GEGENARGUMENTE |
Von der Behauptung,
alle wollen das Gemeinwohl, über allerlei falsche Bestimmungen des Kapitalismus zur Definition des Gemeinwohls als Genuss allseits
gelebter Moral
Thesen:
· Hunger, Armut, die Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen sind nicht – wie Christian Felber behauptet - Folge einer fehlgeleiteten Einstellung der Menschen. Es handelt sich um notwendige Resultate einer Produktion für Markt und Geld
· Wer dem mit positiven Leitsternen wie Vertrauen, Teilen, sozialer Verantwortung, Solidarität, nachhaltiger Produktion begegnen möchte, formuliert das Ideal, die ökonomischen Gegensätze wären auch ohne die mit ihnen notwendig einhergehenden Schädigungen zu haben.
· Die Gemeinwohlökonomie – das Ideal wird praktisch: Wenn ein den „positiven“ Leitsternen entsprechendes Verhalten belohnt werden muss, sind die Gründe für „schlechtes“ Verhalten nach wie vor in Kraft.
· Das versprochene Gemeinwohl besteht darin, dass in der Gemeinwohlökonomie die moralischen Werte der Marktwirtschaft endlich wirklich zur Hauptsache der Wirtschaft werden.
Dafür wird er von der Öffentlichkeit gelobt. Erstens, weil die Herrschenden am besten wissen, dass der Mensch im Kapitalismus Moral braucht und zweitens, weil er ausgerechnet die Unternehmer, die Nutznießer unseres Wirtschaftssystems, zum Subjekt der Veränderungen erklärt!
A.
Der Ausgangspunkt – die Welt, eine einzige Krise
Was das Gemeinwohl verhindert
Wenn schon immer alle das Gemeinwohl wollen- wie Christian Felber behauptet -, stellt sich die Frage, wieso es nicht und nicht verwirklicht wird. Fast zweieinhalb Jahrtausende (genau 2333Jahre) seit Aristoteles wären doch genug, sollte man wenigstens meinen. Statt dessen, die Welt ist - angeblich - eine einzige Krise! – Arbeitslosigkeit, Verteilungskrise, Hungerkrise, Konsumkrise, Finanzkrise, Demokratiekrise, Sinnkrise …
„Alle diese Krisen hängen miteinander zusammen, sie sind auf eine gemeinsame Wurzel
zurückzuführen: die fundamentale Anreizstruktur unseres gegenwärtigen
Wirtschaftssystems: Gewinnstreben und Konkurrenz. Diese Kernmotivation fördert
egoistisches und rücksichtsloses Verhalten, lässt zwischenmenschliche Beziehungen scheitern und gefährdet den seelischen, sozialen und ökologischen Frieden.“
(Gemeinwohlökonomie, S 7)
Die Behauptung von
Ch.F.: Konkurrenz und Gewinnstreben, wären die Kernmotivation des
wirtschaftlichen Handelns der Menschen. In dieser Kernmotivation läge der Grund
des kritisierten Übels.
1.
Stimmt das? Zu
überprüfen ist, ob es
eine richtige
Bestimmung des wirtschaftlichen Handelns von Arbeitgebern und Arbeitnehmern ist, zu behaupten, sie würden nach Gewinn streben und
hätten das Motiv konkurrieren zu wollen.
*
Beginnt man mit den
Arbeitnehmern, so ist unmittelbar klar, nach Gewinn[1]
streben sie mit Sicherheit nicht –
schon gleich nicht, wenn Gewinn irgendwas mit dem zu tun haben
soll, was in der Wirtschaft darunter verstanden wird: Vergrößerung von
Geldreichtum.
Konkurrieren sie? Die
Arbeitnehmer brauchen einen Arbeitsplatz, heißt es von Wirtschaftskammer und leider auch von der Gewerkschaft. Leider, weil die Wahrheit
ist das nicht. Tatsächlich brauchen sie einen Arbeitsplatz nur, weil sie ein
Einkommen brauchen, per Definitionem aber über kein nennenswertes Eigentum
verfügen, das ihnen eine Alternative böte – weil sie qua Eigentum vom
vorhandenen Reichtum ausgeschlossen sind.
Mit diesem ihrem
Interesse an einem Arbeitsplatz stehen sie tatsächlich in Konkurrenz zu
Ihresgleichen. Unmittelbar kenntlich ist aber, dass diese Konkurrenz gar nicht ihr eigenes Werk ist. Das ist auch keine Frage einer falschen Einstellung auf Grund ungünstig gesetzter
Anreize. Es verhält sich umgekehrt: diese Konkurrenz wird ihnen von der
Gegenseite – von den Unternehmern – aufgemacht. Sie ist nicht ihr Werk, sie sind
in Konkurrenz gestellt und zwar zu ihrem Schaden. Leicht kenntlich ist sie das
Mittel der Unternehmer.
Deren Interesse an
Arbeitsplätzen ist nämlich ein sehr relatives. Auch wenn es immer heißt, ihr
Beruf wäre die Schaffung von Arbeitsplätzen. Arbeitsplätze sind für sie – die
wahren Besitzer der Arbeitsplätze – nämlich nur dann von Interesse, wenn die Arbeit an ihnen sie selber bzw. ihr
Unternehmen reicher macht. Sie investieren, geben unter anderem auch Geld für
Löhne aus, um diesen Geldvorschuss vermehrt zurückzuerhalten.
Was anderes kann nicht der Zweck sein, wenn es ums Geld geht.
Das liegt in der Natur des Reichtums um den sich unsere Ökonomie dreht – um
Geldreichtum – die Geldform ist unserer Gesellschaft die ultimative Form von
Reichtum.
Dieser Zweck gelingt
naturgemäß umso besser, je billiger die Arbeitskräfte sind, je geringer der am
Arbeitsplatz verdiente Lohn ist. Der Lohn ist daher die negative Größe unserer Wirtschaft
– er muss gezahlt werden, weil ja sonst niemand arbeiten würde. Er selber ist
aber nicht der Zweck - mehr noch, als Lohnkost steht er in einem negativen
Verhältnis zu der Größe, auf die es wirklich ankommt, zum Gewinn.
Unternehmer
vergleichen daher Arbeitnehmer immer unter dem Gesichtspunkt der Lohnkost und
eröffnen damit die
Konkurrenz der Arbeitnehmer.
*
Auch
die Unternehmer haben nicht den Zweck zu konkurrieren. Richtig ist, sie machen
sich wechselseitig den Erfolg, einen möglichst großen Teil der immer begrenzte
Zahlungsfähigkeit auf sich und damit von den anderen weg zu ziehen.
Sie sind aber nicht
zur Konkurrenz angereizt, ihre Konkurrenz verdankt sich nicht einer subjektiven
Einstellung konkurrieren zu wollen, sondern ihrem Interesse, ihren Geldreichtum zu
vermehren. Dabei geraten sie unweigerlich in Konkurrenz zu ihresgleichen und in
Gegensatz zu den Arbeitnehmern. Das Unternehmen gehört zu den Gewinnern, dem das
besser gelingt, als den anderen, die Arbeit der Arbeitnehmer in den Dienst der
eigenen Reichtumsvermehrung zu stellen.
2.
Es ist aber ein
Unterschied ums Ganze, ob man Konkurrenz und Gewinnstreben kritisiert oder den
Kapitalismus.
Wer die Marktwirtschaft kritisiert, weil in ihre
Berechnungen nur das zahlungsfähige Bedürfnis eingeht, das Bedürfnis, dem das
Geld fehlt, aber auf der Strecke bleibt, oder weil in ihr der Lohn – das
Lebensmittel der Arbeitnehmer – eine Kost ist, möchte diese Wirtschaftsweise
abschaffen.
Wer stattdessen die
Konkurrenz zum Übel erklärt, kritisiert nicht die Marktwirtschaft, nicht das
Geld, sondern den Umgang der Menschen mit Markt, mit Geld, mit Kredit[2].
Gerade so, als ob Geld sich auch anders verwenden ließe.
Wer den Gewinn
kritisiert, möchte ihn abschaffen, wer das Streben nach ihm kritisiert, möchte
dieses Gewinnstreben zähmen, hat also nichts gegen Gewinn!
Genau das möchte Christian Felber. Alles – Markt, Geld, Kredit, sogar Weltgeld - kann deshalb wenigstens im Prinzip bleiben, wie es ist: Korrigiert werden muss die
moralische Ausrichtung der Menschen, die Leitsterne. Seine schlichte Antwort:
Wenn der Grund allen Übels der Welt das Schlechte ist, dann muss das Schlechte
raus und das Gute rein, gute Leitsterne: Teilen, soziale Verantwortung,
ökologische Nachhaltigkeit, … Dann wäre die Welt in Ordnung.
Der Gehalt der „guten“ Werte
Unmittelbar kenntlich: Durch die
Geltung all dieser Leitsterne werden die Gründe der aufgezählten Krisen gar nicht außer Kraft
gesetzt. Es verhält sich genau umgekehrt. Das Bedürfnis nach diesen Idealen
kommt überhaupt nur in einer Welt der Gegensätze auf. Wozu sollte man Teilen,
wenn alle genug hätten, was soll soziale Verantwortung sein, wenn die Wirtschaft
nicht beständig Opfer schafft, der Wunsch nach Vertrauen kommt doch nur dort
auf, wo Gründe für Misstrauen vorliegen. Rücksicht kann nur dort gelebt werden,
wenn sich die Leute, gehen sie einfach ihren wirtschaftlichen Interessen nach
einander laufend in die Quere kommen; wenn die wirtschaftlichen Interessen in
einem antagonistischen, einem Verhältnis des wechselseitigen Ausschlusses
zueinander stehen.
Negative wie positive Leitsterne sind ideologische Fassungen
der Konkurrenz. Die Negativen insofern sie den objektiven Gegensatz der
Interessen in eine Frage falscher Einstellung der Menschen – in Egoismus und
Profitgier – übersetzen und damit seine Objektivität
leugnen.
Die guten Leitsternen
umgekehrt formulieren spiegelbildlich dazu das Ideal, die ihnen vorausgesetzten
Interessensgegensätze wären auch ohne die mit ihnen notwendig einhergehenden
Schädigungen zu leben.
Genau an diese guten
Idealen setzt
Christian Felber an. Er möchte erreichen, dass die positiven Leitsterne wirklich
gelebt werden und zwar ohne die Gegensätze, die den Wunsch nach ihnen erst
aufkommen lassen, aus der Welt zu schaffen[3].
Erreicht werden soll dies wie folgt.
B. Die Gemeinwohlökonomie
„Das Gemeinwohl wird in einem breiten demokratischen Prozess von unten
vordefiniert, später an einen direkt gewählten
Wirtschaftskonvent
übergeben und per Volksabstimmung in der Verfassung
verankert.“ (Kurzfassung des Buches Gemeinwohlökonomie von Felber)
Wenn erst noch definiert werden muss, was Gemeinwohl[4]
ist, kann es sich unmöglich um eine bloße Zusammenfassung der Nutzen der
Einzelnen handeln. Da wüsste nämlich jeder Einzelne sofort, ob sein Wohl
verwirklicht ist oder nicht. Das Gemeinwohl ist also etwas von den Interessen
der Einzelnen Getrenntes, an dem sich umgekehrt die einzelnen Interesse zu
relativieren haben – je nach ökonomischen Stellung: Unternehmer respektiert die
bei ihm Beschäftigten, die dafür umgekehrt Verständnis dafür haben, dass ihr
Lohn dem Erfolg des Betriebs nicht im Wege stehen darf.
Um
dieses
Gemeinwohl zu erreichen, soll
die existierende Finanzbilanz um eine Gemeinwohlbilanz ergänzt werden.
„Da das neue Ziel aller Unternehmen das Gemeinwohl ist, muss dieses
konsequenterweise auch in der unternehmerischen Hauptbilanz gemessen werden: in der Gemeinwohlbilanz. Die
bisherige Hauptbilanz, die Finanzbilanz wird zur Nebenbilanz.“ (Gemeinwohlökonomie, S 29)
Die Unternehmer sollen
ihren Beitrag zum Gemeinwohl in Form eines Punktesystems bilanzieren. Stellt
sich die Frage, was machen die Unternehmer mit all den schönen Punkten, die sie
sammeln? Einfach Geld, das sie lukrieren, sollen sie nicht sein. Kaufen kann man sich mit ihnen also nichts. Bloß an den Hut
stecken sollen sie sich die Punkte andererseits aber auch nicht. Dann wäre die
Gemeinwohlbilanz endgültig ein bedeutungsloses Beiwerk. Die Antwort:
„Die Unternehmen mit den besten Gemeinwohlbilanzen erhalten
rechtliche Vorteile. Niedrigere Steuern, geringere Zölle, günstigere Kredite,
Vorrang beim öffentlichen
Einkauf und bei Forschungsprogrammen, … Dadurch können sie ihre
höheren Kosten decken.“ (Kurzfassung von Felber)
Das gewünschte
Ergebnis soll dadurch erreicht werden, dass sich die Punktesammelei in der
Finanzbilanz Wirkungen zeitigt. Wenn man aber auf diese Wirkungen in der Finanzbilanz setzt, wird diese
Finanzbilanz nicht nur nicht außer sondern ganz im Gegenteil erst recht in Kraft
gesetzt. Allem Wortgeklingel von Haupt und Neben zum Trotz ist die Bilanz, auf
die es wirklich ankommt, nach wie vor die Finanzbilanz.
Mit der Finanzbilanz
bleiben aber all die Gegensätze, die den Kapitalismus auszeichnen, nach wie vor in Kraft. Alle Gründe, die Arbeiter schlecht zu bezahlen und die
natürlichen Lebensgrundlagen zu zerstören bestehen in der Gemeinwohlökonomie
weiter.
Bräuchte man sonst
jemanden dafür belohnen, solches Verhalten zu unterlassen. Wäre der Zweck der Produktion Bedürfnisbefriedigung, wäre die Brauchbarerhaltung der Natur doch gar kein
eigener Zweck. Anders in der Gemeinwohlökonomie. In der muss Gemeinwohl sich
lohnen – für die Unternehmer! In Geld versteht sich!
Der Verzicht von Unternehmen, die eine oder andere geschäftsnützliche Schweinerei
zu setzen, will belohnt sein.
Eine schöne Auskunft über die neue „Kernmotivation“ der Unternehmer!
Kein Wunder daher, dass es in der Gemeinwohlökonomie sogar einen Mindestlohn braucht.
Einzig auf die Buchhaltung der Unternehmen kommt die neue Aufgabe zu, den richtigen
Mix aus Versauen der Umwelt, niedrigen Löhnen und kassieren von
Gemeinwohlpunkten zu finden, damit das Betriebsergebnis passt.
Klar ist damit aber
weiters, dass all die negativen Verhaltensweisen dann natürlich nicht aus der
Welt sind, sondern nach wie vor geschehen und zwar zumindest durch die, die auf
Steuervorteile und Förderungen dank hinreichend großer Produktivität nicht
angewiesen sind. Deren Existenz ist sogar unterstellt – vom wem sollte sonst die
Quersubventionierung in Gestalt von
Steuervorteilen und Förderungen kommen!
So ganz rechnet selbst
Christian Felber nicht damit, dass durch dieses System der Gemeinwohlpunkte die von
ihm gewünschten Ideale Teilen, sozialer Verantwortung und Rücksicht verwirklicht
werden. Überall dort, wo die neuen Anreize das gewünschte Ergebnis nicht
bringen, soll eine schlichtes Verbot die unerwünschten Wirkungen verhindern.
Der Gehalt des Gemeinwohls
Was ist jetzt der
Inhalt dieses Gemeinwohls? Worin besteht es? Darin dass alle zu ihrem Nutzen
kommen? Offensichtlich nicht[5]!
Wenn der Zweck der Gemeinwohlökonomie aber nicht die
Befriedigung der Bedürfnisse ist, sondern Teilen, soziale
Verantwortung - die gerechte und transparente
Beschränkung der Bedürfnisse -, dann besteht der versprochene Nutzen darin, dass es in ihr endlich
wirklich um diese hohen moralischen Werte geht. Der versprochene Nutzen besteht darin, dass
in der Gemeinwohlökonomie die Produktion endlich in den Dienst des Anstands
gestellt wird; darin, dass in ihr das moralische Beiwerk des Kapitalismus
endlich wirklich zur Hauptsache wird.
Dann besteht die
intendierte und versprochene Zufriedenheit der Menschen darin, den allseits
gelebten Anstand zu genießen.
Die Menschen kriegen
ein anständiges Leben, damit der Anstand
endlich
zu seinem historischen Recht kommt! Dagegen sind wir!! Oder, um es mit Brecht zu
sagen: „Überhaupt, wenn es so große
Tugenden gibt, das beweist, dass da etwas faul ist“.
[1] Gewinnstreben ist für Christian Felber dasselbe wie das Streben nach Vorteil; nicht nach einem Nutzen sondern nach einem mehr an Nutzen im Vergleich zu anderen. Mit Gewinn im wirtschaftlichen Sinn hat das nichts zu tun.
[2] Ohne falsche Urteile über Markt, Geld und Kredit ist das nicht zu haben. Das durchgängige Urteil von Christian Felber: alle Institutionen der Ökonomie entsprechen ihrem eigenen Zweck nicht (mehr).
[3] Wenn es in der Wirtschaft um sowas rationales ginge wie: es sollen Stahl, Maschinen, Tische, Lebensmittel produziert werden, käme der Wunsch nach Idealen wie Teilen, Solidarität, sozialer Verantwortung nie auf.
[4] Nachtrag: Die Wahrheit eines solchen Gemeinwohls – die großen Philosophen haben es daher treffender Allgemeininteresse genannt - ist daher die politische Gewalt! Wo Konkurrenz herrscht, ist nämlich tatsächlich Mäßigung nötig – andernfalls wäre die Konkurrenz vorbei, bevor sie richtig begonnen hat. Das bloße Funktionieren der kapitalistischen Produktionsweise braucht eine politische Gewalt, die Lizenzen dafür vergibt, wie weit die verschiedenen – mit Freiheit, Eigentum und Gleichheit gesetzten - Sonderinteressen im Interesse dieses Funktionierens verfolgt werden dürfen. Das ist der wahre Inhalt des Allgemeininteresses.
[5] Wenn Teilen die gewünschte Umgangsform mit Reichtum ist, ist der Mangel unterstellt. Er wird nicht behoben sondern anders verteilt. Wo soziale Verantwortung gelebt wird, gibt es welche die Betreuung brauchen – diese Betreuung gilt - wie das Wörtchen sozial ausdrückt - weniger den Opfern selbst, sondern mehr dem Zusammenhalt der Gesellschaft.