. Ihr erweist die SZ unter der Rubrik „Finanzfrauen“ die nächste Reverenz. Als „Schlüsselfigur“ des „internationalen Finanzparketts“ hat sie es auch „ganz nach oben“ geschafft und bewiesen, dass Frauen sich auch als Führungsfiguren in der internationalen Finanzwelt bewähren können. Sie mischt nicht nur wie Kugel eine Weltfirma, sondern ganze Länder auf. In der Welt der Nationalbanken und ihrer Staatsschulden ist sie als Charaktermaske des imperialistisch verwalteten Reichtums und dabei ganz „bewusst“ als „Frau“ zu Hause:
„Lagarde ist sehr bewusst Frau. Sie äußert sich schon mal scharf gegen Sexismus, hält die Beteiligung von Frauen für einen Schlüssel zu Wachstum und Wohlstand …In Krisenzeiten seien Frauen die besseren Führungskräfte, sagte Lagarde einmal …“ (SZ, 28.2./1.3.15)
Was sie da in ihrer „Führungsposition“ zu tun hat, ist zwar hier nicht von Belang, jeder Interessierte kann es aber den Nachrichten entnehmen: Mit ihrem Währungsfonds teilt sie Staaten Kredit zu, anderen, die die vorgegebenen Konditionen nicht einhalten, verweigert sie ihn. So entscheidet sie mit über Wohl und Wehe von Nationen, deren kapitalistisches Lebensmittel der Kredit ist, und die ihn durch die Zurichtung ihrer Völker nach den Renditeanforderungen der Gläubiger als ihr Lebensgesetz anzuerkennen haben. Dass das gerade die verarmten Massen Griechenlands empfindlich zu spüren bekommen, nimmt kein Freund der Gleichberechtigung einer Frau wie Lagarde übel. Sie tut, was getan werden muss, und sie tut es als Frau, die sich jeder erforderlichen Härte fähig zeigt; die damit ihre Qualifikation beweist, und der man – schließlich soll sie ja als Ausbund femininer Führungsstärke gefeiert werden – dann auch noch unbesehen den dummen Spruch abnimmt, dass die Abwicklung der Einkommensquellen eines ganzen Volkes durch eine weibliche „Führungskraft“ mindestens genauso gut, ja eher besser, bewerkstelligt werden kann als durch eine männliche…
2.
Die eine Führungsfigur setzt mit viel Laune zum „Konflikt“ bei Siemens rentablere Arbeit und weniger Arbeitsplätze durch, die andere kujoniert über den IWF ganze Staaten. Die „Führungspositionen“ dieser mustergültigen Flintenweiber des Kapitalismus zeugen von dem Gegensatz, in dem ihre Tätigkeit zur Mehrheit der Frauen und Männer steht, seien sie Angehörige eines Betriebes oder eines zinspflichtigen Staatsvolkes. Das soll aber mitten im rasanten Fortschritt der Gleichberechtigung per Quotengesetz keine Rolle spielen. Da will der Begeisterung für diesen „Kulturwandel“ in Aufsichtsräten und anderswo eben einmal etwas anderes wichtig sein: Sie pocht an so einem gesetzlichen Feiertag der Frauenrechte darauf, die soziale Identität des Menschen läge noch allemal in seinem Geschlecht, und bläst den kleinen Unterschied zu so respektabler Größe auf, dass der Herrschaftscharakter der Führungsaufgaben in dieser Gesellschaft dahinter glatt verschwinden soll.
Dass es für Führungsaufgaben Geführte braucht, versteht sich von selbst. Die Diskriminierung der sozialen Klassen durch ihre Verteilung auf die Hierarchie der Berufe und der mehr oder minder auskömmlichen Einkommen geht denn auch völlig in Ordnung, wenn endlich die Geschlechterdiskriminierung überwunden ist, die Kommandohöhen der politischen und ökonomischen Herrschaft auch für Frauen erreichbar sind und wirklich nur mehr die Leistung im Dienst an fremdem Eigentum über gesellschaftlichen Rang und Teilhabe am Reichtum entscheidet.
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Die Ankündigung, dass der gesetzlichen Verpflichtung von Aktiengesellschaften, in ihren Aufsichtsräten demnächst auch eine Frauenquote zu erfüllen, „als nächster Schritt“ und wie im selben Geiste die „Lohnangleichung von Männern und Frauen“ folgen soll, die außerhalb von Aufsichtsräten arbeiten, ist für Schwesig und Nahles dann eine ihrer leichtesten Übungen. Nach dem großartigen Erfolg in Sachen Geschlechtergleichstellung in den Führungsetagen, wo Herrschaft und Ausbeutung in den Betrieben organisiert werden, versprechen die zuständigen Ministerinnen – so als wäre es ungefähr dasselbe – den Fortschritt demnächst gleich auch noch auf die uralte Praxis des Kapitals zu erstrecken, das weibliche Geschlecht als Konkurrenznachteil zu betrachten und so für die Einsparung von Löhnen bei den Objekten von Herrschaft und Ausbeutung auszunutzen – um das genauso uralte Ideal vom „gleichen Lohn für gleiche Arbeit“ zum tausendsten Mal aufzuwärmen.