GEGENARGUMENTE

1000 Euro Mindestlohn oder der Lohn darf nicht beliebig sinken!

Kein Zweifel, Lohnarbeit ist das Lebensmittel der Lohnarbeiter, das einzige das sie haben. Der Gebrauch dieses Mittels hat für sie allerdings einen Haken. Wirkliches Mittel zum Zweck ist die Lohnarbeit vor allem für die, die den Lohn zahlen und sich damit fremdes Arbeitsvermögen zum Eigentum machen, mitsamt den Erträgen, die sich aus ihm herauswirtschaften lassen. Aus den Zwecken der Lohnarbeiter wird dagegen nicht mehr viel. Die einen macht das Geschäft mit der Arbeitskraft zusehends reicher. Die Zahl derer andererseits, die Schwierigkeiten haben, mit dem Lohn, den sie an ihrem Arbeitsplatz verdienen, auch nur auszukommen, steigt ständig.

Das Resultat dieser fortwährenden Lohnsenkerei wird derzeit öffentlich zum Thema gemacht. Aber nicht – wie man vielleicht vermuten könnte – von Unten, von Seiten der Betroffenen, den Mitgliedern der Arbeiterklasse. Die lassen sich offenbar auch durch noch so eindeutige Erfahrungen nicht davon abbringen, ihre Interessen in den Händen von Gewerkschaft, Unternehmervertretern und heimischen Politikern bestmöglich aufgehoben zu sehen. Zum Sorgeobjekt erklärt werden die niedrigen Löhne von der Politik.

Ausgerechnet der Staat, der in den letzten Jahrzehnten jeder Beschwerde der Unternehmer über zu hohe Lohnkosten und zu starre Arbeitszeiten praktisch Recht gegeben hat, der bemüht war, die Unternehmer von Lohnnebenkosten zu befreien, der ihnen mit der weiteren Flexibilisierung von Arbeitszeiten - erst kürzlich wieder etwa - mit der Erhöhung von Normal- und Maximalarbeitszeit - nach Kräften hilft, sich Lohnkosten zu ersparen, meldet Bedenken gegen die existierenden kollektivvertraglichen Mindestlöhne an. Was ihn daran stört, was er seiner Wirtschaft auf keinen Fall zumuten will, und was dabei rauskommt, wenn die Vertreter der Wirtschaft und der Arbeitnehmerschaft sich daran machen, den regierungsamtlichen Auftrag zu erfüllen, das soll im Folgenden erklärt werden:

Was den Staat an den existierenden Mindestlöhnen stört!

"Eine der Herausforderungen jedenfalls ist die in Österreich vorhandene Armut… . Zielsetzung ist eine weitere Verstärkung der Armutsbekämpfung zur Senkung der Zahl der Armutsgefährdeten und akut Armen. Das Instrument dafür soll die Einführung einer bedarfsorientierten Mindestsicherung sein. Begleitet wird diese durch einen Mindestlohn (auf Basis eines Generalkollektivvertrages) in Höhe von 1.000,- Euro."(Regierungsprogramm: "Armutsbekämpfung")

Die Regierung stört sich also an der hierzulande vorhandenen Armut. Quasi amtlich stellt sie damit fest, dass die in Österreich gezahlten Löhne nicht vor Armut schützen. Auf die Idee, die Armut einfach abzuschaffen, verfällt sie deswegen aber noch lange nicht. Sie gibt sich bescheidener, sie möchte die Armut nicht abschaffen, sondern bekämpfen. Ein Kampf, der auf Dauer angelegt ist, offensichtlich also gar nicht gewonnen werden soll. Wie auch, da müsste sie doch glatt die ökonomische Grundlage des österreichischen Staatswesens - den Kapitalismus - abschaffen. Der kommt ohne die Armut der Lohnarbeiter nämlich nicht aus. Würden Lohnabhängige sich sonst Tag für Tag in "ihrem" Unternehmen einfinden und eine Arbeit verrichten, die zwar ihre Unternehmen, nicht aber sie selbst reicher macht? Eben! An diesen glücklichen Verhältnissen soll sich aber keinesfalls was ändern. Gleichgültig ist der Regierung die Armut andererseits aber auch nicht. Sie stört sich aber eben nicht an der Armut selbst – sprich dem dauerhaften Ausschluss der Arbeiter von den Quellen des Reichtums -, sie stört sich an zuviel Armut, genauer an den negativen Wirkungen von zuviel Armut. Dieser negativen Wirkungen wegen beabsichtigt sie der Armut Schranken zu setzen.

Dazu hat sich die Regierung einerseits vorgenommen, die Sozialhilfe neu zu gestalten und eine österreichweit einheitliche "bedarfsorientierte Mindestsicherung" einzuführen. "Bedarfsorientiert" bedeutet, dass nicht gleich jeder, der einen derartigen staatlichen Geldzuschuss brauchen würde, ihn auch kriegen soll. Die Mindestsicherung ist vielmehr nur für diejenigen unter den Bedürftigen vorgesehen, die hinlänglich beweisen können, dass sich trotz redlicher und belegbarer eigener Bemühungen kein Käufer ihrer Arbeitskraft am Arbeitmarkt finden will. Nachweisen müssen Anwärter auf diese "Hilfe" darüber hinaus, dass sie über keinerlei Vermögen verfügen, das sich versilbern und dergestalt in den Dienst der eigenen Erhaltung stellen ließe - eine Eigentumswohnung in der man wohnt, soll zwar nicht gleich verkauft werden müssen, eine fiktive Miete anrechnen lassen werden sich die Anwärter aller Voraussicht nach aber schon müssen; usw. usf. Für weitere Details zum Thema Mindestsicherung möchten wir auf unsere Sendung zu diesem Thema im heurigen Frühjahr verweisen. Der Sendungstext ist auf unserer Homepage www.gegenargumente.at nachzulesen.

Die Einführung einer bedarfsorientierten Mindestsicherung – wenn sie denn kommt, fix beschlossen ist bis zum heutigen Tag nur die Anhebung des Ausgleichzulagenrichtsatzes für die Pensionen – ist für die Regierung aber nur die eine Hälfte der regierungsamtlichen Armutsbekämpfung. Mit der von ihr außerdem beschlossenen Begleitmaßnahme in Gestalt der Einführung eines Mindestlohns von 1000€ für alle auf Basis eines Generalkollektivvertrages stellt sie andererseits klar, dass sie es nicht als staatliche Aufgabe betrachtet, prinzipiell für die Existenzsicherung der Arbeitsmannschaft aufzukommen.

Schon die bloße Existenz eines solchen Regierungsvorhabens könnte man als Auskunft über die Tauglichkeit des Lohns als Lebensmittel der hierzulande Beschäftigten nehmen. Wenn Löhne so nieder sind, dass selbst die Regierung zum Schluss kommt, ein ordentliches Arbeiterleben wäre mit ihnen nicht zu bestreiten, dann heißt das doch nur eines: der Lohn taugt als Lebensmittel offenbar nicht. Wer darauf angewiesen ist, sich sein Einkommen durch Lohnarbeit zu verdienen, der findet sich in Abhängigkeit von einer Wirtschaft, in deren Rechungen seine Lebensnotwendigkeiten und Bedürfnisse offenbar keine Rolle spielen. Einen Mindestlohn braucht es nur, weil der Lohn nur eine Tendenz kennt, nämlich die Tendenz zu sinken, damit er als Bereicherungsmittel der Unternehmer mehr hergibt. Getreu der ehernen marktwirtschaftlichen Gesetzmäßigkeit, dass der Erfolg der Wirtschaft nicht im Lohn, sondern im Gewinn gemessen wird, der aus den gezahlten Löhnen herausgewirtschaftet wird, hat die Wirtschaft mittels Steigerung der Produktivität und Lohndrückerei die Lohnstückkosten - den Anteil ihrer Mitarbeiter am erwirtschafteten Reichtum - in all den vergangenen Jahren beständig nach unten geschleust.

Diese Tendenz ist mittlerweile so weit gediehen, dass sich die Regierung heute zum Handeln herausgefordert sieht. Sie besteht darauf, dass die von der Wirtschaft gezahlten Löhne das staatlicherseits gewünschte und definierte Auskommen - beziffert mit 1000€ im Monat – nicht unterschreiten und meldet diesbezüglich Änderungsbedarf hinsichtlich jener von den Sozialpartnern ausverhandelten Branchenkollektivverträge an, die einen niedrigeren Mindestlohn vorsehen. Schließlich stehen und fallen mit dem Gelingen der Reproduktion seiner Arbeiterklasse auch all die Dienste, die der Staat sich von dieser erwartet.

Zu allererst soll die am Standort Österreich verrichtete rentable Arbeit den in Geld bezifferten Reichtum der Nation vermehren. Darüber hinaus soll die lohnarbeitende Bevölkerung ein Einkommen beziehen, aus dem sich der Staat in Form von Steuern und Sozialabgaben bedienen kann. Und schließlich soll das von ihr erzielte Einkommen schon auch noch dafür hinreichen, das die Reproduktion des Volkes, das mit seiner Arbeit all diese Dienste erbringt und das dem Staat auch sonst zu allerhand anderen Diensten zur Verfügung stehen soll, gewährleistet ist.

Einzig weil sie die Erfüllung dieser Funktionen des Lohnarbeitsverhältnisses durch das Handeln der heimischen Unternehmer nicht gewährleistet sieht, verfällt die Regierung auf die Idee der Einführung eines Mindestlohns, der naturgemäß höher sein muss als das, was als bedarfsorientierte Mindestsicherung geplant ist.

Nolens volens mischt sich die Regierung mit ihrem Wunsch nach einem Mindestlohn in ein Feld ein, das eigentlich nicht zu ihren Agenden gehört. Der Wirtschaft einfach etwas gegen deren Willen aufzwingen und sei es auch nur einen Mindestlohn, kommt für den Staat daher schon einmal nicht in Frage. An eine wie immer geartete gesetzliche Festlegung hat daher keiner der Verantwortlichen auch nur gedacht. Mindestlöhne – so der Wunsch der Regierung - sollen in Form eines "Generalkollektivvertrages", damit als Werk der Sozialpartner, in die Welt kommen.

Bewusst leistet sich die Regierung damit den Widerspruch, sich in ihrem Arbeitsprogramm vorzunehmen, dass andere – die für die Wirtschaft verantwortlichen Parteien Wirtschaftskammer und ÖGB - gemäß ihren ökonomischen Kalkulationen den Wunsch der Regierung nach Einführung eines Mindestlohns Wirklichkeit werden lassen sollen. Damit wird seitens der Regierung ausdrücklich unterstrichen, dass sie keinesfalls die Zuständigkeit der Sozialpartner in Sachen Lohnfestsetzung in Frage stellen möchte. Zugleich sollen die Sozialpartner mit ihrer Unterschrift beglaubigen, dass das Regierungsvorhaben eines gegen die vorfindlichen Interessen der Wirtschaft geltend gemachten Mindestlohns, der das gewünschte Maß an Reproduktion der Arbeiterklasse gewährleistet, sich problemlos mit der Qualität des Wirtschaftsstandortes Österreich verträgt.

Was rauskommt, wenn die Sozialpartner sich daran machen, den Regierungsauftrag nach einem Mindestlohns von 1000 Euro zu erfüllen

ÖGB und Wirtschaftkammer haben den Auftrag der Regierung angenommen. Damit haben gerade diejenigen am Verhandlungstisch Platz genommen, um den Regierungswunsch umzusetzen, die das bisherige von der Regierung jetzt bemäkelte Niveau der Mindestlöhne zu verantworten haben. Keiner der beiden Partner nimmt den Regierungsauftrag dabei als das, was er der Sache nach auch ist – eine Kritik an ihren bisherigen Verhandlungsergebnissen.

Nicht die Wirtschaftskammer – auch wenn sie selbst es war, die sich genau für das geltende Niveau der Mindestlöhne stark gemacht hat. Wessen Position wurde in den Verhandlungen denn seitens der Gewerkschaft Recht gegeben, wenn nicht ihrer? Recht hat die Wirtschaftskammer aber schon auch wieder, wenn sie sich nicht kritisiert fühlt. Wenn auch die Regierung der Meinung ist, dass ohne Wirtschaftskammer nichts geht in Sachen höherer Mindestlöhne, dann ist es ja gerade das Gewicht ihrer Stimme, das noch einmal ausdrücklich unterstrichen wird.

Aber auch dem ÖGB will nicht auffallen, welch vernichtendes Urteil über seine Vertretung der Interessen der Arbeitsmannschaft in diesem Regierungsauftrag enthalten ist. Man muss es sich nämlich schon einmal auf der Zunge zergehen lassen: Die Regierung muss den ÖGB beauftragen(!), für höhere Mindestlöhne zu sorgen! So ernst hat er seinen Teil der Verantwortung für die Wirtschaft und deren Erfolg genommen, dass auch ihm mühelos die Notwendigkeit von Löhnen unterhalb der jetzt von der Regierung gewünschten 1000€ eingeleuchtet hat. Fünfzig Jahre sozialpartnerschaftlich ausverhandelte Mindestlöhne haben mitgeholfen, Österreich zu einem der wirtschaftlich erfolgreichsten Länder in der Europäische Union zu machen. Den Löhnen hat dieser Erfolg offenbar nicht gut getan. Wenn die Regierung – der reell existierende Vertreter des Allgemeinwohls - jetzt aber meint, 1000€ wären das, was ein Arbeitnehmer unbedingt braucht, dann lässt der ÖGB sich vom genau selben Standpunkt aus korrigieren.

Von einer Regierungskritik an den von ihnen ausverhandelten Mindestlöhnen wollen beide Seiten also nichts wissen. Was den beiden Interessensvertretungen sauer aufstößt, ist was ganz anderes. Sie sehen sich in ihrer Bedeutung als allein für die Lohnfestsetzung Zuständige angegriffen und wittern die Gefahr, ein Stück weit auf die Rolle von bloßen Auftragnehmern der Regierung festgelegt zu werden. Das wollen sie sich wirklich keinesfalls bieten lassen. So nehmen sie zwar den Auftrag der Regierung an und versprechen, für das gewünschte Mindestlohnniveau sorgen zu wollen, nicht ohne aber der schlussendlich ausverhandelten Vereinbarung eine Präambel voranzustellen, in der sie klarstellen, dass über die Art der Durchsetzung zu entscheiden, einzig ihre Sache ist. Einen Generalkollektivvertrag, wie von der Regierung gewünscht, fassen sie allerhöchstens als letzte Möglichkeit ins Auge. Gegen den Wunsch der Regierung beharren sie daher in ihrer Anfang Juli 2007 vorgestellten Grundsatzvereinbarung zum Mindestlohn von 1.000 Euro auf ihrem

"einzigartigen österreichischen Mindestlohnsystem, das auf einer Lohnfestsetzung durch Branchenkollektivverträge und Mindestlohntarife beruht, den größten Teil der ArbeitnehmerInnen erfasst und branchenspezifische Bedürfnisse beider Seiten berücksichtigt und weisen ausdrücklich darauf hin, dass ein gesetzlicher Mindestlohn keine Alternative zu der bisher geübten Praxis ist und dass aus ihrer Sicht weiterhin Mindestlöhne zwischen den Sozialpartnern auszuhandeln sind."(Grundsatzvereinbarung der Sozialpartner zum Mindestlohn von 1000 Euro, Juli 2007)

Die bisherige Art der Lohnfestsetzung ist doch goldrichtig! Die lassen wir – die Sozialpartner - uns auf keinen Fall nehmen! Für wen, könnte man da fragen, ist die bisherige Methode der Festsetzung von branchenweise verschiedenen Mindest(!)löhnen denn genau goldrichtig? Ganz sicher nicht für die Arbeitnehmer! Aus deren Notwendigkeiten und Bedürfnissen lassen sich branchenweise verschieden hohe Mindestlöhne nie und nimmer ableiten. Unter dem Stichwort Branche werden vielmehr die unterschiedlichen Bedürfnisse der in den verschiedenen Produktionszweigen engagierten Kapitale als oberste Leitlinie der Lohnfindung anerkannt, hinter die wie selbstverständlich die von der Gewerkschaft gewussten Lebensnotwendigkeiten der von ihr vertretenen Klientel zurückzutreten haben. Ohne die hinreichende Berücksichtigung dieser - zu ehernen Sachgesetzen des Wirtschaftens verklärten – gemeinsamen Kapitalinteressen einer jeden Branche sieht auch die Gewerkschaft Arbeitsplätze in Gefahr:

"Im Lichte der oben genannten Zielsetzung der Armutsbekämpfung und der damit im Zusammenhang stehenden Einführung einer bedarfsorientierten Mindestsicherung legen die Interessenvertretungen Wert auf einen Mindestlohn, der sich von der Höhe der Mindestsicherung deutlich abhebt, gleichzeitig aber die betroffenen Bereiche nicht überfordert und damit keine Arbeitsplätze gefährdet."(Grundsatzvereinbarung der Sozialpartner zum Mindestlohn von 1000 Euro, Juli 2007)

Per Generalkollektivvertrag die jeweiligen Branchen sofort auf einen Mindestlohn von 1000 Euro zu verpflichten(!), das halten beide(!) Sozialpartner für unverantwortlich. Sie teilen den Branchenvertretungen lediglich mit, dass sie Wert(!) darauf legen, dass diese sich in ihren Verhandlungen über ihre jeweiligen Branchenkollektivverträge des von der Regierung gewünschten Mindestlohns annehmen. Der ÖGB stimmt damit zu, den Mindestlohn zur Verhandlungsmasse in den turnusmäßig stattfindenden Kollektivvertragsverhandlungen zu machen. Damit liegt es in den Händen der Verhandler, daraus das Beste für die jeweilige Branche zu machen. Weil auch nach dem Wunsch der Sozialpartner der Mindestlohn sich in der Höhe von der Mindestsicherung "deutlich" abheben, in seiner Höhe also genau dort liegen soll, wo sich auch die Regierung den Mindestlohn vorstellt, darf man gespannt sein, durch welche flankierenden Maßnahmen die Verhandler dafür sorgen werden, dass die betroffenen Bereiche keinesfalls "überfordert" werden.

Dass ein Mindestlohn von unter 1000€ vielleicht die Lohnempfänger, die von ihm leben müssen, erheblich überfordern könnte, noch nicht einmal dieser Hinweis war von Seiten des ÖGB zu hören. Zu sehr ist der damit befasst, die Arbeitsplätze seiner Klientel zu verteidigen - gegen die von der Regierung an ihn herangetragene Forderung nach einem Lohn, der seinen Bezieher vor Armut(!) schützen solle. Darauf muss man auch noch erst einmal kommen, und dann noch als Gewerkschaft. Vielleicht sollte jemand den ÖGB daran erinnern, dass die Absicht des Mindestlohns gerade darin besteht, dass es solche Arbeitsplätze, die noch nicht einmal 1000€ an Lohn abwerfen, künftig tatsächlich nicht mehr geben soll!!

Dem Wunsch auf möglichst branchenverträgliche Umsetzung des Mindestlohns verdankt sich auch der von den Sozialpartnern ins Auge gefasste Zeitplan für die Umsetzung des Regierungswunsches:

"In jenen Branchen, deren niedrigster/s Bruttolohn/-gehalt bereits derzeit über 900 Euro liegt, soll die Anhebung auf 1.000 Euro spätestens mit 1.1.2008 erfolgen. In Branchen mit regelmäßigen Lohnrunden in der ersten Jahreshälfte, deren letzter Lohn/Gehaltsabschluss im Jahr 2007 erfolgte, soll die Anhebung auf 1.000Euro bis spätestens 1.7.2008 erfolgen. In jenen Branchen, in denen der/das niedrigste Bruttolohn/-gehalt unter 900 Euro liegt, sind diese Mindestlöhne/-gehälter bis spätestens 1.1.2009 auf 1.000 Euro anzuheben." (Grundsatzvereinbarung der Sozialpartner zum Mindestlohn von 1000 Euro, Juli 2007)

Je weiter der kollektivvertragliche Mindestlohn von den gewünschten 1000€ nach unten abweicht, je dringender in anderen Worten diese Lohnempfänger eine Lohnerhöhung nötig hätten, umso länger müssen sie auf eine Anhebung warten! Auch wenn dies einem unvoreingenommenen Betrachter auf den ersten Blick paradox erscheinen mag, so klärt sich dieser Sachverhalt sofort auf, wenn man ihn aus dem Blickwinkel des Sorgeobjektes der Verhandler ins Visier nimmt: Betriebe die weniger zahlen, können sich höhere Löhne offenbar nicht leisten. Tautologisch begründet damit, dass sie sonst wohl mehr zahlen würden.

Das kommt raus, wenn sich Regierung, Wirtschaftskammer und ÖGB gemeinsam "zur Zielsetzung einer verstärkten Armutsbekämpfung" "bekennen". Alle drei tun sie so, als ob sie mit den Ursachen der Armut nichts zu tun hätten. Und die Armut beseitigen, das haben die Sozialpartner nicht versprochen und das hat auch die Regierung nicht von ihnen erwartet. Allesamt sind sie sich einig: Wenn die Sachgesetzlichkeiten der Wirtschaft es erfordern, dass Vollzeitarbeit noch weitere Jahre mit nicht einmal 1000€ entlohnt werden muss, dann geht es halt nicht anders.

Resüme

Die Mindestlohndebatte gibt ein weiteres Mal davon Zeugnis, dass Lohnarbeit als Lebensmittel nichts taugt. Im Wunsch der Regierung nach Einführung eines Mindestlohns und in seiner sozialpartnerschaftlichen Umsetzung ist diese Unvereinbarkeit von kapitalistischem Wachstumserfolg mit dem Lebensunterhalt seiner Produzenten offizielles politisches Programm. Und was machen die Betroffenen selbst? Die bleiben dabei, ihre Interessen von anderen vertreten zu lassen, von denen, die wissen "was geht". Die feiern einen Verhandlungserfolg nach dem anderen…

"Die Handlungsfähigkeit der Sozialpartnerschaft unterstrich auch ÖGB-Präsident Hundstorfer: Nach der Sozialbetrugs-Bekämpfung, Arbeitszeit und der Ladenöffnung sei der Mindestlohn nunmehr bereits der vierte Erfolg der Sozialpartner."(ÖGB-Präsident Hundstorfer bei der Präsentation der Grundsatzeinigung über den Mindestlohn)