GEGENARGUMENTE


“Mythen der Ökonomie” - Wie die Sozialwissenschafter des Beigewum Staat und Kapital vor übler Nachrede bewahren!

 

Einleitung

 

Mythen der Ökonomie” lautet der Titel eines Buches, welches im Frühsommer vorigen Jahres vom Beirat für gesellschafts-, wirtschafts- und umweltpolitische Alternativen (Beigewum) herausgegeben wurde. Die Sozialwissenschafter des Beigewum setzen sich in ihm mit den von Vertretern der Politik, der Wirtschaft und den Medien laufend in Umlauf gebrachten Begründungen für die Notwendigkeit von Reformen wie “Geht’s der Wirtschaft gut, geht’s uns allen gut”, ”Arbeit ist zu teuer.”, “Ohne Reformen ist der Wirtschaftsstandort in Gefahr”, ”Staatsverschuldung ist schlecht” auseinander.

 

In solchen Begründungen für die Notwendigkeit von Kürzungen der Sozialleistungen, Arbeitszeitflexibilisierung, Senkung der Arbeitskosten usw. berufen sich Vertreter von Politik und Wirtschaft auf eine von ihnen hergestellte Abhängigkeit der Arbeitnehmer vom Erfolg einer Wirtschaft, die, wie man den Forderungen leicht entnehmen könnte, ihr Erfolgskriterium gerade nicht im privaten Wohlergehen der Arbeitnehmer hat. Wenn der Standort gleich in Gefahr ist, falls die Arbeits- und damit Lebenszeit der Arbeitnehmer nicht noch besser als schon bisher an die Bedürfnisse der Wirtschaft angepasst wird, wenn der Lohn durch seine Höhe immerzu eine Gefahr für den Erfolg der Wirtschaft darstellt, dann wäre zumindest eine Überprüfung fällig, ob sich die Wirtschaftsweise, der die Politik vorsteht, überhaupt mit den Bedürfnissen und Notwendigkeiten der Arbeitnehmer verträgt.

 

Die Sozialwissenschafter des Beigewum ziehen einen völlig anderen Schluss. Wenn sie diese Begründungen als ”Mythen - symbolisch aufgeladene Erzählungen mit zweifelhafter realer Grundlage.”(S7, wie alle weiteren Zitate aus “Mythen der Ökonomie”) klassifizieren, sind sie sich vorab eines sicher - dass Arbeitnehmer häufig zu kurz kommen, liegt keinesfalls am ökonomischen Zweck einer Wirtschaftsweise namens Kapitalismus und einer Politik, die in ihm ihre ökonomische Grundlage hat, sondern daran, dass die Arbeitnehmer sich ständig Notwendigkeiten einleuchten lassen, die im Kapitalismus in Wahrheit keine oder jedenfalls nur eine “zweifelhafte reale Grundlage” haben. Mit der vorab vorgenommen Klassifizierung der zitierten Begründungen für wirtschafts- und sozialpolitische Reformen als “Mythen” bestehen sie auf der umgekehrten Lesart wie Politik und Wirtschaft: Der Wirtschaftsstandort ist ohne Reformen nicht in Gefahr, Arbeit ist nicht zu teuer für die Wirtschaft, Staatsverschuldung ist nicht schlecht, jedenfalls nicht prinzipiell.

 

Das wollen sie mit ihrem Buch nachweisen. Dafür haben sie “Gegenargumente aus der wirtschaftswissenschaftlichen Forschung zusammengetragen”. Dass man mit solchen Gegenargumenten ausgestattet nicht klüger wird über das, was eine kapitalistische Ökonomie und ihre politische Gewalt, den demokratischen Staat ausmacht, das wollen wir im Folgenden zeigen.

 

In regelmäßigen Abständen meldet sich die Wirtschaftskammer mit dem Slogan

 

Geht’s der Wirtschaft gut, geht’s uns allen gut

 

zu Wort. Für Beigewum stellt diese Behauptung einen der zentralen Mythen der Ökonomie dar, dem es entgegenzutreten gilt. Die Auseinandersetzung mit diesem “Mythos” leitet er folgendermaßen ein:

 

Mit diesem Argument wird zunächst wirtschaftlicher Wohlstand zum wesentlichen Maßstab für Wohlbefinden erklärt. Im allgemeinen verbinden wir Lebensqualität mit einer guten Ausbildung, weitgehender(!) Gesundheit, einem angemessenen(!) Verhältnis von Arbeit und Freizeit und einem Leben in einer angenehmen und sicheren Umgebung. Indikatoren wie das Bruttoinlandsprodukt geben darüber nur beschränkt Auskunft.”(S82)

 

a.        

Die Wirtschaftskammer tritt immer wieder mit diesem Slogan im Namen der Bedürfnisse der Wirtschaft fordernd an Politik und Öffentlichkeit heran. Aktuell möchte sie die im Rahmen der Kollektivvertragsverhandlungen durchgesetzten Verschlechterungen in puncto Lohn und Arbeitszeiten ergänzt wissen um eine Verlängerung des Normalarbeitstages auf zehn Stunden, die Schaffung eines Billiglohnbereiches, die verstärkte Umleitung von Geldern aus den Sozialkassen in die Taschen der Unternehmer usw. Um eines geht es ihr mit Garantie nicht, darum nämlich, eine sozialwissenschaftliche Debatte darüber zu eröffnen, was fürs Wohlbefinden der Bürger nötig wäre.

 

Wenn die Wirtschaftskammer ihre Forderungen unter der Losung “Geht’s der Wirtschaft gut, geht’s uns allen gut” präsentiert, dann meint sie, damit der Regierung ein unschlagbares Argument dafür geliefert zu haben, ihren Ansprüchen tatsächlich Rechnung zu tragen. Aber nicht nur das. Sie ist anspruchsvoller. Sie erwartet darüber hinaus auch noch die Einsicht derjenigen in die Notwendigkeit der geforderten Maßnahmen, die geschädigt werden sollen.

 

Dass sie mit ihrem Anspruch bei den Arbeitern tatsächlich auf Verständnis trifft, liegt entgegen der Behauptung von Beigewum nicht daran, dass die Arbeiter einem Mythos aufsitzen würden, sondern das hat eine solide Grundlage in den materiellen Verhältnissen. Den Eigentümern von Kapitalvermögen ist in der Marktwirtschaft das gesamte Produzieren im Lande überantwortet. Von den Lohneinkommen über die Pensionen, bis hin zu den Steuern des Staates, alles was im Land läuft, ist abhängig gemacht vom Erfolg dieser Minderheit in Sachen ihrer Bereicherung. Die große Mehrheit derjenigen, die über kein solches Kapitalvermögen verfügen, können ihren Lebensunterhalt nur auf eine Art verdienen, dadurch nämlich, dass sie sich ganz in den Dienst dieser Reichtumsvermehrung stellen, die nicht die ihre ist. Nur wenn sie einen Eigentümer finden, der aus der Anwendung ihrer Arbeitskraft seinen Profit machen kann, kriegen sie einen Lohn. Taugt ihre Arbeit dafür umgekehrt nicht, findet sie nicht statt, ungeachtet dessen, dass ihnen damit die ganze Grundlage ihrer Existenz entzogen wird.

 

Die Wirtschaftkammer baut darauf, dass die Arbeitnehmer aus dieser, mit dem Ausschluss vom vorhandenen Reichtum hergestellten Abhängigkeit vom Kapital, den “richtigen” Schluss ziehen, und - statt diesen Ausschluss aus der Welt zu schaffen - sich ihre Lage so zurechtlegen, dass das, was sie brauchen, um einigermaßen ordentlich leben zu können, ein Arbeitsplatz ist, an dem sie sich gegen Lohn nützlich machen dürfen. Diesen Fehler einmal gemacht, ist der nächste Schritt nicht mehr schwer. Dann leuchtet ihnen tatsächlich jede Verschlechterung der Arbeitsbedingungen, jede Lohnsenkung und jede Flexibilisierung der Arbeitszeiten ein, vorausgesetzt nur, sie kommt im Namen der Erhaltung oder Schaffung des hohen Gutes Arbeitsplatz daher.

 

b.       

Von diesem Gegensatz von Kapital und Arbeit will Beigewum nichts wissen, wenn er der Wirtschaftskammer damit entgegentritt, dass wirtschaftlicher Wohlstand doch nicht alles sei. Worin der Wohlstand besteht, dessen Wachstumsnotwendigkeiten die Wirtschaftskammer ins Treffen führt, wird gerade nicht kritisiert, wenn man den Anspruch der Wirtschaftskammer damit kontert, dass es sich beim Bruttoinlandsprodukt um ein unvollkommenes(!) Maß für Wohlbefinden handle.

 

Dabei ist dieser Gegensatz von Kapital und Arbeit die ganze Grundlage der von ihnen aufgeworfenen Frage nach der Lebensqualität. Woher sonst kommt denn das Bedürfnis an weitgehender(!) Gesundheit, einem angemessenen(!) Verhältnis von Arbeit und Freizeit? Worin sonst als in der möglichst billigen Indienstnahme von Mensch und Natur für die Gewinnerzielung der Unternehmen haben die von den Autoren aufgeworfenen Fragen der Lebensqualität denn ihre Grundlage?

 

Genau so soll man es laut Beigewum aber nicht sehen. Nach seinem Dafürhalten - darin ist sich Beigewum mit der Wirtschaftskammer einig - dreht sich kapitalistisches Wirtschaften im Kern durchaus darum, die Menschheit mit wirtschaftlichem Wohlstand zu versorgen. Konsequenterweise landet schlussendlich auch er, bei der Frage, was denn den Wohlstand der Gesellschaft ausmacht, wieder bei dem von Politik und bürgerlicher Wissenschaft propagierten Sinnbild, mit dem sich alles Treiben der Gesellschaft als ökonomische Tätigkeit zum Vorteil aller feiern lässt– dem Bruttoinlandsprodukt [1] - bescheinigt ihm aber hinsichtlich des Wohlbefindens eine nur beschränkte Aussagekraft. Die mit dieser Kategorie erfolgte Umdeutung aller wirtschaftlichen Tätigkeiten – des Verkaufens, Arbeitens, Investierens und Spekulierens; lauter in Geld abgerechnete und aufaddierte Beiträge - zu einem gemeinschaftlichen Ergebnis, von dem dann umgekehrt alle gleichermaßen abhängen sollen, will Beigewum eben gerade nicht zurückweisen. Ganz im Gegenteil!

 

Statt aus der Geldgröße BIP darauf zu schließen, dass Lebensqualität und Wohlbefinden der Menschen unmöglich der Zweck des Wirtschaftens sein können, wenn wirtschaftlicher Erfolg in Geld gemessen wird, also alle Bedürfnisse auf das eine nach Geld reduziert sind, statt den Leistungen, die ins BIP eingerechnet werden, zu entnehmen, worauf es in dieser Gesellschaft ankommt und worauf nicht, bemäkeln die Wissenschafter des Beigewum, dass das BIP ein bloß unvollständiger Wohlstandsindikator sei. Um den Gemeinschaftscharakter der Produktion besser zur Geltung zu bringen, hielten sie es - ganz im Sinne jahrzehntelanger volkswirtschaftlicher Tradition - für nötig, seine Berechung zu verbessern:

 

Schließlich wirken in dieser Sammelgröße sämtlicher wirtschaftlicher Aktivitäten eines Jahres auch die Folgekosten von Umweltverschmutzung, die Gesundheits- und Materialkosten nach Unfällen und andere Ausgaben mit zweifelhaftem Nutzen wachstumserhöhend. .......Andrerseits werden wirtschaftliche Aktivitäten von hohem Wert, die aber nicht bezahlt werden (z.B. unbezahlte Hausarbeit) im BIP nicht mitgerechnet.”(S 82f)

 

Nichts wird mit der Kategorie als das zur Kenntnis genommen, was es ist. Tatsächlich geht es um das Geschäft, die Vermehrung des in diverse Operationen gesteckten Kapitals, und dieses Erfolgskriterium lebt von der Unterscheidung in Nutznießer und Benutzte, und hat sein Maß nicht in der Produktion von möglichst vielen Gütern. Im BIP ist all das durchgestrichen. In ihm misst das Geld nicht den Gewinn, das Resultat der Benutzung fremder Arbeit, sondern den Erfolg aller, und der Preis bezeichnet nicht die Trennung der Bedürfnisse von den Mitteln seiner Befriedigung, sondern die Summe der Genüsse, die allen zur Verfügung stehen.

 

c.        

Dass der Zugriff auf ein Stück des angeblich gemeinsamen Wirtschaftskuchens ganz und gar nicht für alle gesichert ist, dass es in der Marktwirtschaft also alles andere als harmonisch zugeht, wissen freilich auch die Autoren von Beigewum:

 

Der Kapitalismus ist seit seinen Anfängen vom Konflikt zwischen Kapital und Arbeit dominiert. Im Laufe seiner Geschichte wurden verschiedene gesellschaftliche Kompromisse und politischen Regulationen ausgehandelt, um mit diesem fundamentalen Interessensgegensatz umzugehen. In westlichen Industriestaaten etwa dominierte der Versuch, den Konflikt dadurch zu befrieden, dass die Beschäftigten am Wirtschaftswachstum über Lohnerhöhungen, Sozialleistungen und wohlfahrtstaatliche Absicherungen beteiligt wurden. ”Dabei erhielt die Umverteilung eines Teils des erwirtschafteten Reichtums zugunsten des Faktors Arbeit die Funktion, die Gesamtnachfrage zu stützen, mithin eine an die Entwicklung der Produktivkräfte angepasste Ausdehnung des Marktes zu ermöglichen.”(S83)

 

Diese Aussage ist nicht mit der Kritik von Marx zu verwechseln, dass der Kapitalismus ein zwieschlächtiges, ein sich in Gegensätzen bewegendes Produktionsverhältnis ist, welches den Arbeiter zum unmittelbaren Verwertungsmittel des Kapitals stempelt”, ein Produktionsverhältnis, das im selben Maße, in dem es Reichtum schafft, auch das Elend produziert. Die Kritik von Marx lässt nur eine praktische Konsequenz zu: diese Gegensätze gehören mitsamt den Zwecken, die sie begründen, aus der Welt geschafft.

 

Anders Beigewum - für Beigewum ist nicht der Kapitalismus das Problem, das abgeschafft gehört, weil er den systematischen Schaden der Arbeiter bedeutet, sondern er hat mit einem Konflikt zu schaffen, der - weil er so fundamental ist - eigentlich gar nicht aus der Welt zu schaffen, sondern allerhöchstens zu befrieden ist.

 

Vergangene Lohnerhöhungen und - heute zunehmend beschnittene - Sozialleistungen bekommen im Lichte dieses so bestimmten unabänderlichen Konfliktes das Lob zugesprochen, in der Vergangenheit wären die Arbeiter wenigstens ein Stück weit am Wirtschaftswachstum beteiligt worden. Nicht irre machen lässt er sich in dieser Behauptung dadurch, dass die Arbeiter, um am Wirtschaftswachstum - dem Resultat ihrer eigenen Arbeit - beteiligt werden zu können, erst von diesem Wirtschaftswachstum ausgeschlossen sein müssen, dass dieses Wirtschaftswachstum also auf einem Lohn, der alles andere als zufällig noch nicht einmal für die Wechselfälle eines Arbeiterlebens wie Arbeitslosigkeit, Krankheit, Alter reicht, also gerade auf ihrer Armut beruht.

 

Statt der Notwendigkeit von Sozialleistungen die Unvereinbarkeit von Lohn und Gewinn zu entnehmen, soll man sich nach Beigewum Sozialleistungen als Korrektur im Nachhinein, als Umverteilung vorstellen - als ob damit, dass in der Marktwirtschaft ge- und verkauft, investiert und spekuliert wird nicht schon abschließend über die Teilhabe der Individuen am Produktionsresultat entschieden wäre - die einen vergrößern durch Ihre Arbeit einen Reichtum, der nicht der ihre ist; die anderen zahlen Lohn soweit er sich für diesen Gewinn rechnet. Und wenn der Einsatz einer Arbeitskraft keinen Gewinn verspricht, unterbleibt eben konsequenterweise auch die Lohnzahlung, egal wie sehr der Lohnempfänger auf diese Zahlung angewiesen ist.

 

Diesen schönen Kompromiss sieht Beigewum aber in letzter Zeit von Seiten der Unternehmer völlig grundlos(!) aufgekündigt:

 

In den letzten Jahren ist jedoch zunehmend deutlich geworden, dass die Unternehmen bestrebt sind, diesen Kompromiss zu ihren Gunsten zu verschieben bzw. aufzukündigen. Erhöhung der Gewinne auf Kosten der Löhne, Verschlechterung der Arbeitsbedingungen, Entlassungen, Widerstand der Unternehmen gegen Besteuerung und wohlfahrtsstaatliche Leistungen machen die Behauptung, was im Interesse der Wirtschaft sei, liege auch im Allgemeininteresse, zunehmend unplausibel.”(S83)

 

Unternehmer senken Löhne, verschlechtern die Arbeitsbedingungen, entlassen Arbeitskräfte usw. Daran dass es in der Marktwirtschaft um Gewinn geht, soll all das aber nicht liegen. Der geht für Beigewum nämlich grundsätzlich in Ordnung. Gerade so, als ob es den Zweck Gewinn ohne den ihm immanenten Anspruch auf maximale Höhe gäbe, sind für Beigewum Lohnsenkungen und Entlassungen nicht seine Konsequenz, sondern die Konsequenz seiner Erhöhung.

 

Woher kommt er denn sonst, der Gewinn, wenn nicht daher, dass Unternehmen den Arbeitern weniger zahlen, als der Einsatz ihrer Arbeitskraft ihnen einbringt? Der Lohn ist in dieser in der Marktwirtschaft einzig gültigen Rechnungsweise als Kost gesetzt, die Unternehmen einzig des angestrebten Gewinns wegen zahlen, der sich aus der, um diesen Preis gekauften Arbeitskraft herauswirtschaften lässt. Entsprechend nieder bemessen fällt er daher schon immer aus. Das Resultat - während der Lohn am Ende des Monats in aller Regel schon wieder verbraucht ist, sind die Unternehmen reicher geworden. Die Arbeiter vergrößern also den Reichtum, der sie ausbeutet - pardon, der ihnen Arbeit gibt.

 

Mit diesem vergrößerten Reichtum wächst der Anspruch auf seine Vermehrung. Dass sich das Kapital dabei selbst in die Quere kommt, dass sich Unternehmen wechselseitig zunehmend ihre Erfolge streitig machen, ist eine der Schönheiten dieses Wirtschaftssystems. Das ultimative Mittel dieses - von den Parteigängern dieser Wirtschaftsweise selbst so genannten - Konkurrenzkampfes ist der den Arbeitern gezahlte Lohn: Lohndrückerei, Rationalisierung, Intensivierung der Arbeit, all das begleitet von Entlassungen - für die Beigewum keinen Grund kennen will - sind die Konsequenz.

 

Dagegen hält Beigewum unbeirrt daran fest, dass der Gewinn auch ohne seine negativen Konsequenzen zu haben sein müsste. Wenn es trotzdem zu den von ihm selbst aufgezählten negativen Konsequenzen kommt, dann nicht wegen der kapitalistischen Rechnungsweise, sondern deshalb, weil sich die Arbeitnehmer völlig grundlos und auch noch gegen den Schein der Plausibilität all diese Verschlechterungen als im Interesse der Allgemeinheit notwendig einleuchten lassen. Allem was ihnen, den Sozialwissenschaftern des Beigewum, aber bislang so unter dem Titel Allgemeininteresse zu Ohren gekommen ist, müssen sie dieses Attribut versagen:

 

Gegen den Hinweis auf Verteilungsfragen wird oft eingewendet, unternehmensbegünstigende Maßnahmen hätten gesamtwirtschaftlich positive Auswirkungen, die größer seien als der Schaden für einzelne negativ Betroffene…. Auch wenn also Begünstigungen für Unternehmer anderen Bevölkerungsgruppen schaden, würde über den Umweg positiver Arbeitsplatzeffekte dieser Schaden mehr als kompensiert. Wenn das so wäre, dann müssten sich hohe Unternehmensgewinne immer positiv auf die Gesamtwirtschaft auswirken. Das ist aber nicht der Fall.”(S84)

 

Eben. Wenn wenigstens Arbeitsplätze das Ergebnis unternehmerischer Bemühungen wären, dann wüsste auch Beigewum nichts einzuwenden. Wen stört es da schon, dass an diesen Arbeitsplätzen die Massen an Gewinn zustande kommen, die als neue vergrößerte, Anlage suchende Kapitale sich wechselseitig Erfolge streitig machen und so erst recht den Grund für die bemäkelten Verhaltensweisen der Kapitalisten abgeben - Lohndumping, Intensivierung der Arbeit und nicht zuletzt hässliche Rationalisierungen an Stelle von grundvernünftigen Erweiterungsinvestitionen.

 

Von der Vereinbarkeit des Unternehmerinteresses nach Gewinn mit den Arbeitnehmerinteressen überzeugt, will Beigewum den folgenden Befund der Unternehmer nicht gelten lassen, jedenfalls nicht, ohne ihn selbst kritisch geprüft zu haben:

 

Hohe Lohnkosten sind eine der wichtigsten Ursachen für die Probleme auf dem Arbeitsmarkt. Arbeit ist vielfach schlicht zu teuer. Hohe Löhne und Gehälter behindern zum einen die Wettbewerbsfähigkeit heimischer Güter auf den Weltmärkten, sie führen zur Verlagerung der Produktion in Niedriglohnstandorte und zu Arbeitslosigkeit im Inland.”(S48),

 

kurz

 

Arbeit ist zu teuer.

 

Ihre Kritik dieses “Mythos” beginnen die Wissenschafter des Beigewum damit, dass sie dem Anspruch der Unternehmer an für sie tauglichen Löhnen vorweg gleich einmal Recht geben:

 

Tatsächlich sind die Löhne in der westeuropäischen Industrie, die sich dem internationalen Wettbewerb zu stellen hat, relativ hoch.”( S48)         .

 

Wie sich von den bezahlten Löhnen leben lässt, ist auch für die Sozialwissenschafter des Beigewum nicht das Kriterium ihrer Überprüfung. Auch sie kennen andere, offenbar wesentlichere Kriterien dafür, wie hoch ein Lohn sein darf. Auch sie halten es offenbar für selbstverständlich, dass der Lohn sich nicht als Lebensmittel der Arbeitnehmer sondern als Mittel des Gewinns bewähren muss. Sein natürliches Maß hat er demgemäß nicht in den Lebensnotwendigkeiten der mit ihm Beglückten, sondern in der Armut, die andere, konkurrierende Länder bei sich zu Hause schaffen.

 

Trotzdem können sie den von verantwortlicher Seite angestellten Berechnungen nicht Recht geben, die sind nämlich - so ihr Befund - geschummelt:

 

Mit Lohnnebenkosten von 85% des Leistungslohnes nimmt Österreich einen Spitzenplatz ein. .......Allerdings ergibt sich dieser hohe Wert nur dadurch, dass in Österreich durch Konvention das 13. Und 14. Monatsgehalt (”Urlaubs- und Weihnachtsgeld”) zu den Lohnnebenkosten gerechnet werden. Zählt man die beiden fixen Gehaltsbestandteile zum Leistungslohn, so verringert sich die Lohnnebenkostenbelastung auf 57 %, das ist weniger als im EU-Durchschnitt.”(S48)

 

Würde man nur richtig rechnen, würde sich zeigen, dass die Löhne in Österreich im Vergleich zu den Löhnen in den wesentlichen Konkurrenznationen erfrischend nieder(!) und daher in Wahrheit mehr Konkurrenzvor- als -nachteil sind. Dabei ist ein weiterer Umstand noch gar nicht hinreichend berücksichtigt:

 

Für die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Produktion auf den Weltmärkten und dem Produktionsstandort sind nicht die Lohnkosten pro Arbeitsstunde relevant, sondern die Lohnkosten pro erzeugtem Stück (”Lohnstückkosten”)......In der österreichischen Wirtschaft sind die inflationsbereinigten Lohnstückkosten seit 1995 um etwa 9 % gesunken, seit 1980 um 18%. Die Kosten für Arbeit haben sich im Verhältnis zum Wert der hergestellten Güter und Dienstleistungen deutlich verringert. Arbeit wird immer billiger.”(S48)

 

Na dann! Der Anteil der Arbeitnehmer am von ihnen selbst geschaffenen Reichtum ist - und das meinen sie nicht als Kritik - eine beschleunigt abnehmende und daher tendenziell verschwindende Größe! Nachdem sie, wie eingangs dargestellt, dem Anspruch an den Lohn, Mittel des Gewinns zu sein, Recht geben, ist der immer geringer werdende Anteil des Lohns der Arbeitnehmer am von ihnen geschaffenen Reichtum für sie nicht eine Aussage über das Maß des Ausschlusses vom vorhandenen Reichtum und damit ihrer Armut, sondern ein Zurechtweisen der Unternehmer nach dem Motto: “Klappt doch alles prima!” Eine solche Leistungsbilanz kapitalistischen Wirtschaftens, ist nur für solche Leute keine Kritik dieser Wirtschaftsweise, die Konkurrenz und Wettbewerb - die sind nun mal ohne die genannten negativen Konsequenzen für die Arbeitnehmer nicht zu haben - für die natürlichste Sache der Welt halten.

 

Wenn Beigewum angesichts der von ihm aufgezeigten Entwicklung der Löhne doch noch nachdenklich wird: “Von Löhnen sollen die Menschen ja auch leben können.”(S50) schreiben sie, dann weniger der Menschen, sondern ihrer guten Meinung von der Marktwirtschaft wegen:

 

Denn wäre möglichst viel Beschäftigung, egal zu welchen Arbeits- und Entlohnungsbedingungen, das Ziel, dann wäre letztlich die Sklavenwirtschaft die beste Wirtschaftsform.”(S50)

 

Löhne, von denen man nicht leben kann, das kann doch unmöglich gewollt sein, würde Beigewum doch sonst noch der Unterschied zur Sklavenwirtschaft abhanden kommen und das könnte doch glatt seine gute Meinung von der Marktwirtschaft in Rutschen bringen! Na dann! Allzu groß ist diese Gefahr freilich nicht, denn Beigewum ist sich sicher, dass auch die Unternehmer eine solche Entwicklung gar nicht wollen können:

 

Niedrige Konsumausgaben verschlechtern auch die Absatzerwartungen der Unternehmen und damit die Investitionen. Lohnsenkungen erweisen sich für die Europäische Union als gefährliche Strategie. Sie führen zu einem Rückgang der Nachfrage und einem Verlust an Arbeitsplätzen.”(S51)

 

Löhne sind Kaufkraft, zu niedrige Löhne schaden demgemäß nicht nur(!) den Arbeitnehmern, sondern und vor allem den Absatzerwartungen der Wirtschaft. Ein bodenloses Fallen der Löhne kann doch daher auch den Unternehmern nicht Recht sein. Wo kommen dann bloß die prekären Beschäftigungsverhältnisse her?

 

Nachdem die Wissenschafter von Beigewum die Sorge um die Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Wirtschaft und ihre gute Meinung über kapitalistisches Wirtschaften dermaßen erfolgreich in Übereinstimmung gebracht haben, können sie sich in ihren weiteren Betrachtungen über die Gefahren, die dem Wirtschaftsstandort drohen - in ihrer Kritik, der von ihnen in den Rang eines Mythos erhobenen Aussage “Ohne Reform ist der Wirtschaftsstandort in Gefahr” - auf den Standpunkt stellen, unser Name ist Hase, wir wissen eigentlich gar nicht richtig, was das sein soll - Wettbewerbsfähigkeit. So was halten sie dann nicht als Kundgabe ihres Unwissens sondern glatt noch für eine Kritik von dem was Regierungen tagtäglich so machen.

 

Ohne Reformen ist der Wirtschaftsstandort in Gefahr - “Wenn keine radikalen Reformen eingeleitet werden, ist die Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes als Wirtschaftsstandort in Gefahr. Um im internationalen Ranking vorne zu bleiben, führt kein Weg daran vorbei, Unternehmenssteuern zu senken, Regulierungen abzubauen, Lohnkosten zu senken etc.” (S83)

 

Dagegen Beigewum:

 

Der Begriff “Wettbewerbsfähigkeit” ist auf Unternehmensebene üblich – Firmen werden von ihren Eigentümern vorwiegend gegründet, um Gewinne zu erwirtschaften, und sie müssen sich im Wettbewerb bewähren. Die Übertragung des Begriffs auf eine ganze Volkswirtschaft und die stillschweigende Annahme, es gebe eine klare Unterscheidung zwischen “wettbewerbsfähigen” und “nicht wettbewerbsfähigen” Staaten, ist jedoch problematisch.

 

a.        

Also so stellen sich die Autoren des Buches die Gegenargumentation gegen den von ihnen behaupteten Mythos über die Wirtschaftpolitik vor: Kann man den Begriff der Wettbewerbsfähigkeit so einfach von der Unternehmensebene auf eine ganze Volkswirtschaft übertragen, lautet die Frage, die sie stellen. Eines ist damit schon klar: Eine korrekte Auskunft darüber, was österreichische Regierungsvertreter bezwecken, wenn sie Reformen zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft auf die Agenda setzen, ist von Beigewum nicht mehr zu erwarten.

 

Wenn die Regierenden von der Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen und der europäischen Wirtschaft reden - etwa Bartenstein beim EU-Rat für Wettbewerbsfähigkeit in Cardiff, auf der Homepage des Wirtschaftsministeriums mit folgenden Worten zitiert: “Der Standort Österreich ist ein international begehrtes Investitionsziel”, ”Die Reform des Regulierungswesens, um die Bürokratie abzubauen, sei ein wichtiges Werkzeug, um Europas Wettbewerbsfähigkeit zu stärken, so Bartenstein” – dann soll man sich nicht über das Warum und Wozu einer Wirtschaftspolitik schlau machen, die in einer Reform des Regulierungswesens und in einem Abbau der Bürokratie ein geeignetes Mittel zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit Europas in der internationalen Konkurrenz sieht.

 

Wenn die staatlichen Machthaber mit ihren Reformmaßnahmen den Bürger vorbuchstabieren, was im Namen der Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft auf der Tagesordnung steht, dass der Wirtschaftsstandort Österreich und die Wettbewerbsfähigkeit Europas insbesondere die Finanzierung des Lebensunterhalts der arbeitenden Menschheit nicht - zumindest nicht mehr im bisherigen Umfang - verträgt und die Löhne daher gesenkt gehören, dann soll man sich nicht Klarheit über die Zwecke und Notwendigkeiten einer Wirtschaftsweise verschaffen, deren Erfolg sich tagtäglich als unverträglich mit den Lohninteressen der arbeitenden Bevölkerung erweist, sondern sich stattdessen deren Schädigung als Resultat der Übertragung einer unpassenden Begrifflichkeit von Wettbewerbsfähigkeit einleuchten lassen.

 

b.       

Das - einen Begriff von Wettbewerbsfähigkeit von der Ebene der Unternehmen auf das Verhältnis ganzer Volkswirtschaften übertragen - machen Politik und Wirtschaft aber mit Garantie nicht. Gerade weil Wirtschaftspolitiker wie Bartenstein darum wissen, dass der Erfolg des weltweit tätigen Kapitals und der Nutzen ihrer jeweiligen Standorte, nicht automatisch zusammenfallen, sind dieselben Staaten, die mit aller ihnen zu Gebote stehenden Gewalt überhaupt erst dafür sorgen, dass dem Kapital die ganze Welt als Sphäre seines Geschäftes offen steht, ständig darum bemüht, in Gestalt günstiger Unternehmenssteuern, niedriger Lohnnebenkosten, sozialem Frieden usw. - zum Schaden der Arbeitnehmer - jene Standortbedingungen zu schaffen, die ihren einseitigen, gegen ihresgleichen gerichteten Vorteil aus dem Wachstum des internationalen Kapitals garantieren sollen.

 

c.        

Sich diese Taten von Politik und Wirtschaft als Resultat einer - problematischen - Übertragung eines Begriffs von Wettbewerbsfähigkeit zurechtzulegen, ist einzig und allein die Leistung von Beigewum. Damit unterstellt er stillschweigend, so als ob dies die größte Selbstverständlichkeit und jedes weitere Argument überflüssig wäre, dass es für die von ihm zitierten Maßnahmen - die Senkung der Unternehmenssteuern, Lohnkostensenkungen, Deregulierungen usw. - keinen objektiven Grund in den Zwecken der kapitalistischen Ökonomie und der auf ihren nationalen Ertrag berechneten Politik gäbe, sondern nur dadurch zu erklären wären, dass die Regierung einer der Welt der Konkurrenz von Unternehmen entlehnten irrigen Sichtweise Recht geben würde. Sosehr ist er von der Vernünftigkeit kapitalistischen Wirtschaftens und den im Grunde guten Absichten der Politik überzeugt, dass er sich eine derartige in den Zwecken von Politik und Wirtschaft begründete Notwendigkeit einfach nicht vorstellen will. Wenn es - und um diese Feststellung kommen auch die Sozialwissenschafter des Beigewum nicht herum - trotzdem zur Schädigung der Arbeitnehmer kommt, dann keinesfalls wegen des Kapitalismus und einer Politik, die auf seinen nationalen Ertrag als ihr Mittel setzt, sondern höchstens als Resultat eines unsachgemäßen, eines wissenschaftlich nicht zu begründenden Umgangs mit ihm. Statt der Politik mit dem Nachweis entgegenzutreten, dass ihre Zwecke und das Wohlergehen der Arbeitnehmer sich ausschließen, wenden sie sich mit ihrer Antikritik gegen all jene, die eine derartige Notwendigkeit behaupten. Gegen alle diesbezüglichen Klarstellungen auch und gerade seiner Repräsentanten bestehen sie auf ihrem Bild von der Sozialverträglichkeit des Kapitalismus.

 

Auf Basis ihres Vorurteils, die negativen Wirkungen der nationalen Wirtschaftspolitik wären nur als Resultat der Übertragung eines Begriff von Wettbewerb zu interpretieren, dreht sich die weitere Beweisführung von Beigewum nur noch um eines, darum nachzuweisen, dass dieser Begriff keine geeignete Richtschnur für politisches Handeln abgibt, weil er nicht zur praktizierten internationalen Wirtschaftspolitik passt.

 

Zur vorab feststehenden Beweisabsicht passend die Details der weiteren “Beweisführung”. Wahllos trägt Beigewum alles mögliche aus dem Schatzkästlein der Volkswirtschaftslehre zusammen, was für diesen Beweis taugt. Die Welt der internationalen Politik auch nur zur Kenntnis zu nehmen, ist dafür nicht mehr nötig und wäre der Beweisabsicht wohl auch mehr ab- als zuträglich.

 

Die “wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Staaten” seien “kein Nullsummenspiel…, sondern führen in der Regel zu Wachstum, von dem alle Beteiligten profitieren können.

 

Nicht dass die Wissenschafter des Beigewum wüssten, worum sich der internationale Handel und Wandel dreht. Das behaupten sie im Grunde noch nicht einmal selbst. Dieses Unwissen hindert sie aber nicht daran, sich sicher zu sein, dass von ihm alle beteiligten Staaten profitieren können. Der wirklichen Welt des internationalen Geschäftes können sie - wie im übrigen noch das Modalverb “können” verrät - diese Erkenntnis nicht entnommen haben. Schon die oberflächlichste Betrachtung zeigt ganz im Gegenteil, dass einer Handvoll Siegern in der internationalen Konkurrenz die große Mehrzahl der Verlierernationen gegenübersteht.

 

Der Begriff nationale Wettbewerbsfähigkeit”, heißt es weiter, sei auch deshalb von “unklarer Bedeutung”, weil “ein Staat und seine Bevölkerung … nicht “Pleite machen” und vom Markt verschwinden” können.

 

Wenn es denn so ist, dass es im Verhältnis von Staaten tatsächlich nicht zu Pleiten kommt - sogar darüber wäre noch nachzudenken, wenn man an den Zustand so manchen afrikanischen Staates oder an die diversen Auflagen des IWF zur Abwendung eines Staatsbankrottes denkt -, folgt daraus doch nur eines - die Standortkonkurrenz von Staaten hat einen anderen Inhalt und gehorcht demgemäß anderen Gesetzen als die Konkurrenz von Unternehmen. Eines folgt daraus aber niemals, dass der Begriff nationale Wettbewerbsfähigkeit von unklarer Bedeutung sei.

 

Während in Unternehmen meist klare Befehlshierarchien und das Leitbild der Gewinnerzielung herrschen, haben moderne Staaten den Anspruch demokratischer Willensbildung und folgen einer Vielfalt von Zielen, die über den wirtschaftlichen Erfolg hinausgehen.

 

Die österreichische Regierung verordnet mittels ganz und gar nicht unklarer Befehlshierarchien eine Absenkung von sozialstaatlichen Leistungen, neue Freiheiten fürs Kapital, Steuersenkungen für Unternehmen, Innovationsoffensiven, Elite‑Unis usw., um Österreich zu einem unschlagbaren Angebot für alle anlagewilligen – sprich auf Gewinnerzielung ausgerichtete - Kapitalisten der Welt zu machen. Was soll man sich als von Beigewum aufgeklärter Bürger, dessen Lohn immer weniger für ein ordentliches Auskommen reicht, dazu denken? Sozialstaatskürzungen, immer flexiblere Arbeitszeiten, Unternehmenssteuersenkungen usw. nichts als lauter Resultate einer fehlerhaften Wirtschaftspolitik, einer Wirtschaftspolitik die quasi drauf los reformiert, bevor geklärt ist, was Wettbewerbsfähigkeit einer Volkswirtschaft überhaupt zu bedeuteten habe.

 

d.       

Verfehlt ist die Sorge um die ”nationale Wettbewerbsfähigkeit” daher insbesondere deshalb, weil sie Interessenkonflikte ausblendet und ein homogenes nationales Interesse unterstellt. Jede Maßnahme zur Erhöhung der ”Wettbewerbsfähigkeit” hat Vor- und Nachteile, es gibt praktisch keine wirtschaftspolitische Entscheidung ohne Zielkonflikte. Und alle wirtschaftspolitischen Maßnahmen wirken sich auf die Verteilung zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen aus: Eine Unternehmenssteuersenkung bringt z.B. Vorteile für die betroffenen Unternehmen, aber Einnahmenausfälle für den Staat, unter denen andere Gruppen zu leiden haben, weil sie entweder durch neue Steuern diese Einnahmenausfälle kompensieren müssen oder von der durch die Einnahmenausfälle notwendig gewordenen Senkung der Staatsausgaben betroffen sind.” (S9)

 

Weil es kein homogenes Interesse gibt, soll es gleich überhaupt keinen nationalen Standpunkt in den Angelegenheiten internationaler Wirtschaftspolitik mehr geben. Dieser Schluss ist ebenso kühn wie unsinnig. In Wahrheit folgt daraus nur eines, dass das nationale Interesse, weil es gegen alle ihm entgegenstehenden konkurrierenden Sonderinteressen durchgesetzt sein will, eine Sache ist, die ohne überlegene Gewalt nicht zu haben ist.

 

Wenn der Staat sich für das nationale Wirtschaftswachstum einsetzt, blendet er diese Interessensgegensätze schon allein deswegen nicht aus, weil überhaupt erst er für ihre Existenz sorgt. Indem er seinen Bürgern Gleichheit, Freiheit und Privateigentum garantiert, verpflichtet er sie darauf, die ausschließende Verfügung über den Reichtum der Gesellschaft anzuerkennen und zum Prinzip ihres ökonomischen Handelns zu machen. Damit setzt er eine kapitalistische Ökonomie durch, in der die Abhängigkeit der Individuen in der Produktion des gesellschaftlichen Reichtums so organisiert ist, dass sie sich in der Verfolgung ihrer Interessen wechselseitig die Teilnahme am Reichtum bestreiten.

 

Weil er im Wachstum des Kapitals sein eigenes ökonomisches Mittel hat, verhält er sich zu den von ihm eingerichteten Gegensätzen der Konkurrenz und der Klassen auch noch positiv. Privateigentümern ebenso wie vom Privateigentum Ausgeschlossenen zwingt er auf, sich - durch die wechselseitige Benützung - in der Konkurrenz ihre Einkommen so zu verschaffen, dass in dieser Verfolgung ihrer Interessen, nicht bloß ihr Privateigentum, sondern das Kapital insgesamt vermehrt wird.

 

Weil das wirtschaftliche Wachstum mit der Vermehrung des Kapitals, mit der produktiven Nutzung des Privateigentums zusammenfällt, ist Wirtschaftspolitik eine einfache und höchst einseitige Angelegenheit. Während ihm an seinen Maßnahmen zur Erhaltung der Lohnarbeiter immer auffällt, dass sie Kosten sind, die den nationalen Reichtum vermindern, gilt es die Unternehmen nach Möglichkeit zu entlasten. Als ganz eigennützig berechnender Steuerstaat schont er konsequenterweise das private Kapital und seine Gewinne beim Steuerabzug, damit es wächst und er sich um so besser an seinem Wachstum beteiligen kann. Die Gegenfinanzierung solcher Steuersenkungen, wie es im staatlichen Jargon dann heißt, und deren Notwendigkeit offenbar auch den Leuten von Beigewum einleuchtet, ist für ihn dann keine offene Frage. Keine Rede daher von einem Konflikt mehrerer gleichrangiger Ziele des Staates.

 

Damit löst sich auch das von Beigewum formulierte und mit “Lobbying” mehr ver- als erklärte Rätsel, warum es eigentlich manchen Unternehmern immer wieder gelingt, ihrem Interesse im Namen des Erfolgs der Nation Geltung zu verschaffen, während im staatlichen Angebot für die Arbeitnehmer immer nur Verschlechterungen zu finden sind.

 

Ob ein Sachverhalt als gut oder schlecht eingestuft wird, hängt von der Interessenlage ab. Aber im politischen Lobbying wird ein ”nationales Interesse” gern als unterstützendes Argument vorgeschützt und behauptet, dass das, was für manche Unternehmen gut ist, automatisch auch für die gesamte Volkswirtschaft gut sei.” (S9)

 

Wenn Unternehmer vom Staat wirtschaftspolitische Maßnahmen zur Mehrung ihrer Mittel verlangen, dann tun sie das in der Gewissheit, dass sie die Repräsentanten des Reichtums der Nation sind. Gegenüber den Arbeitnehmern können sie sich auf den stummen Zwang der Verhältnisse verlassen, dass Arbeitnehmer aus ihrer Abhängigkeit von ihrem Arbeitsplatz sich das Wohlergehen des Unternehmens zum Anliegen machen. Und daran wollen die Autoren auch gar nichts ändern.

 

Recht eigentlich erteilen die Autoren also überhaupt keinem ökonomischen Zweck in der Marktwirtschaft eine Absage –“Gewinnerwirtschaftung in Unternehmen”, “Wettbewerbsfähigkeit auf Unternehmensebene”, usw. – klare Sachen und nicht weiter zu hinterfragen!

 

So auch in puncto nationale Wettbewerbsfähigkeit. Nie war deren Problematisieren als Absage gemeint. Auch für kritische Sozialwissenschafter ist es das Normalste von der Welt, sich um das Funktionieren der nationalen Wettbewerbsfähigkeit zu kümmern. Bloß wissenschaftlich fundiert sollte der nationale Standpunkt halt sein, und da müssen sie gerade als Sozialwissenschafter, die sie sind, feststellen, dass theoriemäßig betrachtet einiges im Argen liegt:

 

Die Faktoren, die als Bedrohung der Wettbewerbsfähigkeit bezeichnet werden, ändern sich im Zeitablauf und in Abhängigkeit davon, wer sich gerade dazu äußert: zu hohe Lohn(neben)kosten, zu hohe Steuern und zu viele Regulierungen sind häufig darunter. Aber von keinem einzigen dieser Faktoren kann behauptet werden, er sei die entscheidende Determinante von “Wettbewerbsfähigkeit”.”(S10)

 

Wenn es um Wettbewerbsfähigkeit geht, wäre nämlich erst noch herauszufinden, welche Faktoren dafür entscheidend sind:

 

Eine seriöse Vorgehensweise würde einen theoriegeleiteten Zugang zu der Frage erfordern, welche Faktoren einen Staat ”wettbewerbsfähig” machen.”(S12)

 

Schließlich haben die Arbeitnehmer doch ein Recht darauf, sich nur den Sachnotwendigkeiten beugen zu müssen, die den Namen Notwendigkeit auch wirklich verdienen.

 

Resümee

 

Was weiß man nun als von Beigewum aufgeklärter Leser? Ob Lohnkostensenkung, Senkung der Unternehmenssteuern, Deregulierung für die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft notwendig sind, ist noch gar nicht wissenschaftlich erwiesen! Auch kritische Sozialwissenschafter kümmern sich selbstverständlich um das Funktionieren der Wettbewerbsfähigkeit. Die Wirtschaft – ihre kapitalistische Verfasstheit - ist außer Streit gestellt. Nicht der Anspruch auf Erfolg dieser Wirtschaft soll bestritten, sondern ein Diskurs darüber geführt werden, ob es denn wirklich die Lohnkostensenkung ist, die den Erfolg der Wirtschaft begründet, wo es doch noch so viele andere Indikatoren gibt. Wirtschaftspolitik ist einfach verdammt kompliziert:

 

Wirtschaftspolitik findet immer unter Unsicherheit statt: Über viele Wirkungszusammenhänge gibt es unter den verschiedenen ökonomischen Denkschulen keine Einigung, für viele empirische Nachweise fehlen die Daten, viele Entscheidungen müssen auf der Grundlage bloßer Prognosen oder Vermutungen für die Zukunft getroffen werden, und jede Maßnahme erzeugt Gewinner- und VerliererInnen. Unter diesen Bedingungen kann die Mobilisierung und Einbeziehung des Wortes und der Meinungen möglichst vieler Beteiligter nur zur Verbesserung der Entscheidungen beitragen.”(S46)

 

Dort wo die Regierenden hierzulande und europaweit ihre eigene sozialstaatliche Lüge vom Profit, der einen Lohn aushält, von dem man leben kann aus dem Verkehr ziehen, praktisch klarstellen, dass sich Profit und Lohn eben sehr grundsätzlich nicht vertragen, treten die Sozialwissenschafter des Beigewum mit einem Buch an die Öffentlichkeit, in welchem sie die tatsächliche Wirtschaftspolitik zu einer schlechten Lösung einer prinzipiell guten, aber schwierigen Aufgabe verfabeln. Deren Entscheidungen wollen sie verbessern. Diese bessere Wirtschaftspolitik durch Einbeziehung einer möglichst breiten Bevölkerung, der sie das erforderliche Rüstzeug an die Hand geben wollen, muss wie selbstverständlich all den Kriterien genügen, die man schon von Seiten der offiziellen Politik kennt - aber eben mit der nötigen wissenschaftlichen Sorgfalt reflektiert: das Kapital muss im Land gehalten werden, die Arbeitskosten dürfen nicht zu hoch und der Staatshaushalt muss in Ordnung sein. Für all das soll man sich aber zugleich die von der derzeitigen Politik getroffenen Maßnahmen als gar nicht notwendig vorstellen. Jedenfalls solange noch nicht ausreichend wissenschaftlich geklärt ist, ob sie wirklich notwendig sind.

 

Mit diesem – mit lauter falschen Argumenten begründeten – Vorurteil ausgestattet, soll die Bevölkerung laut Beigewum verstärkt “an wirtschaftspolitischen Debatten und Entscheidungen”(S8) teilnehmen.

 

Jetzt kann zwar niemandem – auch nicht den Sozialwissenschaftern von Beigewum – entgangen sein, dass wirtschaftspolitische Entscheidungen zu treffen, tatsächlich nicht Sache der Bevölkerung ist. Immer noch ist es die Regierung, die im Verein mit den gewählten Parlamentariern alle maßgeblichen politischen Entscheidungen trifft und auch in Zukunft keine Bürgerforen oder gar Volksabstimmungen zu den nächsten Sozialstaatsreformen abhalten wird. Und auch in den Betrieben kennt jeder seinen Chef.

 

Kein Arbeitnehmer irrt sich daher, wenn er wirtschaftspolitische  Entscheidungen nicht für seine Sache hält. Soweit kennt er seine Rolle, die ihm in der Marktwirtschaft und der Demokratie zugewiesen ist - für fremden Reichtum zu arbeiten und in periodischen abgehaltenen Wahlen des demokratischen Führungspersonals seine Zustimmung zu all dem abzugeben. Das Programm, das die neue Regierung dann umsetzt, steht sowieso vor und nach der Wahl fest, da hat der Wähler nichts mehr zu melden.

 

All dies hindert Sozialwissenschafter vom Schlage Beigewums nicht daran, sich Marktwirtschaft und Demokratie als ihre bessere Möglichkeit vorzustellen.

 

All jene, die von der Unversöhnlichkeit der Lebensinteressen der arbeitenden Bevölkerung mit dem Erfolgsweg der Nation nichts wissen wollen, werden dieses Buch als Bestätigung ihres Weltbildes genießen – insofern hat der Untertitel des Buches “Anleitung zur geistigen Selbst(!)verteidigung in Wirtschaftsfragen” durchaus seine Berechtigung.

 

Diejenigen aber, die sich erklären wollen, was da wächst, wenn sie für Wirtschaftswachstum in den Dienst genommen werden, die wissen wollen, warum steigender Reichtum im Kapitalismus zwingend mit mehr Armut einher geht, die sind auf unserer Homepage http://www.gegenargumente.at besser aufgehoben.

 



[1] Zum BIP siehe unsere Sendung vom 7.10.2003: “Wenn der Kurier seinen Lesern die Wirtschaft erklärt….”