GEGENARGUMENTE

Der Vorwurf "Neoliberalismus" – eine vertrauensselige Kritik an Marktwirtschaft und Staat

Seit Herbst letzten Jahres ist es so, als ob wir einen Crash-Kurs in der Frage, was es heißt, im Kapitalismus zu leben, absolvieren würden. Schlechterdings alles – Arbeiten, Kaufen, Leben und Überleben – ist eine abhängige Variable des Finanzgeschäfts. Wenn Börsianer und Bankiers mit ihrer Bereicherung scheitern, dann scheitert alles: Wer Eigentum hat, ist schlagartig enteignet; wer außer seiner Arbeitskraft und ein paar bescheidenen Ersparnissen nichts besitzt, stürzt ins Elend.

Eines steht für die demokratische Öffentlichkeit fest: Dass mit dem Dahinschwinden der Bankgewinne und des Bankkapitals die gesamte Produktion und Konsumtion der Gesellschaft auf dem Spiel steht, darf nie und nimmer ein Argument dafür sein, sich dieses Wirtschaftssystem vom Hals zu schaffen. Vielmehr steht an, dem kapitalistischen System im Allgemeinen und der Kreditwirtschaft im Besonderen wieder auf die Beine und zu sprudelnden Gewinnen zu verhelfen.

Die Krise ist nicht Anlass für eine Kritik am Kapitalismus, sondern für die Sehnsucht nach einem funktionierenden Kapitalismus.

Für die kritische Öffentlichkeit, die die Wirtschaftspolitik vor der jetzigen Krise in den letzten 20 Jahren stets mit dem Vorwurf einer "neoliberalen Wirtschaftspolitik" begleitet hat, ist sie Anlass für die Hoffnung, dass doch jetzt endlich auch die Politik einsehen müsste, dass die neoliberale Lenkung der Wirtschaft ein Fehler ist. Auch jene, die gegen den "Neoliberalismus" auftreten, stellen die kapitalistische Wirtschaftsweise als solche außer Streit, sie soll sein, bloß eben anders – nicht neoliberal – gelenkt.

1.Marktwirtschaft - neoliberale Ideologie und Wirklichkeit

Die gängige Behauptung der Neoliberalen - und nicht nur der - lautet, der Markt sei erstens eine Organisationsform des Wirtschaftens, die zweitens allen anderen Formen, die Wirtschaft zu organisieren, überlegen sei. Begründet wird diese Behauptung folgendermaßen:

"Der Markt fungiert als Koordinationsinstanz und Regelwerk, das die Interaktion der Wirtschaftssubjekte aufeinander abstimmt. Dadurch können sie vorhandene Marktchancen wahrnehmen und die sich bietenden Vorteile aus Tausch und Kooperation realisieren. Indem der Markt die Tauschoperationen der Wirtschaftssubjekte koordiniert und dadurch mittelbar auch die vor- und nachgelagerten Produktionsprozesse steuert, funktioniert der Markt so, als ob alle Beteiligten nach einem übergeordneten Plan der arbeitsteilig ineinander greifenden und aufeinander abgestimmten Wertschöpfung und Bedarfsdeckung handeln würden."(Gerhard Wilke, Neoliberalismus, S53)

a.

Laut Wilke ist der Markt also so etwas wie eine gelungene Methode mit einem Problem umzugehen, mit dem es jede Form des Wirtschaftens zu tun habe, nämlich dem Problem, die Interaktionen der wirtschaftenden Subjekte - die gleich als Marktteilnehmer gefasst werden - und damit letztlich Produktion und Bedarf zu koordinieren.

Jetzt muss man sagen, dieses Problem der Koordination von Bedürfnissen und Produktion, das der Markt angeblich löst, existiert in Wahrheit überhaupt nicht. Aufeinander abstimmen - koordinieren - muss man nämlich nur gegeneinander selbstständige Größen. Man muss sich also, wenn man an die Koordination von Bedürfnissen und Produktion denkt, diese beiden Seiten zuerst als voneinander getrennte vorstellen - also eine Produktion, die nach irgendeinem eigengesetzlichen Prinzip drauflos produziert, und einem Bedarf, der keinerlei Bezug zum Aufwand hat, den seine Befriedigung erfordert - um dann zufrieden zu sein, dass der Markt ein Verhältnis dieser beiden Seiten herstellt. Dem Markt wird somit die Lösung eines allgemeinen Menschheitsproblems Problems angedichtet, das es in Wahrheit nicht gibt und das er mithin auch gar nicht behandelt.

Was tatsächlich am Markt passiert, ist was ganz anderes als Koordination. In Wahrheit ist es doch wohl eher so, dass in der Marktwirtschaft jeder was anbietet und die ganze Koordination des Marktes besteht dann darin, dass der Verkäufer mit seinem "Angebot" Erfolg hat oder eben auch nicht. Wenn - gemäß der Logik der Neoliberalen - einzig der Markt über das richtige Verhältnis von Produktion und Konsumtion entscheiden kann, dann hat Bedarf genau nach dem bestanden, was verkauft wurde und was nicht verkauft wurde, danach gab es dann eben keinen Bedarf. Sonst wären diese Waren ja auch verkauft worden. Die ganze dem Markt zugute gehaltene Koordinationsleistung ist daher eine einzige Tautologie. Was verkauft wurde, hat einen Käufer gefunden und was nicht losgeschlagen werden konnte, danach hat es eben keinen Bedarf gegeben.

Wenn aber in den Beweis für die behauptete Koordinationsleistung des Marktes nur das kaufkräftige Bedürfnis eingeht und das wirkliche, soweit es über kein oder jedenfalls nicht genügend Geld verfügt, nichts zählt; wenn andererseits auf Seite der Produkte nur das eingeht, was marktfähig ist, was sich also tatsächlich hat verkaufen lassen und alles was nicht verkauft wurde - sei es weil es einen zu hohen Preis für die Nachfrage hat, sei es weil es in zu großer Menge hergestellt wird oder von zu schlechter Qualität ist, um überhaupt am Markt abgesetzt zu werden - nicht gerechnet wird, dann besteht immer Gleichgewicht, dann ist die Koordination immer gelungen, auch noch in der ärgsten Krise.

Was da von Wilke als Koordinationsleistung besprochen wird, hat also mit Koordination im Wortsinn - mit einer Abstimmung der Produktion an den Bedarf - nicht das Geringste zu tun. Implizit merkt man das dem Zitat auch noch an, wenn Wilke von einem Funktionieren so wie nach einem Plan, also eben ohne einen solchen - ohne Koordination mithin - spricht.

b.

Was passiert tatsächlich? Alle Marktteilnehmer produzieren in der Hoffnung Käufer für das eigene Produkt zu finden. Das setzt zwar voraus, dass sie mit ihrem Produkt auf einen Bedarf treffen. Was niemand braucht, kann auch nicht verkauft werden. Die Befriedigung eines Bedarfes ist aber dennoch nicht Zweck ihrer Produktion. Auf dieses Bedürfnis kommt es nämlich in einer ganz grundsätzlichen Hinsicht nicht an. Wer verkaufen möchte, sucht nicht einfach Nachfrage und ist zufrieden, wenn er jemanden findet, der sein Produkt braucht. Wer verkauft sucht zahlungsfähige Nachfrage. Bedürfnisse, die nicht über ausreichend Geld verfügen, kommen nicht zum Zug und zählen in der Marktwirtschaft noch nicht einmal als anerkannte Bedürfnisse, gleichgültig gegenüber ihrer Dringlichkeit.

Der Markt koordiniert daher nicht existente Bedürfnisse und Produktion, sondern am Markt erfährt der Verkäufer, welches Bedürfnis er für sich nutzen kann. Letzter und Endzweck jeder Produktion ist in der Marktwirtschaft nicht die Versorgung der Menschheit mit nützlichen Gütern aller Art sondern der Gelderlös, der sich mit dem Verkauf von Produkten erzielen lässt. Von wegen also der Markt ist nur eine Methode ein allgemeines Problem des Wirtschaftens zu lösen. Mit dem Markt ist der Zweck des Wirtschaftens gesetzt, der Zweck Geld.

Das vorhandene Bedürfnis kommt dabei in den Berechnungen der Produzenten schon vor, aber nicht als etwas zu bedienendes sondern als der Hebel an dem der Mensch gepackt wird, um ihm das Geld aus der Tasche zu ziehen. Bedürfnisse werden in der Marktwirtschaft nicht bedient, sondern benutzt.

Aber nicht nur für den Produzenten, noch nicht einmal für den Konsumenten ist einfach sein Bedürfnis an sich der Leitfaden seiner Kaufentscheidungen. Tatsächlich den Ausschlag gibt, welche Ware er sich gemäß seines immer zu kleinen Geldbeutels - über dessen Größe er nicht einfach nach eigenem Gutdünken entscheiden kann - leisten kann.

So mancher Schund in den Einkaufsregalen findet daher Absatz, weil das Geld für das Qualitätsprodukt, das es daneben für die etwas größeren Geldtaschen schon auch noch gibt, nicht reicht.

c.

Wilke schreibt weiter: "Dadurch" - gemeint ist die Koordination des Marktes - "können sie" - die Marktteilnehmer - "vorhandene Marktchancen wahrnehmen und die sich bietenden Vorteile aus Tausch und Kooperation realisieren".

Wenn er behauptet, in der Marktwirtschaft fände Kooperation von Individuen statt, von der alle Parteien der Tauschakte profitieren würden, dann ist im zunächst einmal zu erwidern, dass von Kooperation und allseitigem Nutzen in Wahrheit nicht die Rede sein kann. Im Gegenteil. Jeder der verkauft, sucht möglichst viel Geld zu erlösen. Das liegt in der Natur des Verkaufens, nicht in der des Verkäufers. Dem Käufer mit seiner beschränkten Geldtasche tut das ganz sicher nicht gut. Der Käufer umgekehrt will nämlich möglichst wenig bezahlen. Je weniger er für die Waren bezahlen muss, desto mehr an Gebrauchsgütern kann er erwerben. Was dem einen nützt, schadet dem anderen und umgekehrt. Beide, Käufer und Verkäufer, suchen daher immer ihren Vorteil und zwar notwendig auf Kosten des je andern. Jede Schwäche des Gegenübers dient dabei als Hebel für die Durchsetzung des je eigenen Interesses.

Obwohl also auch in der Marktwirtschaft die Gesellschaftsmitglieder voneinander abhängig sind, jeder die Arbeitsresultate der anderen braucht, verfolgen alle ihr Interessen gegeneinander. Alle produzieren, aber keiner um andere zu versorgen, sondern einzig dazu, selbst möglichst viel an Geldreichtum an sich und damit von anderen wegzuziehen. Soviel zunächst zum allgemeinen Nutzen.

Aber auch von Arbeitsteilung keine Spur. Was als quasi automatische selbstregulierende Arbeitsteilung in der Marktwirtschaft gelobt wird, ist doch nichts anderes als dass alle Menschen probieren und probieren müssen, ob sie irgendeine Nische finden, in der sie Geld machen können. Einige wenige schaffen es - genauer gesagt ihre Geldgeber - der Großteil ruiniert sich dabei, arbeitet ein halbes Leben, um dann festzustellen, dass er pleite ist. Als Arbeitsteilung geht so etwas nur durch, wenn man die menschlichen Opfer dieser Arbeitsteilung nicht zählt.

d.

Für die Befürworter der Marktwirtschaft - denen sowohl der Unterschied von "zahlungsbreitem" und "potenziellem" Bedarf bekannt ist als auch der Umstand, dass nicht alle Marktteilnehmer erfolgreich sind - kein Grund, nicht von einem Vorteil des Marktes für alle überzeugt zu sein:

"Die "kapitalistische", marktwirtschaftliche Ordnung hat bekanntlich als zentralste Eigenschaften a) die freie Preisfindung durch den Markt, die (kurzfristige) Exzesse zwar zulässt, aber auch beinhart wieder korrigiert – wie jetzt - , und b) die Eigentumsbindung, die die Motivation für die Anstrengung des Einzelnen ist. Von der profitiert nicht nur dieser sondern die ganze Gesellschaft mehr als in jeder anderen Ordnung.

Ihre Verbreitung durch die Globalisierung, deren politisch und technisch bedingte weltweite Vernetzung von Informationen und Güteraustausch hat den größten Markt der Geschichte geschaffen. Die damit bisher größte Arbeitsteilung hatte den raschesten und breitesten Wohlstandsanstieg in der Geschichte zur Folge."

(http://www.kurier.at/interaktiv/blog/fraglosfrauscher/211030.php)

"Wenn alle Wirtschaftssubjekte in so geregelten Tauschprozessen das anbieten (und damit gekoppelt das produzieren), was den höchsten(!) Nutzen beziehungsweise Gewinn abwirft, dann fördert dies auch(!) das Gesamteinkommen - mithin das "Gemeinwohl."(Gerhard Wilke, Neoliberalismus, S54)

Niemand wird Erfolg garantiert! Selbst denen, die sich anstrengen, wird kein bestimmter Nutzen in Aussicht gestellt sondern die Aussicht auf Erfolg und ob aus dieser Möglichkeit eine Wirklichkeit wird oder nicht, muss sich immer erst noch zeigen. Klar ist, dass dies nicht allen gelingt, dass es also neben der geringen Zahl jener, die es schaffen, eine große Anzahl jener gibt, mit deren Erfolg es nicht zum Besten bestellt ist. Spiegelbildlich zu den Erfolgreichen, die sich ihren Erfolg als der eigenen Anstrengung geschuldet zurecht legen können, dürfen sie ihren Misserfolg auf die eigenen Mängel zurückführen.

Neben diesen beiden Gruppen gibt es im Bild von Frauscher noch einen weiteren Profiteur der Verhältnisse - die ganze Gesellschaft - was nicht damit zu verwechseln ist, dass auch die Mindererfolgreichen letztlich doch noch auf einem Umweg zu den unmittelbar Bevorteilten gehören würden. Wie sollten sie denn von einem Erfolg profitieren, der gerade auf ihrer Niederlage in der Konkurrenz beruht?

Man merkt, dass die ökonomischen Interessen der Marktteilnehmer gegensätzlich, einander ausschließend sind, dass jeder nur an sich denkt und der Erfolg des Einen unmittelbar die Beschränkung des Erfolgs wenn nicht gleich den Misserfolg der anderen bedeutet, ist auch den Verteidiger der Marktwirtschaft nicht unbekannt. Sie machen sich bloß in ihrem Urteil über die Marktwirtschaft gar nicht davon abhängig, dass vom Markt- und Preismechanismus tatsächlich alle profitieren würden.

Gelobt wird der Markt nämlich gar nicht dafür, dass tatsächlich alle zu den Profiteuren des Wirtschaftens gehören, gelobt wird er nicht dafür, was er an tatsächlichen Resultaten, an Nebeneinander von immensem Reichtum und Armut hervorbringt, sondern darüber, dass doch alle die Aussicht auf Erfolg als Lohn ihrer Anstrengungen hätten. Von dieser Aussicht getrieben - so das Bild - bringen die Marktteilnehmer vor allem eines hervor, den größtmöglichen Reichtum für "die Gesellschaft".

Diesen so geschaffenen gesellschaftlichen Reichtum dürfen sich dann freilich auch die, die nicht zu den Erfolgreichen gehören, in "unseren Wohlstand" zurückübersetzen lassen, um zu wissen, dass letztlich auch sie von diesem System profitieren. Vergessen muss man dabei nur für einen Moment die Kleinigkeit, dass der ganze geschaffene Reichtum wesentlich als Privateigentum existiert - nur in dieser Form erbringt er ja die bewunderte Leistung - und daher gar nicht zur Verteilung zur Verfügung steht.

Eines ist damit auf jeden Fall gelungen - diese Theorie des Marktes macht sich wasserdicht gegen Kritik. Sie lässt sich gar nicht mehr daran messen, ob tatsächlich alle oder wenigstens die große Mehrzahl der Menschen zu dem kommen, was sie brauchen. Sie leugnet gar nicht, dass es mitten in der Marktwirtschaft lauter Mangelerscheinungen gibt.

Vom Reichtum, den der Markt hervorbringt, sind auch die Kritiker schwer beeindruckt und können sich gleich selber nichts anderes mehr als eine Marktwirtschaft vorstellen. Sozial abgefedert, versteht sich. Sie lassen sich auch dadurch nicht irre machen, dass dieser Reichtum - wie Marx das einmal ausgedrückt hat - in Form einer zwar "ungeheuren" aber eben "Warenansammlung" und dh. allemal als Privateigentum vorliegt.

f.

Bisher ist festzuhalten: Die Marktwirtschaft ist keine Methode wirtschaftliche Handlungen der Marktteilnehmer aufeinander abzustimmen, sondern eine Wirtschaftsweise, in der die Produktion von Gebrauchsgütern nicht Zweck sondern bloßes Mittel des Gelderwerbs ist. Wo der Markt regiert, liegt eine Wirtschaftsweise vor, in der sich alles um den Gelderwerb dreht.

2.Die Antwort der Kritiker - eine vertrauensselige Kritik an Markt und Staat

Von all dem wollen die Kritiker des Neoliberalismus nichts wissen, wie man etwa der folgenden Ankündigung des ASF 2006 entnehmen kann:

"Heute - wie vor vier Jahren - droht der neoliberale Umbau der kapitalistischen Gesellschaften soziale Errungenschaften, Frauenrechte, demokratische Freiheiten, Umweltschutz und kulturelle Werte zu zerstören. Als Teil der neoliberalen Globalisierung, durch die die Bevölkerungen der ganzen Welt dem Diktat transnationaler Konzerne, den internationalen Finanzinstitutionen wie WTO, Weltbank oder IWF, sowie dem blinden Wirken der Finanzmärkte unterworfen ist, werden auch in Österreich Sozialabbau, Zerstörung von Arbeitsplätzen, Prekarisierung, Privatisierung und Verwandlung öffentlicher Dienstleistungen in marktgängige Waren beschleunigt. Die neoliberale Politik lässt die Gräben zwischen reichen und armen Ländern ebenso größer werden wie jene innerhalb der reichen Länder." (Aufruf zum Austrian Social Forum III in GRAZ zwischen 15. Juni und 17. Juni 2006)

"Der freie Markt muss Grenzen haben. Es gibt Bereiche, die sich nicht dazu eignen, profitorientiert gemanagt zu werden…"(M.Reimon, Ch.Felber: Schwarzbuch Privatisierung, 2003, S215)

Diesem Aufruf ist zu entnehmen, wie wenig die Protestbewegung der neoliberalen Wirtschaftstheorie theoretisch entgegenzuhalten hat. Wenn Neoliberale sagen, Marktwirtschaft sorgt für die Koordination von Produktion und Bedürfnis, was sagen ihre Kritiker, "Achtung! Es gibt Ausnahmen!" – Bildung, Gesundheit, Wasser sollen keine Waren sein.

Am Arbeitsplatz stört nicht, wozu er da ist – das Geld-Eigentum des Arbeitgebers zu vermehren, weswegen seine Schaffung immer dann unterbleibt, wenn das nicht rauskommt –, sondern dass er nicht für alle vorhanden ist. Dort, wo Staat bisher Eigentümer war, soll er auch in Zukunft Eigentümer bleiben anstatt zu privatisieren.

Dass das Leben von Bevölkerungen der ganzen Welt davon abhängt, ob und wie sie sich fürs Kapital rentieren, darin sehen die Kritiker des Neoliberalismus nicht das Kritikable, nur gegen das "blinde Wirken der Finanzmärkte" wollen sie was gesagt haben.

Linke haben früher einmal davon gesprochen, dass die Marktwirtschaft, der Kapitalismus, abgeschafft gehört. "Neoliberalismus" als Kritik besagt das nicht. Die Wirtschaft, wie sie organisiert ist, das kapitalistische Wirtschaftssystem, ist außer Streit gestellt. Marktwirtschaft soll sein! "Gegen Neoliberalismus" ist keine Forderung nach ihrer Abschaffung sondern der Ruf nach einer anderen, einer besseren Lenkung der Wirtschaft.

Um die Fehler dieser Sorte Kritik, soll es im Folgenden gehen.

2.1.Bildung, Gesundheit, Wasser dürfen keine Ware sein

a.

Wer "Marktversagen in gewissen Versorgungsbereichen" kritisiert, kennt offenbar Bereiche, in denen der Markt seine Versorgungsaufgabe erfüllt und unterschreibt damit die nützliche Funktion, die die liberalen Ökonomen dem Markt zuschreiben. Sie teilen den Grundkonsens der Neoliberalen und der herrschenden VWL, dass der Markt eine vermittelnde Instanz zwischen Produktion und Konsumtion ist. Was die Kritiker vermissen ist die rechte Balance zwischen dem privaten und öffentlichen Sektor. Es soll heute "zu wenig" Staat und "zu viel" Markt geben. Wenn beide im richtigen Maß präsent wären, zwar so ziemlich alles, aber eben nicht "alles" Ware wäre, hätten sie nichts daran auszusetzen.

Einen Widerspruch enthält diese Betrachtungsweise. Einerseits ist das Wissen darum, was es für das Bedürfnis bedeutet, wenn ein Produkt als Ware in die Welt kommt, unterstellt. Derjenige, der das Produkt braucht, bekommt es nur, wenn er dem Verkäufer den von ihm verlangten Preis zahlen kann. Wenn man für Bildung, Gesundheit, Wasser zahlen muss, dann, so die in dieser Forderung ausgesprochene Befürchtung, sind all jene, die nicht zahlen können, davon ausgeschlossen. Das ist richtig. Dass Warenproduktion Ausschluss von benötigten Gütern bedeutet, das kann man tagtäglich den diversen in- und ausländischen Armutsberichten entnehmen. Deswegen weil Lebensmittel Waren sind, verhungern weltweit Millionen Menschen und nicht weil es zu wenig Lebensmittel gibt. Weil Medikamente Waren sind, sterben weltweit Menschen an Krankheiten, die medizinisch längst heilbar sind, nur weil ihnen das nötige Kleingeld abgeht. Und weil Wohnungen Geschäftsartikel sind, gibt es beides nebeneinander – leer stehende Wohnungen und Obdachlose usw. Da wäre eigentlich nur ein Schluss fällig, Warenproduktion ist schädlich.

Was sagen die Kritiker des Neoliberalismus? Bildung, Gesundheit und Wasser sollen nicht Waren sein! Warum dann aber ausgerechnet Nahrungsmittel, Kleidung, Wohnung, kurz alles was die Menschen zum Leben brauchen schon, angesichts der offensichtlichen Konsequenzen? Da merkt man, woran sie bei der Festsetzung des richtigen Verhältnisses von öffentlichem und privaten Sektor Maß nehmen. Von den Interessen derer, die Nahrung, Kleidung, ein Dach über dem Kopf usw. brauchen, lassen sie sich offensichtlich nicht leiten. Was an staatlicher Bewirtschaftung notwendig ist, das bemisst sich nicht an den Bedürftigen und dem was sie brauchen, sondern an dem, was es an "öffentlichen Dienstleistungen" schon einmal gegeben hat. Nichts Unmögliches soll verlangt werden! - "Eine andere Welt ist möglich!" – Die andere Welt, die möglich sein soll, ist nichts anderes, als die staatliche Bewirtschaftung, die es schon einmal gegeben hat, die soll nicht aufgegeben werden!

b.

Dazu passend wissen die Kritiker des Neoliberalismus über Zweck und Inhalt dieser "öffentlichen Dienstleistungen" nichts Richtiges zu vermelden. Wenn sie etwa dem durch Privatisierung des Bildungswesens drohenden Ausschluss von Bildung mit der Forderung "Bildung ist keine Ware" entgegentreten wollen, behandeln sie das öffentliche Bildungswesen als eine Alternative zum Markt, die den Ausschluss der Menschen von Bildung verhindern würde.

Wahr ist das nicht. Geflissentlich übersehen sie nämlich, dass ein Ausschluss von Bildung nicht erst durch Privatisierung droht. Das öffentliche Schulwesen führte doch schon bisher nicht dazu, dass die Schüler die Schule als umfassend Gebildete verlassen, um mit dem ihnen dort vermittelten Wissen die Welt ihren Bedürfnissen gemäß zu gestalten. Nur ein geringer Teil der hoffnungsvollen Kleinen bekommt mehr als die unterste Ebene des öffentlichen Schulsystems zu sehen. Von einem Universitätsabschluss ganz zu schweigen. In unserer "Wissensgesellschaft" steht einer großen Mehrzahl an mehr oder weniger Ungebildeten ein kleine Schar von Spezialisten gegenüber.

Dass das so ist, ist alles andere als ein Zufall. Schließlich organisiert der Staat nicht einfach einen Unterricht und zwingt die Kinder, den im eigenen Interesse zu absolvieren, sondern das Bildungswesen erfüllt den edlen Zweck der Auslese. Die dem Ausbildungssystem zugewiesene Aufgabe besteht darin, die Heranwachsenden auf die sich ganz anderen Kriterien als dem Wissen verdankende Hierarchie der Berufe zu verteilen. Den Schülern wird eben nicht nur etwas beigebracht und anschließend überprüft, ob sie es verstanden haben. Jede festgestellte Schwäche eines Schülers ist da nicht der Grund, ihm das nicht Verstandene nochmals zu erklären, sondern wird zum Material der genau gegenteiligen Entscheidung gemacht, ihn gleich ganz von der weiteren Wissensvermittlung auszuschließen. Von jedem Jahrgang werden so sukzessive immer mehr Schüler von der höheren Bildung ausgeschlossen, sodass schlussendlich nur noch relativ wenige Schüler eines jeden Jahrganges an der Universität landen, es auf der anderen Seite aber nicht wenige Leute gibt, die nach neun Jahren Schullaufbahn nicht einmal ordentlich lesen und schreiben können und sich schwer tun, auch nur einen Erlagschein auszufüllen. Von wegen also, das öffentliche Bildungswesen sei so etwas wie die Verhinderung des Ausschlusses von Bildung.

Die "Versorgung", um die es dem Staat beim Bildungswesen geht, ist gerade nicht die Versorgung aller mit Bildung, wo der Markt dies nicht leistet, keine Alternative zum Markt sondern die Versorgung des Marktes. Es geht bei der staatlich organisierten Bildung um den Arbeitsmarkt. Gerade weil es dem Staat um den Erfolg der Marktwirtschaft geht, sorgt er mit seinem staatlichen Bildungswesen für nichts anderes als die Bereitstellung eines für die Unternehmen brauchbaren Arbeitskräftepotenzials, und dieses schließt neben einer hinreichenden Zahl "qualifizierter" - sprich auf die Bedürfnisse der Unternehmen hin vereinseitigter - Arbeitskräfte ein Heer "ungelernter" Arbeitskräfte ein. Wenn der Staat bis zum heutigen Tag die Ausbildung in seine Hände nimmt, dann also mit Garantie nicht, um sie den Fängen der Marktwirtschaft zu entreißen. Genau umgekehrt verhält es sich, nur weil es ihm um den Erfolg der Marktwirtschaft geht, wollte er die Bereitstellung des dafür tauglichen Arbeitskräftepotenzials nicht ausschließlich von der privaten Geschäftskalkulation eines Unternehmens und der Zahlungsfähigkeit der Auszubildenden abhängig machen. Ausbildung die diesem Zweck nicht dient, findet daher aus genau demselben Grund nicht statt.

2.2.Die Realwirtschaft - saunützlich nur leider unter der Knute des Finanzkapitals

"Tatsächlich unterstützen Finanzmärkte die Wirtschaft oft nicht mehr, sondern dominieren sie. Sowohl Unternehmen als auch Staaten stehen zunehmend unter ihrem Druck. Vieles scheint verkehrt. Dabei erfüllen Finanzmärkte grundsätzlich eine wesentliche Funktion. Sie finanzieren die Erzeugung und den Konsum von Waren und Dienstleistungen in der so genannten Realwirtschaft. Wer Geld gespart hat, kann es auf den Finanzmärkten anlegen. Dann kann dieses Geld Unternehmen, Regierungen und Privatpersonen zur Verfügung gestellt werden, die es für Investitionen oder Konsum brauchen."(http://www.attac.at/finanzmaerkte.html, Oktober 2008)

a.

Die "Realwirtschaft" - die Herstellung von Waren, die Bereitstellung von Dienstleistungen und der Handel - wird von den Kritikern des Neoliberalismus umstandslos begrüßt. Auch der Gewinn geht grundsätzlich in Ordnung. Vorbehalte meldet ATTAC einzig dem Finanzkapital gegenüber an. Aber auch dieses darf ruhig seinen Reibach machen, solange mit seinen Krediten Investitionen in "die Erzeugung und den Konsum von Waren und Dienstleistungen in der Realwirtschaft" finanziert werden. Nur in der geht es nach ATTAC nämlich um den Reichtum auf den es wirklich ankommt, um - "realen" - wirklichen Reichtum. Nur wirkliche Produktion kann in den Augen von ATTAC die Gesellschaft reicher machen.

Damit täuscht sich ATTAC. Wahr ist, materielle Bedürfnisse befriedigen kann man nur mit dem, was tatsächlich produziert wurde. Noch lange nicht wahr ist aber deswegen die Umkehrung, dass überall dort, wo produziert wird, die Bedürfnisse und ihre Befriedigung im Mittelpunkt stünden. Wo für den Markt produziert wird, steht die Arbeit nicht im Dienst der Bedürfnisse sondern im Dienst des Gelderwerbs.

*

Gelderwerb ist nun ein an sich maßloser Zweck. Anders als das Bedürfnis nach Gebrauchsgegenständen kennt das Bedürfnis nach Geld keine Grenze. Selber zu produzieren und zu verkaufen, ist ein denkbar ungeeigneter Weg, diesen Zweck zu verwirklichen, weil man dann dem Markt immer nur das an Geld entziehen könnte, was man zuvor selbst an Arbeit investieren hat.

So sieht die Marktwirtschaft daher in Wahrheit auch gar nicht aus. Tatsächlich verwirklicht sich der Zweck Gelderwerb darin, Leute zu kaufen, sie arbeiten zu lassen, sprich fremde Arbeit unter das eigene Kommando zu stellen, sie zu organisieren und das Produkt ihrer Arbeit zu verkaufen.

Schon im Ausgangspunkt ist klar, dass das nur einer Minderheit gelingen kann. Vorausgesetzt ist nämlich, dass man schon im Ausgangspunkt über hinreichend großen Reichtum verfügt. Nur wer über Geld in ausreichender Größenordnung verfügt, ist in der Lage, Geld in Produktionsmittel und Lohn für Arbeitskräfte vorzuschießen, um es schließlich durch den Verkauf der unter seinem Kommando erzeugten Produkte vermehrt zurückzuerhalten.

Die wesentlich größere Hälfte der Menschheit kann man in dieser Hinsicht vergessen. Deren Sache ist die Vermehrung ihres Geldreichtums nicht – aus einem schlichten Grund: Sie hat keinen und das was sie hat, reicht gerade einmal dazu, ihr tägliche Leben zu bestreiten.

Was umgekehrt aber nicht heißt, dass nicht auch sie sich fürs Wachstum nützlich machen kann. Immerhin haben die "Wirtschaftssubjekte", die diese Hälfte bevölkern, sich selbst. Sie können ihre Arbeitskraft - ihr Vermögen zu arbeiten - feilbieten. Weil sie das auch müssen - alles, was sie zum Leben brauchen, gibt es in der Marktwirtschaft nur gegen Geld und an dem fehlt es ihnen gerade - werden sie gleich über diese ihre Funktion in fremdem Dienst zu arbeiten definiert und heißen "Arbeitssuchende". Von Erfolg ist ihre Suche dann gekrönt, wenn sie das Interesse der Minderheit der Unternehmer, die auch "Arbeitgeber" heißen, wecken. Das tun sie genau dann, wenn der Einsatz ihrer Arbeitskraft sich für diesen Arbeitgeber lohnt, sprich seinen Reichtum vergrößert.

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Genau aus diesem Grund, finden nicht wenige Arbeitssuchende keine Arbeit und sind arbeitslos. Die würden ihren Lebensunterhalt jederzeit erarbeiten wollen, aber vor die Möglichkeit, ihren Lebensunterhalt erarbeiten zu dürfen, ist die Schranke des Gewinns gesetzt. Wenn die Arbeit nicht dafür taugt, einem Unternehmer einen Gewinn zu erwirtschaften, dann findet auch diejenige Arbeit, die den Lebensunterhalt der Leute erarbeiten würde, einfach nicht statt.

Was gesellschaftlich notwendige Arbeit ist und was nicht, entscheidet sich in dieser Gesellschaft einzig daran, ob sie mit Gewinn abzuwickeln ist oder nicht. Sie ist definiert einzig von den Bedürfnissen derjenigen, die die Wirtschaft heißen. Oder, in den Worten von Marx: "Der Arbeiter produziert nicht für sich, sondern fürs Kapital. Es genügt daher nicht länger, daß er überhaupt produziert. Er muß Mehrwert produzieren. Nur der Arbeiter ist produktiv, der Mehrwert für den Kapitalisten produziert oder zur Selbstverwertung des Kapitals dient."(KI, S532)

*

Der Markterfolg, auf den es den Unternehmern einzig und allein ankommt, fällt umso größer aus, je größer der Geldrückfluss aus dem Verkauf der produzierten Waren im Verhältnis zum erforderliche Vorschuss - insbesondere zur zahlenden Lohnsumme - ausfällt. Der Unternehmerzweck wird daher umso besser erreicht, je weniger die Lohnarbeiter von ihrer Arbeit haben.

Deren Lohn ist in dieser Produktionsweise die negative Größe - er muss gezahlt werden, weil anders die Arbeitnehmer ihren Dienst nicht antreten. Weil er aber für den Zweck, auf den es ankommt, dafür aus Geld mehr Geld zu machen - nur Abzug darstellt, kann der Lohn andererseits aber gar nicht nieder genug sein. Marx hat dieses Produktionsverhältnis daher auch Ausbeutung genannt.

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Damit ist klar, die von ATTAC vorgenommene Unterscheidung - in die gute, weil reale Wirtschaft und in die nur unter Vorbehalt zu begrüßenden Finanzmärkte - taugt nichts. Schon gar nicht gibt der Umstand, dass die einen ihr Geschäft mit dem Verleih von Geld, die anderen aber durch Ausbeutung machen, ein Grund dafür ab, ausgerechnet das Realkapital vor dem Finanzkapital schützen zu sollen. Realer Reichtum ist in unserer Gesellschaft das Geld. Beiden - Realkapital und Finanzkapital - geht es im Kern um dasselbe - die Vergrößerung ihres in Geld gemessenen Reichtums. Diese Identität ihm Zweck ist die Grundlage ihrer wechselseitigen Benutzung.

b.

Worin besteht denn nun die von ATTAC angemahnte Nützlichkeit des Finanzkapitals? Nützlich wären die Finanzmärkte insoweit, als sie den Unternehmen Geld für Investitionen zur Verfügung stellten, behauptet ATTAC. Wohl nicht ganz zufällig lässt ATTAC an dieser Stelle eine Kleinigkeit unerwähnt: Die Banken stellen den Unternehmen nicht einfach Geld zur Verfügung, sie verleihen es auf Zeit. Der Unternehmen muss nach einer vereinbarten Zeit nicht nur die Hauptsumme selbst zurückerstatten, sondern darüber hinaus dem Bankkapital für seinen Dienst auch noch einen Zins zahlen.

Das Geschäft der Banken besteht darin, aus Geld mehr Geld zu machen - und zwar ohne jeden Umweg über Produktion und Verkauf von Gütern. Zur Schaffung von materiellem Reichtum tragen sie insofern nichts bei. Sie vermehren es durch eine Vereinbarung mit dem Kreditnehmer, der das geliehen Geld zum Fälligkeitsdatum um einen Zins vermehrt zurückzahlen muss. Dabei ist es den Banken gleichgültig, was der Kunde mit dem geliehenen Geld macht: ob ihr Kunde das geliehene Geld als Kapital investiert und dadurch Überschüsse erwirtschaftet oder ob er damit ein Verlustgeschäft macht. Die vertragliche Rückzahlungspflicht gilt in jedem Fall und unbedingt.

Die tatsächliche Fähigkeit des Kreditnehmers den Kredit zu bedienen, hängt davon ab, ob er sich die erforderliche Geldmenge bis zur Fälligkeit beschaffen kann. Dieser Umstand ist dem Kreditverhältnis gleichgültig. Es tut so - und wenn es klappt, ist es ja für die Bank auch so - als ob sich das Geld im Maße der verstrichenen Zeit automatisch vermehrt. In der Hand der Bank ist Geld unmittelbar Kapital - sich selbst verwertender Wert - aber eben nur dadurch, dass sie auf eine Geldvermehrung spekuliert, die andere treiben. Ausnahmslos jeder Kredit ist daher seiner Natur nach Spekulation - gegeben in Erwartung auf einen Erfolg, der sich erst noch einstellen muss. Die auch von ATTAC lancierte Idee einer sicheren Spekulation ist eine Chimäre.

*

Das Geschäft der Banken mit dem Kredit beruht darauf, dass er in den Dienst der kapitalistischen Reichtumsproduktion gestellt wird. Im Zins eignen sich die Banken eine Teil des Gewinns an, der in Produktion und Handel erwirtschaftet wird. Die Unternehmen in Industrie und Handel umgekehrt greifen das Angebot des Bankkapitals auf, weil und insofern der Kredit ihnen nutzt, insofern er sie also in die Lage versetzt, Profit mit Kapital zu machen, das ihnen nicht gehört.

Kredit eröffnet den Unternehmen die Möglichkeit, den Teil ihres Kapitals, der in Gestalt noch nicht verkaufter Waren festliegt, frühzeitig erneut zu investieren, was eine Erhöhung ihres Kapitalumschlags und damit ihres Profits bedeutet. Mit Kredit können die Betriebe darüber hinaus in Erwartung größeren Absatzes ihre Produktion ausweiten und ihre Arbeitermannschaft vergrößern, auf dass diese mehr an verkaufbarem Produkt und damit mehr an Gewinn produziert. Vor allem aber befreit der Kredit die Unternehmen von der Schranke, die sie in der Größe ihres in der Vergangenheit akkumulierten Kapitals haben. In ihm haben sie das Mittel die gewaltigen Investitionen zu tätigen, die notwendig sind, ihren Betrieb zum Konkurrenzmittel gegen ihresgleichen herzurichten. Sie erhöhen ihre Produktivität, senken ihre Stückkosten, lassen dazu eine verhältnismäßig immer geringere Anzahl an Arbeitern eine immer größere Menge an Produkt herstellen, sparen also nicht Arbeit - im Gegenteil, deren Intensität wird dabei in aller Regel erhöht - wohl aber Arbeitskosten. Der Kredit versetzt sie insgesamt also dazu in die Lage, die im Betrieb dann noch vorhandene Arbeitermannschaft rentabler zu nutzen. In allen Fällen gehen die Unternehmen von der Erwartung aus, dass der derart gesteigerte Gewinn mehr als nur die zusätzlichen Kosten durch den Kredit hereinspielt.

Indem das Bankkapital Handel und Industrie Kredit für ihre Geschäfte zur Verfügung stellt, treibt es zugleich den für alle Kapitale gültigen Erfolgsmaßstab nach oben und trägt damit dazu bei, dass sich der angestrebte Erfolg mit Garantie nicht für alle konkurrierenden Kapitale einstellen wird. Immer größeren und in immer kürzerer Zeit produzierten Mengen an Produkt, die verkauft werden müssen, steht eine durch die Kapitale selbst immerzu beschränkte Zahlungsfähigkeit gegenüber. Soweit die Unternehmen Verkäufer sind, behandeln sie den Markt als unerschöpfliche Geldquelle und versuchen möglichst viel vom Geld der Gesellschaft auf sich zu ziehen. Anders wenn sie als Käufer auftreten. Da heißt es die Kosten möglichst niedrig zu halten, sparen wo immer es dem angestrebten Erfolg nützt und daher in jedem Fall an den Arbeitskräften und deren Lohn. Niederlagen in der Konkurrenz können daher gar nicht ausbleiben. Erfolg der einen und Niederlage und Konkurs der anderen gehören untrennbar zusammen.

Diese notwendig eintretenden Niederlagen sind der praktische Beweis, dass das Geschäft der Banken ebenso wie das der "Realwirtschaft" immer auf Spekulation - auf der Vorwegnahme eines Erfolgs beruht, dessen Eintreten keine ausgemachte Sache ist, im Gegenteil. Auch die von ATTAC vorgenommene Unterscheidung an den Finanzmärkten in eine seriöse Seite, von der alle - von der Realwirtschaft bis zum kleinen Sparer - profitieren würden, und eine schädliche Spekulation taugt daher nichts.

c.

Was die Behauptung von ATTAC betrifft, Finanzmärkte würden grundsätzlich eine wesentliche, eine positive Funktion erfüllen, von der alle, Sparer und Unternehmen, Arbeitnehmer und Arbeitgeber profitieren, so erweist sich diese Behauptung, jedenfalls was die Arbeitnehmer betrifft, als blanker Zynismus.

In der Hand der Kapitalisten, die sie beschäftigen, ist der Kredit das wuchtige Mittel, die Arbeitskraft dieser Arbeitnehmer möglichst optimal in den Dienst des Konkurrenzerfolgs der Unternehmen zu stellen. Den Arbeitskräften selbst bekommt das nicht gut. Intensivierung der Arbeit, Rationalisierung der Arbeitsprozesse samt Entlassungen und dergleichen mehr, daraus besteht die zum Einsatz kommende Handlungspalette, eingesetzt um einen möglichst großen Überschuss über den gezahlten Lohn zu erwirtschaften. Kurz in den Händen der Unternehmen ist der Kredit Mittel, die Ausbeutung voranzubringen.

Die Arbeitnehmer werden nicht erst in der Niederlage "ihres" Kapitals zu Opfern der Verhältnisse. Dann natürlich erst recht, verlieren viele dann doch sogar ihren Job und mit ihm ihr Einkommen. Aber auch die Arbeiter eines erfolgreichen Kapitals sind Opfer der Verhältnisse. Der Erfolg ihres Unternehmens hat seinen Grund doch darin, dass es effektiver als seine Konkurrenten in der Lage ist, ihre Arbeitskräfte in den Dienst seiner Gewinnrechung zu stellen.

Auch Arbeitnehmer kriegen einen Kredit. Weil sie aber gerade nicht zu der Sorte Mensch gehören, die ihren Reichtum arbeiten lassen, sondern selbst antreten müssen, ist dieser Kredit, der deshalb auch Konsumentenkredit heißt, bloß Mittel vorgezogenen Konsums. Die Rückzahlung samt Zins muss aus ihrem künftigen Lohn und damit durch vermehrten Verzicht in der Zukunft bezahlt werden.

Die Arbeitnehmer dürfen ihr Geld auch zur Bank tragen, soweit ihnen von ihrem Lohn am Monatsende tatsächlich was übrig bleibt. Weil bei ihnen aber ausgemacht ist, dass sie dieses - wie es deshalb auch heißt - zur Seite gelegte Geld irgendwann wieder brauchen werden, heißt dieser Vorgang bei ihnen nicht investieren oder spekulieren, sondern sparen. Sie stellen damit ihr Geld dem Bankgewerbe für seine Spekulation zur Verfügung stellen, und werden dafür mit einem Zins belohnt, der in aller Regel aber gerade einmal die Inflation des angesparten Geldwertes abfedert. Wie die jetzige Finanzkrise zeigt, ist noch nicht einmal das wirklich sicher.

So sehen die mit dem Finanzmarkt zusammenhängenden Chancen der "kleinen Leute" im Kapitalismus aus. Bis auf ihren Spargroschen - ihren Versuchen, sich gegen die der Marktwirtschaft inhärenten Unvorhersehbarkeiten abzusichern - sind sie die abhängige Größe dieser Wirtschaft. Und da entdeckt ATTAC dann auch noch eine grundsätzlich nützliche Funktion der Finanzmärkte auch für sie!

d.

Die "nützliche Funktion" der Finanzmärkte für die Realwirtschaft sieht ATTAC heute zusehends gefährdet:

"Diese Funktionen haben aber in den letzten Jahrzehnten relativ an Bedeutung verloren. Statt die Realwirtschaft zu unterstützen, bestimmen die Finanzmärkte immer stärker unternehmerische und wirtschaftspolitische Entscheidungen."

( http://www.attac.at/finanzmaerkte.html, Oktober 2008)

Mit einem hat ATTAC recht, Banken vergeben nicht Kredite, um dem produktiven Kapital einen Dienst zu erweisen. Ihre Absicht ist nicht, der Realwirtschaft zu dienen, sondern diese - für ihr Gewinninteresse - zu benutzen. Nur neu ist daran nichts. Das ist so, seit es den Kredit gibt. Das Finanzkapital dient der Realwirtschaft nicht, sondern nutzt - darin allen anderen kapitalistischen Unternehmen gleich - den Bedarf anderer aus, um selbst ein Plus zu machen.

Die Banken entscheiden darüber, welche Firma Kredit erhält und damit über die nötigen Waffen der Konkurrenz verfügt, und sie entscheiden, welche keinen Kredit bekommen, wessen Schulden prolongiert werden und wessen Kredit fällig gestellt wird. Damit letztlich auch darüber, wer Konkurs anmelden muss und wer reüssiert. Deshalb sind sie die wirtschaftlichen Machtzentren, die den Gang des Kapitalismus bestimmen. Nur ist das kein Verstoß gegen die Prinzipien der Marktwirtschaft sondern gerade deren Konsequenz - eine Konsequenz davon, dass es in ihr um Geldvermehrung geht und um sonst nichts.

Daraus zu folgern, Realwirtschaft und gar Staat würden heutzutage von den Finanzmärkten unterjocht, ist aber albern. Wer, wenn nicht der Staat verleiht denn den Banken das unbedingte und absolute Recht, auf Rückzahlung zu bestehen? Wer exekutiert dieses Recht denn im Zweifelsfall? Das ist doch wohl der Staat, derselbe Staat, den man sich nach ATTAC als Getriebenen vorstellen soll. Banken sind die Machtzentren, die sie sind, einzig Dank der staatliche Gewalt.

e.

"Attac fordert daher: Die Politik muss daher die Rahmenbedingung für die Finanzmärkte vorgeben – nicht umgekehrt. Die Finanzmärkte müssen die Realwirtschaft unterstützen anstatt sie - wie derzeit - zu dominieren und zu destabilisieren. Es wird auch auf den öffentlichen Druck von uns allen ankommen, ob ein wirklicher Systemwechsel erreicht werden kann."(http://www.attac.at/casino-schliessen.html, Oktober 2008)

Wenn ATTAC angesichts der jetzigen Finanzkrise künftige Krisen durch verstärkte Regulation der Finanzmärkte verhindern möchte, findet die Organisation offenbar an einer Ökonomie, deren innere Widersprüche wiederkehrend zum Zusammenbruch des Wirtschaftens und der damit einhergehenden massenhaften Vernichtung von Reichtum führen, offenbar nichts, was zu kritisieren wäre. Diese Ökonomie soll weitermachen wie bisher. Anstatt eine solche Wirtschaft abschaffen zu wollen, eine Wirtschaft, die schon in normalen Zeiten die Arbeiter zu ihren Opfern macht und vom vorhandenen Reichtum ausschließt und die daher erst Recht in der Krise zuallererst den Lebensunterhalt dieser Arbeiter durch Kurzarbeit, Arbeitslosigkeit, Streichung von Nullen bei den Sparguthaben und dergleichen Schönheiten mehr in Frage stellt, hält ATTAC unverdrossen und gegen die Fakten an der Vorstellung fest, eine kapitalistischen Ökonomie müsste doch auch ohne Krisen zu haben sein, wenn nur der Staat den Kollaps durch bessere Kontrolle verhindern würde. Für die unausweichlich anfallenden Opfer hat ATTAC eine Antwort, die werden dem Sozialstaat überantwortet.

2.3."Gegen Sozialstaatsabbau" – der Staat darf sich nicht aus seiner sozialstaatlichen Verantwortung entziehen:

Statt den diversen sozialstaatlichen Änderungen zu entnehmen, wofür der Sozialstaat taugt, heute ebenso wie früher, halten ihn jene, die den Neoliberalismus am Werk sehen, hoch und bitten um dessen Erhaltung.

"Überall auf der Welt sind Menschen von materieller Not und sozialen Risiken wie Arbeitslosigkeit, Krankheit, Alter und Armut betroffen. Der Sozialstaat, international als Welfare State bezeichnet, hat die Aufgabe, durch wirtschafts- und sozialpolitische Maßnahmen diesen sozialen Missständen entgegenzuwirken und soziale Sicherheit zu gewährleisten. Umfang und Ausgestaltung der sozialen Aufgaben des Staates sind jeweils Ausdruck politischer Kräfteverhältnisse und werden in einzelnen Ländern unterschiedlich geregelt. … ."(ABC der Globalisierung, VSA-Verlag Hamburg, Herausgeber: Wissenschaftlicher Beirat von ATTAC, S174)

a.

Um den Sozialstaat dafür zu loben, "soziale Sicherheit" zu gewährleisten, muss man schon über eine entscheidende Kleinigkeit hinwegsehen wollen. Keinesfalls darf man sich fragen, woher denn dauerhaft die vielen "sozial Schwachen" kommen, die der ebenso dauerhaften Betreuung bedürfen. Wenn arbeitslos, krank oder alt sein zum "sozialen Risiko" wird und Existenzgefährdung bedeutet, wenn also der Umstand, dass man wegen Krankheit oder Alter nicht arbeiten kann bzw. nicht arbeiten darf, weil einen niemand einstellt, gleich die Infragestellung der eigenen Existenz bedeutet, dann kann die stattfindende Arbeit doch kaum den Zweck haben, für das Auskommen der Bevölkerung zu sorgen. Statt sich aber an der offensichtlichen Normalität von Armut und Existenzgefährdung zu stören, soll man im Gegenteil das "soziale System" bewundern, das "soziale Notlagen" aller Art regle.

Dabei belegen die sozialstaatlichen Maßnahmen, die den "sozialen Risiken" – "Arbeitslosigkeit, Krankheit, Alter" – "entgegenwirken" sollen, nichts anderes, als dass der auf Lohnarbeit angewiesene Teil der Menschheit vermittels seines Verdienstes die regelmäßig im Arbeitsleben anfallenden und durch das Arbeitsverhältnis ausgelösten Notfälle in Form von Arbeitslosigkeit, Krankheit und völligem Ausscheiden aus dem Arbeitsleben nicht bewältigen kann. Es gehört eben zu den Schönheiten des Kapitalismus, die der Sozialstaat mit seinen Hilfskonstruktionen dauerhaft erhält, dass Menschen immer dann, wenn der Betrieb sie für unbrauchbar erklärt, auf Hilfe angewiesen sind. Mit dem Lohn kann der einzelne Arbeiter also nur in jenen Perioden des Arbeiterlebens seinen Lebensunterhalt finanzieren, in denen er ihn verdient. Kaum verdient er nichts, hat er nichts. Es ist der Sozialstaat, der über den Lohn ein Armutszeugnis offenbart, das es in sich hat: Der Mensch, der hierzulande auf Lohnarbeit angewiesen ist, der sich in Fabrik und Büro abplagt, erfährt, dass der Lohn, den er dafür erhält, fürs Leben insgesamt nicht reicht.

b.

Kein politischer Verwalter ist angesichts der Unmöglichkeit, von Lohnarbeit zu leben - also der Unmöglichkeit, als noch rüstige Arbeitskräfte für das Alter, für den Krankheitsfall und für Zeiten der Arbeitslosigkeit vorzusorgen - je auf die Idee gekommen, die Ursachen dieser chronischen Not lohnabhängiger Menschen - die kapitalistische Gewinnrechnung - aus der Welt zu schaffen. Gleichgültig ist ihnen die ruinöse Benutzung des vorhandenen Menschenmaterials durch das Kapital andererseits aber offenbar auch nicht, stellt sie doch die Benutzbarkeit der Bürger im Dienste der Reichtumsproduktion und im Dienste des Staates selbst in Frage.

Der Staat hat auf diese Situation - nicht ganz freiwillig - mit der Einführung eines gesetzlichen Sozialversicherungswesens reagiert. Dessen Aufgabe besteht darin, die Folgen und Auswirkungen der kapitalistischen Benutzung so "abzufedern" und "abzumildern", dass es dem Kapital trotz ruinöser Benutzung nicht an benutzbarem Menschenmaterial gebricht. Das – dem Kapital ausreichend benutzbares Menschenmaterial sicherzustellen – und nichts anderes gibt dann auch den Maßstab für die Finanzierung ebenso wie für "Umfang und Ausgestaltung" der Sozialleistungen vor.

c.

Was Zweck dieses Sozialkassenwesens ist, das sieht man auch an seiner Finanzierung. So werden die Unternehmen schon einmal nicht gesondert zur Kasse gebeten. Auch wenn Unternehmer angesichts des von ihnen zu entrichtenden Arbeitgeberanteils davon wissen wollen, ungebührlicherweise noch einmal extra zur Kasse gebeten zu werden, bildet dieser Anteil nämlich zusammen mit dem Arbeitnehmeranteil, den Steuern und dem was schlussendlich dem Arbeitnehmer selbst tatsächlich ausbezahlt wird, das, was als Kost für den Einsatz einer Arbeitskraft im Unternehmen anfällt, den Lohn.

Dass Lohn nur für Arbeit gezahlt wird und dies auch nur, wenn es sich für den Betrieb lohnt, daran will der Sozialstaat selbstredend nicht rütteln. Aber auch die staatlichen Haushaltsmitteln sind der Politik viel zu kostbar, als sie "bloß" für den Konsum unbeschäftigter Massen - also "unproduktiv"(!) - zu verausgaben. Aufgebracht werden die Mittel vielmehr von den Geschädigten selber. Statt nach dem sonst so gerne in Anschlag gebrachten "Verursacherprinzip" die Kapitalisten zur Kasse zu bitten, verordnet der den "lohnabhängig Beschäftigten" eine Zwangssolidarität, indem er eine Umverteilung von Geld innerhalb der lohnarbeitenden Klasse organisiert. Ausgerechnet an die Einkommensart hält sich der Staat, die den Betreuungsbedarf erst hervorbringt: den Lohn. Per Zwangseinzug werden deswegen die Arbeiter um nicht unbeträchtliche Teile ihres Verdienstes ärmer gemacht.

Das ist schon paradox: Der Lohn, der für den einzelnen Arbeitsmenschen nicht ausreicht, um sich in den periodischen Notfällen über Wasser zu halten, muss zusammen mit allen anderen Löhnen, also als Gesamtlohn der Lohnbezieher ausreichen, um die Einkommenslücken bei den Lohnbeziehern zu stopfen! Die Armutsverwalter verteilen eifrig den Mangel, der Lohnarbeit auszeichnet, zwischen allen Versicherungspflichtigen um. Mit seinem Versicherungssystem zwingt der kapitalistische Staat also die Arbeiter dazu, selbst untereinander und gegenseitig die Haftung für jene Notlagen zu übernehmen, die das Kapital regelmäßig an ihnen herstellt. So etwas wird dann als Solidarprinzip und Generationenvertrag allseits gepriesen.

Dieser Finanzierungsgrundsatz schließt aus, dass die in Fällen von Arbeitslosigkeit, Krankheit usw. gewährte Hilfe auch nur den Gedanken aufkommen lässt, sich das berühmte "faule Leben in der sozialen Hängematte" zu genehmigen. Die ausgezahlten Leistungen werden vielmehr so kalkuliert, dass sie den Empfänger dazu nötigen, sich schnellstens wieder um bezahlte Arbeit zu bemühen, also um jenes Arbeitsverhältnis, das ihn gerade in Geldnöte gebracht hat. Niemand kann nämlich eine Familie mit noch nicht einmal 2/3 jener Geldsumme ernähren, die ohnehin kaum zur Bezahlung aller Notwendigkeiten reicht.

Darüber hinaus macht der Sozialstaat dann den "Unbeschäftigten" auch noch mit laufend verschärften "Zumutbarkeitsbestimmungen", die sichern, dass sich der Lohnabhängige weiterhin für den Arbeitsmarkt verfügbar hält, zusätzlichen Dampf. Je schwerer es ihm fällt, einen Job am Arbeitsmarkt zu finden, desto schwerer macht es ihm der Sozialstaat mit weiteren Abzügen und Auflagen.

Die Rücksichtslosigkeit der Marktwirtschaft gegen ihre lohnabhängige Mehrheit wird durch ihre sozialstaatliche Betreuung nicht nur nicht abgeschafft, sondern vielmehr als Prinzip anerkannt. Die sozialen Sicherungssysteme stehen dafür, dass die Produktion von Geldmangel und ruiniertem Arbeitsvermögen als Notwendigkeit der hiesigen Reichtumsproduktion akzeptiert ist.

d.

"Die nach dem Zweiten Weltkrieg in den Industrieländern anhaltende Phase wirtschaftlicher Prosperität unterstützte eine expansive Verteilungs- und Sozialpolitik, die auch stimulierend auf die binnenwirtschaftliche Nachfrage wirkte und entsprechendes Wirtschaftswachstum in Gang setzte. Unter den gegenwärtigen Bedingungen neoliberaler Hegemonie und ökonomischer Globalisierung wird dagegen ein Um- und Abbau des Sozialstaates betrieben, der nach neoliberaler Anschauung als reiner Kostenfaktor betrachtet wird. Es liegt demnach nicht mehr im Ermessen einer Gesellschaft, was sich ein politisches Gemeinwesen an sozialer Sicherheit leisten will, sondern die Wettbewerbsbedingungen einer globalen Wirtschaft diktieren das Maß sozialstaatlicher Politik."( ABC der Globalisierung, VSA-Verlag Hamburg, Herausgeber: Wissenschaftlicher Beirat von ATTAC, S174)

Also wenn heute der Sozialstaat "demontiert" wird, dann zeigt doch die "Demontage" nur, wozu er immer gut war: die Arbeiterklasse nützlich zu machen, intakt zu halten, die nicht gebrauchten Arbeiter in Reserve zu halten, weil man davon ausging, sie wieder zu brauchen. An einer jederzeit verfügbaren Reserve mangelt es dem Kapital nun heute wahrlich nicht. Zum einen weil es selber so erfolgreich die Produktivität der Arbeit gesteigert hat, dass Millionen nicht mehr gebraucht werden. Zum anderen haben die erfolgreiche Durchsetzung der "grenzenlosen Freiheit für Waren und Kapital" für billiges und williges Arbeitskräftepotenzial in Hülle und Fülle gesorgt. All zu viel Rücksicht auf die Pflege der Arbeiter braucht es da nicht mehr, der Druck der Arbeitslosigkeit ist groß genug, um die Leute zu disziplinieren. Mittlerweile tun die ihren Dienst auch ohne, dass man ihnen eine gesicherte Existenz oder wenigstens eine Rente verspricht.

Und nach der anderen Seite – nach der Seite der Kapitalisten – hat sich die Konkurrenz verändert. Nach dem Krieg wollte die Konkurrenz erst einmal wieder aufgebaut werden. Dabei waren die Nationalökonomien so erfolgreich, dass sie sich heute zusehends vermehrt in die Quere kommen, sich in anderen Worten weitere Wachstumsmöglichkeiten wechselseitig bestreiten. Weil die ökonomische und politische Macht der Staaten mit dem Erfolg ihrer Wirtschaft steht und fällt, gibt es heute eine Konkurrenz um die Attraktion von internationalem Kapital – die Standortkonkurrenz. Und in der Standortkonkurrenz, da steht tatsächlich alles, was die Staaten als Innenleben haben, als Mittel der Konkurrenz auf dem Prüfstand: der Staatshaushalt, die Sozialeinrichtungen, das Bildungswesen, die Pension. Europaweit haben die Regierenden daher befunden, dass die Sozialsysteme in ihrer bisherigen Form sich nicht mehr umstandslos mit dem Auftrag, Wachstum zu befördern und den Wirtschaftsstandort voranzubringen, vertragen.

Weil die Nation am Wachstum des Kapitals über Steuern und Kreditaufnahmen partizipiert und den Standortwettbewerb gewinnen will, fördert die Regierung die Attraktivität des Standorts durch Senkung der Lohn(neben)kosten. Dieses Interesse macht sie zur gültigen "Sache" ihres Gemeinwesens, die ihr tatsächlich den "Zwang" auferlegt, das Volk zu verarmen. Das hat zu tun mit der Konkurrenz, hinter der sie stehen, auf die sie sich einlassen und die sie gewinnen wollen. In all dem das Resultat einer Erpressung der Staaten zu sehen, geht an der Sache gründlich vorbei. Den Staaten wird gar nichts aufgeherrscht, was sie nicht selbst wollten. Gepackt werden sie bei nichts anderem als ihrem ureigensten Interesse, die Standortkonkurrenz möglichst zu ihren Gunsten zu entscheiden. Ihre eigene sozialstaatliche Lüge vom Profit, der einen Lohn aushält, von dem man leben kann, ziehen die Regierenden heutzutage aus dem Verkehr ziehen. Sie stellen praktisch klar, dass sich Profit und Lohn eben sehr grundsätzlich nicht vertragen.

Was macht eine Protestbewegung, die mit dem Vorwurf des Neoliberalismus gegen die Sozialstaatskürzungen auftritt? Sie sagt nicht, na wenn sich Profit und Lohninteressen ausschließen, dann haben wir was gegen den Zweck "Profit". Nein, sie sagen, um den nationalen Erfolg der Wirtschaft darf es ruhig gehen, zwischen Profit und Lohninteressen ist doch Harmonie möglich, wenn der Staat nur seine "soziale Verantwortung" wahrnimmt, seine unvernünftige - "neoliberale" - Politik ändert.

Die Kritiker erteilen dem Staat den Auftrag, sich nicht aus seiner "sozialen Verantwortung zur stehlen", den Markt von seinen Versorgungsmängeln zu befreien und das Finanzkapital in seine Schranken zu weisen, damit das produktive Kapital seine nützlichen Dienst wieder besser entfalten kann. Aber was müssen sie überall feststellen?

2.4.Deregulierung

Die Kritiker zeichnen das Bild eines Staates, der sich immer mehr aus der Marktwirtschaft zurückzieht, eines Staates, der - "dem Druck der Transnationale Konzerne, den internationalen Finanzinstitutionen wie Weltbank, WTO oder IWF, sowie dem blinden Wirken der Finanzmärkte unterworfen" - den Kapitalisten nachgibt und sich aus seiner "Verantwortung für die Gesellschaft" zurückzieht. Eines Staates, der die Kapitalisten machen lässt.

a.

Kapitalismus ohne Staat ist nicht - wie die Kritiker meinen - "brutal", sondern eine Chimäre. Wer richtet sie denn mit seiner Gewalt ein, die "freie Marktwirtschaft"? Natürlich ist es nämlich wirklich nicht, dass der Reichtum, der in den Fabriken zustande kommt, überhaupt nur zählt, insofern er eine vermehrte Summe an Dollars oder Euros darstellt; vermehrt im Vergleich zu der Geldsumme, die in seine Produktion "investiert" worden ist; dass die ganze Produktion einzig zu dem Zweck stattfindet, aus Geld mehr Geld zu machen, der Lebensunterhalt der Arbeiter daher als Lohn daherkommt, das heißt als Kost und Gegensatz zum Reichtum, auf den es ankommt; dass die Leistung, die ein Arbeiter jahrein jahraus für seinen Lohn abzuliefern hat, ganz dafür da ist, anderer Leute Geld zu vermehren; dass die Inanspruchnahme dieser Leistung ganz in die Kalkulation dieser Geld vermehrenden Eigentümer fällt und der Arbeiter für die Benutzung seiner Arbeitskraft auch noch dankbar zu sein hat, weil er dann doch mit einem "Arbeitsplatz" beschenkt wird, ohne den er erst recht an kein Geld kommt.

All das und noch viel mehr an Schönheiten der "freien Marktwirtschaft" setzt überhaupt erst der Staat mit seiner Gewalt in Kraft. Er verpflichtet alle auf die Anerkennung des Privateigentums, was denjenigen, die keines oder jedenfalls kein nennenswertes haben, nicht gut bekommt Er verpflichtet alle auf das von ihm garantierte Geld, sorgt für ein Kreditwesen und kümmert sich auch sonst um alle Voraussetzungen der Konkurrenz: um Infrastruktur, Bildung und Wissenschaft.

Der Staat betreut die Kollisionen der Privateigentümer, die gar nicht ausbleiben können, mit seinem Gewaltmonopol: sorgt insbesondere mit seinem Arbeitsrecht für ihre Abwicklung im Sinne des Erfolgs des großen Ganzen (Arbeitszeitgesetz, Rechte und Pflichten der Arbeitgeber und Arbeitnehmer, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, Kündigungsbestimmungen, usw. usf.); er ahndet Verletzungen der von ihm dekretierten Rechte und Pflichten an Hand des von ihm erlassenen Strafgesetzbuches; usw. - räumt also dem privaten Geschäft Schranken aus dem Weg und kümmert sich darüber hinaus um sein Wachstum. Von wegen also, der Staat würde sich aus der Wirtschaft ausmischen!

b.

Gerade die Beispiele, an denen die Kritiker die Untätigkeit - den Rückzug - des Staates entdecken wollen, lassen keinen Zweifel daran aufkommen, dass er sich im Gegenteil sehr aktiv in das wirtschaftliche Geschehen einmischt. Was macht er denn, wenn er "dereguliert"? Schafft er alle bisherigen gesetzlichen Bestimmungen den Arbeitsmarkt betreffend ab, wenn er den Arbeitsmarkt dereguliert? Doch wohl nicht! Was als Deregulierung des Arbeitsmarktes kritisiert wird, ist in Wahrheit eine Neuregulierung des Arbeitsmarktes des Inhalts, die Ausbeutung des "Faktors Arbeit" durch die Unternehmen den geänderten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen anzupassen. (Flexibilisierung der Arbeitszeit, Erhöhung der Normalarbeitszeit von 8 auf 10 Stunden pro Tag, Schaffung prekärer Arbeitsverhältnisse usw. usf. sind die Beispiele aus der jüngsten Vergangenheit)

Auch dass die Staaten die Finanzmärkte dereguliert hätten, ist eine Ideologie. Wer sorgt denn mit seiner Gewalt dafür, dass Kredite zurückgezahlt werden? Woher haben die Banken das Recht, mit den diversen Einlagen und Wertpapieren ihre Geschäfte zu machen. Diese erteilten Lizenzen sind das schiere Gegenteil von Deregulierung. Es sind die Staaten, die gewollt haben, dass die Banken ständig neue Mittel und Wege finden, Geld zu vermehren.

Dass eine solche Politik allemal eine Förderung der Unternehmerinteressen bedeutet, ist wohl wahr. Ein Verstoß gegen die eigentlichen Aufgaben des Staates, wie das seine Kritiker sehen wollen, ist das aber mit Garantie nicht. Er richtet doch nicht erst eine kapitalistische Wirtschaft ein, macht alle - egal ob beschäftigt, arbeitslos oder Pensionist - vom Erfolg der Interessen der Unternehmer abhängig, um - kaum ist dieser gesellschaftliche Zweck etabliert - dessen Erfolg zu behindern. In der marktwirtschaftlichen Demokratie ist der Profit das reale Allgemeininteresse.

Das Allgemeininteresse bestimmt sich eben gerade nicht aus dem, was die Mehrzahl der Betroffenen braucht, nicht nach dem, was vielen nützt, und auch nicht nach der Mehrheit der Wahlberechtigten - woher kämen denn diese Betroffenen, die Armen, die Opfer, wenn sich das gesamte staatliche Handeln um unser aller Wohl drehte und wozu bräuchte er denn dann eine souveräne Gewalt -, sondern nach den sachlichen Erfordernissen des berühmten ökonomischen "Wachstums", auf das es in der Marktwirtschaft ankommt. Wachsen muss nicht das Einkommen der Lohnempfänger, sondern das private Eigentum, indem es aus gekaufter Arbeit einen Gewinn heraus wirtschaftet – und wenn der Staat den internationalen Handel nach diesem Kriterium beurteilt und Löhne, Pensionen und andere Sozialleistungen als Kosten betrachtet, die dem Erfolg am Weltmarkt im Wege stehen, dann ist das zwar brutal, aber sachgerecht – im System der kapitalistischen Ökonomie.

3. Regierung als Opfer ihrer Berater

a.

Von dieser hässlichen Notwendigkeit kapitalistischer Ökonomien will eine Protestbewegung, die sich unter dem Banner "gegen Neoliberalismus" versammelt, nichts wissen. Sie kritisiert den Turbo-, Kasino- und sonstigen Bindestrich-Kapitalismus, wobei der Wortzusatz stets eine Degeneration des nicht notwendigerweise so schlechten Wirtschaftssystems anzeigt. Sie halten ihr eigenes Ideal hoch, Marktwirtschaft ginge doch auch ohne Verarmung. Ausgehend von dieser - grundlosen - Überzeugung fragen sie nur mehr, warum die Politik die in ihren Augen gute Wirtschaftspolitik früherer Jahre aufgegeben hat.

Es ist aber was ganz anderes, ob man fragt, warum die Politik das macht, was sie macht, oder ob man fragt, warum sie das Gute, für das sie in den Augen dieser Protestbewegung eigentlich zuständig sein soll, unterlässt. Ausgehend von dieser verkehrten Fragestellung, verkehrt deshalb, weil ja etwas unterstellt wird, was erst noch zu überprüfen wäre, stoßen sie dann auf Erklärungen wie die folgende: Die Politiker machen das, weil sie seit den 80er Jahren unter dem Einfluss des Neoliberalismus stehen. Da drängt sich einem natürlich die Frage auf, warum denn das wiederum so ist? Warum hat sich der Neoliberalismus durchgesetzt? Die Frage wird entweder gar nicht gestellt oder tautologisch beantwortet:

"Die Durchsetzung des neoliberalen Projekts verdankt sich – begünstigt von ökonomischen und technologischen Veränderungen seit den siebziger Jahren (siehe Abschnitt 4.) – letztlich der erfolgreichen "Fabrikation von Konsens" (Chomsky)."(Was ist Neoliberalismus, http://www.attac.at/index.php?id=3559)

Ein Wirtschaftsprofessor aus Chicago hat den Verstand der Wirtschaftspolitiker ergriffen und seit damals floriert der Neoliberalismus und die ganze schöne sozialstaatliche Verwaltung des Kapitalismus, die es vorher gegeben hat, bleibt auf der Strecke. Auf keinen Fall soll die "schlechte" Wirtschaftspolitik etwas mit der ökonomischen und politischen Verfasstheit unseres Gemeinwesens zu tun haben, sondern das soll an einer verkehrten Ausrichtung der Wirtschaftspolitik - an falschen Beratern - liegen.

Die mit Sozialstaatsumbau, "Privatisierung" und "Liberalisierung" bezeichneten Phänomen fanden und finden tatsächlich statt. Der Kapitalismus hat sich gegenüber der Ära, die die Kritiker des Neoliberalismus rückwirkend als die schöne Phase des Sozialstaates betrachten, verändert. Aber doch nicht, weil irgendein Professor in Chicago eine neue Idee hatte, sondern weil der Kapitalismus in seiner eigenen Logik einen Fortschritt gemacht hat. Von wegen also, eine wirtschaftspolitische Lehrmeinung hätte sich urplötzlich geändert und zu einer neuen Konkurrenz geführt. Das Verhältnis ist genau umgekehrt: Die neoliberale Schule der Nationalökonomie wird herbeizitiert, weil und sofern sie zur Konkurrenzlage der Nationen passt, nicht umgekehrt, die Nationen hätten sich in eine neue Art der Konkurrenz begeben, weil sie auf die Friedmans und Konsorten hören würden.

Wenn Staaten in der aktuellen Krise über Verstaatlichung von Banken und sonstige notwendige Eingriffe zur Rettung des Finanzsystems nachdenken, dann nehmen die Neoliberalismuskritiker das nicht als Widerlegung ihrer Behauptung, neoliberale Ökonomen würden anstelle der Politiker die Wirtschaftspolitik prägen, sondern wittern umgekehrt die Chance, endlich mit ihren Vorschlägen zum Zuge zu kommen.

b.

Die Kritiker des Neoliberalismus fühlen sich durch die aktuelle Finanzkrise mit ihrer Kritik am Neoliberalismus ins Recht gesetzt – einmal von der Wirklichkeit höchstpersönlich und zum anderen von ihren angeblich kleinlaut gewordenen neoliberalen Gegnern. Es sei die Frage erlaubt, womit sie - wenn überhaupt - denn Recht bekommen haben?

Ist ihre soziale Anklage bestätigt worden, dass der Neoliberalismus zugunsten der Profite die Arbeiter gezielt geschwächt, Löhne gedrückt, Arbeitslosigkeit und Armut vergrößert hat? Dass Ansätze zur Wirtschaftsentwicklung in der Dritten Welt durch die Liberalisierung des Welthandels zerstört wurden und werden? Dass der neoliberal entfesselte Kapitalismus in ruinöser Weise die Ressourcen der Erde verbraucht und das Klima zerstört? Mitnichten! Alles das hat nichts gegolten und gilt heute erst rechts nichts! Selber Zeichen einer fundamentalen und unaushaltbaren Krise war all das nie und ist es nach wie vor nicht! Ernstlich noch nicht einmal für die Kritiker des Neoliberalismus selbst.

Wenn aber der Kapitalismus selbst seinen Erfolg gefährdet, wenn die Profitmacherei des Kapitals an seine immanenten Schranken stößt, dann ist plötzlich für alle Feuer am Dach. Dieses Ergebnis haben die neoliberalen Wirtschaftspolitiker wirklich nicht gewollt. Und ausgerechnet die Jammerei, die unter diesen Fachleuten des Wirtschaftens deswegen ausbricht, nehmen Linke und sonstige Kritiker heute als Bestätigung ihrer Kritik! Haben sie es denn mit ihrer Kritik wirklich nie etwas anders gemeint? War es denn wirklich nur die Sorge um den Bestand und den Erfolg der kapitalistischen Ordnung, wenn sie Elend, Unterentwicklung und Umweltzerstörung verurteilt haben?

Das wollen wir nicht glauben. Sie können ihre sozialen und ökologischen Anklagen nur eben nicht unterscheiden von einer Sorge um Bestand und Erfolg einer Nation. Sie sind so sehr idealistische Anhänger des kapitalistischen Gemeinwesens, dass sie beides identifizieren und das eine für das andere sprechen lassen: Wenn der Reichtum der nationalen Wirtschaft wächst, sehen sie Chancen für den Wohlstand der Massen; wenn diesen aber Verarmung zugemutet wird, dann – so linke Warnungen – tut das langfristig auch dem Wachstum des Kapitals nicht gut.

Das Trostlose ist, dass es der moderne Kapitalismus tatsächlich geschafft hat, nicht nur den ganzen Globus gnadenlos zu erschließen, sondern auch noch die Kritik an seinem System ebenso weltumspannend zu erledigen. Theoretisch wie praktisch. Was aber nicht heißt, dass das nicht ginge. Zumindest die theoretische Kritik haben wir vorgeführt… .