Die Grundsicherung - Wie der Staat die von ihm und seiner Wirtschaft produzierte Armut zu organisieren gedenkt
Diversen Zeitungsberichten, Armutsberichten, Studien usw. kann man entnehmen: "Ein fixer, unbefristeter Job ist in Europa zu einem immer selteneren "Luxus" geworden. Die Norm sind zunehmend "untypische" Beschäftigungsformen wie Teilzeit, Zeitarbeit oder Freelance-Verträge – ohne soziale Absicherung für den Arbeitnehmer"(Presse 23.11.2006). Auf Österreich bezogen heißt dies, Working poor – Menschen, die von ihrer Arbeit nicht leben können – zählen zur am stärksten anwachsenden Gruppe im Sozialhilfebereich. Mehr als die Hälfte der Arbeitslosengeldbezüge liegen unter dem Ausgleichszulagenrichtsatz der Pensionsversicherung. Geringfügig Beschäftigte, Beschäftigte mit einem Freien Dienstvertrag oder Werkvertrag haben gar keinen Anspruch aus der Arbeitslosenversicherung. Annähernd jede zweite Alterspension von Frauen liegt unter dem Ausgleichszulagenrichtsatz usw.
Die SPÖ hat im vergangenen Nationalratswahlkampf diesbezüglich Handlungsbedarf angemeldet und eine "bedarfsorientierte Grundsicherung" zum Gegenstand der Koalitionsverhandlungen gemacht. Die Nützlichkeit einer solchen Mindestsicherung hat sich mittlerweile auch die ÖVP einleuchten lassen. Deshalb findet sich im Regierungsprogramm der seit kurzem im Amt befindlichen rot-schwarzen Koalitionsregierung die "bedarfsorientierte Mindestsicherung" als politische Absichtserklärung, deren Umsetzung bis zum Jahr 2010 noch von den außer Streit stehenden Notwendigkeiten der Wirtschaft und der Budgets von Bund und Ländern abhängig gemacht wird.
In unserer heutigen Sendung wollen wir folgende Punkte besprechen:
Die Grundsicherung - die unsicherere Existenz derer, die vom Lohn abhängen, wird zum Normalzustand erklärt
Vollzeitarbeiter, die von ihrem Lohn und als Pensionisten von ihrer Pension nicht leben können, atypisch Beschäftigte - mittlerweile 1.400.000 wie man in der von Gewerkschaft und Arbeiterkammer herausgegebenen Zeitschrift "Arbeit und Wirtschaft" lesen kann - Frauen, Studenten aber auch UNI-Absolventen ohne regulären Job und Scheinselbständige - kurz Tagelöhner in ihren verschiedenen buntscheckigen Formen, und dazu noch jede Menge Pauper, Bettler, Obdachlose usw., so sieht sie aus die Lage, auf die Gusenbauer sich mit seiner Ankündigung einer Grundsicherung bezieht:
"Mehr als eine Million Menschen in Österreich ist armutsgefährdet, 460.000 Menschen sind akut arm", stellte Gusenbauer fest. Hier sei in erster Linie mit Beschäftigung anzusetzen, aber immer mehr sind Working poor und können von ihrer Arbeit nicht leben - diese Menschen zählen zur am stärksten anwachsenden Gruppe im Sozialhilfebereich."(Aus 10-Punkte-Programm der SPÖ "10 Projekte für Österreich" 7. Armut bekämpfen)
Gusenbauer verrät mit diesem Satz kein Geheimnis, die Zahl der Armen und Armutsgefährdeten nimmt zu. Arm sind längst nicht mehr nur die, die keine Arbeit haben. Auch viele, die einen Arbeitsplatz besitzen, können vom dort Verdienten nicht oder eben nur gerade einmal so leben. Es ist eigentlich offenbar, Lohnarbeit taugt nicht als Lebensmittel. Dass Lohnarbeit nicht das Mittel derjenigen ist, die sie verrichten müssen, darauf machen sonst nur Kommunisten aufmerksam, und die meinen damit einen unschlagbaren Grund zu benennen, warum Lohnarbeiter sich dieses System vom Hals schaffen sollten.
Gusenbauer bezieht sich auf denselben Sachverhalt, aber in genau gegenteiliger Absicht. Wenn er erklärt, in Punkto Armutsbekämpfung zuallererst bei der Beschäftigung ansetzen zu wollen, dann wird deutlich, dass es für ihn keinesfalls gegen eine "Beschäftigung" spricht, wenn sie nur einen Lohn abwirft, der noch nicht einmal zum Leben reicht. Beschäftigung hat für ihn oberstes Primat. Für die möchte er sorgen, mit allen ihm zur Verfügung stehenden politischen Mitteln.
Niemand täuscht sich dabei, wie Beschäftigung zu verstehen ist. Beschäftigung steht als Synonym für Lohnarbeit, Arbeit für Lohn im Dienste des Kapitals. Der Lohn ist in der hier und heute herrschenden Produktionsweise der Preis der Arbeitskraft, ein Preis, den Unternehmer nur zahlen, wenn der Einsatz der Arbeit ihnen nutzt. Ob Lohn gezahlt wird und in welcher Höhe richtet sich also in keinster Weise nach den Notwendigkeiten desjenigen, der ihn kriegt und der von ihm sein Leben bestreiten muss, sondern einzig und allein danach, ob der Einsatz der mit ihm eingekauften Arbeitskraft einen Gewinn in ausreichender Höhe abwirft. Der Lohn steht dabei in einem grundsätzlich negativen Verhältnis zum Gewinn. Er geht in die Bilanz der Unternehmen als Lohnkost ein, verringert also die Größe, derentwegen Unternehmen einzig tätig werden, kann daher für den Unternehmenserfolg gar nicht niedrig genug sein.
Ständiger Druck auf den Lohn ist die Folge. Unternehmer steigern ständig die Produktivität der Arbeit. Sie investieren in neue Maschinerie und zwar nicht um Arbeit, sondern einzig und allein zu dem Zweck, bezahlte Arbeit einzusparen und zwar mehr, als die neue, produktivere Anlage kostet. Die Konsequenzen sind Arbeitslosigkeit auf der einen gepaart mit Überarbeit der im Betrieb verbliebenen Mannschaft auf der anderen Seite. Schließlich wollen die Kosten der neuen Maschinerie möglichst schnell amortisiert sein.
Die vom Gesetzgeber durchgesetzten Arbeitszeitflexibilisierungen der vergangenen Jahre haben für den nötigen gesetzlichen Rahmen gesorgt, um die Arbeitsmannschaften möglichst Kosten schonend, orientiert einzig und allein an den jeweils aktuellen betrieblichen Notwendigkeiten wie optimale Maschinenauslastung, Auftragslage und dergleichen, einsetzen zu können. Nicht ausgestorben sind daneben natürlich auch die reine Lohndrückerei – die Nichtabgeltung des Sinkens der Kaufkraft, Lohnsenkungen im Dienste der Arbeitsplatzerhaltung usw.
Flexibilisierung der Arbeitswelt, zunehmende atypische Beschäftigung, Working Poor und Arbeitslosigkeit auf der einen und Überarbeit bei tendenziell sinkendem Lohn auf der anderen Seite sind also notwendige Konsequenzen des Zwecks, für den die Beschäftigung einzig stattfindet.
Weil es Gusenbauer nicht um Beschäftigung, sondern um rentable Beschäftigung geht, will er es der Wirtschaft im Interesse ihres Erfolges keinesfalls zumuten, Löhne zahlen zu müssen, die wenigstens ihren Mann respektive ihre Frau ernähren. Alles was in der Vergangenheit seitens der Politik an Maßnahmen gesetzt wurde, um die Rentabilität zu befördern, gilt ihm daher als unhintergehbares Sachgesetz, mit dessen unvermeidlichen Resultaten es umzugehen gilt. Im Wahlprogramm der SPÖ heißt es dazu:
"Reformdruck in der Armutsbekämpfung besteht aufgrund der Folgen von Deregulierung und Flexibilisierung der Arbeitswelt und der Schwächen der bestehenden Sicherungssysteme." Wahlprogramm der SPÖ, Projekt 10: Kontinuierliche Weiterentwicklung des Sozialstaates)
Deregulierung und Flexibilisierung - Maßnahmen, die die Politik in der Vergangenheit gesetzt hat, und die Gusenbauer als Grund der von ihm konstatierten mieslichen Lage der Arbeitnehmer weiß, sind der unverrückbare Ausgangspunkt der von ihm ins Auge gefassten Grundsicherung. An denen soll sich auch unter einem Kanzler Gusenbauer nichts ändern, bilden sie doch die Basis wirtschaftlichen Erfolgs. Mehr noch, der Entschluss Gusenbauers, in Sachen Armutsbekämpfung bei der Beschäftigung anzusetzen, bedeutet, den von den Vorgängerregierungen eingeschlagenen Weg verstärkt weitergehen zu wollen. Das neu ausverhandelte Regierungsprogramm sieht entsprechend eine weitere Flexibilisierung der Arbeitszeiten, eine Verlängerung der Normalarbeitszeit, mehr Freiheit fürs Kapital bei der Schichtarbeit und dergleichen Unappetitlichkeiten mehr vor.
Armut und Armutsgefährdung werden damit in Zukunft erst recht untrennbar mit der Arbeiterexistenz verbunden sein. Wenn die SPÖ diesen von ihr als Teil der Regierungsmannschaft tatkräftig hergestellten Zustand mit einem Recht auf Grundsicherung beantworten will, geht sie wie selbstverständlich davon aus, dass die Wirtschaft, wie sie eingerichtet ist – eine kapitalistische Wirtschaft eben – noch nicht einmal die bloße physische Existenz der Gesellschaftsmitglieder gewährleistet. Was vom Standpunkt der Versorgung der Bevölkerung eine radikale Kritik an der hierzulande herrschenden Produktionsweise darstellt, wird mit dem Recht auf Grundsicherung seitens der Politik in den Rang einer allgemein unabänderlichen gesellschaftlichen Realität erhoben.
Diejenigen, die vom vorhandenen Reichtum ausgeschlossen sind und dies auch bleiben sollen, sollen vom Staat Geld erhalten und zwar gerade so viel - genauer – so wenig, dass ihre physische Existenz - nicht die jedes Einzelnen von ihnen, wohl aber - im Durchschnitt gerade erhalten bleibt. Gusenbauer möchte es sich dabei hoch anrechnen lassen, diesen Standpunkt in die Politik eingeführt und dafür gesorgt zu haben, dass der Staat sich des Überlebens jener seiner Bürger annimmt, die über kein ausreichendes Einkommen verfügen, obwohl die doch - sei es durch ihre dauerhaft ausbleibende Beschäftigung, sei es durch ihren mickrigen Lohn - eigentlich hinlänglich bewiesen haben, dass sie - zumindest aus ökonomischer Sicht - nicht allzu viel Erhaltenswertes zu bieten haben.
"Gusenbauer warf die Frage auf: "will denn irgendjemand, dass Menschen in Österreich verhungern?" Jeder Mensch habe das unveräußerliche Recht auf Würde, betonte Gusenbauer. "Niemand in unserem Land soll zum Bettler gemacht werden."(Aus 10-Punkte-Programm der SPÖ "10 Projekte für Österreich" 7. Armut bekämpfen)
Gusenbauers Sorge gilt nicht den von Armut Betroffenen. Österreich ist es, das sich und seinem Selbstverständnis als "reiches Land" dieses Stück Armutsverwaltung einfach schuldig ist. Es passt nicht zu dem, wie Österreich sich sieht - als kleines aber nichtsdestotrotz erfolgreiches Land. Und ganz nebenbei wird damit ja auch noch ein ordnungspolitisches Problem gelöst - die verarmten Pauper sollen trotz ihrer aussichtslosen Lage weder ihre gutstaatsbürgerliche Gesinnung verlieren noch durch ihre Bettelei allzu störend in Erscheinung treten. Anspruchsvoraussetzung für dieses Recht auf Würde ist die Bereitschaft, genau dieser Ökonomie unverdrossen dienen zu wollen:
"Wir wollen kein arbeitsloses Grundeinkommen, wir wollen eine Mindestsicherung, die erst dann greift, wenn alle andern Wege aus der Armutsfalle gescheitert sind."(Aus 10-Punkte-Programm der SPÖ "10 Projekte für Österreich" 7. Armut bekämpfen)
betonte Gusenbauer. Nicht nur, dass mit dem Recht auf Grundsicherung die Wirtschaft von dem Anspruch freigesprochen wird, die von ihr gezahlten Löhne müssten wenigstens für ein Auskommen der der hier ansässigen Bevölkerung reichen, stellt Gusenbauer mit seiner Betonung auf Grundsicherung im Unterschied zu einem Grundeinkommen klar, dass die bloße Zugehörigkeit zur hiesigen Bevölkerung in keinster Weise einen Anspruch gegenüber dem Staat auch nur auf Sicherung der physischen Existenz begründet. Ungeachtet dessen, dass der Arbeiter gar nicht das Subjekt der Entscheidung ist, ob er eine "Beschäftigung" findet oder nicht, ist er es, der beweisen muss, dass sein ganzes Bemühen auf nichts anderes gerichtet ist als darauf, nützlich für die Wirtschaft zu sein. Erst wenn - wie Gusenbauer das ausdrückt - "alle Wege aus der Armutsfalle gescheitert sind", sprich sie(!) glaubwürdig unter Beweis gestellt haben, alles nur Mögliche und Unmögliche unternommen zu haben, um der "Armutsfalle" zu entkommen, erst dann sollen sie die Chance erhalten, in den Genuss einer Grundsicherung zu kommen.
Der Umbau des Sozialstaates in Richtung einer Armutsverwaltung
Was für die gezahlten Löhne gilt, gilt klarerweise erst recht für Arbeitslosengeld, Notstandshilfe und Pensionen, die allesamt als Prozentsatz vom verdienten Lohn definiert sind - sie sind zu nieder, um davon auch nur den Alltag bestreiten zu können. Der sich auf diesen Umstand beziehende Verschlag der SPÖ lautete:
"Prinzipiell soll jeder Alleinstehende, der nicht arbeiten kann und auch kein Vermögen besitzt, nicht weniger als 800 Euro pro Monat bekommen. Liegen Arbeitslosengeld, Notstandshilfe oder Pensionen darunter, soll aufgezahlt werden. Buchinger: "Bei der Sozialversicherung und der Sozialhilfe der Länder soll also eine Leistungsgrenze eingeführt werden, um die Systeme armutsfest zu machen.""(Salzburger Nachrichten am 9.10.2006)
In den Regierungsverhandlungen haben sich SPÖ und ÖVP dann schließlich statt auf eine Grundsicherung von 800 Euro auf eine bedarfsorientierte Mindestsicherung in Höhe von Euro 726,-- brutto geeinigt. Damit ist nach politischem Beschluss das System der sozialen Sicherung armutsfest. 726 Euro, das ist doch Armut, möchte man meinen, und nicht ihre Beseitigung. Aber eine Grund- oder Mindestsicherung als Maßnahme der Armutsbekämpfung ist eben nicht damit zu verwechseln, dass die Empfänger einer solchen nicht mehr arm sein sollen. Gut gehen kann und soll es den Betreffenden erklärtermaßen nicht. Nur der für die Erhaltung ihrer Existenz absolut notwendige Bedarf soll für die Bemessung der staatlichen Unterstützung Berücksichtigung finden. Damit sich "Arbeit dann noch lohnt" - wie es heißt - soll es auf jeden Fall weniger sein als das, was sich durch Arbeit verdienen lässt. Weil es ein Existenzminimum als absolute und quasi natürliche Untergrenze dessen, was ein Mensch zur Erhaltung seiner Existenz braucht, aber tatsächlich gar nicht gibt, verdankt sich die Festsetzung der Höhe der Mindestsicherung ganz und gar einer politischen Entscheidung. Der Staat prüft und entscheidet was und vor allem wie viel er als Notwendigkeit der Existenzsicherung anerkannt. Buchinger hatte daher keine Schwierigkeiten, einem Regierungsübereinkommen zuzustimmen, das ein gegenüber seinem eigenen Vorschlag um 10% geringeres Existenzminimum vorsieht.
Die Erhöhung des Ausgleichszulagenrichtsatzes für Pensionen von bisher 690 Euro auf künftig 726 Euro per 1.1.2007 ist laut Regierungsprogramm der erste Schritt zur Einführung der bedarfsorientierten Mindestsicherung. Für Sozialhilfebezieher, Bezieher von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe existiert sie bislang nur in Form einer politischen Absichtserklärung. Gemäß dieser soll parallel zu einer "Vereinheitlichung und Pauschalierung der Sozialhilfe der Länder auf die Höhe von 726 Euro" ein "Ausbau mindestsichernder Elemente im Arbeitslosenversicherungsrecht" erfolgen.
Dass Arbeitslosengeld und Notstandshilfe dank stattgefundener Lohnsenkungen und laufender gesetzlicher Verschärfungen hinsichtlich Anspruchsvoraussetzungen und -höhe inzwischen in vielen Fällen nicht einmal für den bloßen Lebensunterhalt reicht, daran soll sich nach den Regierungsplänen auch in Zukunft nichts ändern. Keinesfalls soll ein Mindestarbeitslosengeld bzw. eine Mindestnotstandshilfe eingeführt werden. Mit dem Anspruch, die Arbeitnehmer sollten von der Arbeitslosen- und Notstandshilfe überleben können wird damit seitens der neuen Regierung aufgeräumt. Wer unter das staatlich definierte Existenzminimum fällt, soll das Recht erhalten, eine Ausgleichszulage zu beantragen, muss dann aber die deutlich strengeren Anspruchsvoraussetzungen der neuen Mindestsicherung erfüllen.
Damit wird der Übergang vom Sozialstaat, der wenigstens der Form nach als Versicherung organisiert ist, in die beide Seiten - Arbeitgeber und Arbeitnehmer - einzahlen müssen, in ein System der staatlichen Armutsverwaltung eingeläutet, bei der die Arbeitgeber auch formell aus der Verantwortung dafür entlassen werden, dass die Wirtschaft die Arbeitnehmer zumindest zu ernähren hätte. Und dafür will Gusenbauer auch noch gelobt werden!
Geben soll es diesen sozialpolitischen Meilenstein wenn überhaupt keinesfalls gleich. Geplant ist die Einführung dieser Mindestsicherung in mehreren Schritten - ohne sich verbindlich festzulegen - bis etwa ins Jahr 2010. Jedenfalls wenn alles gut geht und eine entsprechende Einigung hinsichtlich der Neugestaltung des Finanzausgleichs mit den bisher für die Belange der Sozialhilfe zuständigen Ländern zustande kommt. Eines ist nämlich unumstößlich klar, die Mindestsicherung muss verträglich mit dem Budget, sprich mit allen anderen Vorhaben, die Bund und Länder jetzt und in absehbare Zukunft noch haben mögen, sein. Nur wenn das gewährleistet ist, kann der Staat sich den luxuriösen Standpunkt leisten, an die Ärmsten der Armen zu denken.
Was ist von Kritiken zu halten, die an Stelle der Grundsicherung ein Grundeinkommen fordern?
Der Einführung einer Grundsicherung ist zu entnehmen: Diese Wirtschaftsweise, die unübersehbaren Reichtum produziert, geht Hand in Hand damit, dass immer größere Bevölkerungsteile Schwierigkeiten haben, ihre bloße Existenz zu sichern. Den Schluss, dass dann eine solche Wirtschaftsweise zu ersetzen sei durch eine, die den Lebensunterhalt aller auf dem Niveau des jeweiligen Stands der Produktivkräfte sichert, will auch in kritischen Kreisen wie Attac, Netzwerk Grundeinkommen, KPÖ und sonstigen linken Gruppierungen niemand ziehen. Statt dessen kritisieren sie das SPÖ-Modell der bedarfsorientierten Mindestsicherung als zu wenig weit reichend und propagieren ein Grundeinkommen, womit sie einerseits sämtliche kapitalistischen Notwendigkeiten anerkennen, die sich notwendig einstellende Verarmung großer Bevölkerungsteile andererseits aber nicht als deren Resultat zur Kenntnis nehmen wollen.
"Der Traum von der Vollbeschäftigung scheint ausgeträumt. Wachsende Produktivität und fortschreitende Rationalisierungen sind Ursachen für die geänderten Bedingungen am Arbeitsmarkt", resümierte Margit Appel vom Netzwerk Grundeinkommen Österreich. Als Ausweg wurde beim Kongress ein aus Steuern finanziertes, existenzsicherndes Grundeinkommen diskutiert, das jeder und jedem individuell zusteht. "Ein Grundeinkommen würde eine Wahlfreiheit eröffnen und eine Aufwertung vieler Tätigkeiten in den Bereichen Erziehung, Pflege, Ehrenämter, Politik und Umwelt bieten", sagte Werner Rätz (Attac Deutschland)."(Kongress Grundeinkommen, Glocialist 89-90/2005)
Die Entwicklung der Produktivkräfte hat ein derartiges Ausmaß erreicht, dass es die Arbeit großer Bevölkerungsteile nicht braucht. In einer Wirtschaft, in der es darum ginge, das zu produzieren, was Mensch braucht, wäre das eine Erfolgsmeldung. Die notwendige Arbeit kann in immer kürzerer Zeit erledigt werden. In unserer Gesellschaft: Problem, Problem, den Leuten fehlt Arbeit oder wie es im Zitat heißt: "Der Traum von Vollbeschäftigung scheint ausgeträumt". Wieso soll man eigentlich von Arbeit "träumen", wenn es die Arbeit gar nicht braucht. Diese Frage stellt sich für die Vertreterin des Netzwerkes Grundeinkommen nicht, weil sie den in dieser Gesellschaft existierenden Ausschluss vom produzierten Reichtum als selbstverständlich unterstellt. Alles gibt es nur gegen Geld und an Geld kommt der Großteil nur durch Arbeit für fremden Reichtum. Alles was es gibt, hat daher seine Bestimmung nicht darin, das Bedürfnis nach dem jeweiligen Gebrauchsgut zu befriedigen, sondern darin, das Geld der Warenproduzenten zu vermehren. Nur wenn man das alles als gegeben hinnimmt, bekommt jetzt das Problem: "Was machen dann die, deren Arbeit am Arbeitsmarkt immer weniger nachgefragt wird"? Wenn ihre Arbeit nicht mehr nachgefragt wird und sie damit nicht mehr zu einem Einkommen kommen können, sollte ihnen die Gesellschaft doch zumindest ein Grundeinkommen zukommen lassen, damit sie sich das kaufen können, was sie zu ihrer Existenz brauchen. So sei trotz des Fortbestehens von Arbeitslosigkeit das Überleben aller - auch der Dauerarbeitslosen - gewährleistet.
Weil den Vertretern des Netzwerks Grundeinkommens aber auch nicht verborgen geblieben ist, dass die Existenznot in dieser Gesellschaft ein Argument für nichts ist, lassen sie es sich nicht nehmen, nachzuweisen, dass von einem solchen Grundeinkommen, wenn es dieses denn gäbe, nicht nur die profitieren würden, die es kriegen. Mindestens genauso wichtig halten sie offenbar das Argument, wie sehr es der Gesellschaft nützen würde: ehrenamtliche Tätigkeiten würden vermehrt gemacht, das von der Politik ausgerufene Problem der Pflege, wäre zu lösen usw. usf.
Einerseits soll also alles so bleiben, wie es ist. Die Fragestellung, wie können Leute überleben, obwohl es ihre Arbeit nicht braucht, anerkennt eine ganze Menge. Natürlich sind die Leute vom Reichtum ausgeschlossen. Selbstverständlich sind die Güter Eigentum, das nur gegen Geld die Hände wechselt, egal wie dringend der andere das Gut braucht. Am gesellschaftlichen Zweck der Arbeit soll nicht gerüttelt werden. Die ist wie sie ist. Dass sie nicht das Mittel der Arbeitenden ist, wäre selbst der hier unterstellten Ausgangssituation noch leicht zu entnehmen. Ohne Arbeit sind die, die davon abhängig sind, einen Anwender ihres Arbeitsvermögens zu finden von allen Mitteln der Bedürfnisbefriedigung ausgeschlossen. Gleichzeitig ist das, dass sie die Arbeit brauchen überhaupt nicht das Kriterium dafür, ob sie eine bekommen. Dass kapitalistische Unternehmen nur dann produzieren lassen und die dafür nötige Arbeitszeit bezahlen, wenn sie sich einen Überschuss über die zur Produktion aufgewendeten Kosten versprechen, das halten solche kritischen Geister vom Netzwerk Grundeinkommen für eine "Realität", an der man nicht vorbeikommt. Rationalisierungen, die Kapitalisten vornehmen, um sich durch Einsparung bezahlter Arbeit in der Konkurrenz durchzusetzen, halten sie für selbstverständlich, nur die Folge, dass darüber die Entlassenen erwerbs- und damit mittellos werden, wollen sie so nicht stehen lassen. Also müsste der Staat - ausgerechnet der, der mit der Garantie des Eigentums und der Einrichtung eines Geldwesens erst den allseitigen Ausschluss vom Reichtum durchsetzt - dafür sorgen, dass keiner mehr mittellos ist, dann könnte die Wirtschaft prächtig so weitermachen wie bisher. Absurd!
Man muss sich schon entscheiden. Entweder man hat was dagegen, dass staatlich geschütztes Kapitaleigentum weltweit allen Menschen ohne Geld den Zugang zum Reichtum versperrt, oder man ist zufrieden damit, zu jener Riege von Menschen mit einem Weltbild zu gehören, demzufolge alles nicht so sein müsste wie es ist.
Wer mit Zweiterem nicht zufrieden ist, der ist eingeladen, über dieses und andere Themen, bei einem unserer Jour Fix im Cafe 7Stern mit uns zu diskutieren. Näheres dazu wie immer auf unserer Homepage.