Integration
Vom Verdacht gegen Ausländer oder Ausländerintegration als Alternative zur
Ausweisung
Die FPÖ hat ihren Wahlkampf zu den Wiener
Gemeinderatswahlen hauptsächlich mit dem Hinweis bestritten, hier bei uns seien
viel zu viele Ausländer anwesend, die noch dazu viel zu viele Rechte hätten, nur
Schwierigkeiten machten – von der Schule über die Arbeitswelt bis zum
Zusammenleben im Gemeindebau – und sich überhaupt weigerten, sich anzupassen.
Mit Slogans wie
„Mehr MUT für unser Wiener Blut, zu viel
Fremdes tut niemandem gut“ (FPÖ-Plakat) hat sie für sich Stimmung gemacht
und damit auch kräftig gepunktet.
Keine der anderen Parteien hat diesem Befund, dass es ein Problem mit Migranten
gäbe, wirklich widersprochen. Niemand konnte den ÖVP-Wahlslogan „Reden wir über Bildung. Am besten auf Deutsch“ als Absage an das Projekt
Englisch als Arbeitssprache im Unterricht missverstehen. Jeder wusste, dass dies
als Ansage an Kinder mit türkischer, serbischer oder kroatischer Muttersprache
gemeint war.
Der Hauptvorwurf der SPÖ an die Adresse der FPÖ lautete, diese arbeite mit „Hassparolen“. Statt sich, wie die
SPÖ, mit der Organisierung von Deutschkursen, dem verpflichtenden
Kindergartenjahr vor Schuleintritt oder der „Wiener Hausordnung“ um „Lösungen“ zu bemühen, würde sie mit
ihren Parolen den Hass auf ausländische Mitbürger nur noch verstärken.
Alle anderen Parteien teilen also den Befund der FPÖ, dass Ausländer ein Problem
machen. Im Unterschied zur FPÖ bestehen sie aber darauf, dass
Österreich Zuwanderer braucht und
Ausländer – vor allem die, die man braucht – daher nicht auszuweisen, sondern zu
integrieren seien.
Dass diese Integrationspolitik Defizite aufweise, SPÖ und ÖVP sich ihre Verluste
selbst zuzuschreiben hätten, hätten sie diese Themen doch vernachlässigt oder
jedenfalls falsch aufgegriffen, ist der einhellige Tenor in der heimischen
Medienlandschaft nach der Wahl. „Straches
Wahlsieg hat auch objektive Gründe jenseits seiner Hetzerei“ heißt es im
Untertitel des Artikels „Wien hat ein
Problem mit vielen Türken“ von Peter Rabl im Kurier vom 18.10.2010. Ähnlich
Ulrich Brunner in der Tageszeitung Die Presse in seinem Kommentar: „Alles nur Faschisten? Über das Ende des
Traums von Multikulti“. Auch der ORF will da nicht nachstehen: Bilder über
Kopftuch-tragende Frauen und die ganze Republik weiß sofort, in Österreich gibt
es ein „Integrationsproblem“.
Mit der Behauptung von
Integrationsdefiziten und der
Forderung, sich gefälligst zu integrieren,
meldet sich eine sehr grundsätzliche Unzufriedenheit gegenüber einem Teil der
hier anwesenden ausländischen Bevölkerung zu Wort. Der Befund lautet, da gibt es
welche, die sind zwar da, aber irgendwie mangelt es ihnen an Zugehörigkeit zu
Österreich. Wir wollen in unserer Sendung der Frage nachgehen, inwiefern
eigentlich? Was fehlt den Zuwanderern? Worin besteht ihre mangelhafte
Eingliederung?
Integration, was ist das?
Nun könnte man meinen, die Zugewanderten seien
doch bereits bei uns eingegliedert. Ihre Tage sind flächendeckend mit all den
Tätigkeiten ausgefüllt, mit denen auch die Hiesigen ihren kapitalistischen
Alltag verbringen. Sie kümmern sich ums Geld, ohne das es einfach nichts gibt.
Sie machen sich gegen Lohn in einem der hiesigen Unternehmen nützlich, betreiben
Würstelstände, Döner-Buden, Lebensmittelgeschäfte oder Marktstände. In der
richtigen Gegend gelegen, gelten letztere glatt als Bereicherung des kulturellen
und kulinarischen Lebens einer Stadt, die sich als Weltstadt versteht. Sie
kaufen und sparen, zahlen Steuer und leisten wie alle anderen auch ihre Beiträge
zu „unserem“ Sozialsystem – wie man den offiziellen Statistiken entnehmen kann
sogar mehr als sie selbst daraus lukrieren. Auch diejenigen, die mit der
Geschäftemacherei im Lande nur so viel zu tun haben, dass ihnen von der Klasse
der Geschäftsführer der lebensnotwendige Unterhalt, auf den sich ihre Hoffnungen
bei der Zuwanderung gerichtet hatten, wieder genommen wurde, stellen sie sich
ohne vernehmbares Murren beim für solche Fälle zuständigen Arbeitsmarktservice
an und bemühen sich um Arbeit. Sie sind verheiratet, haben Kinder – mehr als die
österreichische Durchschnittsfamilie -, und nehmen es mit dem auch in Österreich
nach wie vor hoch im Kurs stehenden Wert der Familie besonders ernst. Also auch
was die Familie anlangt, sind sie geradezu vorbildlich. Und auch sonst kommen
sie offenbar problemlos mit ihrem kapitalistischen Alltag zu Rande. Sie
beherrschen die Regeln des Straßenverkehrs, können telefonieren… Für den Fall,
dass sie sich dann doch einmal daneben benehmen oder gar gegen geltendes Rechts
verstoßen, kommen auf sie dieselben Gesetze, Strafe inklusive, zur Anwendung,
wie sie auch für Österreicher gelten.
All dem kann man schon einmal entnehmen, dass
ihre funktionelle Eingliederung in den hiesigen Kapitalismus nicht gemeint sein
kann, wenn von Ausländern Integration verlangt wird. Sich an die hiesigen Regeln
zu halten, sein Leben darauf auszurichten, mit und in den hier vorfindlichen
Lebensbedingungen zurechtzukommen, das reicht bei ihnen offensichtlich nicht.
Ein Ausländer muss ständig beweisen,
dass er auch tatsächlich zu uns, den Inländern, passt und zu
uns gehören
will.
Worin bestehen nun die den Zugewanderten
angelasteten Mängeln? In ihrem „Nationalen
Aktionsplan für Integration“ kurz NAP hat die österreichische
Bundesregierung diese Defizite als „Handlungsfelder“
aufgelistet – von „Arbeit und Beruf“,
„Sprache und Bildung“ über „Wohnen und
die regionale Dimension der Integration“ bis zu „Rechtsstaat und Werte“.
Die Zugewanderten - eine nur bedingt taugliche
Ressource für den ökonomischen Erfolg Österreichs
Es gehört zu den Schönheiten des Kapitalismus,
dass er ohne einen Bodensatz an Arbeits- und damit Einkommenslosen nicht
auskommt. Marx hat diese Personengruppe Reservearmee genannt, weil diese
Menschen aus der Sicht des bestimmenden wirtschaftlichen Zwecks eine Reserve
bilden - bereit, jede Tätigkeit, mit der sich Geld verdienen lässt, zu
ergreifen, auf dass kein lohnendes Geschäft unterbleibt – wobei ganz nebenbei
auch noch dafür gesorgt wäre, dass die Lohnvorstellungen der Beschäftigten nicht
in den Himmel wachsen.
In den seltenen historischen Ausnahmezeiten, in
denen das österreichische Kapital - weil vollbeschäftigt - nicht auf eine
heimische Reservearmee zurückgreifen konnte – in Österreich zuletzt ab Mitte der
60er bis Mitte der 70er Jahre – stand sein politischer Verwalter nicht an, ihm
helfend unter die Arme zu greifen. Anwerbeabkommen für ausländische
Arbeitskräfte mit dem ehemaligen Jugoslawien, der Türkei und Spanien taten das
Nötige, um den Bedarf der Wirtschaft an hinreichend billigen Arbeitskräften zu
decken.
Mitte der 70er Jahre war damit auch schon wieder
Schluss. Die Logik der kapitalistischen Wirtschaft hatte ganz von selbst wieder
für den nötigen Überschuss an Arbeitskräften gesorgt. Jede
Produktivkraftsteigerung dient im Kapitalismus schließlich einzig dazu, bezahlte
Arbeit überflüssig zu machen – nicht nur aber auch in Form des
Überflüssigmachens von Arbeitskräften.
Österreich hat auf diesen Erfolg seines Kapitals,
sich vom beschränkten Arbeitskräfteangebot unabhängig zu machen, mit einem
Anwerbestopp für ausländische Arbeitskräfte und einem
Ausländerbeschäftigungsgesetz, das die Beschäftigung von Ausländern zahlreichen
Beschränkungen unterwirft, reagiert.
Ab den 90er Jahren sorgte der „Fall des Eisernen Vorhangs“ - die
allseits gelobte Befreiung der Bevölkerung der osteuropäischen Nachbarländer vom
„Joch des Kommunismus“ -, die
kriegerische Verbreitung der Demokratie weltweit, die Öffnung des Arbeitsmarktes
gegenüber den EU-Mitgliedstaaten - ab Mai nächsten Jahres fallen die letzten
Beschränkungen gegenüber den neuen Mittel – und osteuropäischen EU-Mitgliedern -
usw. endgültig dafür, dass mehr williges und billiges Arbeitskräftepotenzial zur
Verfügung steht als hierzulande gebraucht wird. Um
Zuwanderung muss endgültig nicht mehr
geworben werden. Der österreichische Arbeitsmarkt ist übervoll mit
Arbeitskräften. Die Chance, die Reihen der Arbeitslosen und „working poor“ aufzufetten, ist bei
den Zugewanderten höher als bei Österreichern. Geholt für die Verrichtung
einfacher Arbeiten, gehören sie zu den ersten Opfern des kapitalistischen
Fortschritts. Arbeitskräfte die keine lohnende Anwendung in Aussicht haben, das
darf schon bei Inländern nicht sein, in den Reihen der Ausländern ist das aber
für den Staat endgültig unerträglich, wurden sie doch schließlich einzig geholt,
um der Wirtschaft als Ressource zu dienen.
Sich der Zugewanderten einfach zu entledigen und
sie in ihre Heimatländer zu expedieren, geht nicht mehr. Schließlich sind viele
von ihnen schon seit Jahrzehnten hier und das mitsamt Frau, Kindern und gar
Enkelkindern, waren nützlich und haben deshalb längst einen verfestigten
Aufenthaltsstatus wenn nicht gar die Staatsbürgerschaft.
Die Konsequenz des Staates: wenn man sie schon
nicht los werden kann, ihr moralisches Recht auf Anwesenheit hier bei uns aber
auf ihrer Nützlichkeit für Österreich gründet - „Zuwanderung hat sich an den Interessen
Österreichs, und dabei vor allem am Arbeitsmarkt, zu orientieren.“(NAP) - ,
gilt es dieser Nützlichkeit auf die Sprünge zu helfen und was die betrifft,
stellen die Zuständigen fest:
Den Migranten mangelt es an Sprachkenntnissen und
Bildung
„Auch
Migrant/innen haben zum Wirtschaftswachstum in Österreich beigetragen. Hohe
Arbeitslosigkeit unter Migrant/innen und grundlegende Herausforderungen bei der
Integration in Wirtschaft und Arbeitsmarkt stehen in Zusammenhang mit geringen
Deutschkenntnissen und einem geringen Bildungsgrad.“(NAP)
Ohne vergangene Leistungen der Zugewanderten im
Dienste der Wirtschaft in Abrede zu stellen, kann die Politik den Mitbürgern mit
Migrationshintergrund den Vorwurf nicht ersparen, an der heutigen
Unzufriedenheit Österreichs mit ihnen als ökonomischer Resource zu einem Gutteil
selbst verantwortlich zu sein – Schuld daran trage ihre auch noch in der dritten
Generation festzustellende mangelnde Sprachkompetenz ebenso, wie ihr zu
niedriger Bildungsgrad im Allgemeinen.
Nun wird es schon so sein, dass es mit
den Sprachkenntnissen der Zugewanderten nicht zum Besten steht. Noch lange nicht
wahr ist es deswegen, dass diese fehlenden Sprachkenntnisse der Grund für die
vergleichsweise hohe Arbeitslosigkeit von Zugewanderten sind. Sie und ihre
Sprachkenntnisse haben sich all die vergangenen Jahre über nicht geändert -–
wenn sie trotz langer Anwesenheit in Österreich die Landessprache noch immer
nicht oder nur mangelhaft beherrschen, war diese Kenntnis für die für sie
vorgesehenen Tätigkeiten offenbar bis vor noch nicht so langer Zeit gar nicht
notwendig – was sich geändert hat, sind die Ansprüche der Unternehmer. Diese
sorgen aber dafür, dass auch nicht wenige Österreicher trotz Sprachkenntnissen
und Bildung zur Gruppe der Arbeitslosen gehören, produzieren prekäre Lebenslagen
also nicht nur bei Ausländern.
Um den behaupteten Zusammenhang von
Arbeitslosigkeit mit mangelnder Sprachkompetenz und Bildung plausibel finden zu
können, muss man die Wirklichkeit tatsächlich ein wenig auf den Kopf stellen –
die Politik steht dabei helfend zur Seite: nicht die Unternehmer seien es, die
gemäß der Logik ihres geschäftlichen Erfolgs Löhne drücken, Arbeitnehmer
entlassen oder gar nicht erst einstellen, sondern die Zugewanderten mit ihrer
fehlenden Sprachkompetenz machten es den Unternehmern schwer, sie zu
beschäftigen.
Wenn man schon auf dem Standpunkt
steht, die mangelnde Sprachkompetenz sei unerträglich, wäre eigentlich eine
Kritik der österreichischen Schule fällig. Schließlich sind
die Zugewanderten der zweiten und dritten Generation Absolventen genau dieses
österreichischen Bildungssystem.
So, als
Auskunft über die Leistungen dieses Bildungssystem, seine Zwecke und Resultate,
soll die Kritik an mangelnder Sprachkompetenz und niedriger Bildung nicht
verstanden werden. Nicht die Schule wird ob solcher Resultate kritisiert,
stattdessen wird von ihrem Resultat
auf mangelnden Integrationswillen der Zugewanderten geschlossen:
„Wer
dauerhaft in Österreich leben und am wirtschaftlichen und gesellschaftlichen
Leben teilhaben will, muss bereit sein, die deutsche Sprache zu erlernen.“(NAP)
Wenn es mit den Sprachkenntnissen der Zugewanderten auch nach vielen Jahren der Anwesenheit bei uns nicht weit her ist, dann nimmt die Politik das als Ausdruck der fehlenden Bereitschaft, am wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Umgekehrt heißt dies aber nicht, dass perfekte Deutsch-Kenntnisse Integration verbürgen würden. Für Integration ist mehr verlangt:
„Wichtigste Grundlagen für erfolgreiche
Integration in Österreich sind das Erlernen der deutschen Sprache, die
wirtschaftliche Selbsterhaltungsfähigkeit, ein klares Bekenntnis zu Österreich,
seinen Normen und Werten sowie die Bereitschaft und der Wille der Migrant/innen
sich zu integrieren.“(NAP)
Ein pragmatisches Verhältnis zu den hier
vorfindlichen Lebensumständen reicht nicht. Migranten sollen diese Regeln und
Lebensumstände nicht bloß hinnehmen, sie sollen sie ausdrücklich
wollen. Ist hierzulande wirklich alles
so wünschenswert,
so darf man nicht fragen, wenn man es
um Integration geht. Eine Kritik an der österreichischen Politik, die einem
Inländer allemal erlaubt ist, wird bei einem Ausländer sofort als Ausdruck eienr
Distanz zu Österreich gesehen, die gerade ihm nicht nicht zusteht. Er muss sein
Dafürsein demonstrieren, an allen Lebensgewohnheiten bis ins Privatleben soll
das Bekenntnis zu Österreich erkennbar sein. Er muss sich
integrieren, und das heißt am besten
alles Ausländische an sich glaubwürdig beseitigen.
Diese Bereitschaft und der Wille sich
zu integrieren, wird seitens der Politik und der demokratischen Öffentlichkeit,
in Zweifel gezogen, wenn Migranten unter sich bleiben. Da bilden sie nämlich
Parallelgesellschaften und Ghettos
Das darf nicht sein, darin stimmen alle
Verantwortlichen überein, weshalb die ÖVP der SPÖ im Wiener Wahlkampf vorwerfen
kann, diese würde - statt dieser für die Zugewanderten typischen Verhaltensweise
Einhalt zu gebieten – sie durch ihre Wohnungspolitik noch fördern:
„In vielen Teilen der Stadt hat die rote
Siedlungspolitik bewusst die Bildung von Ghettos in Kauf genommen, die die
Entwicklung von Parallelgesellschaften fördern.“(Wahlprogramm 2010 für Wien,
Stichwort Integration, ÖVP)
Eines lässt sich nicht bestreiten, viele der
Zugewanderten aus den früheren Gastarbeiterländern wohnen auch in zweiter und
dritter Generation nach wie vor in den nach ihnen benannten
Gastarbeiter-Vierteln der Stadt. Nicht selten auch in einem der zahlreichen von
der Gemeinde Wien errichteten und betriebenen Gemeindebauten für Menschen mit
eher bescheidenem Portemonnaie. Wahr ist auch, diese Viertel zählen gemeinhin zu
den eher heruntergekommenen Gegenden der Stadt. Wohnungen in solchen Bezirken
der Stadt – Gegenden mit winzigen und schlecht ausgestatteten Wohnungen,
deswegen aber noch lange nicht niedrigen Mieten - waren für die Zuziehenden,
seinerzeit geholt für die Verrichtung niedriger und schlecht bezahlter Arbeiten,
offenbar gerade recht. Wenn sie sich auch heute noch dort vermehrt anzutreffen
sind, dann zeigt dies, dass sich an ihrer Lage am unteren Rand der
Arbeiterbevölkerung all die Jahre über nichts Wesentliches geändert hat. Das
wird wohl kein Zufall sein.
In diesen Gegenden wohnen sie nicht nur, einige
von ihnen haben die eigenen Landsleute als Geschäftsgelegenheit entdeckt,
betreiben Supermärkte oder Lokale mit dem ihnen eigenen fremdländischem Flair.
Die Fremden haben eigene Vereine und eigene Gebetshäuser gegründet, in denen sie
sich mit ihresgleichen treffen, diskutieren, streiten und beten. Dass die
Zugewanderten in diesen Gegenden wohnen und Umgang mit Ihresgleichen pflegen,
wird ihnen jetzt als bewusster Akt der „Abschottung“
angekreidet.
Nimmt man den erhobenen Vorwurf beim Wort,
entbehrt er auf der einen Seite nicht einer gewissen Absurdität. Hatte denn
irgendjemand das Bedürfnis, mit den Ausländern in Kontakt zu treten? Wenn man
die publizierten Wortspenden aus dem Gemeindebau den Zuzug von Türken betreffend
verfolgt, dürfte dieses Bedürfnis eher enden wollend sein! Umgekehrt handelt es
sich um einen Vorwurf an die Adresse der Ausländer – hierzulande meist gegenüber
Türken – der sachlich betrachtet nicht geeignet ist, eine Besonderheit von
Türken auszumachen. Auf wen trifft es eigentlich nicht zu, einer Gruppe von
Menschen anzugehören, die ihr Leben lebt und dabei unter sich bleibt. Ist denn
genauer besehen nicht die ganze Gesellschaft eine einzige Ansammlung von
Parallelgesellschaften? Oder ist es allgemein üblich, dass Banker vom Schlage
eines Elsner, Unternehmer wie Androsch oder Gewerkschafter wie Verzetnitsch und
Hundstorfer sich am Abend auf ein Pläuschchen mit den Arbeitern treffen. Pflegen
Bankiers und Proletarier überhaupt gesellschaftlichen Umgang miteinander? Oder
haben die Mitglieder der diversen „Seitenblicke-Gesellschaften“
ein anderes Verhältnis zum Publikum der gleichnamigen allabendlichen
Fernsehsendungen, als das, sich als Objekte allgemeiner Bewunderung zu
inszenieren? Pflegen Mitglieder des Fanclubs von Rapid Umgang mit den Freunden
der Philharmoniker? Und wen stört es eigentlich, dass dem nicht so ist. Niemand
kommt auf die Idee, den Reichen dieser Welt die Bildung von
Parallelgesellschaften vorzuwerfen, bloß weil sie sich in den Villenvierteln
oder den Penthäusern der Staat einquartieren. Das was bei allen anderen als das
Normalste von der Welt gilt, mit jemandem, mit dem man nichts zu bereden hat,
trifft man sich nicht, soll man just bei den Türken ganz anders sehen. Sie
bilden eine Parallelgesellschaft. Insbesondere wo sie doch andere, uns
fremde Sitten und Gebräuche,
haben. Sie mögen zwar im Beruf ihren Mann
respektive ihre Frau stellen und sich auch ordentlich auf Deutsch verständigen
können. Mit dem, was sie in ihrem Privatleben so treiben, provozieren sie aber
den Verdacht, trotzdem nicht wirklich zu uns dazugehören zu wollen.
Zu Hause reden sie türkisch, wohl damit wir sie
nicht verstehen. Herr und Frau Österreicher täten bekanntlich nichts lieber, als
ein Pläuschchen mit ihren türkischen Nachbarn abzuhalten. Türkische Männer sind
Patriarchen, etwas das österreichischen Männern wesensmäßig völlig fremd ist.
Gewalt in der Ehe ist ja bekanntlich ein bei uns völlig unbekanntes Phänomen.
Bei Türken kommt es, wie einschlägige Postillen uns gerne wissen lassen, immer
mal wieder zu Mord und Totschlag aus verletzter Ehre. Das sei typisch für ihre
rückständige Kultur. Ein Eifersuchtsmord unter Österreichern - auch da geht es
um verletzte Ehre – geht im Unterschied dazu als tragisches Familienschicksal
durch. Türkische Männer verbieten ihren Frauen, einer Erwerbsarbeit nachzugehen.
Wen wundert es da, wenn es um die Emanzipation der türkischen Frau schlecht
bestellt ist. Emanzipation ist ja bekanntlich der eigentliche Zweck von
Erwerbsarbeit! Eigenartig eigentlich, dass es einen Arbeitsplatz auch für Frauen
nur gibt, wenn er der Wirtschaft nützt. Teilt sich andererseits eine türkische
Frau die Arbeit hinter der Budel des Familienbetriebs mit ihrem Mann und ihren
Kindern, fällt das nicht unter Emanzipation der Frau, sondern erfüllt den
Tatbestand unlauterer Konkurrenz, mit der sie den wenigen verbliebenen
österreichischen Geschäften und Kreislern das Leben schwer machen. Türkische
Frauen und Mädchen verstecken ihre Haarpracht unter Kopftüchern. Das macht zwar
auch so manche Oma aus dem tiefsten Burgenland. Anders als bei der wird das der
Türkin aber als politischer Akt ausgelegt. Ganz anders als österreichische
Männer halten viele der türkischen Patriarchen höhere Bildung ihrer Töchter für
überflüssig und verbieten ihnen deshalb den Besuch einer weiterführenden Schule.
Sowas ist bei uns völlig unvorstellbar. Bei uns sind es nicht mittelalterliche
patriarchale Strukturen, die dafür sorgen, dass für den Großteil des
hoffungsvollen Nachwuchses nach der Pflichtschule Schluss mit höherer Bildung
ist, sondern streng objektive Kriterien.
Besonderes Misstrauen ziehen Zuwanderer aus dem
islamischen Kulturraum – vor allem Türken - auf sich, gehen sie doch, anders als
ordentliche Christen nicht in die Kirche sondern in eine Moschee. Sie vertrauen
sich in der Beichte nicht einem unserer bekanntermaßen hochrespektablen Pfarrer
an sondern machen ihre Sünden gemäß dem Regelkanon ihrer Religion ganz ohne
Muezzin, Imam oder Sheikh mit sich und ihrem Gott selber ab. Damit
stören sie nüchtern betrachtet zwar niemanden, zumal es in ihren Gotteshäusern
gewöhnlich ähnlich ruhig zuzugehen pflegt wie in unseren.
Trotzdem kann uns ihre tiefe religiöse
Verbundenheit mit ihrem Allah nicht kalt lassen. Auch gar nicht so gläubige
Österreicher sind, werden sie gefragt, von der Überlegenheit der christlichen
gegenüber der islamischen Religion überzeugt. Sie betrachten das Christentum
streng funktional unter dem einfachen Gesichtspunkt, taugt es als Basis unserer
Herrschaft oder nicht. Was das betrifft, gibt es diesbezüglich beim Christentum
keinerlei Anlass für Zweifel. In ihm ist das hierarchische Verhältnis der beiden
höchsten Herren –Gott und Staat – nämlich eine klare Sache: „Jedermann sei Untertan der Obrigkeit, die
Gewalt über ihn hat. Denn es ist keine Obrigkeit ohne von Gott; wo aber
Obrigkeit ist, die ist von Gott verordnet“, heißt es schon in Kapitel 13,
Vers 1 des Paulusbriefes an die Römer – zumindest solange die Obrigkeit die
christliche Religion als ihr Fundament anerkennt, müsste man in heutiger Zeit
ergänzen.
Christen wissen den Staat als Wille und Werk
Gottes und haben damit einen ganz und gar eigenen Grund, den Zwängen des Alltags
zu folgen. Weder brauchen sie sich von der Vernünftigkeit staatlicher
Vorschriften zu überzeugen, noch folgen sie diesen Gesetzen nur, weil bei
Zuwiderhandlung Strafe droht. Sie genügen dem, was der Staat von ihnen verlangt,
in der festen Überzeugung, damit dem Willen Gottes auf Erden zu dienen, legen
sich ihre Unterordnung unter die staatliche Ordnung in anderen Worten als
Befolgung göttlicher Gebote zurecht. Selbst wo dem Christenmenschen die
Befolgung der Gebote nicht gelingen will, bietet die christliche Religion
Erlösung: Beichte und Reue machen zwar keine einzige begangene Schweinerei mehr
rückgängig, verhelfen aber zu ganz viel gutem Gewissen. Marx hat die Religion
dieser ihrer Leistung wegen als Opium des Volkes charakterisiert.
Kann man sich des Islam in Sachen Fundament
unseres Staatswesen genauso sicher sein? Ist die islamische Schafsnatur genauso
brauchbar wie die christliche? Welchen Verdacht müssen muslimische Migranten aus
dem Weg räumen? Nicht der Irrationalismus eines Glaubens, sich die Welt als Werk
eines höchsten Wesens zu imaginieren, dem man in Wahrheit gehorcht, wenn man
seine von staatlichen Regeln bestimmten Alltagsgeschäfte besorgt, stört. Sich
das eigene Alltagsleben als Knechtsdienst an einem jenseitigen Auftraggeber
einzubilden, in diesem Sinn die Drangsale des bürgerlichen Daseins als göttliche
Prüfungen zu betrachten und sich zusätzlich zu allen praktischen auch noch einen
Haufen Gewissensprobleme zu machen - diesen Dienst bringt die islamische
Religion noch allemal.
Wenn man dem Islam diesen Dienst nicht mehr
umstandslos zuspricht, dann liegt dies weniger an ihm selbst, sondern daran,
dass seit dem „globalen Krieg gegen den Terror“, jeder Moslem unter Generalverdacht
gestellt wird, den Dienst an seinem Allah über den Dienst an unseren weltlichen
Herrscher zu stellen. Seitdem wird die Frage gewälzt, ob der Islam denn
überhaupt zu „uns“ passt? Jeder
Moslem, der in die Moschee geht, jedes Kopftuch auf der Straße, wirft seither
die Frage auf, wie der- bzw. diejenige es mit unserem Gemeinwesen hält. Muss man
nicht fordern, dass auch in den Moscheen deutsch gesprochen wird und gehört
nicht gar die Predigerausbildung unter Staatsfittiche genommen, auf das
sichergestellt werden kann, dass nur garantiert österreichtreue Bürger die
Moschee verlassen?
*
Was müssen Migranten also tun, um sich zu
integrieren? Mit widerspruchslosem Dienst an einem rentablen Arbeitsplatz ist es
bei weitem nicht getan. Auch nicht mit der Kenntnis der hiesigen Landessprache.
Damit ist immer noch nicht gewährleistet, dass sie auch „österreichisch“ denken.
Die Überprüfung, ob sie zu „uns“ passen, macht nicht vor der
Wohnungstür halt. Sosehr einerseits gemeinhin die Überzeugung vorherrscht, was
einer in seinem Privatleben tut, ginge nur ihn etwas an – jedenfalls solange er
nicht gegen geltendes Recht verstößt –, im Privatleben ginge es endlich wirklich
um nichts anderes als die Befriedigung all der Bedürfnisse und Wünsche,
derentwegen er die Mühen des Alltags, vom Antreten in der Arbeit bis zum
ordentlichen Benehmen auf sich nimmt - sosehr zeigt sich an den Maßstäben, die
auf ausländische Bürger in Österreich zu Anwendung kommen, wie wenig dies wahr
ist. Ganz selbstverständlich wird deren Verhalten gerade in diesem Bereich als
Indiz einer möglichen Andersartigkeit unter die Lupe genommen. Religiöse Praxis,
Organisation des Familienlebens: Fragen wie, ist die Frau nur(!) Hausfrau?, das
in den eigenen vier Wänden gesprochen Wort, ein Stück Stoff auf dem Kopf der
Frauen, nichts bleibt der Be- und gegebenenfalls Verurteilung entzogen. Keines
der Rituale, keine der Gewohnheiten der Zugewanderten wird auf seine/ihre
Vernünftigkeit hin überprüft, sondern als Gradmesser der verlangten Anpassung an
die Zustände hier bei uns genommen. Festgehalten werden die Unterschiede: die
Zugewanderten machen ihren Frieden mit dem weltlichen Jammertal mit anderen
Ritualen als wir; ihre Sitten, Gebräuche und Gewohnheiten sind nicht die
unseren und deswegen sind sie
falsch! Immer bleibt, die Migranten sind keine Inländer, sondern eben Ausländer.
Wann kann man sie als integriert betrachten?
Was macht Integration aus? - oder - Können
Migranten überhaupt erfüllen, was von ihnen verlangt wird?
Im Nationalen Aktionsplan gibt die Regierung die
folgende Antwort:
„Die
Herausbildung eines österreichischen Wir-Gefühls, das von der
Mehrheitsgesellschaft und den Migrant/innen gemeinsam getragen wird, ist ein
zentrales Anliegen integrationspolitischer Bemühungen. In diesem Zusammenhang
sind auch Maßnahmen gegen Rassismus und Diskriminierung zu setzen.“(NAP)
Der den Zugewanderten von der Politik zur Last
gelegte Mangel ist sehr grundsätzlicher Art. Was ihnen fehlt, ist das für
unerlässlich erklärte österreichische Wir-Gefühl, die fest im Gefühlsleben
verankerte und damit dem Willen ein Stück weit entzogene Bindung an unser
Gemeinwesen. Wer sich nicht unmittelbar und ohne kleinliche Berechnung auf
persönliche Vor- und Nachteile zu Österreich zugehörig fühlt, der passt nicht zu
uns und hat hier bei uns nichts verloren. Positiv gewendet heißt dies, den
Fremden wird bedingungslose Treue zur neuen Heimat abverlangt. Eine Treue, die
nicht fragt, was man selbst davon hat.
Nicht dass die politisch Verantwortlichen davon
ausgingen, die Fremden hätten gar kein solches Wir-Gefühl, viel schlimmer! Sie
sind sich eines Wir-Gefühls der Fremden im Gegenteil sicher, aber eines zu einer
falschen, nämlich ihrer alten Heimat. Sie gehen davon aus, dass sie zu dieser
ihrer alten und damit angestammten Heimat in einem ähnlichen Pflicht- und
Treuverhältnis stehen, wie Österreich es ganz selbstverständlich von seinen
eigenen Leuten erwartet.
Das müssen sie ändern. Sie müssen uns glaubwürdig
beweisen, dass sie ihr Gefühlsleben erfolgreich auf unser Wir als ihre neue
Heimat ausgerichtet haben, dass sie das Ausländische an sich erfolgreich getilgt
und an seiner Stelle das Österreichische implantiert haben – kurz, dass sie
Österreich meinen, wenn sie „wir“
sagen. Erst dann können wir ihnen vertrauen. Nachdem aber das Misstrauen gegen
die Fremden den Ausgangspunkt bildet, kann den Zugewanderten der verlangte
Beweis gar nie abschließend gelingen. Schon allein der Umstand, dass sie ihr
Zugehörigkeitsgefühl beweisen müssen, beweist doch umgekehrt, dass ihre
Zugehörigkeit eine unsichere Sache ist. Müssten sie diese sonst beweisen?
Woraus nährt sich dieser Verdacht Österreichs
gegenüber seinen Migranten? Woher kommt diese Gewissheit, dass Ausländer im
Unterschied zu Inländern nicht oder nur bedingt zuverlässig sind? Jedenfalls
nicht aus einer wie immer gearteten Untersuchung der Disposition beider – nicht
jener der Ausländer aber auch nicht der der Inländer! Der Unterschied von In-
und Ausländern, auf den es letztlich ankommt, hat seine harte Grundlage nämlich
gar nicht in deren persönlicher Einstellung, sondern darin, dass Migranten als
Bürger eines Auslandes Österreich tatsächlich nur bedingt zu Gebote stehen. Bei
allem was sie tun, ist immer noch ein anderer Staat dabei, der in Konkurrenz zu
Österreich Ansprüche an sie hat, und der als anerkannte Staatsgewalt auch in der
Lage ist, diesen seinen Ansprüchen den nötigen Nachdruck zu verleihen. Kurz, der
Vorbehalt gegenüber den Migranten hat den einfachen Grund, dass es sich bei
ihnen um Ausländer – um Bürger eines anderen Staates handelt. Entsprechend
unmöglich ist im Grunde der von Migranten verlangte Beweis.
Bemüht sich daher ein solcher Fremder, allen
Anforderungen Genüge zu leisten, stellt sich bei ihm daher immer sofort die
Frage, ob die demonstrierte Gesinnung denn auch wirklich
echt sei. Ein Österreicher muss nichts
beweisen. Bei ihm steht fraglos fest, er gehört dazu und steht seiner Herrschaft
mit Haut und Haaren zu Gebote. Er darf daher sogar kritisieren, seine
Nationalität verbürgt, dass seine Kritik letztlich nur gut gemeint sein kann.
Dem Fremden hingegen wird eine derart unverwüstliche Parteilichkeit für die
kritisierte Angelegenheit als Prämisse jeder Nörgelei nicht zu Gute gehalten.
Bei ihm gilt die Kritik sofort als Distanz zum kritisierten Gegenstand und steht
damit im Widerspruch zum verlangten Beweis.
Die Schlussfolgerung: Österreicher kann man recht
eigentlich besehen gar nicht werden, Österreicher ist man oder man ist es eben
nicht. Den Zugewanderten umgekehrt wird mit dem Ruf, sie hätten sich zu
integrieren, vorgeworfen, dass sie Fremde, Ausländer sind. Nicht sie
kommen aus einem Ausland zu uns, sie
sind Ausländer, ein Makel, den sie
streng genommen nie wieder loswerden können. Sie müssen beweisen, dass sie in
Sachen Parteilichkeit eigentlich gar nichts zu beweisen haben. Ob ihnen dieser
widersprüchliche Beweis gelingt, liegt gar nicht an ihnen, sondern ist letztlich
staatliche Entscheidung und die richtet sich nach den jeweiligen politischen und
wirtschaftlichen Interessen des hiesigen Staates. Oder wie es im NAP heißt:
„Integration ist ein individueller ebenso wie ein
gesellschaftlicher Prozess, der durch eigenverantwortliches Engagement sowie
durch staatliche Rahmenbedingungen permanent zu gestalten ist.“
Integration ist eine Angelegenheit, die für die
Zuwanderer nie zu Ende ist.
Die Ausländerfeindlichkeit der Österreicher und
ihr Grund
Nicht wenige Österreicher sind der Meinung,
Ausländer wären nicht zu integrieren, sondern hätten recht eigentlich betrachtet
hier bei uns überhaupt nichts verloren. Ein Urteil, das sich ganz sicher nicht
einer Überprüfung von Vor- oder Nachteilen der Anwesenheit von Ausländer vor Ort
verdankt. Woher diese Sichtweise kommt, ist kein Geheimnis. In einer Welt in der
die Verwirklichung noch des kleinsten materiellen Interesses eine Frage der
Erlaubnis ist, die man hat oder eben nicht, kann es einfach nicht ausbleiben,
dass die Taten der anderen unter dem Gesichtspunkt: „Dürfen die eigentlich das was sie tun?“
beurteilt werden. Einen festen Angelpunkt dieser Beurteilung liefert der Staat
mit seiner Unterscheidung der Anwesenden in diejenigen, die er zu seinem Volk
zählt, die Inländer, und die anderen, die einem anderen Volk angehören, die
Ausländer. Zugewanderte, Ausländer, Fremde, Migranten oder wie sie auch immer
heißen, fallen deshalb den angestammten Österreichern ganz besonders auf. Sind
sie doch da, ohne wirklich dazuzugehören. Nicht dass sich daraus, selber
dazuzugehören irgendein positiver Anspruch ableiten ließe. Das weiß auch der
letzte Österreicher. Aber negativ gegenüber den anderen, denen die nicht
dazugehören, den Ausländern, bevorzugt behandelt zu werden, das sollte man doch
wohl erwarten dürfen. Wer nicht dazugehört, dem steht doch im Grunde gar nichts
zu, noch nicht einmal die mieseste Arbeit zu tun und sei es für den schäbigsten
Lohn.
So legen sich die Einheimischen den Umstand,
anders als die Ausländer, ohne Wenn und Aber der österreichischen Herrschaft zur
Verfügung zu stehen, als Rechtstitel auf bevorzugte Behandlung zurecht. Ihr
einfacher Schluss: wenn ich als Österreicher, schon fragloser Teil dieses als
Schicksalsgemeinschaft vorgestellten Österreich bin, dann müsste es doch im
ureigensten Interesse des Staates gelegen sein, mich zwar vielleicht nicht immer
gut, in jedem Fall aber den Ausländern gegenüber bevorzugt zu behandeln.
Wenn Herr und Frau Österreicher, dort wo sie das
nicht gegeben sehen, in den widerlichen Chor einstimmen, Ausländer, die „wir“ bei „uns“ leben lassen,
müssten „uns“ nützen, streichen sie
geflissentlich durch, dass es sich bei dem „Wir“, auf das sie sich da berufen nicht um eine Schicksalsgemeinschaft
sondern um ein Kollektiv gegensätzlicher Interessen handelt. Diejenigen, die
sich derart in die Pose des Hausherrn der Republik begeben, führen sich auf, als
ob ausgerechnet sie die Herren der Welt wären. Dabei haben sie noch nicht einmal
dem letzten der Ausländer gegenüber auch nur die geringste Aufsichts- oder
Weisungsbefugnis. Schon gleich nicht stehen sie zu Ausländern in irgendeiner Art
von Benutzungsverhältnis. Nicht sie sind es, die irgendeinen Ausländer benutzen,
sie selber werden wie die Ausländer und mit ihnen gemeinsam benutzt. Wie die
Ausländer dürfen sie sich für einen Reichtum nützlich machen, der nicht der ihre
ist. Wie diese sind sie nicht die Nutznießer der Verhältnisse sondern die
Benutzten. Oder hält es tatsächlich irgendjemand für einen Zufall, dass sie mit
den von ihnen so gehassten Ausländer auch noch privat Tür an Tür wohnen, ja sich
seit kurzem auch noch im Gemeindebau die Klinke in die Hand geben dürfen. Mehr
ist offenbar für beide nicht drin!
Statt aber gegen ihre Einkunftsquelle kritisch zu
werden, nimmt der Inländer den Ausländer - den österreichische Arbeitgeber,
nicht anders als ihn selbst, als billigen Kostenfaktor und Leistungsträger ihres
Geschäfts beanspruchen - nicht als den Leidensgenossen, der er der Sache nach
ist, sondern als den illegitimen Konkurrenten, der sein Privileg entwertet, sich
ganz exklusiv als Österreicher um den Dienst in österreichischen Unternehmen
anstellen zu dürfen.
Dieser ausländerfeindlichen Sichtweise möchte der
Staat gar nicht grundsätzlich widersprechen. Kein Wunder, wer wenn nicht er
erzeugt denn schließlich überhaupt erst den Unterschied, auf den sich die mehr
oder weniger ausländerfeindlichen Bürger berufen. Es ist doch seine eigene
Sortierung der Menschheit in In- und Ausländer, die ihm da in den diversen
Forderungen entgegenschallt. Mehr noch, wenn er die Zugewanderten dazu
auffordert, sich zu integrieren, gibt er doch ausdrücklich zu Protokoll, dass
auch er mit den Ausländern sein Problem hat, das nur dadurch zu lösen sei, dass
sie ihr Ausländersein aufgeben – sich integrieren. Andernfalls sie hier bei uns
nichts verloren haben.
Der Ausländerhass der Bürger hat also zum einen
in nichts anderem als der staatlichen Sortierung ihren wahren Grund. Mit der vom
Staat initiierten Integrationsdebatte liefert er dieser Ausländerfeindlichkeit
außerdem auch noch den aktuellen Anlass.
Der Staat ist sich aber auch bewusst, dass sein
Ausländerproblem und das seiner Bürger nicht identisch sind. Sosehr er nämlich
die Ausländerfeindlichkeit seiner Bürger nachempfinden kann, sosehr ist er sich
auch bewusst, dass die dort zurückzustehen hat, wo sie sich nicht mit seinen
ureigensten staatlichen Interessen verträgt. Sosehr er daher einerseits das
Nationalgefühl seiner Bürger schätzt und fördert, sosehr sieht er sich immer
wieder auch genötigt, den Rassismus seiner Bürger dann zu kritisieren. So weiß
er sich aus wohl verstandenem Eigeninteresse seinen Unternehmern auf ganz
besondere Weise verbunden, kennt deren Kalkulationen und ist daher nur zu gerne
bereit, deren Forderungen nach ausländischen Fachkräften nach Kräften Rechnung
zu tragen. Dafür, dass garantiert nur die Richtigen kommen, soll eine
Rot-Weiß-Rot-Card sorgen! Und für seine Bürger gibt’s eine Dosis an Maßnahmen
gegen Rassismus und Diskriminierung.