GEGENARGUMENTE

Mehr Arbeit für weniger Lohn - die Regierung verordnet den Lehrern Lohnverzicht aus "Solidarität" mit den Opfern der Krise und im Namen der "Zukunft unserer Kinder"

Wie alle anderen abhängig Beschäftigten auch verdienen Lehrer ihr Geld damit, dass sie sich mit ihrer Arbeit für ihren Dienstgeber nützlich machen. Der Nutzen, den sie im Auftrag und unter dem Kommando ihres Dienstgebers stiften, unterscheidet sich aber erheblich von dem Nutzen der sonstigen in der "Privatwirtschaft" Beschäftigten. Ihre Aufgabe besteht nicht darin, ihren Dienstgeber, die Republik Österreich, reicher zu machen. Sie haben den hoffnungsfrohen Nachwuchs zu tauglichen Wesen zu erziehen - tauglich im Sinne der Bedürfnisse von Staat und Wirtschaft.

Weil es einzig auf diesen Dienst ankommt, werden die Lehrer im Öffentlichen Dienst nicht nach ihrem tatsächlichen Arbeitsaufwand bezahlt, sondern für die Erfüllung einer in Werteinheiten gemessenen Lehrverpflichtung - sprich, einer von Unterrichtsfach zu Unterrichtsfach leicht unterschiedlichen Anzahl an Stunden in den Klassen.

Zu den mit ihrem Dienst zusammenhängenden Pflichten gehört daneben die nötige Vorbereitung der Unterrichtseinheiten, die Abhaltung der im Gesetz vorgesehenen mündlichen und schriftlichen Prüfungen ihrer Schüler, die Kontrolle von Hausübungen, die Erstellung geeigneter Arbeitsunterlagen, die Abhaltung von Sprechstunden und die Teilnahme an Konferenzen. Zur Tätigkeit des Lehrers gehört darüber hinaus auch noch die Teilnahme an der Schulentwicklung, an Tätigkeiten im Zusammenhang mit der verordneten Qualitätssicherung, die Teilnahme an der Entwicklung von Bildungsstandards und die Abwicklung all des mit diesen diversen Aufgaben zusammenhängenden nicht unerheblichen Papierkrams.

Nicht wenige der genannten Arbeiten sind terminlich fixiert, haben also zu vorgegebenen und teilweise gesetzlich fixierten Zeitpunkten abgeschlossen zu sein, gleichgültig dagegen, dass dies manches Lehrerwochenende kostet. Ob und wie sich das alles zeitlich in einer übers Jahr gerechneten 40-Stunden Woche unterbringen lässt, war dem Dienstgeber immer völlig gleichgültig und daran soll sich auch in Zukunft nichts ändern.

Ein das staatliche Budget schonender Nebeneffekt der Bezahlung nach Lehrverpflichtung ist die Auslagerung nicht geringer Teile der mit den genannten Tätigkeiten untrennbar verbundenen Kosten ins private Budget der Lehrer. Kosten für geeignete Arbeitsräumlichkeiten samt der dazugehörigen Einrichtung, Computer, Software, Bücher und sonstige Arbeitsmaterialien sind von den Lehrern zwar nicht de jure wohl aber de facto aus ihrem eigenen Lohn zu bestreiten. All diese Dinge sind zwar für eine ordnungsgemäße Erfüllung ihrer Dienstpflicht unerlässlich nötig, sie den Lehrern deswegen auch zur Verfügung zu stellen, war und ist vom Dienstgeber Staat nicht geplant.

Die Abgeltung der Tätigkeit der Lehrer in Form der Bezahlung für die Erfüllung der vorgeschriebenen Lehrverpflichtung hat neben diesem im Pekuniären angesiedelten Vorteil des Staates noch einen nicht gering zu veranschlagenden ideologischen Kollateralnutzen, der immer dann schlagend wird, wenn wieder einmal an Bezahlung oder Arbeitszeit der Lehrer gedreht werden soll.

Die Frau Minister führt es gerade wieder vor, wenn sie behauptet, die von ihr geplante Erhöhung der Lehrverpflichtung um zwei Stunden sei keine Arbeitszeiterhöhung. Sie tut so, als ob die Bezahlung der Lehrer nicht nach der Lehrverpflichtung sondern nach geleisteten Arbeitsstunden erfolgte und ruft damit bei einer Öffentlichkeit, die nur allzu bereit ist, die Verwechslung von Lehrverpflichtung und Arbeitszeit mitzumachen, die Schlagworte "Halbtagsjob" und "Ferien" ab, um dann, gestärkt durch dieses Echo, die von ihr geplanten Maßnahmen als ganz im Sinne des gesunden Volksempfindens darzustellen.

Den Lehrern lässt sie in zwei offenen Briefen Argumente für die Notwendigkeit eines "Solidarbeitrags" der Lehrer "angesichts der Krise" zukommen. Was von diesen Argumenten zu halten ist und welchen Dienst die demokratische Öffentlichkeit für das Lohnkürzungsprogramm der Frau Minister leistet, darum geht es im Folgenden.

Die Vorhaben von Ministerin Schmied

Bundesministerin Schmied hat angekündigt, die Lehrverpflichtung ab kommendem Schuljahr um zwei zusätzliche Stunden bzw. Werteinheiten zu erhöhen. Diese Erhöhung der Lehrverpflichtung bedeutet eine Senkung der Kosten des bisherigen Lehrkörpers um 10%. Den einen wird künftig unentgeltlich 10% mehr an Arbeitsleistung abverlangt, um Lehrerstellen einzusparen. Wahr ist, dass die dadurch überflüssig werdenden Kollegen nicht gekündigt werden. Die Ministerin braucht ihr Wort gar nicht zu brechen, es genügt, die Verträge der nicht geringen Zahl nur befristet beschäftigter Lehrer nicht mehr weiter zu verlängern. So mancher Lehramtsabsolvent wird gleich gar nicht eingestellt und darf sehen, wo er bleibt. Wer andererseits - nicht immer ganz freiwillig - Mehrdienstleistungen erbringt, darf künftig zwei der bisher als Überstunden abgegoltenen Werteinheiten unentgeltlich ableisten, verliert also mit dem Lohn für diese zwei Stunden auch noch die aliquot anfallenden Überstundenzuschläge.

Schmied begründet ihr Vorhaben in einem Brief an Lehrer, Elter und Schüler wie folgt:

"Österreich, Europa und die gesamte Welt befinden sich in der größten Wirtschaftskrise seit 1945. Die Auftragslage der Wirtschaft verzeichnet besorgniserregende Einbrüche, Kurzarbeit und Entlassungen sind traurige Realität. Viele Menschen machen sich Sorgen um ihren Arbeitsplatz. Die Arbeitslosigkeit, vor allem bei jungen Menschen, steigt an.

Die Bundesregierung setzt engagierte Schritte gegen diese Krise: Investitionen zur Konjunkturbelebung, Stabilisierungsmaßnahmen für den Finanzmarkt und Beschäftigungsprogramme. Der Kampf gegen die Arbeitslosigkeit ist für alle eine große Herausforderung. Auch budgetär. Wir dürfen das Budget nicht aus dem Ruder laufen lassen.

Vor diesem Hintergrund wurden die Budgetgrundlagen des Finanzministeriums erarbeitet. Das Bildungsministerium erhält als eines von wenigen Ressorts ein höheres Budget. Allerdings reicht diese Erhöhung nicht aus, um die von der Bundesregierung ambitionierten Verbesserungen in den Schulen zu realisieren. Verbesserungen, die für unsere Kinder notwendig sind. Strukturmaßnahmen im Personalbereich werden vom Finanzminister gefordert." (Brief von Schmied an Lehrer, Eltern und Schüler, 26.2.09, http://www.bmukk.gv.at/; übrigens nix gut deutsch Frau Ministerin: "ambitioniert" ist immer noch ein Adjektiv und bedeutet soviel wie "ehrgeizig" oder "strebsam")

Die Ministerin beabsichtigt also Änderungen des Schulbetriebs und weiß von Gelegenheit zu Gelegenheit leicht unterschiedliche, immer aber kunterbunte Listen des von ihr Geplanten aufzuzählen: verstärkter Kleingruppenunterricht, kleinere Klassen, Team-Teaching, Ausweitung der Tagesbetreuung, Förderunterricht, Deutschkurse, eine bessere Ausstattung der Schulen, Lehre und Matura, Verbesserung des berufsbildenden Schulwesens, Erhöhung des Fortbildungsangebotes für Lehrer. Der Verbesserung des Unterrichtes soll außerdem die Einführung einer neuen mittleren Hierarchieebene an den Schulen und der Ausbau der Leadership Academy dienen. Das von ihr ausverhandelte Schulbudget würde aber nicht für die Umsetzung ihrer Pläne ausreichen. Zwar erhielte das Unterrichtsministerium als eines von wenigen Ressorts mehr an Geld als in den vergangenen Jahren. Wegen der derzeitigen Wirtschaftskrise und der für ihre Bewältigung erforderlichen gewaltigen Finanzmittel wäre die Erhöhung ihres Budgets nicht so stark ausgefallen, wie dies für die Umsetzung der Vorhaben nötig wäre.

Schmied bemüht als Begründung für die Notwendigkeit einer künftigen Schlechterstellung der Lehrer also das Bild eines durch die Finanzkrise und der für ihre Bewältigung nötigen gigantischen Finanzmittel beschränkten Staatshaushaltes. Lässig sieht sie im Interesse ihres Anliegens über den Widerspruch hinweg, der in diesem Argument steckt. Gerade die angeführten Maßnahmen zur Bewältigung der Krise: Investitionen zur Konjunkturbelebung, Stabilisierungsmaßnahmen für den Finanzmarkt, Unterstützung der Kurzarbeit und diverse Beschäftigungsprogramme - geben doch gerade Zeugnis davon ab, auf welche immensen Geldbeträge die Regierung zugreifen kann, wenn sie es nur möchte und für nötig hält. Wenn es gilt, den Finanzmarkt zu stabilisieren dann kommt die Frage, ob Österreich sich das leisten kann, gleich gar nicht auf. Da ist klar, das muss sein. Nur weil Gleiches offenbar für das Schulbudget nicht gilt, muss man aber doch noch lange nicht glauben, die behauptete Lücke im Schulbudget wäre mit fehlenden Budgetmitteln zu erklären. Das hat wohl eher was mit der - entgegen allen anderslautenden Beteuerungen der Politik - nur relativen Bedeutung und Wichtigkeit des Schulwesens zu tun. Gerade das Beispiel der Finanzkrise führt im Gegenteil sehr eindrucksvoll vor Augen, dass das was der Staat finanzieren "kann", immer das ist, was er finanzieren will.

An diesem Willen fehlt es beim Schulbudget. Es muss daher zurückstehen. Die Konsequenz ist, dass das von Schmied im Widerstreit mit ihren Ressortkollegen ausverhandelte Schulbudget nicht für ihre Pläne ausreicht. Im Streit mit ihren Ministerkollegen - an erster Stelle dem Kassenwart der Republik, Finanzminister Pröll - ist es Schmied nicht gelungen, die finanzielle Bedeckung ihrer "ambitionierten", also laut eigener Einschätzung ehrgeizigen und anspruchsvollen Vorhaben herauszuverhandeln. Dem Budget als Ganzes ihre Zustimmung zu verweigern - immerhin ist im Ministerrat Einstimmigkeit erforderlich - kam für sie offenbar nicht in Frage. So "unabdingbar" und zwingend nötig waren die von ihr geplanten Maßnahmen dann doch wieder nicht, um ihretwegen die Regierung in Frage zu stellen.

Auf sie verzichten will sie aber auch nicht. Nur, seit wann ist es denn so, dass Maßnahmen, für die das Geld fehlt, trotzdem umgesetzt werden. Usus ist es doch wohl eher, dass nur jene Vorhaben umgesetzt werden, für welche die entsprechende finanzielle Bedeckung gegeben ist. Maßnahmen, für die das Geld fehlt, weil die Regierung sich nicht auf sie einigen konnte, werden gewöhnlich aufgeschoben. Wir müssen "sparen", heißt es immer dann, wenn die Regierung begründen möchte, warum sie eine von der Allgemeinheit erwartete Maßnahmen nicht setzt. Das gilt derzeit etwa für die von Teilen der SPÖ geforderte Erhöhung des Arbeitslosengeldes ebenso wie für die bedarfsorientierte Mindestsicherung, deren Einführung angesichts "knapper Mittel" gerade auf die lange Bank geschoben wird.

Nicht so dieses Mal! Frau Schmied sieht nicht ein, warum sie bei ihren Vorhaben Abstriche machen soll – bloß weil der Staat dafür kein Geld eingeplant hat! Wäre ja noch schöner! Und sie hat auch schon den Dreh heraus, mit dem sie ihrer Budgetlage HerrIn zu werden gedenkt: Statt die Lehrer gemäß der geltenden Gesetzeslage zu bezahlen, sollen die doch umsonst arbeiten – soll heißen "wir erhöhen den Einsatz unserer Lehrer und Lehrerinnen im Klassenzimmer"! Von Staats wegen wird Mehrarbeit einfach angeordnet, ohne entsprechend mehr zu bezahlen! Genial. Der Öffentlichkeit einschließlich der Lehrerschaft schmackhaft gemacht wird dies mit der Interpretation dieser Maßnahme als "Solidarbeitrag" der Lehrer, den man angesichts wirtschaftlich schwerer Zeiten ja wohl einfordern dürfe.

"Wer an die Zukunft unserer Kinder und unseres Landes denkt, muss sich für einen Solidarbeitrag der Lehrerinnen und Lehrer entscheiden. … Vor dem Hintergrund internationaler Gegebenheiten ist eine Anhebung der Zeit im Unterricht ein vertretbarer Solidarbeitrag der Lehrerinnen und Lehrer … Deshalb fordere ich von den Lehrerinnen und Lehrern diesen Solidarbeitrag ein."

Diese Aussage verlangt zunächst einmal eine kleine Erinnerung an die Bedeutung von "Solidarität", einst und jetzt: Früher mal war damit gemeint, dass sich welche zusammenschließen müssen, weil sie als Einzelne wehrlos den Zumutungen der Unternehmerseite ausgeliefert sind und nur gemeinsam einen Kampf um Löhne, Arbeitszeit und Arbeitsbedingungen überhaupt anzetteln und durchstehen können: "Gemeinsam sind wir stark!" Heute versteht eine ministerielle Dienstherrin darunter, dass sich die Betroffenen mit ihr zusammenschließen und sich im Namen der Krise eine Verschlechterung beim Geld, der Arbeitszeit und den Arbeitsbedingungen kampflos gefallen lassen: "Gemeinsam seid ihr durch mich ärmer!"

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Denken sollen die Lehrer aber weniger an das ihnen abverlangte Opfer, denken sollen sie daran, dass es um die "Zukunft unserer Kinder" geht. Ein Schwein, wer da noch über die läppischen zwei Stunden mehr in der Klasse jammern möchte. Dieses Argument überzeugt! Im Namen der Zukunft der auch nicht ewig Kleinen ist es notwendig, Lehrern und jenen die es noch werden wollen ihre künftige Gegenwart zu vermiesen. Andernfalls drohten Zustände wie sie im vorigen Herbst in Griechenland zu beobachten waren, so als ob die dortigen Schüler und Studenten sich über eine schlechte Ausbildung beschwert hätten und nicht darüber, dass sie selbst mit Universitätsabschluss in der Tasche kein Job finden:

"Niemand will eine Jugend ohne Perspektive. Was passiert, wenn man an der Bildung spart, haben wir vergangenes Jahr bei den Ausschreitungen in Griechenland erlebt.",

Nicht auszudenken, was den Kindern ohne zwei zusätzliche Stunden für die Lehrer an Zukunft und Perspektive verloren ginge. Das darf nun wirklich nicht sein, auch wenn die unabdingbar nötige "Verbesserung des Bildungssystems" die gar nicht bloß zukünftige sondern ziemlich gegenwärtige Perspektive einiger tausend Abgänger ebendieses Bildungssystems kostet:

"Sollten im Zuge der von Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ) geplanten Verlängerung der Unterrichtsverpflichtung in den nächsten Jahren tatsächlich kaum noch Junglehrer aufgenommen werden, wären davon pro Jahr rund 2.400 Absolventen von Pädagogischen Hochschulen (PH) sowie von Lehramtsstudien an Universitäten betroffen."(www.orf.at, 23.3.2009)

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Mit ihrem Hinweis auf die "internationalen Gegebenheiten" einer aktuellen Finanz- und Wirtschaftskrise meint die Ministerin über einen gewaltigen Totschläger zu verfügen, der endgültig jeden Einwand gegen ihre Ansprüche moralisch und argumentativ niederbügelt. Angesichts von Finanzkrise und rasant zunehmender Arbeitslosigkeit sei jede Gegenwehr gegen ihre Pläne der Arbeitszeiterhöhung und Lohnkürzung ein "unverantwortliches Besitzstandsdenken". Diese Position findet die volle Unterstützung ihrer Regierungskollegen:

"Es wird niemand in der Gesellschaft daran vorbeikommen, einen Teil der Last zu schultern, damit wir die Krise positiv durchstehen."(Josef Pröll, Presse vom 28.2.2009)

Inwiefern Lohnkürzungen bei Lehrern zur Krisenbewältigung beitragen, braucht gar nicht ausgeführt werden. Ginge auch gar nicht, denn weder sind es die Lehrer, die Automobilarbeiter entlassen, noch führt ihr Lohnverzicht dazu, dass diese wieder eingestellt werden. Noch nicht einmal ein höheres Arbeitslosengeld wird den Automobilarbeitern in Aussicht gestellt.

Wenn schon, dann hat diese Maßnahme doch eher die gegenteilige Wirkung und macht zusätzlich zu den Automobil- und sonstigen Arbeitern auch noch so manchen Lehrer arbeitslos. Denn auch wenn die Ministerin - sei es aus Unkenntnis des Dienst- und Besoldungsrechts, sei es aus bewusster Desinformationsabsicht - gebetsmühlenartig wiederholt, dass ihre Maßnahme eine bloße Umschichtung von Arbeitszeit und keinen Abbau von Lehrerarbeitsplätzen bedeutet, ist es nun mal so, dass zwei Stunden Unterricht mehr pro Lehrer Lehrer einsparen hilft. An der Zahl der Unterrichtsstunden der Schüler soll sich ja nichts ändern. Wo bliebe denn auch sonst der Beitrag der Lehrer zum Budget?! Zum Mitschreiben für die Frau Minister: Wenn Geschichtslehrer A zwei Stunden mehr Geschichte unterrichtet, dann kriegt ein anderer Kollege diese Stunden nicht. War er vorher beschäftigt, wird sein Einkommen aliquot gekürzt, wenn er nicht überhaupt gehen muss.

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Aber letztlich kommt es darauf, ob den Lehrern die Argumente der Ministerin einleuchten oder nicht, gar nicht an. Deren Unmutsäußerungen erteilt sie nämlich gleich eine doppelte Absage. In Demonstration dessen, wie sie sich ein in ihren Leadership Akademien geschultes Verhalten vorstellt, erklärt sie ihre Maßnahmen für schlicht "unabdingbar". Außerdem verlange sie nichts Ungebührliches. Zwei Stunden mehr zu unterrichten, weiß sie, sei "zumutbar". Ja dann!

Eines ist damit klar, es aus ihrer Sicht gibt es nichts zu verhandeln. Sie erwartet Zustimmung ohne Wenn und Aber.

Die Gewerkschaft Öffentlich Bediensteter - nicht gefragt und dementsprechend sauer

Die Gewerkschaft Öffentlich Bediensteter (GÖD) wird von dieser überfallsartigen und apodiktischen Ankündigung der Ministerin kalt erwischt. Immer war sie gesprächsbereit, kein Wunsch des jeweiligen Unterrichtsministers blieb ungehört, kein Vorhaben dem sie ihre Unterschrift im Namen der von ihr Vertretenen bisher versagt hätte. Sie hat keine Anstrengung und keinen finanziellen Aufwand gescheut, den Kollegen die laufenden Verschlechterungen schmackhaft zu machen. Und da gab es allein in den letzten zehn Jahren eine ganze Menge für sie zu tun: Gehaltsabschlüsse die den Namen nicht verdienen, Pensionsreformen im Plural, Herausnahme der Klassenvorstandstätigkeit und der Kustodiate aus der Lehrverpflichtung und die Verwandlung in eine - natürlich geringer bezahlte - Zulage, Nichtbezahlung der ersten und geringere Bezahlung für alle weiteren Supplierstunden, Reduktion des Wertes der Mehrdienstleistung, die Jahresdurchrechnung in den Abschlussklassen usw.usf. Kurz die GÖD hat wirklich nichts anbrennen lassen und jetzt so was!

Statt der gewohnten sozialpartnerschaftlichen Praxis des Verhandelns über und gemeinsamen Durchsetzens von Verschlechterungen, erfährt die GÖD, gerade so wie jeder andere Hunz und Kunz aus den Medien, was die Ministerin in einsamer Entscheidung beschlossen hat.

Damit bringt sie die Gewerkschaft in eine wirklich saudumme Lage. Nichts ist dieser doch mehr zuwider, als das Wort "gewerkschaftliche Kampfmaßnahmen" auch nur in den Mund nehmen zu sollen. Und jetzt wird sie von der Ministerin dermaßen vorgeführt. Nolens volens sieht sie sich vor die Frage gestellt, ob sie nicht mit der ihr eigenen Tradition der Konfliktvermeidung und des einvernehmlichen sozialpartnerschaftlichen Dialogs brechen müsste und zwar ausgerechnet, um sich diese Position zu erhalten. Um den Ernst der Lage zu unterstreichen, stellt sie selbst sich öffentlich als getrieben dar, getrieben von Mitgliedern, denen es weniger um Lohn und Arbeitszeit sondern eher um ihre Ehre ginge, die sich vieles hätten gefallen lassen, hätte sie die Ministerin nur nicht völlig grundlos gekränkt:

"Ja, unsere Leute draußen sind streikbereit, weil sie zutiefst empört sind, dass hier eine Maßnahme, eine Finanzmaßnahme der Frau Ministerin damit eingeleitet wird, dass man die eigene Kollegenschaft besudelt. Wir haben uns erwartet, dass die Ministerin als unser oberster Dienstherr vor uns steht und unsere Arbeit lobt. Sie hat uns in der Öffentlichkeit durch den Kakao gezogen und lächerlich gemacht. Und insofern sind unsere Leute draußen streikbereit, aber ich habe dieses Wort "Streik" sicher noch nicht in den Mund genommen."(Interview Riegler in der ZIB2, 3.3.2009)

Das Riegler das Wort Streik in den Mund nimmt und sei es nur um zu dementieren, dass die Gewerkschaft derartigtes in Erwägung ziehen könnte, ist der Ministerin schon zuviel. In einem zweiten Brief, lässt sie wissen, wie empört sie über "Wortwahl und Haltung" einiger Gewerkschaftsfunktionäre sei.

Die Lehrerhetze: Ein Lehrstück demokratischer Meinungsbildung

Die öffentliche Verarbeitung des ministeriellen Vorhabens ist ein Musterbeispiel für das staatstragende Wirken einer demokratischen Öffentlichkeit. Völlig ohne propagandaministerielle Anweisungen wird in vorauseilendem und hinterher hechelndem Gehorsam der Ministerin als einer Quelle der Weisheit gehuldigt. Zu Beginn einige Standpunkte, die daher dezidiert nicht vernommen wurden: Die Geschichte mit den nationalen "Leistungsträgern", von deren Engagement die Nation lebt, weswegen sie der Staat auf keinen Fall noch mehr belasten dürfe, weil sie sonst die Lust am Leistungstragen verlieren, worauf die Gefahr bestehe, dass die Nation den Bach runter ginge – immer gern gespielt, wenn "Besserverdienende" als potenzielle Steuerzahler im Gespräch sind –, die wurde nicht wahrgenommen.

Woraus sich umgekehrt ergibt, dass Lehrer nicht zu den Leuten gehören, die für ihr Geld adäquate Leistungen vollbringen und ihnen mit dem Zwang zur Mehrarbeit nur recht geschieht, weil sie bisher ohnehin ihrer Arbeitsscheu frönen durften; belegt durch die jederzeit abrufbaren Stichworte "Halbtagsjob" und "lange Ferien". Auch der Vorwurf des "billigen Populismus" gegen solche Anwürfe wurde nirgends gehört. Die Presselandschaft hat das gesunde Volksempfinden in dieser Frage zuerst provoziert, und sich dann auf ihr eigenes Leserbrief-Echo berufen.

Der Vorwurf der propagierten "Neidgenossenschaft", sonst durchaus geläufig, wenn etwa Managerbezüge oder Politikereinkommen in die öffentliche Debatte geraten, wurde ebenfalls nirgends laut, auch wenn er natürlich zutrifft: Neid gilt nämlich nicht nur als moralisch fragwürdig, diese Haltung ist vor allem entsetzlich dämlich, indem von armen Wichten, denen von höheren ökonomischen und politischen Instanzen übel mitgespielt wird, eine sehr verkehrte Konsequenz gezogen oder zumindest akzeptiert wird: In ihrem Namen verlangen eben diese politischen Instanzen mit hilfreicher Assistenz der Meinungsbildner, dass aus dieser ihrer Schädigung nur mehr eines folgen muss: nämlich dass auch anderen übel mitgespielt wird – ohne dass sich dadurch an der Misere von Arbeitslosen oder Kurzarbeitern auch nur das Geringste ändert.

Damit wäre der aktuelle Schlager auf dem Markt der Meinungen erreicht, nämlich der Verweis auf die vielen anderen Opfer der Krise, die angeblich froh wären, wenn sie unbezahlt mehr arbeiten dürften, weil sie momentan doch gar nicht mehr arbeiten dürfen. Die Arbeitslosen oder die auf Kurzarbeit Gesetzen, an denen das Urteil vollstreckt wird, dass sie zu dem Zweck, um den es ihren Betrieben geht, nämlich zur Geldvermehrung, keinen oder keinen ausreichenden Beitrag mehr leisten, werden als Opfer vorgeführt, die zumindest den einen trostlosen Anspruch erwerben, natürlich nicht gegen die Verursacher ihres Schadens, die sie überhaupt erst zu Opfern machen, sondern gegen alle anderen: Dass sich alle anderen, wie von den Lehrern verlangt, auch alles gefallen lassen, was die jeweiligen Dienstgeber anordnen, und wovon ein Arbeitsloser ganz bestimmt nichts hat. Überhaupt arbeiten zu dürfen ist ohnehin der schönste Lohn, so dass nach diesem gar nicht mehr gefragt werden darf. Wer überhaupt noch Arbeit hat: Antreten und gefälligst Maul halten, soweit die Verlautbarungen der Redaktionen, denn Arbeit ist eine Art Privileg, vor allem dann, wenn der Arbeitsplatz gesichert ist – was übrigens bei Lehrern eindeutig nicht der Fall ist, was aber im Überschwang einer der guten Sache dienenden Hetze ein wenig untergeht. Auch im Schulwesen werden nämlich nur die Posten vergeben und bezahlt, die vom Dienstgeber vorgesehen sind. Da herrscht ein ziemlich striktes Senioritätsprinzip, d.h. die jeweils nachrückende Lehrergeneration bekommt ihre "Stunden" oder auch nicht bzw. im nächsten Jahr nicht mehr, und muss gegebenenfalls schauen, wo sie mit einigen "McJobs" bleibt, so wie alle anderen Arbeitssuchenden auch.

Ein exzeptionelles Beispiel der faszinierenden Mischung aus Frechheit und Inkompetenz, mit der die Journaille den Machthabern in den Arsch kriecht, sei noch gewürdigt. Ein Kurier-Schreiberling erklärt da seinen Lesern die globalisierte Ökonomie:

"Seriöse Zeitungen machen sich Gedanken um die Bonität der Republik Österreich – mit Verweis auf das Risiko in Osteuropa. Die Zinsen für quasi amtliche Schuldverschreibungen sind daher in die Höhe geklettert … Was tut der Finanzminister? Er versucht die höheren Zinsen wettzumachen, indem er einzelne Budgetposten einfriert oder zurechtstutzt. Man könnte also meinen, die Lehrer müssen zwei Stunden länger in der Klasse sein, weil der Kapitalmarkt Österreich wegen des Osteuropa-Engagements bestraft. … Nun, zum Teil ist das so. Er straft auch die Industrie, die derzeit Kündigungen und Kurzarbeit in Tausender-Packungen verkündet. … Wer dies so sehen will, muss allerdings auch berücksichtigen, dass Österreichs Wohlstand (also auch jener der Lehrer, Arbeiter und Angestellten) in den vergangenen sechs Jahren fast ausschließlich auf die blendenden Geschäfte in Osteuropa zurückzuführen waren. Nun kann noch eingewendet werden, dass die Wohlstandsgewinne nicht fair verteilt worden sind, das ist auch richtig – aber es gab sie." (Kurier 10.3.09)

Rekapitulieren wir: Zuerst einmal haben in den letzten sechs Jahren die österreichischen "Lehrer, Arbeiter und Angestellten" im Wohlstand gelebt wie die Maden im Speck, und zwar ohne dass hier gearbeitet wurde, weil sie ohne eigene Arbeit ihre Gewinnbeteiligungen aus den "blendenden Geschäften in Osteuropa" einsammeln konnten – aha! Andererseits ist das Gemälde natürlich sogar nach dem Wissensstand eines Wirtschaftsjournalisten ein kompletter Unsinn, indem die "Wohlstandsgewinne nicht fair verteilt worden sind", also nie bei "Lehrern, Arbeitern und Angestellten" angekommen sind. Und was folgt daraus? Nun, in stillem Gedenken an "Wohlstandsgewinne", die nicht die ihren waren, dürfen sich hiesige "Lehrer, Arbeiter und Angestellte" für die Folgen der österreichischen Ost-Expansion verantwortlich fühlen, und verständnisvoll alles fressen, was ihnen Unternehmen und Staat aufbürden! – Wo derartige publizistische Brillanz gepflegt wird, braucht es keine amtlichen Verlautbarungen.

Und die Arbeiter und Angestellten, die der Bildungsministerin für ihr Lohnkürzungsprogramm bei den Lehrern und der ideologischen Begleitmusik durch die hiesige Hofberichterstattung begeistert Beifall zollen, sind reif für die schon geplanten und noch kommenden Krisenbewältigungsprogramme.