Das Asylrecht und seine Kritiker
Teil I
WAS DAS ASYLRECHT TATSÄCHLICH
IST
Vor drei Jahren – genauer am 13.Oktober 2010 - erschien in der Tageszeitung „Die Presse“ ein Artikel mit dem Titel
„Gibt es in Österreich noch ein Asylrecht?“
in dem man Folgendes lesen konnte:
„Willkommen im freien Westen!" Es muss
1986 oder 1987 gewesen sein, als ein Staatspolizist im Journaldienst im
Polizeigebäude am Wiener Schottenring eine Flüchtlingsfamilie aus Rumänien mit
diesen Worten in Empfang genommen hat. Die Rumänen waren kurz davor mit dem
Schiff über die Donau nach Wien gekommen und suchten, wie sich Wolf Szymanski,
damals Polizeijurist und später langjähriger Fremdenrechtsexperte des
Innenministeriums, erinnert, hier Asyl. Ein Vierteljahrhundert später mutet die
Vorstellung, die Polizei heißt Flüchtlinge in Österreich willkommen, reichlich
fremd an. … „Das Asylrecht ist eine Tochter der Zeit, die sich gründlich gewandelt hat“,
sagt Szymanski.“(Gibt es in Österreich noch ein Asylrecht, Die Presse vom
13.03.2010)
Was ist der Grund für diesen geänderten Umgang mit Flüchtlingen? Mit dem Wandel
der Zeit wird dieser geänderte Umgang wohl nicht erklärt sein. Was hat sich an
der Asylpolitik Europas und Österreichs geändert und warum? Ist das Asylrecht
außer Kraft gesetzt worden oder hat der in den letzten 25 Jahren zu
konstatierende, zunehmend unfreundlichere Ton gegenüber Flüchtlingen etwas damit
zu tun, was das Asylrecht ist? Das soll im Folgenden geklärt werden.
Was ist das Asylrecht?
„Einem
Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat,
ist, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit
eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten
zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne
des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.“
(§3 Abs1 Asylgesetz 2005)
Sofern es einem Asylwerber überhaupt
gelingt, hierzulande einen Antrag auf Einleitung eines Asylverfahrens zu stellen
- eine Hürde, an der die meisten Flüchtlinge nicht nur wegen der militärischen
Aufrüstung der EU-Außengrenzen scheitern, sondern auch noch wegen
EU-Zuständigkeitsregelungen für das Asylverfahren -, muss der Asylwerber
nachweisen, dass er Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention ist.
Ein Flüchtling ist eine Person, die
Nicht jeder Fluchtgrund ist also auch schon ein anerkannter Fluchtgrund. Der in der UN-Konvention anerkannte Grund, den Heimatstaat zu verlassen, heißt „wohlbegründete Furcht“ vor Verfolgung „aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung“.
Schutz und Sicherheit, die das Asylrecht meint, hat schlicht nichts mit der gewöhnlichen Vorstellung von Hilfe für hilfsbedürftige Elendskreaturen zu tun. Die miese ökonomische Lage, in der sie sich, dort wo sie herkommen, befinden mögen, gibt für eine Anerkennung als Flüchtling im Sinne der Genfer Konvention jedenfalls nichts her. Wer vor Hunger, vor Seuchen und ähnlichen lebensbedrohenden Umständen flieht, hat nach der UN-Konvention keine Chance als Flüchtling anerkannt zu werden und hat damit schon einmal keinen Anspruch auf Asyl. Der ist – auch nach amtlicher Lesart - ein „Wirtschaftsflüchtling“ und muss zurück.
Die internationale Staatenwelt ist sich darin einig, dass sie sich von ihren Bürgern nicht daraufhin überprüfen lässt, was sie ihnen wirtschaftlich bietet. Es widerspräche tatsächlich dem System des global tätigen Kapitalismus, der weltweit massenhaft Armut herstellt, irgendwo und irgendwie die Erhaltung der massenweise von ihm produzierten Hungerleider dann doch wieder aufs Programm zu setzen oder denen, die zu fliehen versuchen, zu gestatten, dass sie von sich aus, ungebeten, mit ihrem Überlebensdrang und ihrer Dienstbereitschaft die Zentren des Weltgeschäfts behelligen.
Um überhaupt eine Chance auf Asyl zu haben, muss der Flüchtling schon nachweisen können, aus einem der in der Konvention taxativ aufgezählten Gründe verfolgt zu sein. Diese einzig anerkannten Fluchtgründe gehen allesamt auf das Verhältnis des Fluchtstaates zu seinen Bürgern. Geprüft wird, ob der Umgang, den das Fluchtland mit seinen konfessionellen, rassischen oder nationalen Minderheiten, den in seinem Land existenten politischen Gesinnungen pflegt, dem entspricht, was das um Asyl ersuchte Land für geboten hält. Maßstab sind damit diejenigen innerstaatlichen Verhältnisse, die das Zielland für geboten hält. Nur wenn die Asylbehörde diesbezüglich Abweichungen attestiert, kommt eine positive Erledigung des Asylantrages in Frage. Hunger und manch andere Existenzbedrohungen scheiden als anerkannter Fluchtgrund von vornherein aus.
Der Antrag eines Bauern von der
Karibikinsel Kiribati auf Asyl in Neuseeland, weil seine Insel wegen des
Klimawandels in absehbarer Zeit versinken wird, hatte daher keine Chance und
wurde auch vom neuseeländischen Gericht in allen Instanzen abgelehnt. „„Jemand, der ein besseres Leben sucht, indem er den empfundenen
Folgen des Klimawandels entflieht, ist nicht eine Person, [...] auf die die
Konvention zutrifft", hielt Richter John Priestley in dem am Dienstag
veröffentlichten Urteil fest.“
(http://www.focus.de/politik/ausland/schlappe-fuer-klimafluechtling-mann-aus-pazifikinsel-bekommt-kein-asylin-neuseeland_id_3433205.html)
Demokratie, Freiheit, Menschenwürde vertragen sich offenbar prima mit Elend, diese Lehre aus dem praktizierten Asylrecht, wollen Freunde des Asylrechts nie ziehen, wenn sie die Staaten mit ihren hilflosen Appellen dazu mahnen, doch bitte die Menschenrechte zu respektieren. Das Asylrecht war tatsächlich aber noch nie ein Rettungsprogramm für alle in Not Geratenen, was man nicht erst heute den massenhaft Toten im Mittelmeer entnehmen kann.
Geprüft wird also durch den Staat, der von einem Flüchtling um Asyl ersucht
wird, ob und inwieweit die Lage im Heimatstaat des Asylsuchenden seinen eigenen
Vorstellungen von einem ordentlichen und gesitteten Umgang eines Staates mit
seinen Staatsbürgern entspricht oder nicht. Die Unterzeichnerstaaten der
Flüchtlingskonvention haben sich darauf verständigt, im Falle eines Asylantrags
zu überprüfen, ob der Flüchtling aus „wohlbegründeter“
- sprich in ihren Augen berechtigter - „Furcht“
vor Verfolgung aus den genannten Gründen aus seinem Heimatstaat geflohen und
nicht in der Lage ist, dessen „Schutz“ in Anspruch zu nehmen. Die Anerkennung der von ihm vorgebrachten
Argumente - ob in seinem Fall einer dieser anerkannten Fluchtgründe vorliegt
oder nicht - ist Sache des um Asyl ersuchten Staates. Und diese Lagebeurteilung
folgt durchaus anderen Kriterien als dem, ob die Leute es bei sich zu Hause noch
aushalten. Um die Lage des Flüchtenden geht es bei dieser Überprüfung nur
bedingt.
Voraussetzung einer Anerkennung als
Flüchtling ist die „Wohlbegründetheit“
seiner Furcht vor Verfolgung aus den genannten Gründen:
„Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein,
wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter
Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist
(z.B. VwGH 22.12.1999,99/01/0334; 25.01.2001 „001/20/0011). Es kommt nicht
darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation
tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser
Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde.“ (Asylgerichtshof vom
26.6.2013, C15 421404-1/2011)
Bei der Frage, was wohlbegründete Furcht
ist, kommt es, wie man erfährt, nicht darauf an, ob und wie sehr der Asylwerber
sich tatsächlich gefürchtet hat. Seine Furcht mag glaubwürdig und echt sein, wie
sie will. Das interessiert nicht. Er muss die Asylbehörde von der objektiven
Notwendigkeit seines notwendig subjektiven Gefühls(!)[i] der Furcht
überzeugen; davon, dass er in seiner Lage gar nicht anders konnte, als sich zu
fürchten, dass er sich fürchten musste.
Die Frage nach der Notwendigkeit der
Furcht ist nicht mit der Frage nach ihrem Grund – nach ihrer logischen
Notwendigkeit also – zu verwechseln. Wenn sich jemand fürchtet, lässt sich diese
Furcht auch erklären. Weil sie sich aber erklären lässt, geht sie noch lange
nicht als notwendig im Sinne der Konvention durch. Die Messlatte der
Notwendigkeit der Furcht, die zur Anwendung kommt, ist das, was einem
durchschnittlichen westlichen Bürger als vernünftiger Grund erscheint.
Nigerianische Frauen mit ihrer Furcht vor
einem Voodoo-Zauber, mit dem sie sich zur Prostitution in europa zwingen lassen,
stehen da schon einmal verdammt schlecht da. Ob diese Furcht wohlbegründet ist,
ist da schon einmal sehr die Frage.
„„Die Mädchen, die zum
Arbeiten nach Europa gebracht werden, kommen vor der Abreise und leisten in
einem Ritual im Schrein einen Schwur. Ich nehme dafür Fingernägel, Haare,
Schamhaare, Achselhaare und Regelblut. Darauf schwören sie, dass sie zahlen
werden und wie viel. Wenn eine nicht zahlt, dann wird sie krank, verrückt oder
drogensüchtig", erklärt der Juju-Mann, richtet sich zu voller Größe auf und
rollt die blutunterlaufenen Augen. …
Für die
Opfer werden die Drohungen zu Realität: Oft sterben Angehörige, wenn sie die
Prostitution verweigern, erzählt uns ein Psychologe von Naptip, der
nigerianischen staatlichen Stelle gegen Menschenhandel. Meist aber trifft es die
Frauen selbst: Sie glauben an den Schwur und verfallen in Wahnvorstellungen. Die
Juju-Priester sind ein wichtiger Teil der Frauenhandelsmafia. Verfolgt werden
sie trotzdem nicht: „Als Beamter weiß ich, dass ich sie verfolgen sollte", sagt
der
Psychologe. „Aber als Afrikaner glaube ich an den Zauber."“(http://www.leeza.at/Analysen/business-mit-der-qware-frauq)
Auch bei der Frage ob „Verfolgung“ vorliegt, erfährt der
Asylwerber, dass nicht jede Schikane, nicht alles was als Verfolgung erlebt
wird, auch schon Verfolgung ist.
Was als
Verfolgung gilt und was nicht, ist einzig und allein Entscheidung der für die
Bearbeitung des Asylantrages zuständigen Asylbehörde. Dazu kann man in den
Erkenntnissen der österreichischen Asylbehörde nachlesen:
„Unter Verfolgung ist ein
ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende
persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor,
wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des
Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen
Aufenthaltes zu begründen.“
(Asylgerichtshof vom 26.6.2013, C15 421404-1/2011)
Dass in die persönliche Sphäre des
Asylwerbers eingegriffen, seine Interessen verletzt und sein Leib und Leben
bedroht werden, begründet für sich noch keine Verfolgung. Es gehört schließlich
geradezu zum Wesen von Staaten, seinen Bürgern in Form von Gesetzen
vorzuschreiben, was ihnen erlaubt und verboten ist, was sie zu tun und was sie
zu unterlassen haben. Noch nicht einmal körperliche Unversehrtheit wird dabei
versprochen, man denke nur an den Kriegsfall.
Ob ein Eingriff in die persönliche Sphäre
und damit Verfolgung vorliegt oder nicht, dafür ist von entscheidender
Wichtigkeit, ob die Asylbehörde den Eingriff als
gerechtfertigt oder
ungerechtfertigt beurteilt. Aber
selbst wenn die Asylbehörde zum Schluss kommt, dass es sich um einen - im Sinne
der UN-Konvention - ungerechtfertigten
Eingriff handelt, ist damit noch immer nicht der Tatbestand der Verfolgung
begründet. Dafür muss er außerdem auch noch von
erheblicher Intensität sein. Ein gewisses Mindestmaß an Intensität muss die
Verfolgung also schon haben, um bei einer österreichischen Asylbehörde auf
Missfallen zu stoßen. Bloß ab und an ein bisschen verfolgt, das reicht auf jeden
Fall nooch nicht, um als Asylant anerkannt zu werden.
Selbst wenn dem Asylwerber eine Verfolgungslage attestiert
wird, reicht dies noch nicht für eine positive Erledigung seines Antrages.
Geprüft
wird nämlich nicht einfach seine Verfolgungslage - ob er also tatsächlich einer
Verfolgung ausgesetzt ist -, sondern diese Verfolgungslage daraufhin, ob sie dem
Fluchtstaat zur Last zu legen ist:
„Nach ständiger Rechtsprechung des
Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 28.3.1995, 95/19/0041; 23.7.1999,
99/20/0208; 17.9.2003, 2001/20/0177; 28.10.2009, 2006/01/0793) ist eine
Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von
staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann,
wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit
Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen,
sofern diese Handlungen – würden sie von staatlichen Stellen gesetzt –
asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann
zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht
ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann. (VwGH
22.3.2000m, 99/01/0256).“
(Asylgerichtshof vom 26.6.2013, C15 421404-1/2011)
Die Verfolgungshandlung muss dem
Heimatstaat des Asylwerbers vorwerfbar sein, entweder indem er sie selbst
gesetzt hat oder nicht in der Lage oder nicht gewillt ist, diese
Verfolgungshandlung zu unterbinden. Kein
Fluchtgrund liegt daher vor, solange die hiesige Politik im
attestierten Terror des Alltags nicht das Resultat der dort installierten
politischen Zustände, sondern die bloß private Gewalt krimineller Banden
erkennen möchte.
Zusammenfassend lässt sich also über das Asylrecht sagen, geprüft wird durch den
Staat, der durch einen Flüchtling um Asyl ersucht wird, ob und inwieweit die
Lage im Heimatstaat des Asylsuchenden seinen Vorstellungen von einem
ordentlichen und gesitteten Umgang eines Staates mit seinen Staatsbürgern
entspricht oder nicht. Der asylgewährende Staat erteilt anderen Staaten Noten,
mit denen er ihnen attestiert, welches staatliche Betragen ihm passt oder eben
nicht passt.
Wann werden Bürger eines anderen Staates als „asylberechtigt“ eingestuft, wann wird
behauptet, sie würden vom anderen Staat „verfolgt“?
Dann, wenn der verurteilende Staat eine Generalkritik an der Art und Weise des
Regierens im anderen Staat hat und zwar, weil dieser Staat seine Herrschaft auf
eine Art und Weise ausübt, die zu den eigenen Interessen nicht passt, ja ihnen
entgegengesetzt ist. Das drückt der be- und verurteilende Staat so aus, dass er
eine ihm missliebige Herrschaft als ein Vergehen des dortigen Staates gegen
seine Untertanen bezeichnet, umgekehrt dürfen dann die Untertanen als
Kronzeugen dafür herhalten, dass dort doch wohl eine schlechte Herrschaft
unterwegs ist.
Das ist wirklich nicht damit zu verwechseln, dass der be- und verurteilende
Staat fremden Untertanen Asyl gewährt, weil ihm die leid täten und es ihn daher
drängt, ihnen ein besseres Zurechtkommen zu ermöglichen. Die Asylentscheidung
beruht auf dem politischen Einverständnis mit dem bzw. auf politischer Ablehnung
des anderen Souveräns. Nur dann werden Asylanten hereingelassen, wenn sie als
lebendiges Material für die zwischenstaatliche Feindseligkeit taugen. Das
Asylrecht erweist sich damit zusammengefasst als eine
diplomatische Waffe, als ein Mittel der Verurteilung anderer Staaten. Den
Flüchtlingen kommt dabei die Rolle der Statisten zu. Sie mögen ja persönlich
froh sein, wenn ihr Antrag positiv erledigt wird. Um ihren Schutz ist es aber
auch in diesem für sie positiven Fall nicht zu tun.
Daraus, dass das Asylrecht eine diplomatische Waffe ist - ein Mittel, dem
Fluchtstaat das Missfallen auszudrücken -, erklärt sich auch der in den letzten
Jahren bemerkte und von der öffentlichen Debatte als „Verschärfung“ des Asylrechts wahrgenommene, geänderte Umgang mit den
Asylwerbern.
Seine Hochzeit hatte das Asylrecht in den Zeiten des Kalten Krieges.
Da hatte man es mit einer großen Zahl von Staaten zu tun, die ohne große
Differenzierungen mit dem Verdikt „Unrechtsstaaten“
belegt wurden, mit den Staaten des sogenannten Ostblocks. Die Bürger dieser
Staaten lebten definitionsgemäß in „Völkergefängnissen“.
Meldeten sich die sogenannten „Systemflüchtlinge“
hier, waren sie also „ausgebrochen“
und konnten sich ziemlich sicher sein, ohne große Umstände als Flüchtlinge
anerkannt zu werden. Die Absicht dieser Asylpolitik war, zersetzend ins
gegnerische Lager hineinzuwirken. Das bereitwillige Aufnehmen dieser Leute ohne
die heute übliche Härte der „Einzelfallprüfung“
belegt, dass es eben nicht um das betrübliche „menschliche Einzelschicksal“ ging – diese Leute galten und wurden pauschal
behandelt als Beweis für die „Unmenschlichkeit“
eines zu bekämpfenden Systems. Per Ministerratsbeschluss wurde 1956 allen, die
aus Ungarn flohen, Asyl gewährt. Die 1968 aus der CSSR Flüchtenden erhielten
Asyl per Erlass.
Das
Asylrecht nach dem Ende des Kalten Krieges – wie an den Asylwerbern mit
laufenden „Verschärfungen“ des
Asylverfahrens exekutiert wird, dass es kein Interesse an Asylwerbern gibt
Seit die Staatsgewalten des einstigen
Ostblocks sich zur Marktwirtschaft bekehrt und ihren Realsozialismus auf den
Misthaufen der Geschichte geschmissen haben, gibt es keinen Staat mehr, dessen
Unrechtscharakter durch prinzipielle Anerkennung ihm davonlaufender Bürger
betont werden müsste. Wer jetzt immer noch aus Osteuropa weg will, vielleicht
sogar weil es ihm nach den Reformen drüben jetzt dreckiger geht als vorher,
macht die Erfahrung als bloßer „Wirtschaftsflüchtling“
nicht willkommen zu sein. Anerkennung von Flüchtlingen ohne jede weitere
Überprüfung kommt daher nicht mehr in Frage.
Ganz aufgeben wollen die Staaten das
diplomatische Mittel Asylrecht andererseits aber dann doch nicht. Staaten und
lokale Führer, die nicht ausreichend kooperieren und für deren Zurechtweisung
das Asylrecht ein taugliches Mittel ist, gibt es nach wie vor. Für eine eher
symbolische Geste des Missfallens reicht es aber, handverlesene Flüchtlinge
anzuerkennen. Für die Politiker war im Gefolge des großen westlichen
weltpolitischen Erfolges namens „Ostöffnung“
ein Novellierungsbedarf – ein rechtlicher Nachvollzug der geänderten Weltlage -
in Fragen der Asylgesetzgebung gegeben. An die Stelle einer Generalanerkennung
wie zu Zeiten des Ostblocks ist seitdem die pedantische Einzelfallprüfung
getreten. Seit Ende der 80er Jahre ist das Leitmotiv der österreichischen
Asylpolitik, dem Missbrauch des
Asylrechts entgegenzuwirken. Seitdem kreist auch die öffentliche Diskussion über
den Umgang mit Flüchtlingen eher um die kriminalpolizeiliche Frage, wo und wie
lange man sie anhalten könne.
1991 wurde mit Einführung der „Drittstaatsklausel“ die Möglichkeit der Beantragung von Asyl in Österreich
auf diejenigen beschränkt, die direkt aus dem Verfolgerstaat nach Österreich
kommen. Die in den Folgejahren zusätzlich zur Anwendung kommende
Dublin-Verordnung der EU, wonach jener EU-Staat für das Asylverfahren zuständig
ist, der als erstes betreten wird, sorgt für eine weitere Beschränkung von
Asylverfahren in Österreich. Der größte Teil der potentiellen Bewerber wird also
schon einmal darüber ausgeschaltet, dass sie sich erst gar nicht bewerben
können.
Dem kleinen Rest der Bewerber wird mit
der Unterbringung in Erstaufnahmestellen, von denen sie sich in den ersten 20
Tagen überhaupt nicht entfernen dürfen, danach mit einer generellen Beschränkung
der Bewegungsfreiheit auf den Meldebezirk, mit weitgehendem Arbeitsverbot,
Abhängigkeit von Mildtätigkeit, Unterbringung in Massenunterkünften mit
schlechter Versorgung u.v.m. das Leben als Asylwerber so unattraktiv wie möglich
gemacht. Dass Asylwerber die Möglichkeit haben, einen negativen Bescheid zu
bekämpfen, etwas was sonst als Gütesiegel der Rechtsstaatlichkeit gilt, wird in
diesem Fall seitens der Politik als unerträgliche Verschleppung des
Asylverfahrens verurteilt und unter dem Titel der „Beschleunigung“ des Verfahrens zunehmend eingeschränkt, indem sie in zweiter
Instanz keine neuen Fakten mehr vorbringen dürfen (Neuerungsverbot) und ihnen
die ansonsten bei so gut wie jedem Bescheid mögliche Anfechtung beim
Verwaltungsgerichtshof verwehrt wird.
Dass es sich bei all diesen Änderungen
des Asylrechts um eine „Verschärfung“
handelt, wie die Flüchtlingsorganisationen glauben wollen, kennzeichnet diese
Änderung unzutreffend. Die Änderung der Asylpolitik hätte ihren Grund darin,
dass das Quantum Mitgefühl der Staaten sich aus welchem Grund immer geändert
hat. Weniger Flüchtlinge bedeutet nach dieser Gleichung weniger Schutz, ist
gleich Verschärfung. Diese Charakterisierung lebt ein weiteres Mal vom
Irrglauben, beim Asylrecht ginge es um den Schutz der Flüchtlinge. Geändert hat
sich aber nicht das Mitgefühl, darum ging es nie, geändert und zwar
grundsätzlich hat sich die Weltlage und mit ihr die Nützlichkeit von
Flüchtlingen für den diplomatischen Schlagabtausch.
Asylfall Syrien: Österreich holt syrische
Christen
Während zwischen Juli und Oktober 2013 am
Brenner laut der Tageszeitung „Die
Presse“ 577 syrische Flüchtlinge, darunter Kleinkinder und
Schwangere, aufgegriffen und nach Italien zurückgeschoben werden, erklärt sich
Österreich Ende August im Rahmen einer
„Humanitären Aktion Syrien“ dazu bereit, 500 Flüchtlinge direkt
aus der Krisenregion aufzunehmen und auch selbst aus dem Bürgerkriegsland
abzuholen:
„Die ersten
der von Österreich aufzunehmenden syrischen Bürgerkriegsflüchtlinge treffen am
Dienstag 1.Oktober gegen 19:00 Uhr mit dem Flugzeug in Wien-Schwechat ein. … Die
aufgenommenen Flüchtlinge werden in Österreich Asyl von Amts wegen, d.h. einen
dauerhaften Schutzstatus erhalten.“ (Kleine Zeitung vom 26.9.2013)
Den einen wird als ungebetenen
Flüchtlingen der Zugang nach Österreich strikt verweigert, die anderen werden
als willkommene Opfer mit großem Bahnhof eigenhändig geholt! Wenn es bei der
„Humanitären Aktion Syrien“ um Hilfe für die Leidtragenden eines
Bürgerkriegs ginge, eine Absurdität. Nicht nur wegen der lächerlich geringen
Zahl – „Mehr als drei Millionen Syrer sind laut UNO bisher aus ihrer Heimat
geflohen“, schreibt die Kleine Zeitung am 28.11.2013. Da hätte man doch
gleich die 577 aufnehmen können, die es auf ihrer Flucht schon bis zur
österreichischen Grenze geschafft haben!
Aber um Hilfe in dem Sinne geht es
offensichtlich nicht, wenn sich Österreichs Regierung
„zur Aufnahme von Flüchtlingen
bereit“ erklärt. Die Gründe des humanitären Entgegenkommens liegen
ganz offenkundig nicht bei den hilfesuchenden Objekten und ihrer Not, sondern
fallen ganz in die Berechnungen der staatlichen Hoheit, die sich der Opfer
politischer Gewalt anderswo annimmt. Daraus macht der seinerzeit zuständige
Außenminister auch gar kein Geheimnis, das beansprucht er vielmehr als
selbstverständliches Recht seines Staates, der sich bereitfindet, Asyl zu
gewähren: Spindelegger lässt die Öffentlichkeit wissen, dass
„die freiwillige Aufnahme von 500
Flüchtlingen ein gutes Zeichen für Österreich (sei), ‚da werden wir ja wohl auch
sagen dürfen, wen wir wollen‘“(www.tagesanzeiger.ch, 5.9.2013). 500
notleidende Flüchtlinge ganz ohne politische Not ins Land zu lassen, sogar
selber herzuholen, das adelt Österreichs Politik in seinen Augen ungemein – und
das berechtigt sie deswegen auch, die Konditionen der Hilfe ganz nach ihren
Bedürfnissen zu gestalten.
Aufgenommen werden nicht einfach
irgendwelche Flüchtlinge, geholt und aufgenommen werden bevorzugt Christen, und
da wieder insbesondere solche, die Anknüpfungspunkte zu Österreich haben. Zum
Warum äußert sich der Außenminister menschlich betroffen:
„Ja, Christen leiden besonders in diesem Krieg“
(www.tagesanzeiger.ch, 5.9. 2013). Das Innenministerium gibt dann schon etwas
näher Auskunft, warum gerade diese Opferklientel eine bevorzugte humanitärer
Zuwendung Österreichs verdient:
„Warum sind
Christen ein Schwerpunkt? … Diese befinden sich insbesondere als religiöse
Minderheit oft in einer besonders schwierigen Situation zwischen Regierung und
Revolutionären.“(Information
des BMI „Humanitäre Aktion Syrien“)
Die handverlesenen Christen passen nicht
nur zum nationalistischen Gemüt österreichischer Christenmenschen, denen man die
Aufnahme ausländischer Muslime, Opfer hin oder her, nicht so leicht als
humanitäre Großtat verständlich machen kann. Mit der Auswahl der
„besonders“ Betroffenen,
als deren Schutzmacht sich Wien präsentiert, demonstriert Österreichs Regierung
vor allem auch ihre politische Stellung zu den ‚Tätern‘, den Parteien im
syrischen Bürgerkrieg. Mit der „freiwillig“
übernommenen Verantwortung für speziell diese syrischen Bürgerkriegsopfer
definiert sie vornehmlich die Christen als Geschädigte ungerechtfertigter
Gewalt und dokumentiert damit ihre feststehende Feindschaft gegen das ‚Regime‘
Assads und zugleich ihre kritische Distanz zu den islamischen Kämpfern unter
seinen Gegnern.
Die demonstrative humanitäre Aktion ist
aber nicht nur eine diplomatische Botschaft an die Bürgerkriegsparteien, sondern
geht auch an die Adresse der USA und Großbritanniens, die gerade zu der Zeit mit
einem Militärschlag gegen Syriens Führung auch ohne UNO-Mandat drohen. Dieses
eigenmächtige Vorgehen an der Weltorganisation vorbei lehnt Österreich
öffentlich entschieden ab:
„Bundeskanzler
Werner Faymann (SPÖ) warnte am Mittwoch ‚ausdrücklich vor einem
voreiligen Militärschlag ohne UNO Mandat‘. ‚Es sollten alle diplomatischen und
politischen Möglichkeiten ausgelotet werden, Ziel muss eine politische Lösung
sein, keine militärische‘, strich Faymann hervor.“(www.heute.at,
28.8.2013)
Und genau zum Zeitpunkt der
unmissverständlichen amerikanischen Gewaltandrohung gegen Assad verkündet die
österreichische Bundesregierung, die zwei Monate zuvor noch jede Aufnahme von
Flüchtlingen aus Syrien kategorisch abgelehnt hat, deswegen ihre Bereitschaft,
sich ausgewählter Opfer des Bürgerkriegs anzunehmen, positioniert sich so als
humanitärer und an Friedensstiftung interessierter Mitverantwortlicher und
unterstreicht so ihre Distanz zum drohenden militärischen Alleingang der
westlichen Großmächte.
Davon, dass der österreichischen
Bundesregierung das echte humanitäre Verständnis fehle, wie ihr von engagierten
Asylrechtsanhängern vorgeworfen wird, kann also keine Rede sein. Für die
beabsichtigten diplomatischen Botschaften ist dieser humanitäre Akt, sind die
handverlesenen 500 christlichen Bürgerkriegsopfer und ist die politische
Inszenierung ihrer Beheimatung als amtlich genehmigte Dauerasylanten in
Österreich genau passend. Anders ist Humanität politisch nicht zu haben, und für
solche außenpolitischen Berechnungen ist das Asylrecht und seine staatliche
Wahrnehmung ein handliches Instrument. Das zeigt auch der Fall Edward Snowden.
Kein Asyl für
Snowden in Deutschland!
Der ehemalige US-Geheimdienstmitarbeiter
macht die weltweiten Spähaktionen des amerikanischen Geheimdienstes öffentlich
und befindet sich seitdem auf der Flucht vor der US-Regierung, die ihm die
Aufdeckung ihrer weltweiten NSA-Aktivitäten als Landesverrat vorwirft und ihn
verfolgt. So gesehen ein klassischer Asylfall, möchte man meinen: Snowden musste
aus politischen Gründen seine Heimat verlassen, sein Leben ist seither
gefährdet; und die USA haben mit ihren Spähaktionen internationales Recht und
die Interessen anderer Staaten, Deutschlands insbesondere, verletzt und
geschädigt.
Den Asylantrag Snowdens auch an
Deutschland lehnt die deutsche Regierung, obwohl über die Spähaktionen der Amis
aufgebracht, allerdings entschieden ab. Warum das so ist, darüber gibt Egon
Bahr, ehemaliger Minister der BRD, auf die Frage einer Journalistin im
Ö1-Morgenjournal vom 11.11.2013: „Sollte
Deutschland Snowden Asyl geben?“ wie folgt Auskunft:
„Nein,
sollte nicht. Und zwar deshalb, weil Amerika die unentbehrliche Macht ist auf
der Welt, nicht nur für uns, sondern auch für die Russen, sondern auch für die
Chinesen und für den Rest der Welt. Sehen Sie mal, dass der Putin kooperativ ist
und dem Obama geholfen hat, über die Krise Syrien und Chemiewaffen zu kommen,
ist die eine Sache und es ist konsequent nur, dass er weiter kooperativ ist und
in der richtigen Erkenntnis, dass es für das Verhältnis zwischen Amerika und
Deutschland unerträglich wäre, wenn Snowden nach Deutschland käme, das hat er
respektiert und eingesehen und ist kooperativ insofern, als er die Möglichkeiten
eröffnet hat, dass deutsche Beamte oder deutsche Politiker Snowden auch in
Moskau vernehmen können oder mit ihm sich unterhalten können. Also es gibt eine
interessante, positive Politik der Kooperation mit Amerika von Seiten Putins,
und das brauchen wir, das werden wir auch für den Iran brauchen, dann werden wir
mal sehen, was aus der Wundertüte rauskommt.“
Deutlicher kann man es nicht sagen,
welche Erwägungen bei der Frage, ob Asyl gewährt werden soll oder nicht, zum
Tragen kommen und was garantiert keine Rolle spielt. Wenn es zu den
außenpolitischen Kalkulationen nicht passt, dann zählt alles nichts, was Staaten
als gute Gründe für ein Anrecht auf Asyl definiert haben: politische Verfolgung,
existentielle Bedrohung, elementare Rechtsverletzungen des verfolgenden Staats.
Das alles ist für Bahr so nebensächlich, dass er darüber kein Wort verliert.
Umgekehrt hält er es auch nicht für notwendig, für die Ablehnung von Snowdens
Antrag auf der Ebene des nationalen und internationalen Rechts zu argumentieren
und der USA Rechtsstaatlichkeit zugute zu halten, weshalb es sich im Fall
Snowden unmöglich um Verfolgung im Sinne der UN-Flüchtlingskonvention handeln
könne. Der Fachmann für deutsche Außenpolitik beruft sich umstandslos auf die
Unzweckmäßigkeit einer Asylgewährung für Deutschlands Verhältnis zu den
mächtigen USA. Auf Washington als unentbehrlichen ‚Partner‘ sieht sich
Deutschland für sein Ausgreifen in der Welt verwiesen. In diesem Fall ist also
der Einsatz des Asylrechts als ein diplomatisches Instrument der Delegitimierung
einer anderen Staatsgewalt fehl am Platz. Diese deutsche Berechnung auf Amerikas
Vormachtrolle schreibt Bahr ausgerechnet dem russischen Präsidenten als dessen
weltpolitisch heilsame Einsicht und kooperationswillige politische Vernunft zu,
die im speziellen Fall zugleich Deutschlands Interesse an Snowdens Ausforschung
bedient und Berlin eine unerwünschte Konfrontation mit den USA erspart.
Bahr weiß also nicht nur, dass sich die
Entscheidung über Asylgewährung oder -verweigerung nicht aus dem Urteil über die
Rechts- und sonstigen Zustände eines Landes ergibt, sondern umgekehrt das Urteil
über Recht- und Unrechtmäßigkeit staatlicher Gewaltausübung auswärts sich aus
der Stellung des eigenen Staates zu dem Land ergibt, dessen Zugriff sich ein
Asylsuchender zu entziehen sucht. Der deutsche Ex-Minister führt auch wie
selbstverständlich die ansonsten humanitär verbrämten nationalen Machtinteressen
als das schlagendste Argument in Sachen ‚Asyl ja oder nein‘ ins Feld. Das sollte
man ihm dann auch abnehmen.
Asylfall
Afghanistan
Ein Pech mit einem Asylantrag hat man als Flüchtling, wenn man aus Afghanistan
kommt. Afghanistan besteht zwar aus kaum mehr als der Hauptstadt Kabul und einem
dort residierenden Präsidenten Karsai. Aber genau auf dieses Gebilde haben sich
die westlichen Aufsichtsmächte geeinigt, es als einzig legitime Herrschaft
anerkannt und den verschiedenen ethnischen Gruppen, Stämmen, Warlords, usw.
aufgezwungen. Dass dieser Vasall des Westens außerhalb Kabuls keinerlei Macht
hat und die Warlords gewähren lassen muss, spricht keineswegs gegen dieses
Regime.
Einem afghanischen Flüchtling, der versucht diesen Zuständen zu entkommen, den
Status eines Verfolgten zuzugestehen, wäre gleichbedeutend damit, dieser eigenen
Kreatur das Misstrauen auszusprechen. Insofern sich Karzai um das Maß an
Sicherheit kümmert, das ihm auf Basis der Untertützung durch seine
Aufsichtsmächte nur irgendwie möglich ist, spricht die prekäre Sicherheitslage
im Lande noch lange nicht für eine
Anerkennung als Flüchtling. Absolute Sicherheit könne man bei einem „Staat im Aufbau“ nicht erwarten. Insofern Afghanistan sich aber bemühe,
alles in seiner Macht Stehende zu unternehmen, die Sicherheitslage zu
verbessern, dürfe man nicht so strenge Maßstäbe anlegen. Bei der von den
Asylwerbern geltend gemachten Verfolgungen handelt es sich nach dem Urteil des
Asylgerichtshofes entsprechend in der großen Mehrzahl der Fälle um keine „asylrechtlich relevante Verfolgung“.
„Neue Flüchtlinge aus Afghanistan haben es
zunehmend schwerer Fuß zu fassen. Sie sind verstärkt von Abschiebung bedroht.
„Die Anerkennungsquote sinkt, es haben fast nur noch Frauen Chance auf Asyl““
(http://www.asyl.at/fakten_1/asyl_2012_14.htm), erfährt man auf der Seite der
Asylkoordination.
Asylfall Pakistan
So gut wie gar keine Chance auf Asyl in Österreich haben
Flüchtlinge aus Pakistan, auch wenn sie - wie ein großer Teil der Flüchtlinge,
die mit der Besetzung der Votivkirche auf ihre Lage aufmerksam machen und ein
Aufenthalts- und Arbeitsrecht in Österreich erkämpfen wollten - aus dem Swat-Tal
kommen, in welchem sich das pakistanische Militär und die Taliban schwere
Gefechte liefern und Drohnenangriffe der USA zum Alltag der dortigen Bewohner
gehören. Ihr Pech ist, dass Pakistan nicht zu den Feindstaaten gehört, was sich
in den Asylentscheidungen zur „asyl- und
abschiebungsrelevanten Lage“ in Pakistan so ausdrückt:
„Pakistan ist abwechselnd
von demokratisch gewählten Regierungen und Militärdiktaturen regiert worden. Im
Herbst 2008 kehrte Pakistan zu demokratischen Verhältnissen zurück, nachdem der
seit 1999 regierende Militärherrscher Musharaf das Land verlassen hatte, um
einem drohenden Amtsenthebungsverfahren zuvor zu kommen.“ (Asylgerichtshof
vom 08.07.2013, E11 434313-1/2013)
Damit fällt ein Fluchtgrund schon einmal flach – eine
Verfolgung durch den Staat! Es handelt sich ja um einen demokratischen Staat.
Zur Sicherheitslage heißt es:
„Das Hauptaugenmerk der
Armee liegt derzeit auf der Bekämpfung der Taliban und anderer jihadistischer
Gruppen, die sich in den vergangenen Jahren zur zentralen Bedrohung des Landes
entwickelt haben. … Seit Ende April 2009 haben sich die militärischen
Auseinandersetzungen zwischen dem pakistanischen Militär und den Taliban
verschärft. Die zweite Hälfte 2011 war eine vergleichsweise friedliche Periode.
Es kam zu einem Rückgang der Selbstmordanschläge und zu einem Rückgang bei
Drohnenangriffen. Die Sicherheitslage verbessert sich langsam, die Gewalt hat in
den letzten beiden Jahren um 24% abgenommen. … Der Trend eines insgesamten
Rückgangs von Gewaltvorfällen und Opferzahlen, der bereits im Jahr 2010
beobachtet werden konnte, hielt somit auch 2011 an.“ (Asylgerichtshof vom
08.07.2013, E11 434313-1/2013)
Einer der Asylwerber kommt zwar aus der Provinz Khyber
Pakhtunkhwa, in der die Zahl der gewalttätigen Zwischenfälle im Jahr 2011
gestiegen ist, aber da gibt es ja die „innerstaatliche
Fluchtalternative“ in die Regionen, in denen sich die Situation verbessert
hat:
„Im pakistanischen
Vergleich ist die Situation im Punjab verhältnismäßig ruhig. Demgemäß gehen auch
die Behauptungen in der Beschwerde, dass der bP eine innerstaatliche
Fluchtmöglichkeit nicht offen gestanden hätte, da sich die militanten und
terroristischen Anschläge auf alle Landesteile erstrecken würden, ins Leere.“
(Asylgerichtshof vom 08.07.2013, E11 434313-1/2013)
Und zu den wirtschaftlichen Überlebensmöglichkeiten weiß der
AsylGH:
„Selbst für
unqualifizierte aber gesunde Menschen wird es in der Regel möglich sein, sich
durch Gelegenheitsjobs (im schlechtesten Fall als Lagerarbeiter, LKW-Beifahrer,
Tellerwäscher oder Abfallsammler (!)) ihren Lebensunterhalt zu sichern. Dass es
möglich ist, sich auch als Neuankömmling z.B. in einer Stadt wie Karachi
niederzulassen, zeigen die Zigtausend afghanischen Flüchtlinge, die sich dort
dauerhaft niedergelassen haben und aktiv am Leben der Stadt teilnehmen. Im
Lichte dieser Ausführungen erscheint es der bP aufgrund der Feststellungen zu
ihrer Person vor dem Hintergrund der allgemeinen Lage in Pakistan möglich und
zumutbar, dort ihre dringendsten Lebensbedürfnisse auch in einem anderen
Landesteil zu decken und wird die bP somit auch an diesen Orten über eine
hinreichende Existenzgrundlage verfügen.“ (Asylgerichtshof vom 08.07.2013,
E11 434313-1/2013)
Die hier empfohlene Existenzgrundlage ist wohl eher Ausweis
einer bitteren Armut als Ausdruck wirtschaftlicher Überlebensmöglichkeit, aber
Armut war eben noch nie ein anerkannter Asylgrund.
Flucht aus
Afrika
Die Fluchtgründe werden nicht weniger, im
Gegenteil. Die globalen Erfolge des Imperialismus mit Geschäft und Gewalt.
sorgen dafür, dass sich an den Außengrenzen Europas in den letzten 25 Jahren ein
vermehrter Zustrom von Flüchtlingen aus Afrika und dem Nahen Osten bemerkbar
macht. Flucht ist die andere Seite der kapitalistischen „Globalisierung“. Dem EU-Interesse an
einer Zurichtung der Welt als Quelle von Kapitalreichtum ist es schließlich zu
verdanken, dass inzwischen bis ins entlegenste Dorf in Afrika die heimischen
Lebensverhältnisse durch Geldwirtschaft beherrscht werden. Für jedes
Lebensmittel und jedes Produktionsmittel muss gezahlt werden – auch wenn es dort
an jeder regelmäßigen Verdienstgelegenheit fehlt. Noch die letzten erbärmlichen
Einkommensquellen der Einheimischen werden durch europäische Fischfangflotten
vor Afrikas Küsten und durch Billigexporte von Hühnerabfall ruiniert. Ganze
Völkerschaften gehören dann, gemessen am Bedarf des globalisierten Kapitalismus
an Arbeitskräften zur überschüssigen Weltbevölkerung, mit der kein Geld und kein
Staat zu machen ist. Kriege und andere „Katastrophen“,
an denen die „modernen Industriestaaten“
ebenfalls beteiligt sind, und zwar nicht nur mit Lieferung von Waffen aus ihren
Rüstungsschmieden, komplettieren das Szenario von Verwüstung, Elend und
Unterdrückung.
Diesen verheerenden Verhältnissen kann
die Mehrzahl der betroffenen Menschen erst gar nicht entkommen. Sie vegetieren
vor Ort dahin, andere machen sich auf in angrenzende Länder, dürfen sich dort
dauerhaft in Lagern einrichten. Und dann gibt es die im Vergleich dazu geringe
Zahl derer, die mit Hilfe von Schleppern, deren Geschäft auf der Überlebensnot
der Flüchtlinge basiert, das europäische Festland zu erreichen versuchen in der
Hoffnung auf ein besseres Leben. Allein diese Menschen stellen dann die „Flüchtlingsströme“ dar, von denen
sich Europa bedroht sieht. Damit steht die Welt natürlich schon ziemlich auf dem
Kopf: Da wird ein ganzer Kontinent rücksichtslos für westliche Interessen
zugerichtet und dann leidet Europa an einem gerade dadurch losgetretenen
„Flüchtlingsproblem“. Nicht sie, die Flüchtlinge haben ein existenzielles
Problem, sie selbst sind das Problem. Europa definiert sich als Opfer einer
Lawine seiner eigenen Armutskreaturen, die auf die Grenzen zurollt und der es
sich mit noch wirksamerem Grenzschutz zu erwehren gilt.
Klar ist damit: Diese Menschenspezies hat
keinen Zutritt zu Europa. Diese Elendsgestalten haben keinerlei Rechtsanspruch
auf Aufnahme in einem europäischen Land – da mögen sie noch so sehr kurz vor dem
Verhungern oder Verdursten stehen. Das einzige Kriterium, das in Sachen „Ausländer rein oder raus“ gilt ist
deren Brauchbarkeit für die Absichten der Politik. Dieses Sortierwesen kennt im
Wesentlichen zwei Gesichtspunkte: die potentielle Brauchbarkeit von
Aufnahmesuchenden für den europäischen Arbeitsmarkt und das Zugeständnis
humanitärer Hilfe bei Leuten aus Feindstaaten. Die große Masse der Andrängenden
fällt bei diesen Kriterium durch den Raster. Dass die Flüchtlinge etwas
brauchen, nämlich etwas zum Überleben, taugt nicht als Richtschnur staatlichen
Handelns. Mit dem sturen Beharren auf dem alles entscheidenden Unterschied
zwischen In- und Ausländern gelingt den reichen Staaten wie von selbst eine
Sortierung zu ihren Gunsten.
Die gutmenschliche Sichtweise, die
Hereinlassen = gut und Verhindern = schlecht fasst, die Härte des Grenzregimes
beklagt und für mehr Zugang plädiert, stellt sich ziemlich ignorant zum
prinzipiellen Zynismus dieser Sortierung.