GEGENARGUMENTE

Was man von Marx über Arbeit und Reichtum im Kapitalismus lernen kann!

In unserer Gesellschaft wächst der Reichtum und zugleich wächst die Armut, wächst der Ausschluss vieler Menschen vom vorhandenen Reichtum. In dieser Gesellschaft gibt es ein Bedürfnis nach Arbeit - nicht nach den Früchten der Arbeit, sondern nach der Arbeit selbst. Diese Wirtschaft muss immerzu wachsen. Auf Gedeih und Verderb hängt ihr Bestand davon ab, dass sie nicht einfach das produziert, was gebraucht wird, sondern heuer mehr als voriges Jahr und nächstes Jahr wieder mehr. Diese Gesellschaft kennt das absurde Problem, ständig neue, verkaufsfähige Produkte finden zu müssen.

Diese menschenfeindliche und absurde Rationalität der kapitalistischen Wirtschaft hat Marx in seinem Hauptwerk "Das Kapital" aufs Korn genommen. Einige seiner Einwände wollen wir im Folgenden darstellen.

Teil I - Wenn Reichtum Warenform hat

"Der Reichtum der Gesellschaften, in welchen kapitalistische Produktionsweise herrscht, erscheint als eine "ungeheure Warensammlung", die einzelne Ware als seine Elementarform. Unsere Untersuchung beginnt daher mit der Analyse der Ware."(Kapital Bd.I, S49)

Der Kapitalismus ist keine Wirtschaft, in der Mangel herrscht, behauptet Marx. Im Gegenteil, er bringt immensen Reichtum hervor und zwar in Gestalt einer "ungeheuren Warensammlung". Diese Behauptung ist heute sicher in noch ganz anderem Maße richtig als zu seiner Zeit. Wenn es hier und heute Not gibt, dann nicht wegen eines Mangels an Konsumtionsmitteln. Und was würde der erreichte Stand der Produktivkräfte - der sich in nahezu vollautomatiserten Produktionsanlangen und dementsprechend menschenleeren Fabrikshallen äußert, erst an Freiheit von Notwendigkeiten - an Konsumtion und Freizeit - ermöglichen, wenn es denn darum ginge.

Stattdessen unterteilt sich die Welt in "reiche" und "arme Staaten" und auch innerhalb der reichen Staaten ist die Armut nicht ausgestorben. Ganz im Gegenteil. Nicht nur, dass die Versorgung der Arbeitslosen, Pensionisten - also derjenigen, die nicht mehr arbeiten -, zunehmend als nicht hinnehmbare Belastung der Wirtschaft besprochen wird, ist auch das Auskommen derer, die Arbeit haben damit noch nicht gesichert - "Arm durch Arbeit" titelt der Spiegel von Anfang April heurigen Jahres.

Schon mit diesen paar Anmerkungen ist klar, dass das Vorhandensein von Armut nicht auf natürliche Ursachen zurückgeht, auf Schranken, die die Natur und ihre mangelhafte Beherrschung für die Produktion darstellen. Es liegt vielmehr am besonderen Charakter des Reichtums in unserer Gesellschaft. Worin der besteht, hat Marx in seinem Satz gleich mitgeliefert. Reichtum liegt als "Warensammlung" vor. Nahezu alles, was produziert wird, wird als Ware und damit für den Markt produziert, ist also nicht einfach ein Ding zum Gebrauchen, dessen einzige Bestimmung in seiner Nützlichkeit liegt. Die Waren warten im Zustand ihrer Fertigstellung nicht auf ihren Gebrauch, sondern auf ihren Verkauf. Neben dem Gebrauchswert, ihrer für die Befriedigung eines Bedürfnisses nützlichen Seite, haben Waren nämlich noch einen Preis. Alles kann gekauft werden, alles muss aber auch gekauft werden.

"Der Tauschwert erscheint zunächst als das quantitative Verhältnis, die Proportion, worin sich Gebrauchswerte einer Art gegen Gebrauchswerte anderer Art austauschen … Eine gewisse Ware, ein Quarter Weizen z.B. tauscht, sich mit x Stiefelwichse oder mit y Seide oder mit z Gold usw., kurz mit andern Waren in den verschiedensten Proportionen. Mannigfache Tauschwerte also hat der Weizen statt eines einzigen. Aber da x Stiefelwichse, ebenso y Seide, ebenso z Gold usw. der Tauschwert von einem Quarter Weizen ist, müssen y Stiefelwichse, y Seide, z Gold usw. durch einander ersetzbare oder einander gleich große Tauschwerte sein. Es folgt daher erstens: Die gültigen Tauschwerte derselben Ware drücken ein Gleiches aus. Zweitens aber: Der Tauschwert kann überhaupt nur die Ausdrucksweise, die "Erscheinungsform" eines von ihm unterscheidbaren Gehalts sein."(Kapital Bd.I, S50f)

Über die Preise sind die verschiedenen Waren - Waren mit unterschiedlichen nützlichen Eigenschaften - einander gleichgesetzt. Die eine Ware stellt genausoviel Reichtum dar, wie jede beliebige andere, vorausgesetzt nur diese liegt in der richtigen Menge vor.

Dieser allseitigen Gleichsetzung der Produktionsresultate über den Preis ist zu entnehmen, dass Waren nicht nur Gebrauchswerte - Träger nützlicher Eigenschaften - sind, sondern zusätzlich auch noch Träger einer ihnen allen gemeinsamen Qualität Wert. Dass und wie viel Reichtum eine Sache darstellt, drückt sich in der Marktwirtschaft nicht in ihrem Nutzen, sondern in ihrem Wert aus.

Zwar müssen Waren einen Gebrauchswert haben - Dinge, die zu nichts nütze sind, kauft auch niemand - eines ist aber offensichtlich, diese Reichtumsqualität Wert kann sich unmöglich aus dem Gebrauchswert der einander gleich gesetzten Waren ableiten. Was den Gebrauchswert und damit den Nutzen, den sie stiften, betrifft, müssen sich getauschte Waren ja gerade unterscheiden. Eine Ware tauscht sich nicht aus mit einem Exemplar derselben Art. Wenn es aber nicht die nützlichen Eigenschaften sind, die das für die Gleichsetzung erforderlich Identische an allen Waren hergeben, was dann? Dazu Marx:

"Sieht man nun vom Gebrauchswert der Warenkörper ab, so bleibt ihnen nur noch eine Eigenschaft, die von Arbeitsprodukten. … Diese Dinge stellen nur noch dar, daß in ihrer Produktion menschliche Arbeitskraft verausgabt, menschliche Arbeit aufgehäuft ist. Als Kristalle dieser ihnen gemeinschaftlichen Substanz sind sie Werte - Warenwerte."(Kapital Bd.I, S52)

Im Tausch werden Resultate eines Produktionsprozesses miteinander verglichen. Verglichen werden sie dabei nicht entlang der Eigenschaften, die sie zu Gebrauchswerten machen. Als solche Gebrauchswerte müssen sie sich gerade unterscheiden. Verglichen werden sie entlang des Aufwandes - der Arbeit -, den ihre Herstellung erfordert. Das worüber die Waren im Tausch verglichen werden, ist die zu ihrer Produktion erforderliche Arbeit. Nicht dadurch, dass die Arbeit ein nützliches Ding hervorgebracht hat, ist in dieser Gesellschaft Reichtum zustande gekommen. Es verhält sich anders. Dass gearbeitet und sich angestrengt werden muss, um eine Ware zu produzieren, setzt ihren Besitzer in die Lage, Geld für sie zu verlangen.

Die Arbeit selbst hat ihr natürliches Maß in der Zeit. Ausschlaggebend für die Wertgröße einer Ware ist daher die für ihre Herstellung nötige Zeit. Dabei ist es aber nicht einfach damit getan, dass man weiß, wie lange gearbeitet wurde und wie anstrengend die Arbeit war. Es gilt nämlich:

"Die Arbeit …, welche die Substanz der Werte bildet, ist gleiche menschliche Arbeit, Verausgabung derselben menschlichen Arbeitskraft. … gesellschaftliche Durchschnitts-Arbeitskraft", die "in der Produktion einer Ware auch nur die im Durchschnitt notwendige oder gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit braucht."(Kapital Bd.I, S53)

Marx weist darauf hin, dass für die Größe des Werts eines Produkts nicht der Aufwand ausschlaggebend ist, den der einzelne Produzent getrieben hat. Individuelle Unterschiede an den Arbeitskräften und des Maßes ihrer Verausgabung gehen die Käufer nichts an und finden daher auch keine Berücksichtigung. Jede Arbeitskraft gilt als gleich jeder anderen, jede erzeugt daher Wert nur in dem Maße, in dem sie als gesellschaftliche Durchschnittsarbeitkraft fungiert. Ausschlaggebend für den Wert eines Produkts ist demgemäß nicht die individuelle Arbeitszeit, ausschlaggebend ist ausschließlich wie viel Arbeitszeit zur Produktion einer Ware im gesellschaftlichen Durchschnitt notwendig ist. Nur soweit sie im gesellschaftlichen Durchschnitt nötig ist, ist sie Wert bildend.

Wissen, ob und wie viel an Wert das Resultat seiner Arbeit darstellt, kann jedermann erst, wenn seine Ware tatsächlich am Markt in Geld verwandelt wurde. Der Verkauf auf dem Markt ist der gesellschaftliche Test, dem die privat produzierten Waren ausgesetzt werden. Auf dem Markt werden die Resultate unabhängig voneinander - ohne Ermittlung des Bedarfs und ohne gesellschaftlich geplante Arbeitsteilung - produzierender Eigentümer aufeinander bezogen und dem Vergleich ausgesetzt. Die subjektive Leistung, welche die Produzenten bei der Produktion in die Ware gesteckt haben, erfährt dort ihre objektive gesellschaftliche Beurteilung: Bestätigung oder Korrektur.

Erst im Austauschverhältnis, also daran, ob und wie viel Geld für ihre Ware zu erzielen ist, erfahren die Warenproduzenten, inwieweit sich ihr Aufwand gelohnt hat. Ausschlaggebend ist nicht, welchen Aufwand sie treiben mussten, ausschlaggebend ist, wie viel Arbeitszeit zur Produktion einer Ware im gesellschaftlichen Durchschnitt notwendig ist. Nur soweit sie im gesellschaftlichen Durchschnitt nötig ist, ist sie Wert bildend.

Ob und in welchem Maße Arbeit Wert schafft, entscheidet sich also nicht einfach an ihr selbst, und schon gar nicht längs des Kriteriums, ob der Gegenstand den sie hervorgebracht hat, nützlich ist oder nicht, sondern einzig daran, ob und inwieweit sie gesellschaftlich durchschnittlich notwendig war. Dieses "Notwendig" hat zwei Seiten. Die eine Seite der Notwendigkeit besteht darin, dass nur das an Arbeitszeit aufgewandt werden darf, was beim gegebenen gesellschaftlichen Stand der Produktivkräfte unbedingt notwendig ist. Die zweite Seite der Notwendigkeit besteht darin, dass die verausgabte Arbeit gesellschaftlich notwendig gewesen sein muss in dem Sinn, dass die Ware überhaupt gebraucht bzw. in dem Quantum gebraucht wird, in dem sie auf den Markt gebracht wird. Wird die Ware nicht gekauft, dann wurde kein Tauschwert produziert, selbst wenn sich in der Produktion noch so sehr angestrengt und mit bester Produktivität produziert wurde. Dann wurde zwar vielleicht ein Gebrauchswert produziert, nützlich mag das Ding sein, aber es findet sich kein Käufer und damit ist es wertlos.

Damit kann man einen ersten Schluss auf die vorliegenden gesellschaftlichen Verhältnisse ziehen. Wir haben gesellschaftliche Verhältnisse vor uns, in denen eine eigentümliche Sorte Arbeitsteilung existiert; eine Arbeitsteilung nicht in dem Sinne, dass die Arbeit geteilt würde, sondern eine Arbeitsteilung, in der das, was überhaupt notwendige Arbeit ist, sich erst durch die Anarchie der Konkurrenz herausstellt. Lauter unabhängige Privatproduzenten arbeiten drauflos und erst hinterher - nach erfolgter Produktion, nachdem sie ihren Aufwand getrieben haben - erfolgt der gesellschaftliche Test, ob das, was von ihnen produziert wurde, überhaupt gesellschaftlich gebraucht wird.

Jeder produziert für den Markt, stellt etwas her, das nach der Seite des Gebrauchswertes auf das Bedürfnis anderer Leute zielt. Insofern leistet jeder mit seiner Produktion einen Beitrag zur Bedürfnisbefriedigung. Aber die Befriedigung des Bedürfnisses ist gar nicht sein Zweck, jeder arbeitet für das Bedürfnis der anderen, aber dabei nur für sich. Die Befriedigung fremder Bedürfnisse ist nicht das Anliegen des Produzierens. Umgekehrt verhält es sich, die Bedürftigkeit der Kunden ist die Schwäche, an der sie gepackt werden, um ihnen Tauschwert in Form von Geld zu entziehen. Was der einzelne Produzent seiner Absicht nach produziert, ist Kaufkraft. Er produziert die gesellschaftliche Macht, auf das Produkt und die Arbeit anderer Leute zugreifen zu können. Darum und um sonst nichts ist es ihm zu tun.

Weder Verkäufer noch Käufer stehen dabei auf dem Standpunkt der Abgeltung der getätigten Anstrengungen. Der Verkäufer möchte den Bedarf nach seiner Ware so gut ausnutzen, wie er kann, sprich so viel Geld lukrieren wie nur möglich. Seine Absicht ist es, den vorhandenen Bedarf möglichst optimal auszunutzen. Der Kunde umgekehrt hat ein dazu diametral entgegen gesetztes Interesse. Seine Absicht ist es nicht, den Aufwand des Verkäufers abzugelten und den Wert zu bezahlen. Er möchte so wenig bezahlen wie möglich. Ihre gemeinsame Lebensbewältigung - alle sind aufeinander angewiesen - wickeln Menschen in dieser Gesellschaft also als einen dauernden Interessensgegensatz ab.

Konkurrenz herrscht aber nicht nur zwischen Kunden und Produzenten, sondern auch unter den Produzenten selbst. Jeder produziert in der Absicht zu verkaufen und trifft am Markt auf seinesgleichen, die dasselbe vorhaben. Wechselseitig machen sie sich ihren Erfolg streitig. Alle konkurrieren gegeneinander, jeder in der Absicht, mit seiner Produktion möglichst viel von der beschränkten gesellschaftlichen Zahlungsfähigkeit auf sich und damit von den anderen abzuziehen. Dieser Druck, den sie aufeinander ausüben, zwingt alle dazu, den Preis ihrer Waren, damit aber gleichzeitig auch den Nutzen, auf den sie es abgesehen haben, so weit zu reduzieren, wie möglich.

Den entscheidenden Hebel und zugleich die entscheidende Schranke, diesen Preiskampf für sich zu entscheiden, haben sie dabei in der unter ihrem Kommando stattfindenden Produktion. Indem sie laufend dafür sorgen, dass in der Produktion ihrer Waren so wenig an Arbeitszeit verbraucht wird, wie nur möglich, in derselben Arbeitszeit damit eine immer größere Menge an Waren hergestellt wird, sind sie in der Lage, ihre Konkurrenten im Preiskampf zu unterbieten und sie damit - zumindest tendenziell - aus dem Markt zu drängen. Weil das alle - mit mehr oder weniger großem Erfolg - versuchen, reduzieren sie die Arbeitszeit für die Produktion ihrer Waren auf das Maß, das gesellschaftlich wirklich unbedingt nötig ist und verringern damit zugleich den Nutzen, auf den sie es aber andererseits einzig abgesehen haben - den Wert ihrer Waren. So setzen sie, ohne es zu wollen, gegeneinander das Wertgesetz durch.

In diesem Gemeinwesen, in dem einerseits jeder auf andere angewiesen ist, herrscht andererseits also ein allseitiges Konkurrenzwesen, wo jeder seinen Nutzen gegen den der anderen durchzusetzen sucht, alle sich also wechselseitig auszunutzen und zu schädigen versuchen. In diesem Verhältnis ist der Tauschwert der Zweck, und der Gebrauchswert, die Hervorbringung nützlicher Güter, bloß das Mittel. Gebrauchswerte werden produziert und sie müssen produziert werden, weil Waren ohne Gebrauchswert nicht zu verkaufen sind. Produziert werden sie aber nicht des Nutzens wegen, den sie als diese Gebrauchswerte stiften, sondern einzig des Wertes wegen, der in ihnen steckt. In unserer Gesellschaft ist das Hervorbringen des Nützlichen Mittel der Reichtumsaneignung und nicht der Zweck des Produzierens.

In einer Produktion, die den Zweck hat, Tauschwert herzustellen, ist es mit dem behaupteten allgemeinen Nutzen nicht weit her

Diese in der Marktwirtschaft herrschenden Interessensgegensätze leugnen auch die Parteigänger dieser Wirtschaftsweise nicht. Natürlich herrschen in der Gesellschaft nur egoistische Motive. Aber in ihrem Weltbild führt der in einen allseitigen Egoismus uminterpretierte ökonomische Interessensgegensatz Dank des segensreichen Wirkens einer "unsichtbaren Hand" letztendlich doch zum größtmöglichen Nutzen aller.

Mit diesem von der Volkswirtschaftslehre behaupteten größtmöglichen allgemeinen Nutzen ist es allerdings nicht weit her, wenn für den Markt produziert wird.

  1. Wenn für den Markt produziert wird, dann wird einzig dazu produziert, dem Gegenüber Geld aus der Tasche zu ziehen. Bedürfnisse, die nicht zahlen können, sind dann ökonomisch so gut wie nicht existent und zwar unabhängig davon, wie dringend und unaufschiebbar sie sind. Ohne die Erfüllung dieser für die kapitalistische Produktionsweise alles entscheidenden Bedingung bleiben die Bedürfnisse unbedient. Man denke nur an AIDS- und Malariamedikamente für Afrika, die Existenz von Hunger, Elend und Obdachlosigkeit.

    Umgekehrt werden alle Bedürfnisse bedient, soferne sie nur zahlen können. So erklärt sich, dass einerseits Bedürfnisbefriedigung auf höchstem Niveau stattfindet und andererseits elementarste Bedürfnisse, nicht gestillt werden, weil sie nicht zahlen können.

    In unserer Gesellschaft ist es daher unmöglich, dass eine vernünftige Reihenfolge eingehalten würde, in dem Sinn, dass, solange es Leute gibt, die kein Dach über dem Kopf haben, die Produktion von Luxusartikeln hintangestellt wird. Diese vernünftige Reihenfolge ist in unserer Gesellschaft unmöglich, weil das Bedürfnis das Maß seiner Anerkennenswürdigkeit im Geld hat, über das es verfügt.

  2. Dass Gebrauchswerte einzig zu dem Zweck produziert werden, der potentiellen Kundschaft das Geld aus der Tasche zu ziehen, schlägt sich in der Qualität der produzierten Gebrauchswerte nieder. Entlang der Scheidelinie von armen und reichen Käufern scheidet sich das Angebot in Luxusgüter vom Feinsten für die einen und jede Menge Ramsch und Massenware, Lebensmittel, die krank machen, für die, deren Geldbörsen zwar klein, in ihrer Anzahl aber als Geschäftsgelegenheit doch nicht zu verachten ist.

  3. Wo für den Markt produziert wird da sind alle Risiken privatisiert. Wer älter, krank oder behindert oder bloß ungeschickter ist, wer also die durchschnittlich gesellschaftlich notwendige Arbeit nicht leisten kann, wer größeren Aufwand treiben muss, der hat Pech gehabt. Er ist nicht in der Lage, konkurrenzfähiges Produkt auf den Markt zu bringen und kann sehen, wo er bleibt.

    Das durchschnittlich gesellschaftlich nötig hat aber auch noch eine andere Seite. Gemeint ist die Frage, ob es die Arbeit, die einer leisten könnte auch braucht. Und es sind die Kunden, die mit ihrer Bereitschaft, Geld zu bezahlen, darüber entscheiden, ob ein Individuum, das seinen Aufwand getrieben hat, überhaupt gesellschaftlich notwendige Arbeit vergegenständlicht hat. Oder ob es einfach vergebene Liebesmüh war.

    An einem Tag braucht die Gesellschaft z.B. Informatiker auf Teufel komm raus. Studentenmassen drängen sich in übervolle Hörsäle, eignen sich in der Hoffnung auf einen tollen Job und guten Verdienst das nötige Wissen an und dann heißt es von einem Tag auf den anderen wir brauchen keine Informatiker mehr. Dieses Risiko ist ihr Problem.

Also mit dem angeblichen größtmöglichen allgemeinen Nutzen sieht es nicht so toll aus. Und all das kann man allein schon daraus erschließen, dass die Produktion eine Produktion für den Markt ist, eine Produktion die den Zweck hat, Tauschwert herzustellen.

Teil II - Wenn Arbeit Maß des Reichtums ist

Wenn für den Markt produziert wird, Tauschwert der Zweck der Produktion ist, dann ist die Arbeit die Substanz des Werts. Das tut das den Arbeitern nicht gut. Arbeit schafft den Wert und das ist, anders als Kommunisten und Sozialdemokraten bis in die heutigen Tage behaupten, kein Grund für ihr Lob, sondern für Kritik. Marx wollte nicht sagen, Arbeit schafft den Wert und verdient daher Respekt, sondern Arbeit schafft im Kapitalismus Wert und das ist schlimm.

a.

Aus der Gleichsetzung der Arbeitsprodukte im Tausch hat Marx geschlossen, dass die verschiedenen Tätigkeiten nicht als konkrete, also als Schneider-, Weber-, Bäcker- usw.-arbeit Reichtum schaffen. Auf die Frage, inwiefern dann, gibt er folgende Antwort:

"Sieht man ab von der Bestimmtheit der produktiven Tätigkeit und daher vom nützlichen Charakter der Arbeit, so bleibt das an ihr, dass sie eine Verausgabung menschlicher Arbeitskraft ist. Schneiderei und Weberei, obgleich qualitativ verschiedene produktive Tätigkeiten, sind beide produktive Verausgabung von menschlichem Hirn, Muskel, Nerv, Hand usw., und in diesem Sinne beide menschliche Arbeit."(Kapital Bd.I, S58f)

Auch die Arbeit kriegt also im Kapitalismus eine gänzlich neue, um nicht zu sagen eigenartige Bestimmung. Reichtum schafft sie nicht durch die speziellen Verrichtungen, mit denen aus allerlei natürlichen Materialien und Hilfsmitteln Produkte – Rock, Stoff, Brot - gefertigt werden, die auf Grund ihrer Eigenschaften für Konsumtion oder Produktion gute Dienste leisten. Diese konkreten, die speziellen Gebrauchswerte schaffenden Tätigkeiten, sind vom Standpunkt des Tausches eine bloße Voraussetzung dafür, ein für den Austausch interessantes Resultat zu liefern.

Für die Wertbildung kommt es nicht darauf an, was gearbeitet wird, dass gearbeitet wird, dass gesellschaftlich durchschnittlich notwendige Arbeitszeit aufgewandt wird, ist entscheidend. Wertbildend ist die Arbeit als abstrakte Arbeit. Wie der Gebrauchswert bloße Voraussetzung des Werts, so ist die konkrete Form der Arbeit - ihr nützlicher - Charakter bloße Voraussetzung dafür, dass abstrakte Arbeit verrichtet wird. Die Gleichsetzung aller Arbeiten ist ignorant gegen die je besondere Nützlichkeit der jeweiligen Arbeit. Wenn es darum geht, welche Arbeit sich lohnt, ist jede so gut wie die andere oder eine unter Umständen zu gar nichts, trotz der nützlichen Früchte, die sie bringen mag.

Daran, dass verschiedene Arbeiten im Tausch gleichgesetzt werden, erkennt man, dass es bei der Arbeit, die Waren produziert, auf ein einziges Moment von Arbeit ankommt, darauf nämlich, dass überhaupt Verausgabung von Arbeitskraft - von Hirn, Muskel, Nerv, Hand - stattgefunden hat. Etwas, das zu jeder Arbeit dazugehört, - dass sich angestrengt werden muss, um ein bestimmtes und gewünschtes Resultat hervorzubringen - ist das alles entscheidende - Erfolg oder Misserfolg der Arbeit bestimmende - Moment.

Bei jeder Tätigkeit, die in der Absicht ausgeführt wird, etwas Nützliches hervorzubringen, ist es nötig sich anzustrengen und sich zu konzentrieren. Und auch wie lange gearbeitet werden muss, um einen bestimmten Gegenstand herzustellen, kann und muss man feststellen. Niemals aber ist - unter vernünftigen Umständen - der Aufwand, der zu treiben ist, und die Zeit, die es braucht, um ein erwünschtes Resultat hervorzubringen, ein Maß dafür, ob und inwieweit dieser Zweck realisiert wurde. Niemals ist - in anderen Worten - dieser Aufwand selbst ein Gradmesser des Erreichens des eigenen Zwecks. Diese Anstrengung ist vielmehr dem angestrebten Nutzen subsumiert. Wenn man ein Zimmer streicht, dann ist das frisch gestrichene Zimmer der angestrebte Zweck. Der Aufwand des Streichens ist zwar nötig, in ihm selbst drückt sich aber nicht Erfolg oder Misserfolg der Arbeit des Streichens aus.

Anders im Kapitalismus. Da wird wirklich diese Abstraktion zum alles entscheidenden Gesichtspunkt. Die Besonderheit der werbildenden Arbeit besteht gerade darin, dass dieses eine Moment jeder Arbeit - sie hat eine bestimmte Intensität und dauert eine bestimmte Zeit - überhaupt das entscheidende ist. Viel Reichtum schaffen heißt demnach nicht viele nützliche Güter erzeugen. Nicht die Produktionsresultate sind das Maß des Reichtums in dieser Gesellschaft, sondern wie viel an gesellschaftlich nötiger Arbeit in ihnen steckt. Mehr Reichtum bedeutet daher im Kapitalismus nie weniger Arbeit, sondern mehr.

"Als Tauschwert … wird die Ware immer nur unter dem Gesichtspunkt des Resultats betrachtet. Es handelt sich nicht um den Dienst, den sie leistet, sondern um den Dienst, der ihre geleistet worden ist in ihrer Produktion."(Marx Engels Werke, Bd.13, S24)

Die Absurdität dieser kapitalistischen Bestimmung von Reichtum muss man sich vor Augen führen. Wann ist was wertvoll? Nicht einfach dadurch, dass das, was bei der Arbeit rausgekommen ist, ein nützlicher Gegenstand ist. Wertvoll ist der Gegenstand, weil in ihm viel Arbeit steckt, viel Arbeit zu seiner Produktion notwendig ist. Umso mehr Arbeit im Gegenstand steckt, umso wertvoller ist er und umgekehrt. Kostet die Herstellung eines Gegenstandes nur wenig Anstrengung, ist er auch nur wenig wert.

Wenn der Tauschwert der Zweck der Produktion ist, ist Verausgabung von Arbeit Mittel und Gradmesser des Erreichens dieses Zwecks. Mehr Verausgabung von Arbeit ist dann mehr geldwerter Reichtum. Ausgerechnet das Minus der Arbeit, nicht das, was eine Sache dem Menschen nützt, sondern das, was sie ihn kostet – die Anstrengung -, ist der Gradmesser des Reichtums. Das ist kein vernünftiges Verhältnis.

Der Doppelcharakter der Arbeit

Arbeit ist in der Waren produzierenden Gesellschaft doppelt bestimmt. Nach der Gebrauchswertseite hin ist sie konkrete Arbeit. Wert schaffend ist sie als abstrakte Arbeit. Aus diesem Doppelcharakter der Arbeit entspringt eine gegensätzliche Bewegung. Dazu folgendes Zitat von Marx:

"Ein größres Quantum Gebrauchswert bildet an und für sich größren stofflichen Reichtum, …. Dennoch kann der steigenden Masse des stofflichen Reichtums ein gleichzeitiger Fall seiner Wertgröße entsprechen. Diese gegensätzliche Bewegung entspringt aus dem zwieschlächtigen Charakter der Arbeit. Produktivkraft ist natürlich stets Produktivkraft nützlicher, konkreter Arbeit und bestimmt in der Tat nur den Wirkungsgrad zweckmäßiger produktiver Tätigkeit in gegebnem Zeitraum. Die nützliche Arbeit wird daher reichere oder dürftigere Produktenquelle im direkten Verhältnis zum Steigen oder Fallen ihrer Produktivkraft. Dagegen trifft ein Wechsel der Produktivkraft die im Wert dargestellte Arbeit an und für sich gar nicht. … Derselbe Wechsel der Produktivkraft, der die Fruchtbarkeit der Arbeit und daher die Masse der von ihr gelieferten Gebrauchswerte vermehrt, vermindert also die Wertgröße dieser vermehrten Gesamtmasse, wenn er die Summe der zu ihrer Produktion notwendigen Arbeitszeit abkürzt. Ebenso umgekehrt."(Kapital Bd.I, S60f)

Wir haben eine gegensätzliche Bewegung zwischen der Gebrauchswert schaffenden und der Tauschwert schaffende Seite der Arbeit. Soweit die Arbeit Gebrauchswert schafft, produziert sie mit steigender Produktivkraft immer mehr nützliche Dinge und das bei immer weniger Anstrengung. Da möchte man sagen, das ist gut! Das macht die Arbeit - die mühselige Seite des Lebens, die Seite der Notwendigkeit - tendenziell überflüssig, und vergrößert umgekehrt das Reich der Freiheit. Das macht das Leben leichter. An sich ist höhere Produktivität eine feine Sache. Nicht im Kapitalismus.

Soweit die Arbeit nämlich Tauschwert produziert, kann jede beliebige Steigerung der Produktivkraft den produzierten Wert nicht vermehren, weil der Wert ja im Aufwand gemessen wird. Der Aufwand einer Stunde gesellschaftlich nötige Arbeit bleibt aber immer der Aufwand einer Stunde gesellschaftlich nötiger Arbeit, gleichgültig dagegen, wie viel Gebrauchswert in dieser Stunde produziert worden ist. Eine solche Gesellschaft wird unter Umständen gebrauchswertmäßig immer reicher und tauschwertmäßig gar nicht. Es kann sogar sein - das ist der letzte Satz im Zitat -, dass der Tauschwert-Reichtum einer Gesellschaft abnimmt, während der Gebrauchswert-Reichtum zunimmt. Im Kapitalismus stehen Gebrauchswert und Tauschwert in einem Gegensatz zueinander.

Eine eigentümliche Rolle spielt die Produktivkraft in der Konkurrenz. Während Produktivkraft der Arbeit eigentlich der große Index des Gebrauchswertreichtums ist, also einen absoluten Wert hat, wenn es um den Gebrauchswert geht, hat sie in der Konkurrenz einen bloß relativen Wert.

Derjenige, der mit der Produktivität seiner Arbeit über dem Durchschnitt und daher mit dem Aufwand, den er pro Stück treiben muss, unter dem Durchschnitt seiner Branche liegt, der macht gute Geschäfte und kann sich auf Kosten seiner Konkurrenten den Markt und ein Extrageschäft sichern. Sobald aber die Konkurrenten nachgezogen und sich dieselbe Produktivität angeeignet haben, ist der Vorteil der Produktivkraft der Arbeit in dieser Wirtschaft auch schon wieder dahin.

Obzwar also die Produktivkraft nach der Seite des Gebrauchswerts die absolute, die große Macht ist, ist sie in dieser Gesellschaft - in der kapitalistischen Konkurrenz - ein nur ganz relatives Mittel. Sie wird gesteigert, aber ihr Nutzen ist dahin, sobald sie verallgemeinert ist. Weil es eben in dieser Gesellschaft nicht um Gebrauchswert geht. Weil in ihr Reichtum nicht in viel Gebrauchswert und viel Zeit, ihn zu genießen, gemessen wird, sondern in viel Wert, viel Aufwand!

Unsere Gesellschaft will immer reicher werden. Sie sagt ja auch selber, sie will Wachstum. Der Geldreichtum, um dessen Herstellung es zu tun ist, wenn für den Markt produziert wird, kann immer nur durch mehr Arbeit zunehmen. Diese Gesellschaft kann nur reicher werden, wenn immer mehr gearbeitet wird. Keine noch so gewaltige Steigerung der Produktivkraft kann daher je den Aufwand verringern, der zu treiben ist. Für den Gebrauchswertreichtum gilt das nicht. Der Gebrauchswertreichtum nimmt zu durch Steigerung der Produktivkraft und das damit relative Überflüssigwerden von Arbeit. Der Geldreichtum hingegen nimmt immer nur zu durch immer mehr Arbeit.

Dies ist aber die Definition von Reichtum, die in unserer Gesellschaft gilt. Es ist dies eine Definition, die unmöglich im Sinne des Arbeiters sein kann. Wer arbeitet, der weiß, dass Reichtum für ihn, sowohl das Herankommen an die Mittel der Bedürfnisbefriedigung wie auch freie Zeit bedeutet. Reichtum ist witzlos, wenn er darin besteht, sich selber immer mehr zu vernutzen, damit man dann immer mehr hat. Dieses Verhältnis ist absurd. Aber genau dieses Verhältnis herrscht in unserer Gesellschaft.

Diese Gesellschaft hat ein unstillbares Bedürfnis nach Arbeit. Arbeiten muss man, wenn man einen bestimmten Nutzen erzeugen will. Man muss sich anstrengen, wenn man die Wohnung frisch streichen will. Dann bringt man den nötigen Aufwand, und ist froh, wenn er erledigt und der gewünschte Effekt herbeigeführt ist. Nicht in unserer Gesellschaft. In der gibt es eine wirkliche Sehnsucht nach Arbeit. Und zwar von zwei extrem entgegen gesetzten Positionen aus.

Die Unternehmer benutzen die Arbeit anderer Leute - der Arbeiter -, indem sie deren Arbeitskraft einkaufen, um durch deren Arbeit selbst reicher zu werden. Von deren Standpunkt ist mehr Arbeit, die sich für sie lohnt, immer besser. Von der kann es für sie gar nicht genug geben.

Aber nicht nur bei den Unternehmern, auch bei den Arbeitern gibt es das Bedürfnis nach Arbeit. Ein Bedürfnis, nicht wie es vernünftig wäre, nach den Produkten der Arbeit - dann macht man halt die Arbeit, wenn man die Produkte haben will -, sondern tatsächlich ein Bedürfnis nach Arbeit. Warum?

Dieser Umstand verweist darauf, dass den Arbeiter die Fähigkeit, auch nur die für sie selbst nötige Arbeit zu verrichten, entzogen ist. Sie müssen arbeiten, sie können aber nicht arbeiten. Sie sind nicht in der Lage, aus eigenem Entschluss heraus das zu tun, was für sie notwendig wäre - gesellschaftlich durchschnittliche Arbeit zu verrichten. Aus sich selbst heraus sind sie bloße Arbeitskraft - Arbeitsvermögen. Die Leute sind in dieser Gesellschaft bloße Fähigkeit zu arbeiten und ob aus dieser Möglichkeit zu arbeiten, die sie sind, auch eine Wirklichkeit wird, liegt gar nicht an ihnen. Von sich aus kriegen sie das nicht hin.

Die Voraussetzungen dafür, dieses Arbeitsvermögen Wirklichkeit werden zu lassen und zu arbeiten, sind ihnen nämlich entzogen. Normale Arbeitsleute sind in dieser Gesellschaft nicht in der Lage, gesellschaftlich notwendige durchschnittliche Arbeit zu vergegenständlichen, weil die Produktionsmittel anderen Leuten gehören, und der gute Wille, sich anzustrengen, einfach witzlos ist, angesichts der Konkurrenz voll automatischer Fabriken, der sie gegenüberstehen.

Millionen Arbeitslose europaweit - das sind Leute, die nicht in der Lage sind, auch nur die für ihren eigenen Lebensunterhalt unbedingt notwendige Arbeit zu leisten. Nur wenn wer anderer, jemand der die nötigen Produktionsmittel besitzt, ihre Arbeit braucht, und zwar dazu seinen Geldreichtum zu vermehren, und für diesen ihren Dienst einen Lohn springen lässt, können sie arbeiten und leben.

Dieser Umstand - dass sie von sich aus die für sie nötige Arbeit nicht verrichten können, der ist es, der ihnen die perverse Sehnsucht nach Arbeit aufnötigt. Sie brauchen Arbeit und was machen sie? Sie seufzen danach, hoffentlich gibt es eine. Als ob Arbeit selber das Genussmittel wäre. Ja in einer Gesellschaft, in der den Menschen die Vergegenständlichung von Arbeit verunmöglicht wird, entwickelt sich tatsächlich das Bedürfnis, arbeiten zu können.

Aufgewendete Arbeit ist Maß des Reichtums nur in einer Ökonomie der Ausbeutung

Eine Produktionsweise, in der die Arbeit Wert schafft, eine Gesellschaft, die umso reicher ist, je mehr gearbeitet wird, eine solche Produktionsweise beruht auf Ausbeutung. Dafür steht das nächste Zitat:

"Denn der wirkliche Reichtum ist die entwickelte Produktivkraft aller Individuen. Es ist dann keineswegs mehr die Arbeitszeit, sondern die disposable time das Maß des Reichtums. Die Arbeitszeit als Maß des Reichtums setzt den Reichtum selbst als auf Armut begründet und die disposable time nur existierend im und durch den Gegensatz zur Surplusarbeitszeit oder Setzen der ganzen Zeit eines Individuums als Arbeitszeit und Degradation desselben daher zum bloßen Arbeiter, Subsumtion unter die Arbeit. Die entwickeltste Maschinerie zwingt den Arbeiter daher, jetzt länger zu arbeiten, als der Wilde tut oder als er selbst mit den einfachsten, rohen Werkzeugen tat." (Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, S596)

Der erste Satz bezieht sich auf eine vernünftige Gesellschaft. In der wäre es keinesfalls die Arbeitszeit, die den Reichtum messen würde, sondern die freie Zeit, die Zeit jenseits des Reichs der Notwendigkeit. Die Zeit, in der die Früchte der Arbeit genossen werden.

Wenn umgekehrt der Aufwand den Reichtum setzt, dann ist der Arbeiter nicht selber Subjekt des Reichtums, sondern sein Mittel. Dann ist immer mehr Aufwand auf der Seite der Arbeiter das Mittel des Reichtums in dieser Gesellschaft. Der Reichtum dieser Gesellschaft beruht auf Armut.

Wenn mehr Reichtum mehr Arbeit bedeutet, dann muss möglichst lange und möglichst intensiv gearbeitet werden. Dann gibt es ein Bedürfnis der Wirtschaft nach Ausdehnung des Arbeitstages. Entsprechend musste um jede Minute Arbeitszeitverkürzung gekämpft werden. Die Phase, in der die Arbeitszeit auch einmal verkürzt wurde, liegt heute schon an die 20 Jahre zurück. Im Moment wird die Arbeitszeit wieder ausgedehnt.

Der Reichtum in dieser Gesellschaft beruht also auf der Subsumtion der Lebenszeit der Arbeiter unter die Arbeit, der Degradation zum bloßen Arbeiter. Das tut den Firmen gut, heißt es immer. Stimmt ja auch, den Firmen tut das gut.

Arbeit schafft Reichtum, aber nicht für den Arbeiter, sondern für den kapitalistischen Betrieb, der den Arbeiter anwendet, um Gewinn zu erzielen. Wie das geht, ist einfach. Der Arbeiter arbeitet länger, als es zur Reproduktion des Geldwertes seines Lohnes notwendig wäre. Einzig dadurch schafft er Gewinn. Ließe der Unternehmer umgekehrt bloß so lange arbeiten, dass die Kosten rein kämen, gäbe es keinen Gewinn und für den Unternehmer keinen Grund, überhaupt die Produktion stattfinden zu lassen.

Wenn der Wert der Zweck der Produktion ist, dann ist der wahre Inhalt der ökonomischen Tätigkeit nicht einfach der Wert, sondern der Mehrwert - das Mehr, das der Arbeiter durch seine Arbeit hervorbringt und zwar mehr gemessen an dem, was seine eigene Erhaltung kostet. Die Erhaltung des Arbeiters selbst, sein Lohn, ist umgekehrt nur das Anhängsel der Produktion dieses Mehrwertes, gezahlt einzig nach Maßgabe der Nützlichkeit der Arbeiter für diesen Zweck.

Wenn das Mehr der Zweck ist, dann geht es darum, dieses Mehr durch den Einsatz aller technischen und organisatorischen Mittel möglichst groß zu machen. Das ist gleichbedeutend damit, die Zeit zu vergrößern, die der Arbeiter für die Firma arbeitet und nicht für sich selber - die Surplusarbeitszeit. Dazu gibt es im Prinzip drei Methoden:

Das eine Mittel ist, einfach den Arbeitstag zu verlängern. Die Zeit, die der Arbeiter braucht, den Lohn zu erzeugen, der ihm ausgezahlt wird, bleibt gleich, bei einem längeren Arbeitstag ist der Teil, den er für die Firma arbeitet und damit der Gewinn größer.

Der Unternehmer kann aber auch einfach den Lohn kürzen. Einfach sagen, morgen gibt es weniger Geld. In Zukunft wird nach einem anderen – für das Unternehmen günstigeren - Kollektivvertrag oder einem billigeren Gehaltsschema gezahlt.

Er kann aber schließlich genauso durch die Anwendung neuer Technik die Produktivkraft der Arbeit steigern, durch raffiniertere Maschinerie, durch neue Organisation der Arbeit, dafür sorgen, dass weniger Arbeit nötig ist, das Produkt herzustellen, das verkauft wird, sodass in denselben Stunden mehr geldwertes Produkt rauskommt und also auch der Arbeiter mit seinem Lohn einen kleineren Teil der Wertsumme ausmacht, die erzeugt wird.

Es ist ein vernichtendes Urteil über die Produktionsweise, dass das Verarmen der Menschen genauso nützlich ist wie die Entwicklung und Vergrößerung der Springquellen des Reichtums. Für diese Wirtschaftsweise leistet beides denselben Dienst. Die Produktivkraft der Arbeit steigern, sodass pro Zeiteinheit mehr an Gebrauchswert rauskommt, ist genauso nützlich wie einfach weniger Lohn zahlen.

Die Steigerung der Produktivkraft hat im Kapitalismus einen eigentümlichen Nutzen. Der Unternehmer steigert die Produktivkraft der Arbeit, um Arbeit zu sparen. Er macht das aber nicht, um dem Arbeiter Arbeit zu ersparen, sondern um sich Kosten für bezahlte Arbeit zu ersparen. Er spart Arbeit, aber nur zu dem Zweck um Lohnkosten einzusparen. Lohnkosten einzusparen bedeutet, die Arbeiter noch ein Stückchen weiter von ihrem Produkt zu trennen.

Diese Trennung geschieht auf zwei Arten: Der eine Teil der Belegschaft produziert mit - sage - doppelter Produktivität, leistet also für das Unternehmen einen doppelt so guten Dienst für denselben Lohn oder den gleichen Dienst wie zuvor die alte Belegschaft jetzt aber um den halben Lohn. Sämtliche "arbeitssparenden" Investitionen sparen nicht Arbeit - die wird im Gegenteil in aller Regel im selben Atemzug intensiver - sondern bezahlte Arbeit, indem sie die angewandte Arbeit ergiebiger machen; pro Lohnzahlung steigt die verkäufliche Warenmenge. Die andere Hälfte der Belegschaft wird arbeitslos, weil ihre Arbeit überflüssig geworden ist. Das Schaffen von disposable time, das Schaffen von freier Zeit - das was an sich das Plus der Produktivkraftsteigerung ist - schlägt sich in dieser Gesellschaft in der Form der Arbeitslosigkeit nieder.

Die Ausdehnung der Arbeitzeit hat Grenzen. Ebenso Grenzen hat auch die Lohndrückerei, Grenzen, die übrigens sehr flexibel sind. Wie viel sich die Leute an Ärmer werden gefallen lassen, ist nicht von vornherein ausgemacht, und im Moment zeigt die Arbeiterschaft auf dem Gebiet eine enorme Flexibilität. Die epochale Methode, den Ertrag der Arbeit für die Firma zu steigern, ist daher die Produktivkraftsteigerung. Rationalisierung, wie es auch heißt, die Senkung des Arbeitsaufwandes, damit weniger Arbeit bezahlt werden muss. Das ist gut für die Firma.

Der Vorteil für das Unternehmen: es steigert den Gewinn pro Stück, und zwar solange, solange das Unternehmen den ungeänderten Marktpreis kassieren kann. Pro Stunde Arbeitszeit wird dann mehr an Wert produziert als in einer Stunde gesellschaftlicher Normalarbeitszeit. Das von den Arbeitern hervorgebrachte Wertprodukt steigt.

Das gilt aber nur solange, solange die einzelne Firma mit ihren Stückkosten unter dem Durchschnitt der jeweiligen Branche liegt. Kaum ziehen die anderen Firmen nach, haben also die Konkurrenten aufgeholt, hat sich der erreichte Stand an notwendiger Arbeitszeit und damit an Stückkosten als neuer gesellschaftlicher Durchschnitt etabliert, ist dieser Vorteil weg. Das gesamte Wertprodukt ist dann wieder geschrumpft, denn das Produkt des ganzen Arbeitstages kann ja, wenn es gesellschaftlich durchschnittlich notwendige Arbeitszeit ist, nie mehr werden als das Produkt eines Arbeitstages.

Das findet tatsächlich dauernd statt, mit dem Ergebnis, dass die Produkte - Fernseher, Waschmaschinen, Automaten usw. - billiger werden. Das ist die eine Hälfte. Wenn alle Unternehmen in punkto Produktivkraft nachgezogen haben, ist der Nutzen der Produktivkraftsteigerung für das individuelle Kapital wieder dahin.

Das heißt aber nicht, dass wieder derselbe Zustand herrscht wie zuvor. Jetzt sind nämlich mehr Produkte in Umlauf, die aber nicht mehr Wert darstellen als zuvor die kleinere Menge. Derselbe Wertumsatz wird jetzt mit einer viel größeren Masse Gebrauchswert getätigt, weil ja die notwendige Arbeitszeit pro Stück reduziert worden ist.

Jetzt braucht man einen viel größeren Markt, um denselben Wert zu realisieren. Oder man muss neue Produkte finden, für die sich dann wieder Kunden finden. Da kommt dann in unserer Gesellschaft die schöne Perversion zustande, die da heißt: "Könnte man nicht neue Produkte kreieren?". Perversion deshalb, weil normal ist doch, uns fehlt was und dann produzieren wir halt das, was uns fehlt. Bei uns ist umgekehrt, man weiß nicht, was fehlt, aber man sagt, man bräuchte was, damit wieder Arbeit vergegenständlicht werden kann. Könnte man nicht was finden, damit wieder gearbeitet werden kann.

Die notwendige Arbeit ist in einem doppelten Sinn reduziert worden. Einerseits die Zeit, die es braucht, um ein Produkt herzustellen und andererseits die Zeit, die es braucht, damit der Arbeiter seinen Lohn reproduziert. Beides ist reduziert worden.

Zweiteres ist der Nutzen, den die Firma davon hat und ersteres der Haken, den sie sich damit einhandelt. Der Nutzen besteht darin, dass der Arbeiter jetzt einen kleineren Teil des Tages für sich arbeitet, darauf kommt es an. Das Andere ist sozusagen der Rückschlag, denn das gesamte Wertprodukt eines gegebenen Warenquantums sinkt. Um also denselben Wertumsatz zu machen, muss die Firma jetzt viel mehr Fernseher absetzen, braucht sie einen immer größeren Markt, um denselben Geldwert zu realisieren. Das Kapital setzt damit die Latte für rentable Arbeit immer höher. Deswegen schreibt Marx:

"Das Kapital ist selbst der prozessierende Widerspruch dadurch, dass es die Arbeitszeit auf ein Minimum zu reduzieren strebt, während es andererseits die Arbeitszeit als einziges Maß und Quelle des Reichtums setzt. Es vermindert die Arbeitszeit daher in der Form der notwendigen, um sie zu vermehren in der Form der überflüssigen; setzt daher die überflüssige in wachsendem Maße als Bedingung für die notwendige." (Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, S593)

Damit ist gemeint: Auf der einen Seite reduziert das Kapital ständig die notwendige Arbeit. Auf der anderen Seite reduziert es die notwendige Arbeit nur, damit der Arbeiter immer länger für die Firma und immer weniger für sich arbeitet. Und dabei produziert das Kapital, oder die kapitalistische Wirtschaftsweise immer größere produktive Mächte, bannt sie aber ein, nutzt sie nur aus, zwingt sie dazu, nichts anderes zu leisten als den investierten Kapitalwert zu verwerten. Und diese Schranke wird genau dadurch immer höher.

Deswegen haben wir diese Absurdität, dass in dem Maß, in dem der Reichtum der Gesellschaft nach der Seite der Gebrauchswerte zunimmt - und die kapitalistische Produktionsweise ist ja die Produktionsweise, die die Produktivität ohne Ende vergrößert -, in dem Maß wächst in dieser Gesellschaft der Ausschluss vom vorhandenen Reichtum.

Einerseits ist immer weniger Arbeit nötig, um die nützlichen Dinge herzustellen, und andererseits kriegen die Leute immer mehr die Abhängigkeit ihres Lebensunterhalts vom Verrichten Wert schöpfender Arbeit zu spüren, dadurch dass ihnen genau das immer weniger gelingt. Weil es keine Nachfrage nach ihnen gibt. Wir erleben ein Elend, das wirklich nichts mehr mit dem Elend früherer Gesellschaften zu tun hat. Damals ist gehungert worden, wenn einmal eine Missernte war. Da sind die Menschen arm gewesen, weil es nichts gegeben hat. Und hierzulande sind Menschen arm, weil die Springquellen des Reichtums zu weit entwickelt worden sind. Weil die Entwicklung der Produktivkräfte eine zu grandiose Entwicklung durchgemacht hat.