Seit 1.Februar ist das Schatzkästlein der sozialstaatlichen Verwaltung von Arbeitslosen um eine Facette reicher geworden - den Kombilohn für gering bezahlte Jobs. Ihren Namen hat diese Lohnform daher, dass das vom Arbeitgeber gezahlte Entgelt mit einem staatlichen Zuschuss „kombiniert“ wird. Der/die Arbeitnehmer/in erhält zusätzlich zu seinem/ihrem Einkommen aus der beruflichen Tätigkeit für die Dauer maximal eines Jahres einen Lohnzuschuss in Höhe von maximal der Hälfte des zuletzt gebührenden Arbeitslosengeldes beziehungsweise der zuletzt gebührenden Notstandshilfe, wobei die maximale Höchstgrenze von Bruttoentgelt aus dem Arbeitsverhältnis und Förderung 1.000 € beträgt. Auch der Arbeitgeber bekommt eine „Kombilohnbeihilfe“ von rund 15% des Bruttoentgelts. Während Wirtschaftskammer-Präsident Leitl das Kombilohnmodell als „neue Zukunfts-Chance für jüngere und ältere Langzeitarbeitslose” begrüßt, sieht Ex-ÖGB-Präsidendt Fritz Verzetnitsch im Kombilohn „kein Allheilmittel” sondern „eher eine “Beruhigungspille”, „mit der aber keine Arbeitsplätze geschaffen würden.” Die wahren Schönheiten des neuen Modells geraten ob solcher Debatten leider ein wenig aus dem Blick.
Dass die Regierung aus Sozialstaatsgeld die Löhne von Arbeitern erhöht, ist eine eher ungewöhnliche Aktion. Gewöhnlich nimmt der Sozialstaat seinen aktiven Arbeitnehmern ein Viertel bis die Hälfte dessen weg, was sie verdienen. Natürlich nur für einen guten Zweck: Er teilt den Lohnabhängigen ihren Lohn ein. Fürs ganze Leben muss und soll er reichen, also auch für Zeiten, in denen der Einzelne nicht – mehr – gebraucht wird oder nicht – mehr - kann; dementsprechend wird gesetzlich Geld konfisziert und bedarfsweise zugeteilt. Und das gleich so, dass die besondere volkswirtschaftliche Gesamtrechnung des kapitalistischen Sozialstaats aufgeht und der national gezahlte Gesamtpreis für lohnende Arbeit am Wirtschaftsstandort gleich für die gesamte lohnabhängige Bürgerklasse reicht, einschließlich ihrer jeweils nicht benutzten Teile. Mit Zwangsabzügen vom Gesamtlohn und deren sinnreicher Umverteilung verfertigen die Sozialkassen aus dem Kostenfaktor Lohn einen Lebensunterhalt für Lohnempfänger – der dann entsprechend aussieht. Das ist die herkömmliche Regel.
Mit dem Kombilohn wird – so könnte man im ersten Moment glauben – ungefähr das Gegenteil eingeführt: Was der Sozialstaat normalerweise vom Lohn abzieht, legt er jetzt aufs Arbeitsentgelt drauf. Freilich nur auf ein solches, das nicht bloß endgültig zu gering ist, sondern das auch er ganz offiziell für zu gering befindet, um - wenn überhaupt - weiter zu reichen als von einem Arbeitstag oder –monat zum nächsten. Das tut er allerdings nicht, weil er mit dem Elend von Leuten, die derart „von der Hand in den Mund“ leben, ein Einsehen hätte. Für diejenigen, die es schon bisher schaffen mit einem derart elendigen Lohns zurechtzukommen, darf sich keinesfalls was ändern. Arbeitsplätze an denen der gezahlte Lohn nicht oder jedenfalls kaum zum Leben reicht, sollen keinesfalls abgeschafft, sondern ganz im Gegenteil in den Rang eines neuen Normalfalls in die wohl geordnete österreichische Arbeitswelt eingeführt werden. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit ist nämlich mit der bisherigen Situation am Arbeitmarkt unzufrieden:
„Laut AMS gibt es ein Potential von bis zu 5.000 offenen Stellen, die nicht besetzt werden können, weil dort zu wenig Lohn bezahlt wird.”, kann man in einem Informationsblatt des BM für Wirtschaft und Arbeit nachlesen.
Was an Arbeitsplätzen zustandekommt und was an denen zu verdienen ist, entscheidet die Wirtschaft und zwar einzig nach dem Kriterium des lohnenden Geschäftes. Umgekehrt ist es für die Wirtschaft kein Kriterium, ob und wie der potentielle Arbeitsplatzbesitzer von dem, was es an dem ihm angebotenen Arbeitsplatz zu verdienen gibt, auch leben kann. Das geht die Wirtschaft einfach nichts an.
Auf ca. 5000 Stellen schätzt das Arbeitsmarktservice(AMS) den Bedarf der Wirtschaft an Stellen, die - würden sie zu den von der Wirtschaft gebotenen Bedingungen besetzt - sich zwar rentieren, nicht aber ihren Mann bzw. ihre Frau ernähren würden, die es demgemäß also schlicht deshalb, weil Arbeitnehmer gar nicht darauf verzichten können, vom Verdienten auch leben zu müssen, gerade nicht gibt - auch nicht potentiell.
Dieses praktische Urteil will die Regierung so nicht gelten lassen. Indem sie diese Arbeitsplätze als potentielle Arbeitsplätze - als Arbeitsplätze, die es geben könnte - klassifiziert, besteht sie auf der umgekehrten Lesart. Statt Arbeitsplätze, die sich gerade nicht rentieren, wenn und sofern ein Lohn gezahlt wird, von dem der stolze Besitzer des Arbeitsplatzes wenigstens schlecht und recht leben können soll, entdeckt sie Arbeitsplätze, die sich schon rentieren würden, die aber trotz eines Heeres von arbeitslos Gemachten nicht besetzt werden können - weil und solange die Arbeitnehmer auf ihrem - damit für obsolet erklärten - Anspruch auf einen solchen Lohn bestehen können.
Diesem Hindernis tritt sie mit dem Kombilohn entgegen: Arbeit für ein Entgelt, das eingestandenermaßen nicht zum Leben reicht, nämlich den im Sozialkassensystem vorgegebenen Mindeststandards nicht genügt, wird zu einer vollständig hinreichenden Erwerbsquelle aufgerüstet und so als neuer Normalfall von Lohnarbeit in Österreich etabliert. Damit wird ein neuer Typus Arbeitnehmer konstruiert: ein Arbeitnehmer, der sich damit bescheíden muss, für ein Einkommen zu arbeiten, mit dem er trotz Arbeitsplatzbesitzes und Einkommens aus dieser Tätigkeit praktisch mittellos dasteht und auf ein Almosen angewiesen ist, welches der Sozialstaat gnädig in Form eines Lohn-Zuschusses aus den - von den Arbeitnehmerbeiträgen gespeisten - Sozialkassen gewährt.
Arbeitnehmer, die an ihrem Arbeitsplatz Mehrwert schaffen und ihre Anwender reicher machen, werden dergestalt zu Almosenempfängern. Vorstellen soll man sich das aber genau andersherum, als eine gelungene Idee, von der alle profitieren: die Arbeitgeber, die Dank Lohnsubvention und Lohnnebenkostenzuschuss nicht länger auf ihren Angeboten an Billigjobs sitzen bleiben, die Arbeitslosen. die - obwohl sie von ihrer Hände Arbeit nicht leben können - dies Dank eines Zuschusses dann doch können, und, nicht zu vergessen, die Arbeitslosenkasse, die Geld spart.
Nun ist das Eine ganz bestimmt nicht neu: dass den Sozialstaat jede Ausgabe schmerzt, die er für den Lebensunterhalt von ungenutzten Arbeitskräften tätigt, und dass er das Geld viel lieber in einen produktiven Beitrag zum Bruttosozialprodukt stecken würde. Deswegen schützt er seine Sozialversicherungen seit jeher durch einen Haufen restriktiver Regelungen vor leichtfertiger Inanspruchnahme. Dabei ist er aber in den alten Tagen seines Auf- und Ausbaus wie selbstverständlich immer davon ausgegangen, dass Arbeitslose, dienstuntaugliche Alte und Invalide zu den Segnungen einer florierenden Marktwirtschaft einfach dazugehören, das anfallende Elend also „sozialverträglich“ verwaltet werden muss. Diesen schlichten Zusammenhang: dass Leute ein Minimum an Geld kriegen müssen, wenn sie keines verdienen, lässt jene innovative Arbeitsmarktpolitik, auf deren Mist der Kombilohn gewachsen ist, nun nicht mehr gelten.
„Arbeitslose geben an, … die Differenz zur Passivleistung der Arbeitslosenversicherung ist zu gering, um zur Annahme der Beschäftigung (im Niedriglohnbereich) zu motivieren“,
heißt es in dem Informationsblatt des BM für Wirtschaft und Arbeit zum Kombilohn. Nicht dass der Sozialstaat sich bisher auf die Befindlichkeit der Arbeitnehmer verlassen hätte. Deren Motivation hat er schon immer mit der Senkung des Arbeitslosengeldes und der daran gekoppelten Notstandshilfe, der Beschränkung familienbezogener Leistungen und allerlei in den letzten Jahren zunehmend restriktiver werdender Bedingungen wie der Verschärfung von Zumutbarkeitsbestimmungen, der Verlängerung der Anwartschaftszeiten für den Bezug von Arbeitslosen- und Notstandshilfe und dergleichen, an deren Erfüllung der Arbeitslosen- bzw. Nostandshilfebezug gebunden ist, auf die Sprünge geholfen. Jetzt ist er damit aber nicht mehr zufrieden und hat sich demgemäß entschlossen, die Sache grundsätzlich neu zu bewerten. Er lässt seinen bisherigen Befund, die Arbeitslosen brauchen Geld, um trotz Einkommenslosigkeit über die Runden kommen und als Arbeitskräfte weiterhin zur Verfügung stehen zu können, nicht mehr gelten. Hatte sein Urteil bisher gelautet, die Arbeitslosen brauchen und kriegen Geld, weil sie arbeits- und damit einkommenslos sind, so beurteilt er denselben Sachverhalt jetzt genau umgekehrt. Sie haben keine Arbeit, weil sie Hilfe kriegen. Sie verdienen kein Geld, weil sie vom Staat welches kriegen – fürs Nichtstun, wie der dumme Spruch dazu heißt. Arbeitslosigkeit, unproduktives Elend, so die Idee, bräuchte es nicht - jedenfalls nicht im derzeitigen Ausmaß - zu geben, wenn das AMS das bisher aufgewandte Geld statt wie bisher in unproduktive in produktive Armut stecken würde.
a.
Dass kapitalistische Arbeitgeber keine Arbeit geben, weil sie ihnen zu teuer ist, darüber sind sich Staat und Wirtschaft einig - da kann die österreichische Wirtschaft in der internationalen Konkurrenz noch so gut dastehen. Dass kapitalistische Unternehmen die benutzte Arbeit immer rentabler gestalten und deswegen immer produktiver machen, dass sie sich dabei zunehmend auch von der Qualifikation der Arbeitnehmer unabhängig machen, mit dem Resultat, dass der Anteil der aktiven Arbeitsmannschaft am wachsendem Ausstoß am produzierten Reichtum ständig abnimmt und zugleich das Heer der überflüssig gemachten und verschlissenen Arbeiter ständig zunimmt und die Sozialkassen belastet, gilt ihnen als schlagender Beweis dafür, dass die Ausgemusterten mit ihrem Lebensunterhalt die Unternehmer zu viel gekostet haben – hätten sie ihn sonst verloren?!
Sich die Lage der Wirtschaft einmal so zurecht gelegt, ist die passende Antwort auf das Problem der Arbeitslosigkeit klar. Der Lohn - vor allem der Lohn im Niedriglohnbereich - ist zu hoch und muss runter! An dieser Stelle gerät dann Politikern und Sozialexperten doch auch noch die andere Seite des Lohns ins Blickfeld - der Lohn ist eben nicht nur Mittel des Gewinns; nicht nur der Preis dieser sich glücklicherweise am Markt einfindenden Ware Arbeitskraft, die gegen Lohnzahlung den Reichtum der Unternehmer erhält und vermehrt; nicht nur die Kaufkraft, die den Unternehmern ihre Waren versilbert, auf dass das Wachstum der Wirtschaft auch von dieser Seite gewährleistet ist. Nein, der Lohn ist auch, um nicht zu sagen leider, das Lebensmittel derjenigen, die ihn kriegen. Noch dazu das einzige!
Triebfeder dieser Betrachtung ist natürlich nicht die Sorge um die Damen und Herren Arbeitnehmer. Umgekehrt verhält es sich. Dass der Lohn ihren Mann auch noch ernähren soll, gilt der Politik als eine, wenn nicht sogar als die entscheidende Schranke ihres Programms, Langzeitarbeitslose, ältere und jüngere Arbeiter wieder bzw. endlich in Arbeit zu bringen.
Das Problem einmal so gefasst, liegt seine Lösung auf der Hand. Die Politik braucht sich nur an den Zweck der von ihr eingerichteten Arbeitslosenkasse zu erinnern. Arbeitern wird schon bisher während ihrer beruflich aktiven Zeit ein Teil ihres Lohnes abgezogen und einer eigenen Kasse zugeführt, die durch knapp bemessene Auszahlungen dafür sorgt, dass auch diejenigen Mitglieder der Arbeiterklasse sich über Wasser halten können, für die das Kapital gerade keine Verwendung hat. Die aktiven Arbeitnehmer werden dabei mit ihrem Lohn für die Erhaltung der Brauchbarkeit der Arbeiterklasse insgesamt haftbar gemacht.
Diese Haftung dehnt der neu eingeführte Kombilohn nun aus und macht die Arbeiterklasse nicht mehr bloß für ihre eigene Brauchbarerhaltung im Falle von Arbeitslosigkeit haftbar, sondern für ihre möglichst vollständige Benutzung. Besser als mit den zwangsweise eingezogenen Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung die Brauchbarkeit der überflüssig Gemachten zu erhalten, so das staatliche Urteil, ist es, ihre Brauchbarkeit dadurch herzustellen, dass man die Wirtschaft, dort wo sie zwar lohnende Beschäftigung sähe, aber eben nur zu einem Lohn, der ihren Mann/ ihre Frau nicht ernährt, von dieser Last befreit.
Arbeitslosigkeit, unproduktives Elend, so die Idee, bräuchte es nicht - jedenfalls nicht im bisherigen Ausmaß - zu geben, wenn nur die Arbeitslosenkasse beim Auszahlen geschickter wäre und, statt Arbeitslosigkeit auch noch mit Lohnersatzzahlungen zu belohnen, Lohnzuzahlungen für den Fall gewährt, dass der Arbeitslose eine Tätigkeit annimmt, von deren Lohn er zwar eigentlich nicht, mit der Zuzahlung in Gestalt eines Teils der bisherigen Notstandshilfe dann aber dann doch irgendwie leben kann. Das hilft dann gleich doppelt. Der Arbeitslosenkasse spart es Geld - der Lohnzuschuss ist mit 50% der vormaligen Notstandshilfe gedeckelt - und der Arbeitslose hat zwar nur unwesentlich mehr Geld als zuvor - maximal 1000€ im Monat - dafür aber das - zumindest nach Ansicht der „Experten“ - beruhigende Bewußtsein, dass nicht er von der Wirtschaft, sondern die Wirtschaft von ihm profitiert.
Hat das Arbeitslosengeld bisher, wenn auch der Höhe nach immer nur teilweise, den wegen Arbeitsplatzverlustes ausfallenden Lohn ersetzt, wird es jetzt in einen Lohnzuschuss verwandelt, damit der Arbeitslose sich wieder an einem Arbeitsplatz, der sich mit den dort vorfindlichen Konditionen für ihn gerade nicht lohnt, für die Vermehrung fremden Reichtums nützlich machen kann. Er darf sich - in anderen Worten - sein Arbeitslosengeld ein zweites Mal verdienen - und zwar dadurch, dass er arbeitet! So finanziert das Arbeitslosengeld in Zukunft nicht mehr unproduktives Elend, sondern produktive Armut.
b.
Weil Arbeitgeber und Sozialpolitiker sich schon längst darauf verständigt haben, dass der Anteil, den die Arbeitgeber an die Sozialkassen abführen nicht als das, was er der Sache nach ist, ein Teil des Gesamtlohns der Arbeiterklasse, den die Sozialkassen verwalten, sondern als Zusatzlast für die Arbeitgeber betrachtet werden sollte, als Lohn-Neben-Kosten, mit denen gar nicht eigentlich Arbeit, sondern das Leben der Arbeitnehmer außerhalb des jeweiligen Arbeitsverhältnisses bezahlt wird, das die Arbeitgeber doch eigentlich gar nichts angeht: deswegen wissen die Erfinder des Kombilohns auch gleich, dass diese Kosten den Anbietern von Jobs, deren Basis ein Lohnzuschusses ist, keinesfalls in voller Höhe zumuten sind. Nicht nur die Arbeitnehmer, auch die Arbeitgeber erhalten daher aus der Arbeitslosenversicherung eine „Kombilohnbeihilfe“ in Höhe von rund „15% des Bruttolohns“ um so ihre „Lohnnebenkosten“ auf in der Regel 25% zu reduzieren.
c.
Mit den genannten Maßnahmen gewinnt die Sozialpolitik dann endgültig die Gewissheit, dass sie bloß den unproduktiven Teil einer ansonsten durchs und fürs Kapital produktiv gemachten Arbeiterexistenz bezahlt und nicht das ganz und gar nutzlose Überleben von Arbeitskräften, die bestimmungswidrig gar nichts tun.
Ob und wie viele Arbeitslose nach dem neuen „Modell“ tatsächlich jemals eingestellt werden, ist für den programmatischen „Paradigmenwechsel“, den die Regierung da vollzieht, völlig gleichgültig. Mit dem Kombilohn setzt sie ganz praktisch ein Stückchen weiter den neuen sozialpolitischen Haupt- und General-Grundsatz durch, dass ein kompletter Lebensunterhalt für die Arbeitnehmer der Nation einfach nicht mehr enthalten sein kann in dem nationalen Durchschnitts- und Gesamt-Preis für die Arbeit, der den am nationalen Standort tätigen Kapitalisten allenfalls zuzumuten ist. Sie kritisiert ihren traditionsreichen Sozialstaat darin, dass der mit seinen Umverteilungskunststücken zwei Dinge miteinander verknüpft hätte, die ein für alle Mal getrennt gehören, wenn die Marktwirtschaft richtig funktionieren soll: Lohn für Arbeit und Lebensunterhalt für Arbeiter. Und sie nimmt die Aufgabe in Angriff, Abhilfe zu schaffen und die Sozialausgaben der Nation so umzuorganisieren, dass dadurch der Preis für Arbeit unter den Wert, nämlich unter die Gesamt- Unterhaltskosten der nationalen Arbeitskraft gedrückt wird.
Mit diesem „Paradigmenwechsel“ reagiert die österreichische Arbeitsmarktpolitik auf einen Arbeitsmarkt, der sich zunehmend dadurch auszeichnet, von einer wachsenden Zahl an Arbeitslosen bevölkert zu sein, der eine ebenfalls steigende Zahl an von der Wirtschaft „angebotenen“ Teilzeschäftigungsverhältnissen gegenübersteht, die aber - trotz der hohen Arbeitslosenzahlen - bloß deswegen nicht besetzt werden können, weil sie ihren Mann bzw. in der Regel ihre Frau nicht bzw. mehr schlecht als recht ernähren und sich daher bislang höchstens als Zuverdienstquelle zur Aufbesserung des Familieneinkommens eignen.
„Der Kombilohn ist ein weiterer Mosaikstein, um die Arbeitslosigkeit in Österreich zu senken”, sagte Arbeitsminister Martin Bartenstein heute, Dienstag, in Wien, in einer gemeinamen Pressekonferenz mit AMS-Vorstand Herbert Buchinger … Ziel der Aktion sei nicht, neue Billigarbeitsplätze zu schaffen, vielmehr gehe es darum, vorhandene und bisher vergeblich angebotene Jobs zu besetzen, so Bartenstein.”(Presseaussendung des BMfWA vom 24.1.2006)
Bartenstein nimmt den Tatbestand einer zunehmenden Zahl von Billigjobs nicht einfach zur Kenntnis. Aus dem gleichzeitigen Nebeneinanderexistieren offener Stellen und eines wachsendes Heeres anspruchsberechtigten Arbeitslosen, die bloß deshalb nicht vermittelt werden können, weil dies die geltende Rechtslage verhindert, leitet sich für ihn Handlungsbedarf ab.
Als Beaufsichtiger und Betreuer eines kapitalistischen Arbeitsmarktes ist für Bartenstein klar, dass sich nicht die Wirtschaft an die Notwendigkeiten der Arbeitnehmer, sondern die Arbeitnehmer an die der Wirtschaft anzupassen haben. Tauglich sind für ihn daher nur solche Arbeitsplätze, die garantiert das Kapital und mit ihm den Nationalreichtum voranbringen. Genau aus diesem Grund hat er durch Schaffung der rechtlichen Grundlagen für die „nötige“ Flexibilisierung der Arbeit die Prekarisierung der Lohnarbeit herbeigeführt, auf die er sich jetzt wie auf eine von ihm unabhängig entstandene Lage bezieht, auf die er nur noch reagieren können will.
Das Resultat - die Arbeitgeber haben dieses Angebot wahrgenommen - tatsächlich haben sie schon gehandelt,bevor es ihnen auch offiziell erlaubt war - und besonders im „Handel, im Bereich der Bürotätigkeit oder bei Reinigungsdiensten“ Vollzeitjobs mit entsprechender Vollzeitentlohnung in lauter Teilzeit-Jobs mit Teil-Entlohnung verwandelt, die es wegen der gelungenen Kombination von kostenneutraler ständiger Verfügbarkeit der Arbeitnehmer während mangelnder Nachfrage und blitzartiger, flexibler Verfügbarkeit gestatten kosengünstig auf plötzlichen Arbeitsanfall zu reagieren. Sie waren dabei in den letzten Jahren so erfolgreich, dass die Zahl dieser angebotenen Stellen mittlerweile die Nachfrage übersteigt.
Diesen, von den Arbeitgebern der Nation unter seiner Federführung hergestellten ökonomischen Tatbestand, nimmt Bartenstein zur Kenntnis, bemerkt aber als störend, dass seitens der Unternehmer solche Beschäftigungsverhältnisse als offene Stellen gemeldet werden, die er als Bundesminister nicht nur für Wirtschaft, sondern auch für Arbeit, mit seinem beim AMS brach liegenden Arbeitskräftepotential bloß deshalb nicht bestücken kann, weil Arbeitnehmern auch vom AMS bisher zugestanden war, auf einem Lohn zu bestehen, von dem sie auch leben können. Derartige Konditionen, dass der Lohn den stolzen Arbeitsplatzbesitzer bzw. die Arbeitsplatzbesitzerin nicht ernährt, soll in Zukunft kein Hindernis für die Vermittlung von Arbeitslosen auf einen solchen Arbeitsplatz mehr sein. Ein ausreichender Lohn ist den Arbeitgebern einfach nicht zuzumuten.
Mit dem Kombilohn-Modell werden die kapitalistischen Unternehmer von dem überkommenen Anspruch, Lohnarbeit hätte die Arbeitskraft über den Tag hinaus zu ernähren, freigesprochen. Die Arbeitslosenkasse wird ein Stück weit darauf festgelegt, sich aus der Finanzierung des unproduktiven Pauperismus zu verabschieden und - statt fürs Kapital unbrauchbare Arbeitnehmer durchzufüttern - nur noch den von einem Arbeitgeber benutzten Armutskandidaten zu einem „Lebensstandard“ über den elementarsten „Tageslohn“ hinaus zu verhelfen. So lässt die Regierung der Absenkung des Preises, den das Kapital national für Arbeit zahlt, die Neudefinition des Werts der Ware Arbeitskraft folgen: Das Kombinat aus zuschussfähigem Niedriglohn und Zuschuss legt das gültige proletarische Existenzminimum fest; und dieses Existenzminimum gibt es nur als Entgelt für produktive Arbeit. Ein Lebensunterhalt nur fürs Überleben, ohne dass der lohnabhängige Mensch von seiner Arbeitskraft Gebrauch machen lässt, ist in den sozialen Standards der Nation nicht mehr drin.