GEGENARGUMENTE

 

Unser Budget in 6 Minuten“ – ein Mathematiker im Dienste der staatlichen Sparpropaganda

 

Prof. Dr. Rudolf Taschner – der Marcel Prawy der Mathematik, wie er auch genannt wird -, ist bekannt dafür, die Öffentlichkeit von der Mathematik faszinieren zu wollen. Für sein Anliegen, mit seinen populärwissenschaftlichen Vorträgen und Publikationen sein Fachgebiet den Menschen näher zu bringen, wurde er 2004 zum Wissenschaftler des Jahres gekürt. „Der Zahlen gigantische Schatten“, eines dieser Werke, ließ ihn offensichtlich für den Finanzminister als den geeigneten Mann erscheinen, in sechs Kurzvideos über die Staatsverschuldung Österreichs zu reden. Prof. Taschner konnte der Einladung, einmal statt mit „Gott und der Welt“ – ein anderes seiner Bücher - mit dem Finanzminister zu rechnen, offensichtlich nicht widerstehen. Vor mathematischen Plausibilisierungen für Steuererhöhungen und Kürzungen von Sozialleistungen schreckt er dabei nicht zurück. Auch die Frage, warum er just jetzt und nicht schon 2008 und 2009 zum Zeitpunkt der beschlossenen Erhöhung der Staatsschulden die Einladung erhalten hat, quält ihn nicht. Inwiefern Prof. Taschner noch so manch andere wissenschaftliche Schamgrenze überschritten hat, das soll im Folgenden dargelegt werden.

 

1.

198 Milliarden 400 Millionen, eine Riesenzahl, eine Zahl so groß, dass sie sich niemand wirklich vorstellen kann. (www.warumsparen.at)

 

Wir von Gegenargumente wissen ja, Mathematiker lieben die Zahlen, die ganz Großen ebenso wie die ganz Kleinen, die Teilbaren und ganz besonders die Primzahlen. Sie wissen zu erklären, wie es sich mit dem unendlich Großen und dem unendlich Kleinen verhält. Sie kennen und operieren sogar ganz selbstverständlich mit Zahlen, die sich nicht als Bruch aufschreiben lassen, bezeichnen diese als irrational, ohne damit ausdrücken zu wollen, dass diese Zahlen ihrem oder dem Verstand ihres geneigten Publikums nicht zugänglich wären. Und dann das! Plötzlich will ein Mathematiker - einer der angestellt und bezahlt wird, um seinen Studenten die Sache mit den Zahlen näherzubringen – sich unter der ganz einfachen Zahl 198,4 Milliarden nichts mehr vorstellen können. Was ist da los? Was wirft den Herrn Professor so aus der Bahn? Sie ist soooo groß, lautet seine Auskunft. Ein bisschen verwirrt er uns damit schon, das müssen wir zugeben, hat er sich doch an anderer Stelle über noch viel größere Zahlen ganz anders, ja geradezu gegenteilig geäußert. Da heißt es in seinem Vortrag zum Thema „Unendliche Geometrie“ – wir lassen ihn am besten selbst zu Wort kommen:

 

Das Weltall ist riesengroß, aber alle Zahlen, die wir dort genannt haben, sind in Wirklichkeit klein. Selbst wenn sie sich vorstellen, dass Theorien existieren, dass es 10500 Universen gibt, und jedes ist riesenriesengroß, aber was ist schon 10500, das ist ja auch nur eine Zahl und viele, viele andere, nämlich die meisten, warten noch darauf gezählt zu werden, über 10500 hinaus. Also jede Zahl eigentlich ist klein.

(http://www.mathcast.org/)

 

Was nun, Herr Professor? Groß oder klein? Zugegeben, wirklich verwirrt sind wir nicht. Wir wissen nämlich, worauf der Professor hinaus will, wenn er vorgibt, sich plötzlich läppische 198,4 Milliarden nicht mehr vorstellen zu können. Er will gar nichts erklären, nicht die Theorie der vielen Universen und schon gar nicht das Budget und sein Defizit. Sonst wäre ihm nämlich sicher als Erstem aufgefallen, dass eine Zahl für sich genommen weder groß noch klein ist, weil groß und klein Kategorien des Vergleiches sind. Groß oder klein ist jede Zahl immer nur im Vergleich zu einer anderen. Da ist dann ein Tausendstel klein im Vergleich zu eins, aber andererseits riesig, wenn man es mit einem Millionstel vergleicht. Da ist dann 198,4 Milliarden tatsächlich ziemlich groß im Vergleich zum Budget eines Arbeitnehmerhaushalts, verglichen mit dem Defizit der Vereinigten Staaten oder der in einem bekannten Kinderlied besungenen Zahl der Sternlein am Himmelszelt ist diese Zahl aber ziemlich winzig. Er will nichts erklären, er will was völlig anderes, er will – unter Ausnutzung seiner Autorität in Sachen Zahlen – beim Publikum begriffslose Ergriffenheit erzeugen und diese Ergriffenheit in den Dienst der Politik stellen.

 

Wissen darüber, was ein Budget ist, warum es ein Budgetdefizit gibt und wie die Bürger bei all dem vorkommen, wäre dafür aber wirklich nur hinderlich. Genauso hinderlich übrigens, wie die Angabe einer irgendwie adäquaten Vergleichsgröße des staatlichen Defizits. Nimmt man, wie die Ökonomen das vorschlagen, das Bruttoinlandsprodukt, würde die große Zahl – vor der einen erschauern soll - doch glatt noch den Hauch des Gigantischen verlieren.

 

Gerade an diesem Erschauern vor der gigantischen Zahl ist Prof. Taschner aber gelegen. Genau dieses zu produzieren, darin besteht der Dienst, den die Politik von ihm erwartet und den er nur zu gerne bereit ist, zu erbringen – auch auf Kosten der argumentativen Redlichkeit. Der richtige Moment für Prof. Taschner, um für einen kurzen Augenblick diskret zurückzutreten und den Finanzminister als den – Zahlen hin oder her - Zuständigen in Sachen Budget zu Wort kommen zu lassen:

 

198 Milliarden 400 Millionen Euro, das ist der Schuldenstand der Republik Österreich und wir haben in den nächsten Jahren die Aufgabe, den Schuldenstand zu reduzieren, weil Schulden die Zukunft nehmen und Zinszahlungen Geld für die Vergangenheit sind.“ (www.warumsparen.at)

 

Auch wenn darin ein Schuss an Kritik enthalten ist – das Beachtenswerte liegt für Pröll ja weniger in der Größe der Zahl, sondern darin, dass diese Zahl einen Geldbetrag beziffert –möchte Pröll seine Aussage genau anders herum verstanden haben. Nicht er hat den Mathematiker bei einer logischen Unsauberkeit erwischt, sondern wie recht muss er mit seiner Warnung vor der Größe der Staatsverschuldung haben, wenn es noch nicht einmal einem Mathematiker in Amt und Würden gelingen mag, sich eine derart riesige Zahl vorzustellen.

 

2.

198 Milliarden 400 Millionen müssen nun auf jede Österreicherin und auf jeden Österreicher aufgeteilt werden. Es leben in Österreich etwa 8 Millionen Menschen, also wenn wir 198 Milliarden 400 Millionen durch 8 Millionen etwa dividieren, so erhalten wir rund 23 700 Euro. 23 700 Euro das ist die Verschuldung Österreichs auf jede einzelne Person aufgeteilt. Das entspricht etwa einem Mittelklassewagen. Das heißt 23 700 Euro hat jeder einzelne von uns vom Großvater bis zum Kleinkind als Schuldenlast zu tragen. Und diese Schulden nehmen stündlich zu. Wenn wir am nächsten Tag aufwachen, so sind wiederum 3 weitere Euro als Schulden dazugekommen.“ (www.warumsparen.at)

 

Herr Professor! Wir wissen schon, Zahlen haben es ihnen angetan und auch am Dividieren haben Sie offenbar ihre Freude. Auf eines müssen wir aber schon hinweisen. Nicht jede Division macht schon allein deshalb Sinn, weil man sie durchführen kann! Also bevor sie uns ihr Rechenkünste demonstrieren, indem sie 198 Milliarden 400 Millionen durch 8 Millionen dividieren – übrigens, haben sie nicht eben noch behauptet, sich solch große Zahlen gar nicht vorstellen zu können und jetzt wagen Sie es, sie durcheinander zu dividieren! -, wäre schon eine Erklärung fällig, warum diese Rechnung überhaupt Sinn macht. Eine ziffernmäßig richtig durchgeführte Rechnung kann nämlich inhaltlich sehr wohl noch einen ziemlichen Unsinn ergeben. So würden sie doch sicher zustimmen, dass es ungehörig wäre, ihr Salär auch nur ideell auf alle von ihnen geschätzten 8 Millionen Österreicher aufzuteilen. Warum um alles in der Welt meinen Sie dann aber kein einziges Argument darauf verschwenden zu müssen, warum dies bei den Staatsschulden eine adäquate und sachlich begründete Rechnung sein sollte. Wenn man nicht bloß über Zahlen spricht, sondern über Staatsschulden, enthebt einen der Umstand, dass sich Staatsschulden beziffern lassen, nicht der Notwendigkeit, sich darüber kundig zu machen, was Staatsschulden sind.

 

Erstens handelt es sich dabei um Staatsschulden und nicht um die Kreditschuld von Herrn Maier, oder Frau Huber, selbst dann nicht, wenn der Finanzminister immer wieder das Gegenteil behauptet. Schuldner des der Verschuldung zu Grund liegenden Rechtsgeschäfts ist und bleibt die Republik Österreich. Zwar sind Herr und Frau Österreicher tatsächlich in vielen Fällen Schuldner eines Kreditvertrags, weil der Lohn bzw. Gehalt der arbeitenden Bevölkerung den von ihnen, Herr Professor, vorgeführten Mittelklassewagen oder ein Eigenheim in aller Regel gar nicht so ohne weiteres hergibt – diesen Kreditvertrag haben sie aber dann auch selbst abgeschlossen und unterschrieben. Keinesfalls hätten sie sich jemals freiwillig einen Kredit dafür geleistet, die legislative und exekutive Gewalt zu finanzieren und selbst dafür nicht, dass Schulen gebaut werden. Dies können sich die meisten einfach nicht leisten. Das weiß auch der Staat und zieht daher Steuern gleich zwangsweise ab – bei der lohnabhängigen Bevölkerung ganz und gar nicht zufällig gleich an der Quelle. Derlei Details sind Ihnen, wie wir bemerken, aber völlig gleichgültig.

 

Herr und Frau Österreicher werden auch in keinster Weise gefragt, ob der Staat Schulden aufnehmen oder es besser bleiben lassen soll. Genauso wenig wie bei der Frage, was mit all dem Geld – Steuern plus Staatsschulden – finanziert werden soll. Trotzdem ist es für Herrn Professor die größte Selbstverständlichkeit, dass sie dann, wenn es ans Begleichen geht, mit ihrem Einkommen von der Politik haftbar gemacht werden. Das Umgekehrte – dass Herr und Frau Österreicher sich in Sachen Rückzahlung ihrer eigenen Schulden an den Staat wenden – würde der Herr Professor sicher nur mit einem Kopfschütteln quittieren. Da ist ihm selbstverständlich, dass jeder für seine eigenen Schulden aufzukommen hat. Aber beim Staat, da ist alles anders. Da will er den Umstand, dass der Staat sich tatsächlich am Einkommen seiner Bürger bedient, ohne viel Aufheben als selbstverständliches und damit auch wissenschaftlich korrektes Vorgehen hinstellen.

 

Noch eine Kleinigkeit unterschlägt Prof. Taschner, wenn er die Staatsschulden gleichmäßig auf die gesamte Bevölkerung umlegt. Es gibt nämlich auch Nutznießer der Staatsverschuldung. Schließlich steht jedem Schuldner – auch dem österreichischen Staat - notwendig ein Gläubiger gegenüber, der für die zeitweilige Überlassung von Geld Zinsen kassiert: inländische Banken, Versicherungen und sonstige private Gläubiger halten ca. 50% der Staatsschuld. Für diesen Teil der österreichischen Bevölkerung stellen Staatsschulden Guthaben, private Vermögen, dar.

 

Lächerlich ist die von Prof. Taschner angestellte Rechnung aber schließlich auch noch in einer ganz anderen, grundsätzlichen Hinsicht und das ist streng genommen nicht unser Urteil, sondern das des Staates selbst. Nicht einmal der macht die von Prof. Taschner in den Raum gestellte Behauptung mit, wenn er ans tatsächliche Geldeintreiben qua Steuern geht. Es ist nämlich schlicht und ergreifend nicht wahr, dass er sich dabei gleichmäßig an allen Einkommen seiner Gesellschaft bedienen würde. Die Hauptlast trägt über Umsatz- und Lohnsteuer die große Masse der lohnabhängigen Bürger. Ansonsten hält er sich – wie gerade die Diskussionen im Rahmen der Budgeterstellung wieder einmal eindringlich gezeigt haben - bei den vermögensbezogenen Steuern nobel zurück.

 

Die von Prof. Taschner vorstellig gemachte gleichmäßige Aufteilung der staatlichen Schuldenlast auf alle Bürger, hat also rein gar nichts mit der Praxis des Budgets und der Staatsverschuldung zu tun. Weder werden die Bürger beim Steuereintreiben, Schuldenmachen und Ausgeben gefragt, noch werden sie vom Staat allesamt gleichmäßig mit ihren Einkommen in die Pflicht genommen, wie Prof. Taschner das mit seiner Division suggeriert. Richtig ist nur eines – der Staat nimmt seine Bürger für die Finanzierung seiner Ausgaben und daher insbesondere auch für die Bedienung seiner Schulden in die Pflicht. Warum die einen mehr, die anderen weniger und manche gar nicht, warum der Staat überhaupt Schulden macht, obwohl er es als die souveräne Gewalt doch in der Hand hätte, einfach einen größeren Teil der Einkommen seinen Bürgern an sich zu ziehen, obwohl – wie Prof. Taschner uns im weiteren weismachen will – die Bürger doch diese Schuld auf jeden Fall begleichen müssen, dann halt nur später dafür aber mit Zins und Zinseszins -, derlei Fragen hat Prof. Taschner mit seiner Entscheidung, die Schulden des Staates gleichmäßig auf alle Bürger umzulegen, als nicht weiter von Interesse abgetan. Ihn interessiert nicht, warum Schulden gemacht und wofür sie ausgegeben werden. Seine Sorge gilt dem Schuldner Staat und seiner Fähigkeit auch in Hinkunft Schulden aufzunehmen und zu bedienen. Was das betrifft, hat er sich von der Politik vorrechnen lassen,

 

diese Schulden nehmen stündlich zu. Wenn wir am nächsten Tag aufwachen, so sind wiederum 3 weitere Euro als Schulden dazugekommen.“ (www.warumsparen.at)

 

Auch das ist schon wieder nicht richtig. Schulden, auch nicht die des Staates, nehmen nicht so einfach zu. Bei Zins und Zinseszins handelt es sich um keine ewigen Naturnotwendigkeiten, die zunehmen, so wie die Zeit vergeht. Sie sind das Resultat davon, dass in unserer Gesellschaft aller Geldreichtum Mittel seiner Vermehrung ist. Verliehen wird er deshalb nur gegen das Versprechen vergrößerten Rückflusses. Nicht zu vergessen dabei auch, Schulden werden gemacht. Warum, wäre zu klären, statt voller Ehrfurcht vor den Wachstumseigenschaften der Exponentialfunktion zu erschaudern.

 

3.

Was bedeutet diese Schuldenlast für das Budget? Lassen sie es mich so erklären. Ich habe hier einen Euro, und diesen einen Euro, den wir vor uns sehen, spannen wir auf und wir wollen wissen, wie viel von diesem einen Euro für die einzelnen Posten des Budgets aufgewendet werden. Da werden von diesem einen Euro ausgegeben 17Cent für Unterricht, für Wissenschaft und Forschung und 36Cent werden ausgegeben für Soziales und Gesundheit 18Cent werden aufgewendet für den Verkehr und für Land- und Forstwirtschaft 3Cent. Für innere und äußere Sicherheit des Staates werden 7Cent ausgegeben, für die Verwaltung und das Bürgerservice 14Cent und 4Cent werden investiert in die Wirtschaft. Es bleibt aber noch ein Keil, ein Keil von 11Cent. In Wahrheit ist es sogar etwas mehr als 11Cent. Und dieser Keil, das ist für die Finanzierung der Schuldenlast. Das ist Geld, das eigentlich für nichts ausgegeben wird, außer dass wir unsere Schuldenlast finanzieren müssen. Um diesen Keil geht es, um diesen Keil geht es, um diesen Keil dreht sich eigentlich alles. (www.warumsparen.at)

 

Auch wenn es niemandem auffallen mag, beim Staat handelt es sich um ein ökonomisches Subjekt eigener Art. Was die von ihm georderten Dienste seiner Bürger betrifft, hält er sich an die von ihm selbst durchgesetzten Spielregeln des Wirtschaftens: er kauft sie ein. Ganz anders bei der Beschaffung der für diese Käufe benötigten Geldmittel. Die holt er sich per Zwangseinzug und zwar ohne das Versprechen irgendeiner konkreten Gegenleistung. Er bedient sich an den Einkommen seiner Bürger (Lohn- und Einkommenssteuer), besteuert ihren Verbrauch (Mehrwertsteuer), ihre Bankguthaben (Kapitalertragsteuer), Gewinne (Körperschaftsteuer) und unter Vorbehalt und mit viel Zaudern auch den Zuwachs ihres Vermögens. Auf beiden Seiten – bei den georderten Leistungen ebenso wie bei den per Zwangseinzug eingesammelten Geldern ist der Staat in seiner Entscheidung frei. Niemand außer ihm selbst legt fest, welche Leistungen er zu erbringen gedenkt und wie viel Geld er bei seinen Bürgern eintreibt.

 

Prof. Taschner will davon nichts wissen. Er tut so, als ob der Steuerleistung der Bürger eine Gegenleistung des Staates entspräche oder jedenfalls entsprechen sollte. In diesem Sinn durchmustert er die Staatsausgaben daraufhin, ob wirklich jeder Steuer-Euro nur für garantiert Sinnvolles verausgabt wird. Seiner begriffslosen Aufzählung dessen, wofür der Staat Geld aufwendet, - die einzelnen Posten stehen ohne jeden sachlichen Bezug nebeneinander - merkt man andererseits aber an, dass er selbst gar kein Kriterium für die Sinnhaftigkeit irgendeines dieser Posten kennt. Unzufrieden ist er nur mit dem letzten der aufgezählten Posten – dem Keil. Für den will er partout keinen ihm einleuchtenden Grund entdecken. Da werde Geld für den Schuldendienst und damit – um in seinen Worten zu bleiben - für „nichts“ weggegeben. Denken soll man sich laut Prof. Taschner, dass bloß wegen dieses von ihm für eigentlich sinnlos, ja schädlich erklärten Budgetpostens, jetzt all die anderen, nützlichen Positionen beschränkt werden müssten oder gleich ganz unterbleiben.

 

Ohne einen Begriff von dem, was der Staat tut, wenn er Geld für innere und äußere Sicherheit, für Soziales, Bildung, Verkehr usw. in die Hand nimmt, ohne sich Klarheit darüber zu verschaffen, warum er was finanziert, lässt sich aber gar nicht verstehen, warum der Staat all die Schulden macht, über deren Spätfolgen sich Prof. Taschner mit seiner Behauptung – da werde Geld für nichts ausgegeben – beschwert; warum der Staat mehr Geld ausgibt als er einnimmt oder umgekehrt gefragt, warum er den Bürgern nicht einfach mehr von ihrem Geldreichtum abnimmt, wenn er schon alles, was er für unabdingbar nötig hält, auch finanzieren möchte. Schließlich ist er doch in der ebenso luxuriösen wie einmaligen Situation selbst festzulegen, wie viel er einzunehmen und was er auszugeben gedenkt.

 

Zu klären ist daher, was der Staat tut, in welchem Verhältnis die von Prof. Taschner aufgezählten und weitere nicht aufgelistete Posten zueinander stehen. Woher kommt der gar nicht so geringe Bedarf an Aufwendungen für innere und äußere Sicherheit? Wozu ist dieser Einsatz noch dazu unbedingt überlegener Gewalt seitens der Politik nötig? Was ist sein Zweck? Unter dem Titel innere Sicherheit firmieren alle Kosten, die für die Durchsetzung und Aufrechterhaltung der verfassungsgemäß festgeschriebenen Durchsetzung von Eigentum, Freiheit und Gleichheit anfallen. Allen, auch denen, die über nichts verfügen, garantiert der Staat ohne Ansehen ihrer Person ihre Freiheit und ihr Eigentum. Die Kehrseite davon - alle die über nichts oder jedenfalls nichts Nennenswertes verfügen sind vom vorhandenen Reichtum ausgeschlossen. Solche Verhältnisse sind ohne Gewalt wirklich nicht zu haben. Durchgesetzt ist damit nämlich, dass sich die in diesem Sinne Besitzlosen – diejenigen die an produktiven Potenzen nur über ihr Arbeitsvermögen verfügen – sich gegen Lohn um die Vermehrung fremden Eigentums verdient machen dürfen. Der Klasse der Besitzenden umgekehrt ist damit der Weg eröffnet, fremde Arbeit in den Dienst der eigenen Bereicherung stellen zu können.

 

Vermehrung von Reichtum in Geldform ist damit als der das gesamte wirtschaftliche Leben der Gesellschaft beherrschende Zweck und damit als ökonomische Basis des Staates durchgesetzt. Konflikte können nicht ausbleiben, ist doch damit eine Gesellschaft konkurrierender, einander ausschließender Sonderinteressen der Gesellschaftmitglieder durchgesetzt. Die Gesellschaftsmitglieder sind einerseits sachlich aufeinander angewiesen, ihre Interessen schließen sich zugleich aber wechselseitig aus.

 

Die berühmten Sozialfälle können da gar nicht ausbleiben – zum einen erfüllt der Lohn den Zweck, für den er einzig gezahlt wird, dann am besten, wenn er nieder ist; zum anderen wird Lohn nicht gezahlt, weil derjenige, der ihn kriegt, ihn braucht, sondern nur wenn die mit ihm eingekaufte Arbeitsleistung ihren Käufer reicher macht – also nur bedingt; Arbeits- und damit Einkommenslosigkeit auf Seiten der Arbeitnehmern ist das notwendige Resultat.

 

Kein Wunder daher, wenn der Staat sich neben der Durchsetzung dieser Gesellschaftsordnung auch noch um ihr Funktionieren kümmern muss. Nicht, um die diversen Nöte zu verhindern, sondern um das Soziale – die Gesellschaft – vor Schäden zu bewahren.

 

Weil der Staat, der diese Sorte Ökonomie durchsetzt, auch ihren Erfolg will, diese Ökonomie aber ohne diese Schädigung der Arbeitnehmer nicht auskommt, hat er sich einleuchten lassen, sich seiner Arbeitnehmerschaft annehmen zu müssen. Organisiert ist diese Fürsorge um die Lohnabhängigen von Anbeginn als Kassenwesen, das einen Teil des Lohns der aktiven Arbeiterschaft einzieht, um mit den eingesammelten Geldern die Arbeitsfähigkeit ihres gerade nicht gebrauchten Teils zu erhalten – Arbeitslosen-, Kranken- und Pensionsversicherung. Dort, wo er fürchtet, dass die von Arbeitgebern und Arbeitnehmern zu leistenden Beiträge für die diversen Kassen, den ökonomischen Erfolg beschränkt, auf den es ihm ankommt, hat er sich entschlossen, mit Steuergeldern auszuhelfen. Des negativen Zwecks wegen nicht ohne immer unzufrieden mit dieser Notwendigkeit zu bleiben – was schlagend etwa die nie enden wollende Pensionsdebatte beweist.

 

Kümmern muss er sich aber nicht nur um die Verfügbarkeit hinreichend vieler und hinreichend gesunder Arbeitnehmer. Die kapitalistischen Unternehmen eigene Rechnungsweise hat die Konsequenz, dass Unternehmen zwar ausgebildetes Personal, Forschungsergebnisse, Straßen, Schienen usw. brauchen, nie und nimmer aber daran denken würden, deshalb das Ausbildungssystem, die Universitäten, oder den Bau von Straßen zu finanzieren. In all diesen Bereichen sieht der Staat sich daher genötigt, tätig zu werden.

 

Tätig werden muss der Staat auch überall sonst, wo Unternehmen für die Führung ihrer Geschäfte auf unerlässlich notwendige Bedingungen der Produktion angewiesen sind, sie diese aber auf dem Markt nicht vorfinden, weil die entsprechenden Zweige nicht rentabel zu betreiben sind. Er übernimmt die Kosten, die in diesen Bereichen einen ausreichenden Gewinn verhindern, indem er etwa wann immer nötig die Grundstoffindustrie, die Energieproduktion und eben auch die Landwirtschaft subventioniert.

 

All das verschlingt die vom Staat eingetriebenen Steuermilliarden. Ein Haken dieser Methode der Geldbeschaffung ist dem Staat nicht verborgen geblieben. Was er der Wirtschaft an Geldmitteln entzieht, beschränkt zugleich den ökonomischen Erfolg, auf den es ihm gerade ankommt. Schon immer hat er sich daher dort zurückgehalten, wo der Erfolg der Wirtschaft unmittelbar negativ beeinflusst würde: Vermögenssteuern wurden mit dem Verweis auf die internationale Konkurrenzfähigkeit – ein „Zwang“, der nur besteht, weil der Staat den Erfolg seiner Ökonomie in und gegen die ausländische Konkurrenz will – abgeschafft; ebenso Erbschaftssteuern; mit einem innovativen Stiftungsrecht hat die Republik durchaus erfolgreich versucht, Kapital ins Land zu holen; usw.usf.

 

Zu einem nicht geringen Prozentsatz bedient er sich bei den Löhnen und Einkommen der abhängig Beschäftigten. Qua Steuerprogression nascht er an jeder Lohnerhöhung und an jedem Inflationsausgleich mit, bestreitet damit aber auf Dauer die Konsumfähigkeit der Massen und sieht sich daher immer wieder gezwungen, sein Steuersystem zu reformieren.

 

Mit der Besteuerung stößt der Staat also an Grenzen – sowohl bei den Arbeitgebern aber auch bei den Arbeitnehmern – und zwar einfach deshalb, weil der Abzug von Steuern genau den Zweck gefährdet, dessentwegen er Steuern eintreibt. Weil er die geplanten Maßnahmen aber trotzdem für unerlässlich nötig hält, greift er zum Mittel der Staatsschuld. Anders als Prof. Taschner sich und uns weismachen will, sind Staatsschulden und darauf gründender Schuldendienst daher ganz und gar nicht nur Ausgaben für nichts. Darüber hinaus bietet er seinen Krediteuren - zum Großteil der Wirtschaft selbst –, anstatt ihnen qua Steuern Geld wegzunehmen, Wertpapiere vergleichsweise guter Bonität zum Kauf an. Statt eines Abzugs vom Reichtum haben die Krediteure ein Papier in Händen, dass in normalen Zeiten so flüssig wie Geld zusätzlich aber noch versehen mit dem Bonus einer dauernden Verzinsung ist. Zurückgezahlt werden diese Schulden dabei nie – wie man gerade in diesen Tagen immer wieder in den Zeitungen lesen kann, bestehen die Schwierigkeiten, auf die manche Staaten treffen, doch darin, dass das gewöhnliche Verfahren der Umschuldung – in anderen Worten der Ersatz vergangener Schuldtitel durch neue – wegen der Finanzkrise ins Stocken geraten ist.

 

Ein Grund für die massive Zunahme der Verschuldung in letzter Zeit kann Prof. Taschner unmöglich verborgen geblieben sein: die Finanzkrise und die Sorge um und der Erhalt des Funktionierens des Finanzsystems haben den Einsatz finanzieller Mittel in bislang nicht dagewesener Größe notwendig gemacht. Zweifel derart, dass da Geld für nichts verausgabt wurde kamen da weder auf Seiten der politischen Macher Österreichs, in der sonstigen Welt und auch bei Prof. Taschner nicht auf. Da war jeder Euro recht.

 

Von wegen, der Staat würde sich für nichts und wieder nichts verschulden. Der Staat verschuldet sich nicht für nichts. Und wenn er für seine Schulden Zinsen zahlt, dann schon wieder einzig und allein deshalb, weil er unbedingter Anhänger der Rechungsweise der Wirtschaft ist, die er sich eingerichtet hat. Auch Prof. Taschner hätte deswegen nie gefordert, die Stützung der Banken im Namen der Verschuldung für nichts bleiben zu lassen. Aber jetzt, wo Österreich auf einem – wir dürfen seine Worte verwenden – riiieeeesigen Schuldenberg sitzt, möchte er die Sparmaßnahmen der Regierung bei Familienleistungen, im Bereich der Universitäten, bei den Pensionen usw. als unwidersprechlich notwendig verstanden wissen. Wissend, dass Familien, Pensionisten usw. ganz sicher nicht der Grund für die derzeitige Lage des österreichischen Staatshaushaltes sind.

 

4.

Erlauben wir uns ein Gedankenexperiment. Was wäre wenn? Was wäre wenn der österreichische Staat keine Schuldenlast tragen müsste? Was wäre, wenn wir die Zinsenzahlungen nicht leisten müssten? Was wäre, wenn dieser rote Keil von 11 Cent von jedem Euro, an sich ist es sogar mehr als 11 Cent, es sind 11,4 Cent, was wäre wenn diese 11,4 Cent einfach nicht mehr da wären. Dann könnte man diese Lücke füllen, mit all den anderen Projekten, die angedeutet sind (Bildung, Verkehr, Sozialstaat, Landwirtschaft, Sicherheit, Wirtschaft, Verwaltung). Man könnte mehr Investitionen machen in Unterricht und Forschung, man könnte mehr investieren in Soziales und Gesundheit, man könnte mehr investieren in Land- und Forstwirtschaft, in Straßenbau und vielen anderem. Ja es wäre sogar denkbar, dass sie und ich weniger Steuern zahlen müssen. Wesentlich aber ist, dass dieser Schuldenberg nicht größer wird. Denn mehr Schulden bedeuten mehr Zinsen, und mehr Zinsen bedeuten weniger Zukunft.“ (www.warumsparen.at)

 

Was wäre wenn, das erinnert eher an die Einleitung eines Märchens als an einen ernsthaften Versuch der Klärung irgendeines Sachverhalts der wirklichen Welt. Passend ist die gewählte Formulierung andererseits aber allemal. Er will uns nämlich weismachen, dass mehr Geld für alles da wär, wenn da nur nicht der staatliche Zinsendienst wär und das ist wirklich ein Märchen.

 

Wie viel Geld in Wahrheit da ist, auch wenn es nicht da ist, hat doch sehr eindrucksvoll die Finanzkrise bzw. die staatliche Krisenbewältigung gezeigt. Die Frage: „Können wir uns das leisten?, hat da niemand gestellt. Ganz anders verhält es sich offenbar bei den Ausgaben fürs Soziale. Eine Pensionskürzung nach der anderen, andauernde Verschärfungen beim Arbeitslosengeld, laufende Verschärfung der Zumutbarkeitsbestimmungen, die Einführung von Selbstbehalten in der Krankenversicherung sprechen eine sehr deutlich ganz andere Sprache. Weil es beim Sozialstaat einzig darum geht, die Brauchbarkeit der Arbeitnehmer für die Wirtschaft zu gewährleisten, gibt es finanzielle Mittel nur in dem dafür unbedingt nötigen Umfang. Immer stellt sich daher die Frage, ob ein geringerer finanzieller Aufwand nicht auch noch ausreichend wäre.

 

Begründet werden die diversen Kürzungen zwar immer mit der Unfinanzierbarkeit“ des Sozialstaates. Dass dies aber nicht mit dem von Prof. Taschner in den Raum gestellten Mangel an finanziellen Mitteln des Staates zu verwechseln ist, es sich vielmehr um eine politische Willenskundgabe dahingehend handelt, was man zu finanzieren gedenkt und was eben nicht, ist auch der Debatte um Pensionsreformen oder Mindestsicherung zu entnehmen.

 

So kreist jede von der Politik initiierte Debatte über die Kosten des Pensionssystems um die Schlagworte Generationenvertrag und Generationenkonflikt. Die Leute gehen zu früh in Pension und leben – gemessen an der Finanzierbarkeit ihrer Pension durch die aktive Generation - zu lang. Darin dass der Generationenkonflikt, das ungünstige Mischungsverhältnis von Alt und Jung, zum Grund von Schwierigkeiten der Pensionsfinanzierung erklärt wird, drückt sich der staatliche Unwille aus, sich mit finanziellen Mitteln an der Pensionsfinanzierung beteiligen zu müssen. Jeder Euro aus Steuermitteln in Form des Bundesbeitrages gilt entsprechend zusehends als Notlösung. Von wegen also, wie Prof. Taschner uns weismachen möchte, er würde die Einschnitte bei den Pensionen – von einer Erhöhung der Pensionen ist ohnehin nicht die Rede – nur zu gerne geringer ausfallen lassen. Mit seinem Verweis auf die Generationen beharrt der Staat ganz im Gegenteil darauf, dass die Pensionen der nicht mehr Aktiven recht eigentlich aus der gesamtgesellschaftlichen Lohnsumme bestritten werden sollten. Auch wenn diese gesamtgesellschaftliche Lohnsumme das immer weniger hergibt. Die Gründe dafür sind hinlänglich bekannt – zunehmende Arbeitslosigkeit und entsprechend löchrige Beschäftigungsbiografien, prekäre Beschäftigungsverhältnisse, sinkende Löhne.

 

Dass sich nicht einfach jeder Budgetposten aliquot vergrößern würde, gäbe es die Staatsschuld nicht, zeigt ein weiteres Mal die Debatte um die Einführung der „bedarfsorientierten Mindestsicherung“. Wenn bei der Festlegung der Höhe der Mindestsicherung darauf geachtet wurde, nur ja keine Wahlfreiheit zwischen „Hängematte“ und „Erwerbsarbeit“ zu schaffen, wenn betont wurde, dass sie keinesfalls die Menschen vom Arbeiten abhalten dürfe, sie ganz im Gegenteil dem Arbeitsmarkt noch besser als die bisherige Sozialhilfe zuführen solle, dann ist das Kriterium für derartige Sozialleistungen klar benannt und jede Verwechslung mit einem Füllhorn, das ausgeschüttet wird, komplett ausgeschlossen.

 

Auch in den anderen angeführten Bereichen – Land- und Forstwirtschaft, Unterricht und Forschung, Straßenbau etc. - ist das Bild, „weniger Zinszahlungen = mehr Ausgaben für diese Bereiche“ lächerlich. So als ob die staatlichen Förderungen für die Landwirtschaft in der EU nicht den Zweck verfolgten, die Produktivität zu erhöhen, eine konkurrenzfähige europäische Landwirtschaft herzustellen und mit dem zunehmenden Erreichen dieses Ziels die Flurbereinigung ansteht, was für die Landwirte bedeutet, sich bei Gefahr des Untergangs schnellstmöglich von Förderungen unabhängig zu machen, sprich zu Marktpreisen zu produzieren oder gar nicht.

 

Der von Prof. Taschner in den Raum gestellte Zusammenhang von „weniger Schuldenlast – mehr Ausgaben des Staates für Soziales, Land-und Forstwirtschaft, Unterricht, Verkehr usw.“ hält also keiner auch nur oberflächlichen Überprüfung stand. Es handelt sich um eine reine Fiktion – ein „Gedankenexperiment“ eben, wie schön sich die Welt doch denken ließe, hätte der Staat doch nur weniger Schulden. Das ist schon eine gedankliche Leistung der Sonderklasse. Absicht der ganzen Vorführung ist ja, Herrn und Frau Österreicher mit der Autorität eines Wissenschaftlers näherzubringen, dass die soeben beschlossenen Maßnahmen – Kürzung von Familienleistungen, Streichung des Alleinverdiener­absetzbetrages, Erhöhung der Mineralölsteuer, Tabaksteuer, Verschlechterungen bei der Hackler-Pension und vieles mehr – zur Verringerung des Budgetdefizits letztlich doch in ihrem ureigensten Interesse wären. Die konkret beschlossenen Maßnahmen auf der einen Seite braucht Prof. Taschner dabei genauso wenig zum Thema zu machen wie das Warum und Wofür der erfolgten und in der jüngeren Vergangenheit drastisch erhöhten Staatsverschuldung. Keine der beiden Seiten sollen erklärt werden, sondern der Bürger soll seine Indienstnahme für die Verschuldungsfähigkeit des Staates als Dienst an sich selbst sehen. Dass derlei Absichten nicht ohne falsches Denken auskommen, zeigen auch die weiteren Ausführungen Prof. Taschners.

 

5.

Und was passierte, wenn nichts passiert, wenn wir das Budget einfach so laufen ließen, wenn wir die Hände in die Hosentaschen geben, dann würde die Schuldenlast immer drückender und drückender. Der jährliche Schuldendienst beträgt jetzt schon mehr als 8 Milliarden und innerhalb von wenigen Jahren müssten wir mehr als 9 Milliarden pro Jahr für den Schuldendienst erlegen. Und des Wachsens der Schulden ist kein Ende, währenddessen der Spielraum, der dem Staat zur Verfügung stünde für die Ausgaben in Infrastruktur, für die Ausgaben für Bildung und Soziales, für die Ausgaben in Wissenschaft und Forschung immer geringer und geringer würde. Der Wirtschaftsstandort Österreich würde immer mehr an Attraktivität verlieren, wir würden die Sicherheit der Arbeitsplätze, die soziale Sicherheit nicht mehr so garantieren können wie wir sie jetzt garantieren wollen. Wir hätten unsere Position innerhalb Europas nicht mehr gesichert. Die Schuldenlast erdrückte unsere Zukunft. (www.warumsparen.at)

 

Was denn nun? Vorhin sollte man sich gerade denken, Staatsschulden überhaupt sind Aufwand für nichts, als solcher Abzug von Ausgaben für Infrastruktur, Bildung, Soziales usw. und daher per se schlecht, so heißt es jetzt, die Schulden dürfen nicht weiter wachsen, weil andernfalls der Wirtschaftsstandort Österreich leiden würde.

 

Wir nehmen zur Kenntnis, nicht die Schulden, sondern ihr Wachstum sollen wir uns als das eigentliche Problem denken. 2008 hat dies beim Auftraggeber Prof. Taschners, Herrn Finanzminister Pröll noch ganz anderes geklungen. Zur Entwicklung der Staatsschulden kann man auf der Homepage des Finanzministeriums folgendes lesen:

 

Die Schuldenquote war von 2001 bis 2007 stetig rückläufig. Ab 2008 stieg sie wieder deutlich an.2008 war insbesondere die Mittelaufnahme nach dem Finanzmarktstabilitätsgesetz die Ursache für den Anstieg. Ab 2009 bewirkten die höheren Budgetdefizite aufgrund der Weltfinanzkrise den weiteren Anstieg.

 

Dass die Schuldenlast „die Zukunft frisst“ war 2008 offensichtlich nicht die Leitschnur des Handelns der österreichischen Bundesregierung. Da hieß es gerade umgekehrt, für die Zukunft der Marktwirtschaft hierzulande müssen die Staatsschulden steigen. Ähnlich mussten dann auch im Jahr 2010 noch weitere Schulden einfach sein, diesmal für die Rettung des Euros, genauer die Finanzierung des österreichischen Anteils zum „Europäischer Stabilisierungsmechanismus“ mit einem insgesamten Volumen von 750 Mrd. Euro.

 

Also 2008 wären die Ausführungen von Prof. Taschner mehr als nur deplaciert gewesen, da war Schuldenmachen geradezu das Gebot der Stunde. Kein Wunder, dass Prof. Taschner den Auftrag für seinen Aufklärungsvortrag nicht damals, sondern jetzt bekommen hat, wo es darum geht, der Bevölkerung Steuererhöhungen und Kürzungen von Sozialleistungen zu plausibilisieren.

 

*

 

Ginge es um Stimmigkeit der Argumente, wäre zuallererst einmal zu klären, worum es am Standort Österreich geht. Worum es das eine Mal unbedingt notwendig war, Schulden in exorbitantem Ausmaß zu machen und warum dieselben Zwecke jetzt erzwingen sollen, die Vermehrung der Schuldenlast zurückzufahren – von einer Verminderung der Schulden ist bei dem was die Regierung plant, ja in Wahrheit ohnehin nicht die Rede. (http://www.staatsschulden.at/)

 

Worunter leidet dieser Standort, wenn die Staatsschuld in dem vom Herrn Mathematik-Professor vorgerechneten Maße weiter wächst? Die Schuldenlast erdrückte unsere Zukunft, lautet die Auskunft. Nun ist das insofern bemerkenswert, als bislang Schulden doch noch nie zurückgezahlt wurden. Schulden wurden gemacht und wenn ihre Tilgung fällig war, dann geschah dies in aller Regel mittels neuer Schulden. Genauso entstand im Übrigen der Schuldenberg, der dem Herrn Professor heute das Fürchten lehrt.

 

An dieser Praxis – Schulden mit neuen Schulden zu finanzieren - soll sich auch in Zukunft gar nichts ändern. Natürlich setzt dies voraus, dass der Staat auch in Zukunft kreditwürdig ist. Abhängiges Opfer der Verhältnisse, als das Prof. Taschner ihn gesehen haben möchte, ist er deshalb aber noch lange nicht. Schließlich setzt doch niemand anderer als er selbst – und zwar unter Einsatz all seiner politischen Gewalt - die Rechnungsweise der Wirtschaft überhaupt erst durch, der gemäß der bestimmende Zweck allen Wirtschaftens die Vermehrung in Geld zu messenden Reichtums ist. Wenn er jetzt selbst darunter leidet, nicht mehr ohne Wenn und Aber über Kredit zu verfügen, dann leidet er an seinem eigenen Geschöpf. Dass er nicht gewillt ist, daran auch nur irgendwas zu ändern, konnte man in den letzten Jahren lernen. Schließlich stand von Anbeginn ohne den geringsten Zweifel fest, dass das Bankensystem zu retten ist, koste es, was es wolle.

 

Er hat damit den staatlichen Willen unter Beweis gestellt, das ganze ökonomische Leben davon abhängig zu machen, dass die Geldvermehrung im Bankensektor gelingt. Mit der Schaffung der rechtlichen Rahmenbedingungen des Kreditwesens sorgt er dafür, dass aller vorhandene Reichtum seiner Vermehrung zugeführt wird. Zum Einsatz kommt schließlich sogar Geld, das noch gar nicht vorhanden ist, das also erst noch verdient werden muss: Banken lassen sich in ihrer Kreditvergabe nicht durch die bei ihnen vorhandenen Einlagen beschränken. Der Kredit erweist sich damit als das ultimative Mittel, noch die letzte Reserve der Reichtumsvermehrung freizusetzen. Wachstum - die ständige und schrankenlose Zunahme des in Geld gemessenen Reichtums, auf den der Staat Zugriff hat - ist damit der Ökonomie als ihr ureigenster Zweck implantiert.

 

Jeder Erfolg dieser Wirtschaft bedeutet immer auch eine Vergrößerung der wirtschaftlichen Basis des Staates, des Reichtum, von dem er zehrt, weshalb er - die politische Gewalt dieser Verhältnisse – sich den Gesetzmäßigkeiten dieser Ökonomie unterwirft. Die dieser Produktionsweise eigenen Widersprüche nimmt er in Kauf. Im Verbund mit seinesgleichen rettet er mit Milliardenbeträgen das Finanzkapital, indem er in gigantischen Ausmaß Schulden bei genau dem Finanzkapital aufnimmt, das er rettet. Er rettet das Finanzkapital und stellt ihm die dafür nötigen Schulden als Geschäftsmittel zur Verfügung.

 

Das Finanzkapital lässt sich dieses Geschäft nicht entgehen. Zugleich macht es aber das, was es mit allen Schuldtiteln macht, es beurteilt die verschiedenen Staatsschuldpapiere unter den Gesichtspunkten von Rendite und Solidität und entdeckt– des Ausmaßes der Schulden wegen, die die Staaten für ihre eigene Rettung machen, vor allem aber wegen ihrer kapitalistisch unproduktiven Verwendung: nicht für erfolgreiche neue Geschäfte sondern bloß zur Abwendung ihres eigenen Bankrotts – lauter Gründe für Bedenken in deren Solidität.

 

6.

Und wie stehen wir international da? Nun was die Gesamtverschuldung anlangt, so ist Österreich im Euroraum an 9.Stelle, das heißt, dass 8 Staaten weniger Gesamtverschuldung im Vergleich zum Bruttoinlandsprodukt haben als Österreich. Und in der etwas größeren EU nimmt Österreich nur den 18.Platz ein. Und im noch größeren Europa nimmt Österreich gar nur die 31.Stelle ein. Und diese Position gilt es zu verbessern. Denn meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn ich zur Bank gehe um einen Kredit zu bekommen und die Bank stellt fest, dass ich eine starke Schuldenlast habe, wird die Bank mir vielleicht diesen Kredit verweigern oder die Bank wird sagen, „Sie müssen einen hohen Zinssatz auf sich nehmen, denn wir nehmen ein hohes Risiko auf uns, wenn wir Ihnen dieses Kredit geben, wir wissen nicht, ob Sie dieses Geld zurückzahlen können.(www.warumsparen.at)

 

Halten wir fest: erst sollten wir uns einleuchten lassen, Schulden seien per se schlecht; dann waren es weniger die Schulden selbst, sondern ihr Wachstum; und jetzt ist es genau besehen nicht ihr Wachstum, das uns Sorgen machen soll, jetzt hat unsere Sorge der Fähigkeit, auch in Zukunft Schulden machen zu können, zu gelten. Wo liegt denn nun diese Grenze der staatlichen Verschuldungsfähigkeit.

 

Was ist laut Prof. Taschner das rechte Maß der Verschuldung, wann ist eine Schuldenlast „stark“? Negativ kann man sagen, weder macht er die Gefahr einer Überschuldung Österreichs an der absoluten Höhe seiner Schulden fest und auch nicht am zitierten Verhältnis dieser Schulden zum Bruttoinlandsprodukt. Was ein zu viel an Schulden ist und was gerade noch erträglich ist, erschließt sich für Prof. Taschner einzig aus dem Vergleich der Schuldenquote Österreichs mit der der anderen europäischen Staaten. Dann liegt die Grenze der Verschuldensfähigkeit Österreichs aber gar nicht einfach in dem, was Österreich tut und was seine Wirtschaft an Erfolgen zustande bringt. Dann hängt die Frage, was an Verschuldung noch akzeptabel ist, an dem was andere Staaten tun und was deren Wirtschaften an Erfolgen hinkriegen. Das ganze gilt dann natürlich auch vice versa. Statt der Bestimmung einer Grenzen der Verschuldungsfähigkeit läuft all das auf eine einzige Tautologie hinaus: gut ist der Schuldner, der in seiner Rangordnung der Verschuldung besser ist als die anderen.

 

Eines kann man freilich selbst aus dieser dürren Ideologie über die „europäische Familie lernen. Sosehr die europäischen Staaten für ihren Erfolg aufeinander angewiesen sind – immerhin haben sie sich dereinst zur europäischen Union zusammengeschlossen, um gemeinsam besser in der Konkurrenz zur restlichen Welt zu fahren – sosehr stehen sie offenbar gleichzeitig, in Konkurrenz zueinander. Derjenige Staat steht besser da, ist Prof. Taschner für selbstverständlich, der weniger Schulden hat und damit in seiner Rangordnung in Sachen Verschuldung weiter oben steht. Wie kann er seine Position verbessern? Indem er einen der besser Gereihten von seiner Position verdrängt. Der eigene Erfolg und die Niederlage der anderen lassen sich nicht voneinander trennen – „europäische Familie“ hin oder her. Sowenig sich die tatsächliche Rangordnung der europäischen Staaten tatsächlich mit der von Prof. Taschner behaupteten Rangordnung deckt – ganz besonders toll wäre dann Ende 2009 Estland gefolgt von Luxemburg. Jeder weiß aber natürlich, dass den ersten Platz innerhalb Europas unbestritten Deutschland innehat und zwar nicht wegen irgendeines gelungenen Verhältnisses von Staatsschuld und BIP. Das worauf es nämlich in Wahrheit ankommt, ist das Urteil der Finanzspekulanten und Anleihezeichner, derer sich die Staaten bedienen wollen und deren Urteil sie sich daher auch unterwerfen.

 

Sehr geehrter Herr Professor! Was für uns beide als Privatpersonen gilt, gilt natürlich auch für ganze Staaten und ich sehe derzeit bei den Verhandlungen und nächtlichen Marathonsitzungen in Brüssel, was es heißt, wenn Länder wie Irland, Griechenland nicht mehr selbstbestimmt ihre Schulden reduzieren können, wenn Zinsen und Schuldenstände ganze Länder auffressen und die Menschen dort darunter leiden. Deswegen gehen wir in Österreich einen anderen Weg. Raus aus der Schuldenfalle in die richtige Richtung, selbstbestimmt für unsere Kinder die Zukunft gestalten. Das Budget gibt diese Möglichkeiten.

(www.warumsparen.at)

 

Von wegen für Privatpersonen und Staaten würde dasselbe gelten. Noch nie hat man davon gehört, dass Bürger den Staaten gleich Anleihen auflegten und schon gar nicht davon, dass sie - wieder wie die Staaten - die Bedienung alter Anleihen bei Fälligkeit durch die Ausgabe neuer bewerkstelligten. Für Staaten umgekehrt ist dies selbstverständliche Praxis. Wahr ist, dass dieses staatliche Handeln eine entscheidende Voraussetzung hat – die Welt des Finanzkapitals will davon überzeugt sein, dass sich mit diesen staatlichen Schuldpapieren ein ordentliches und zuverlässiges Geschäft machen lässt. Nur die Staaten kommen in den Genuss des nötigen Kredits, nur die staatlichen Anleihen werden gezeichnet, die der Finanzwelt dies versprechen können. In Zeiten der Aufblähung staatlichen Kredits zwecks Rettung ebendieses Finanzsystems will das erst noch bewiesen sein.

 

Seitdem sehen sich die Staaten in besonderem Maße herausgefordert sehen, der von ihr geretteten Finanzwelt ihre Kreditwürdigkeit zu beweisen. Wie? Durch die Demonstration ihres Willens zu „sparen“. Nicht bei den Ausgaben für die Rettung des Finanzsystems, versteht sich. Um die Beschaffung der für diese Rettung nötigen Finanzmittel ging und geht es gerade. Überhaupt ist das staatliche Sparen nicht mit dem Sparen des einfachen Bürgers verwechseln. Wenn der Bürger spart, muss tatsächlich er selbst seinen Gürtel enger schnallen. Ganz anders bei den Staaten. Wenn die antreten, ihre Kreditwürdigkeit zu beweisen, überprüfen sie ihre Ausgaben und Einnahmen unter dem Gesichtspunkt von deren Wirkung auf den Reichtum der Nation. Das ganz und gar nicht überraschende und immer wieder gleiche Resultat – Vermögen wird sehr pfleglich behandelt, wohingegen diejenigen, die schon bislang für die Produktion des Reichtums zuständig waren, eines Reichtums, der nicht der ihre ist, sich vorrechnen lassen dürfen, dass sie dem Staat im Interesse seiner Kreditwürdigkeit in allen ihren Untergliederungen – sei es als Arbeitsloser, als Familie, Pensionist oder Student - zu teuer kommen. Die Konsequenz: Familien, Pensionisten, Arbeitnehmer und Studenten dürfen sich hinfort ihr Geld besser einteilen. Das ist der Beweis, den die Finanzwelt braucht. Einzig das kann das nötige Vertrauen schaffen, das die Finanzwelt unbedingt braucht, um weiterhin erfolgreich den weltweiten Kredit zu vermehren.

 

Staaten, denen der verlangte Beweis nicht gelingt, dürfen – ebenfalls im Interesse ihrer Selbsterhaltung als glaubwürdiger Schuldner - unter der Anleitung von IWF und EU-Partnern den Übergang zu fremdbestimmtem Sparen machen. So oder so, Mittel staatliche Solidität unter Beweis zu stellen, ist in allen Fällen die Verarmung der arbeitenden Bevölkerung. Die Österreicher dürfen sich – so die Botschaft von Pröll - im Vergleich zu den Griechen glücklich schätzen, ihre vergleichsweise geringere Belastung ganz und gar selbstbestimmt von einer österreichischen Regierung verordnet zu kriegen – das macht die Belastungen doch gleich viel verträglicher.

 

Sie können das Budget natürlich von der einen Seite betrachten, man kann es auch von der anderen Seite betrachten. Es gibt verschiedene Möglichkeiten der Interpretation, aber die Zahlen selbst liegen auf dem Tisch und die Zahlen sprechen eine klare Sprache. (www.warumsparen.at)

 

Jetzt ist uns endgültig klar, warum ausgerechnet Prof. Taschner den Auftrag zu seinem Internet-Auftritt in Sachen Budget bekommen hat. Gefragt ist Prof. Taschner als Mathematiker. Als Mathematiker hat er zwar zum Thema genau besehen nichts zu sagen. Jedenfalls nicht mehr oder weniger, als alle anderen Bürger auch. Wenn er sich äußert, dann tut er dies aber mit der Autorität, die ihm seine unbestrittene und mit amtlichem Brief und Siegel bestätigte Kennerschaft der Mathematik verleiht. Dadurch werden zwar die Aussagen nicht besser. Eines leisten sie aber schon. Der politische Beschluss, den Bürgern im Namen der Kreditwürdigkeit der Republik ein Sparprogramm zu verordnen, erhält den Glorienschein einer mathematischen Notwendigkeit.