Die “demographische Krise”
DIE ALTERNDE GESELLSCHAFT
ein unwidersprechlich natürlicher Grund für die
wachsende Armut von jung und alt.
Seit Jahren werden die Pensionen gekürzt und im Gesundheitsbereich werden die Leute mit ständig neuen oder erhöhten Selbstbehalten zunehmend zur Kasse gebeten, manche Leistungen werden aus dem Leistungskatalog der Krankenkassen gleich ganz gestrichen. Diese Verarmung ist seit Jahren Thema der öffentlichen Debatte.
Die Kürzungen bei den Pensionen, im Gesundheitsbereich sollen heute nicht das Thema sein. Wir wollen uns heute mit der Haupt- und Generalideologie zur den genannten Kürzungen beschäftigen - der sog. „demographischen Krise“. Worin besteht sie?
„Die EU-Bevölkerung wir immer älter. Während die Zahl der unter 65-Jährigen bis 2050 um 48 Millionen zurückgehen wird, soll jene der über 65-Jährigen um 58 Millionen ansteigen. Das Verhältnis der EU-Bürger im erwerbsfähigen Alter (15-64 Jahre) zu jener über 65 wird sich von 4 zu 1 auf 2 zu 1 verringern.”(Presse vom 14.2.2006)
Die Zahl der Personen im erwerbsfähigen Alter nimmt ab bei gleichzeitig steigender Zahl von älteren Personen. Diese Veränderung der Bevölkerungsstruktur stürzt die Finanzierung der Pensionen und des Gesundheitswesens in die Krise, soll man sich denken. Pensionskürzungen, Gesundheitsreformen sind notwendig, weil es immer mehr Alte und immer weniger Personen im erwerbsfähigen Alter gibt, ist die einhellige Botschaft der Regierungsmannschaften in ganz Europa an ihre Bevölkerungen.
Es findet nicht nur eine laufende Verarmung statt, auch die Ideologien dazu werden immer dümmer und brutaler. Man ist doch ernstlich aufgefordert, sich die laufend stattfindende Verarmung als Produkt eines biologischen Prozesses einleuchten zu lassen. Man soll sich einen verkehrten Altersaufbau des Volkskörpers als Ursache der Verarmung denken.
Dieses biologische Bild - wird nicht nur von den Regierungsverantwortlichen bei jeder Kürzung herunter gebetet. Es gibt in der gesamten Republik auch sonst niemanden, der diesem biologisch vorgetragenen Grund für die Verarmung entgegentreten würde. Gestritten wird allerhöchstens über das Ausmaß der Gefahr und über den richtigen Umgang mit der „demographischen Krise“.
Daher wollen wir uns heute dieses Bild der „Alternden Gesellschaft“ vornehmen.
Armut als Resultat des Alters oder die Menschen werden
immer älter
a.
Das Problem soll sein - die Menschen werden immer älter. Im Jahr 2050 - rechnen Demographen vor - kommen auf einen Rentner zwei - statt wie heute - vier Erwerbstätige. Ja und, möchte man sagen! Wieso soll dieses Verhältnis von Rentnern zu Erwerbstätigen eigentlich nicht reichen? Denken soll man sich, das kann ja nicht gut gehen, wenn so viele praktisch mitgeschleppt werden müssen.
Die Wahrheit wird sehr ungeschminkt gesagt, dass die Leute immer älter werden, ist nicht einfach schön, sondern - im Gegenteil - ein Ärgernis für dieses Gemeinwesen. Die Alten sind eine Last für das Gesundheitssystem. Nicht das Gesundheitssystem hat den Alten zu dienen, sondern die Alten sollen das Gesundheitssystem nicht belasten. Da merkt man schon, für diese Menschen ist das Gemeinwesen nicht gemacht, wenn sie eine Last sind. Ginge es um deren Wohlbefinden oder wenigstens um ihr Auskommen – in ihrer aktiven Zeit und in der Zeit, in der sie nicht mehr arbeiten können, dann könnte die Sorge für dieses Auskommen unmöglich eine Last sein. Etwas, was man will und, weil man es will, auch tut, kann niemals eine Belastung sein. Eine Belastung wird etwas doch nur gemessen daran, dass man eigentlich was anderes will.
Man merkt, dass hinter solchen Aussagen der Gedanke steckt, die Menschen sind eigentlich nur dafür vorgesehen, benutzt zu werden. Dann und nur dann ist es ein Widerspruch, wenn sie für gar nichts mehr da sind und trotzdem immer noch einen Rechtstitel auf Versorgung haben. Der ganze Gedanke, Rentner sind eine Last, verrät also schon, wie in unserer Gesellschaft gerechnet wird.
Trotzdem, einmal ernst genommen: Stimmt es denn überhaupt, dass Menschen heir und heute eine Last darstellen, weil sie alt sind? Das ist nämlich nicht die Wahrheit. Und das behaupten nicht einfach behaupten wir, der Staat selbst sieht das gar nicht so.
b.
Ihres Alters wegen sind die Menschen überhaupt keine Last. Auch nicht für den Staat. Wenn die alten Menschen nämlich vermögend sind, Geld besitzen, dann stört sich niemand an ihrer Lebenserwartung. Dann ist es völlig in Ordnung, dass sie alt werden. Und obwohl sie dem Bild entsprechend genau so eine Last sein müssten, auch die vermögenden Alten werden selbstverständlich aus der Arbeit der Jungen ernährt, sie arbeiten ja nicht mehr. Selbstverständlich muss die Arbeit der aktiven Generation die Lebensmittel, Wohnraum, Verkehrsmittel herbringen, die es für die braucht, die nicht mehr tätig sind. Das ist bei vermögenden und nichtvermögenden Alten kein Unterschied. Insofern ist das ganze Bild, das kann ja nicht gut gehen, wenn die halbe Bevölkerung nicht mehr arbeitet, das ganze Bild wird blamiert von dem Faktum, dass wenn diese halbe Bevölkerung Geld hätte, niemand mehr ein Problem zu entdecken vermöchte.
Es stimmt also gar nicht, dass das Problem darin bestünde, dass Leute nicht arbeiten. Man merkt daran, dass die ganze gebrauchswertmäßige Vorstellung - die einen machen die Arbeit und die anderen tun nichts mehr und leben dennoch - überhaupt nicht auf das Verhältnis, das hierzulande eingerichtet ist, passt. Kapitalismus funktioniert anders. Das Problem, dass wer nichts arbeitet, das gibt es überhaupt nicht. Wenn er Geld hat, ist das kein Problem. Dann zahlt er, dann ist sein Konsum genau recht, er schafft Umsatz, Gewinn, Arbeitsplätze, Wachstum. Dann nützt er, in dem er konsumiert.
Wenn man es sich gebrauchswertmäßig vorstellen soll, nach dem Muster, wieviel Alte kann denn die junge Generation tragen, wenn es nur darum ginge, die Alten zu versorgen, dann gäbe es kein Problem. Längst trägt jeder produktive Arbeiter ein ganzes Heer von Unproduktiven, die nichts beitragen zum Vorhandensein von Wohnraum, Lebensmittel, Transportleistung. Da braucht man gar nicht auf die Alten zu schauen, da kann man ruhig auf die Aktiven schauen, ein Bauer ernährt heutzutage mindestens 70 Leute. Und auch ein Maurer schafft heute ein Vielfaches an Wohnraum gegenüber früher, usw.usf.
Auf der anderen Seite gibt es auch in der aktiven Bevölkerung jede Menge Leute, die keine produktive Tätigkeit verrichten, also was herbeischaffen, was es ob seines Gebrauchswertes braucht: Versicherungsagenten, Angestellte in Banken und Behörden, bei den Gewaltorganen Polizei und Militär, Werbefritzen, Börsenmakler usw.usf. - und das sind alles Berufstätige. Von denen, die überhaupt - weil sie vermögend sind - ohne Arbeit leben und trotzdem gut leben, redet sowieso niemand. Die sind ja vermögend und damit sowieso nie ein Problem.
Wenn es wirklich bloß darum ginge, dass viele alte Leute ernährt werden wollen und die Jungen werden weniger: dann wäre festzuhalten, dass die Produktivität der Arbeit inzwischen so gigantisch ist, dass das ernstlich kein Problem wäre. Andrerseits, wenn es wirklich so wäre, dass dem Gemeinswesen Arbeitsstunden fehlen würden, warum sollten denn nicht 65-jährige, wenn sie noch halbwegs fit sind, einmal 3 oder 6 Stunden in der Woche irgendeine Funktion ausführen? Auch das wäre ja nicht das Problem. Beides geht nur nicht. Auf der einen Seite können sie sich nicht mehr ernähren, in die Fabriken hinein kommen sie andererseist aber auch nicht und zwar wegen der herrschenden Rechnunsweise.
c.
Wenn das Problem aber gar nicht die Alten schlechthin sind, was dann?
„Die Überalterung sowie ständig steigende Zahl der Pensionist/-innen, deren Lebenserwartung nach der Pensionierung bei noch etwa 20 Jahren liegt, verursachen eine zunehmende Abhängigkeit der nichtarbeitenden Bevölkerung von den Erwerbstätigen zur Finanzierung des Umlageverfahrens.“(Harald Ettl, "Gibt es einen Generationenvertrag" in Generationen, Konflikt oder Harmonie Hg. Zukunftsforum Österreich S 48/49)
Das Problem sind in Wahrheit überhaupt nicht die alten Menschen, sondern es sind die alten Menschen, die auf die gesetzliche Pension angewiesen sind. Nicht die alten Menschen sind das Problem, sondern die sozialversicherten Alten. Und warum sind sie das Problem?
Sie sind das Problem, weil sie nach ihrer Pensionierung doch glatt noch zwanzig Jahre lang leben. Die Spanne zwischen dem Zeitpunkt des Endes der Berufstätigkeit der Arbeitnehmer und dem Zeitpunkt ihres Abtretens ist eindeutig zu groß. Die Kerle leben zu lang. Darauf ist das Rentensystem nicht ausgelegt und daran soll sich auch keinesfalls was ändern. So brutal denkt die Politik.
·
steigende Ansprüche des
Kapitals an Gesundheit, Leistungsfähigkeit, Billigkeit
Zum ersten liegt das daran, dass die Leistungsansprüche in den Fabriken und Büros so gigantisch gestiegen sind, dass heutzutage niemand Verantwortlicher den Unternehmen die Beschäftigung von einem 55-jährigen zumuten will. Nach der einen Seite sind die Leute durch die Belastung, durch den Stress, der ihnen in ihrem Arbeitsleben aufgemacht wird im Alter öfter mal krank. Sie sind schlicht und einfach fertig, das ist die eine Hälfte. Sie taugen nicht mehr für die Leistungsanforderungen, die im Betrieb an Arbeitnehmer gestellt werden.
Auf der anderen Seite sind sie teurer als die Jungen. Ein Defizit an den Alten, das mit ihrer Leistung gar nichts zu tun hat, das Entlohnungssystem hat es halt in vielen Branchen so an sich, dass wer länger arbeitet, auch etwas mehr verdient. Und dann vergleicht der Arbeitgeber den eingesessenen 55-jährigen mit einem, den er gerade von den Schulen kriegen könnte, der noch keine Rechte gesammelt hat, und der ist einfach billiger als der Alte. Jetzt ist der Alte schon deswegen viel schlechter, weil er mehr an Lohn kriegt. Mit seiner Leistungsfähigkeit im Tätigkeitssinn hat das überhaupt nichts zu tun. Aber darin besteht Leistungsfähigkeit im Kapitalismus eben nicht. Die hat ihr Maß im Geldeffekt, der sich pro gezahltem Euro einstellt und in Bezug auf dieses Kriterium stellen sich die Alten schlechter, einfach deshalb, weil sie etwas mehr an Lohn kriegen. Die Konsequenz - es gibt kaum mehr Leute über 55 in den Betrieben.
·
Leistungen der Medizin:
Verschlissene, kaputte, auch geistig fertige Menschen sterben nicht mehr so
schnell
Die andere Hälfte, warum die Spanne zwischen Ende des aktiven Arbeitslebens und Tod so groß wird, das ist die Leistung der Medizin. Kranke, Fertige, ausgelaugte Menschen, oft auch seelisch kaputt sterben einfach nicht mehr so leicht. Es gibt jede Menge kleiner Helfer für den Herzrhythmus, für den Bltudruck, usw. und dann sterben sie einfach nicht. Diese Kombination, die Leute enorm aktiv auslaugen, früh rausschmeißen und andrerseits sie so medizinisch versorgen, dass sie nicht abkratzen, das ist die Qualität des Problems, mit dem unsere Gesellschaft sich im Augenblick herumschlägt.
Die bereits durchgesetze und erst noch geplante weitere Verarmung hat ihren Grund nicht im steigenden Alter der Bevölkerung. Das Problem, das zu lösen die Politik sich beständig anschickt, ergibt sich auch nicht aus einem Problem der Versorgung mit Gebrauchswerten. Worin besteht das Problem aber dann?
Das Problem besteht darin, dass für die auf die staatliche Pension Angewiesenen, das Geld tatsächlich nicht reicht. Anders gesagt:
d.
Der Lohn reicht nicht fürs
Alter!
Erst einmal reicht das Geld für die Alten deshalb nicht, weil der Lohn, der von den Unternehmern bezahlt wird, überhaupt nicht dafür bezahlt wird, dass er für ein ganzes Arbeiterleben reichen muss. Der Unternehmer bezahlt Lohn dafür, dass gearbeitet wird. Und da zahlt er so wenig, wie man am Markt für die gewünschte Arbeitskraft halt gerade zahlen muss. Darauf, dass das Geld für ein Arbeiterleben lang reichen muss, ist es nicht berechnet.
Die Arbeiter sparen im wesentlichen auch nicht, sondern verbrauchen ihr Geld. Die Vorsorge fürs Alter muss ihm vom Staat aufgezwungen werden. Sie zahlen in Zwangskassen ein, und wo es Zwangskassen gibt ist klar, da geht der Staat davon aus, die Arbeiter würden das nicht tun, wenn es ihnen frei stünde. Sonst bräuchte man ihnen das ja nicht aufzwingen. Wenn es Zwangskassen gibt, ist es das Bekenntnis, dass die Menschen eigentlich nicht ansparen können, aber ansparen müssen.
Es wird daher von einem Lohn, der gar nicht darauf berechnet ist, dass man von ihm auch leben kann und schon gar nicht für die Zeit, in der man nichts mehr verdient, von einem solchen Lohn werden zwangsweise 22,8% für die Pension abgezogen. Und damit ist das Abziehen ja noch nicht fertig, es kommen ja die anderen Sozialversicherungen noch oben drauf. Aber 22,8% werden für die Pension abgezogen.
Die Beitragszahler, kriegen diese Abzüge als Versicherungsbeitrag gutgeschrieben. Für den Beitragszahler ist die Pension in dieser Hinsicht wie ein privates Verhältnis zu einem Versicherungswesen organisiert. Eine Versicherung, die ihm nur nach Maßgabe seiner Beitragsleistungen umgekehrt Gegenleistungen bietet. Fünfundvierzig Beitragsjahre muss ein Arbeitnehmer vorweisen, nur dann kommt man er in den Genuss der für ihn überhaupt erreichbaren Höchstpension.
Der Reiz dieser kleinlichen Berechnung besteht darin, dass in vielen Fällen gar nicht die theoretische erreichbare Höchstpension gezahlt werden muss, sondern etwas weit Niedrigeres. Jede Abweichung in der individuellen Biographie vom vorgeschriebenen Ideal wird gegen den Betroffenen gewandt und schlägt sich in einer aliquoten Minderung seiner Pension nieder - länger studieren als erlaubt, von seinem Unternehmen in Frühpension geschickt zu werden, usw. - lauter Gründe für Abschläge bei der Pension.
Die Pension ist damit endgültig nicht mehr auf das bezogen, was man zum Leben braucht. Umgekehrt geht die Definition: Leute, die wenig verdient haben, brauchen im Alter auch wenig. Sie haben ja wenig eingezahlt, es entspricht also ihrem Verdienst wenig im Alter zu haben. Nach der Seite hat die staatlich organisierte Pensionskasse die Form einer Versicherung.
Wenn es dann darum geht, woraus denn die Versicherung bestückt ist, dann zeigt sich, dass sie überhaupt keine Versicherung ist. Dann wird nämlich die Pension als Umlageverfahren aus dem aktuellen Lohn, der in Österreich an aktuelle Lohnabhängige gezahlt wird, geleistet. Wenn es ans Finanzieren der erworbenen Pensionsansprüche geht, dann heißt die Frage, wo kommt denn das Geld dafür eigentlich her? Und dann gilt der Umstand, dass die Leute ein Leben lang eingezahlt haben überhaupt nicht mehr als Geldquelle. Da heißt es: das ist weggezahlt worden an die Rentner in der Zeit, wo du ein Aktiver warst.
Beim Auszahlen der Pension findet eine zwangsweise Klassensolidarität statt. Eine Umverteilung innerhalb des Lohns der zum Zeitpunkt der Auszahlung für das Gesamtkollektiv der Lohnabhängigen zustandekommt und zwar durch die Beiträge derer, die jetzt gerade aktuell arbeiten.
Und damit ist klar, dass die Pension nicht nur immer knapp ist, weil die Finanzmasse aus dem Lohn abgezweigt wird, der schon für sich nicht dafür vorgesehen ist, sondern dass zweitens der Pensionsfonds immer knapper wird, je mehr der Gesamtlohn der Klasse sinkt. Je mehr der Lohn sinkt, den die Arbeiterschaft als ganze kassiert.
Dass dieser Gesamtlohn die Pensionsleistungen immer weniger hergibt, hat aber rein gar nichts mit irgendeiner angeblichen „demographischen Krise in 20 Jahren“ zu tun.
Tatsächlich ist es so, dass je produktiver die Arbeit wird, desto niedriger wird der Gesamtlohn der Nation. Je mehr es also nach der Seite der Gebrauchswerte hin immer leichter wird alles mögliche herzustellen, je weniger Aufwand nötig ist, um die Lebensmittel für Jung und Alt zu produzieren, desto kleiner wird der Anteil am Reichtum des Landes, den die Lohnarbeiterschaft als Lohn kassiert, desto kleiner also auch der Pensionsfonds. Absurd! Wie geht das, wie kommt das zustande?
Produktivitätssteigerung werden im Kapitalismus nämlich überhaupt nur zu einem Zweck durchgeführt wird, nicht um den Arbeitern Arbeit zu sparen, auch nicht einfach um die Arbeit ergiebiger zu machen, und schon gar nicht die Löhne zu erhöhen, sondern Produktivitätssteigerung wird einzig und allein durchgeführt, um jede einzelne Arbeitsstunde für den Unternehmer ergiebiger zu machen, um ihm mehr Leistung pro Arbeitsstunde zu sichern. Unternehmer senken ihre Kosten, erhöhen also den Gewinn pro Stück, indem sie produktiver arbeiten lassen, aus der bezahlten Arbeitsstunde mehr rausholen und weniger Stunden bezahlen. Und das ist gleichbedeutend mit weniger Lohn pro Produkt. Anders ausgedrückt, der Zweck ist die Senkung der Lohnstückkosten.
Die eine Konsequenz dieses mehr an Leistung pro Arbeitsstunde ist, diejenigen die weiter im Betrieb bleiben, dürfen die Arbeit derer machen, die entlassen werden. Die Entlassung ist die andere Seite. Jeder der entlassen wird, steht als Lohnkost nicht mehr auf der Lohnliste.
Deswegen kommt diese dem Kapitalismus eigentümliche aber wirklich wahnsinnige Entwicklung zustande, dass Unternehmer die Arbeit immer produktiver und darüber die Arbeiterklasse immer machen: dadurch, dass insgesamt weniger Leute noch einen Lohn kriegen, und zweitens dadurch, dass die Unternehmer sich diese Gelegenheit, die Löhne der verbleibenden Mannschaft zu senken, nicht entgehen lassen.
Wenn aber die gesamte Versorgung der Alten aus dem laufend gesenkten Lohnfonds der Nation bezahlt werden muss, dann schaut es, wenn man die Pensionszahlungen auch nur aufrechthalten möchte, schnell so aus, als ob die Pensionsbeiträge laufend gesteigert werden müssten. Die Armut der aktiven Arbeiterschaft erzwingt die Armut ihres nicht aktiven Teils.
Wenn schon der Lohn der aktiven Mannschaft der Attraktivität des Kapitalstansdortes im Wege steht, dann ist der Lohnteil, der für Alte bezahlt wird, schon gleich viel zu groß.
Deswegen und nur deswegen, reicht der Lohn für die Alten nicht. Wenn schon der Lohn die negative Größe der Wirtschaft ist, dann erst recht die Pension.
Und all das soll man sich denken als, na ja wenn die Menschen immer älter werden, ist es ja kein Wunder, dass die Pensionen runter müssen!
Die biologische Ideologie sozialer Nöte
Die soziale Debatte, dass die Leute zu teuer sind, die gibt es schon eine ganze Weile, aber die hat bisher ganz andere Argumente gehabt. Da wurde mit den Lohnnebenkosten argumentiert, die immerzu zu hoch sind, es wurde vor der Gefahr gewarnt, dass das Kapital ins benachbarte Ausland abzuwandern droht, weil die Löhen dort niedriger sind usw. Und jetzt dieses biologische Argumentieren, dieses Bild der Biologie für sozial erzeugte Nöte strapazieren. Was ist da los?
Es ist das Bild einer absoluten Notwendigkeit, einer Notwendigkeit, der man im Bild nicht entkommen kann, für etwas sozial Gemachtes, etwas, das so überhaupt nicht notwendig ist. Es ist eine eindeutige Schuldzuweisung. Keiner redet mehr vom Kapital, von den Arbeitsplätzen und dem Wachstum. Jeder Hinweis auf wirtschaftliche Zusammenhänge, auf den Markt und Geld, auch nur jede Erinnerung an Einflussfaktoren wie etwa Produktivität ist damit getilgt, wenn es heißt, zu viel Alte, zu wenig Junge. Es ist eine Schuldzuweisung an die Leute. Wenn die Rentner schon nicht abtreten, wird seitens der Politik klargestellt, dass sie ihr Armut durch ihre Langlebigkeit selbst verschuldet haben.
Wenn so gedacht wird, wenn die Menschen wie biologische Teile ihres Volkes gerechnet werden, dann ist das ein Standpunkt, von dem aus das Volk als Ressource kalkuliert wird. In einer Broschüre der Wirtschafttskammer aus dem Jahr 2003 heißt es dementsprechend:
„Eine ausreichende Versorgung der Volkswirtschaft mit dem
Produktionsfaktor Arbeit scheint immer weniger gewährleistet. Der Faktor Arbeit
kann in Zukunft zu einem limitierenden Faktor im Wirtschaftswachstum werden.”(Sozialsysteme
bis 2050: Megatrends und Reformbedarf; Strategien der Wirtschaftskammer
Österreich; präsentiert in Alpbach 2003; S7)
Kalkuliert werden die Menschen aber nicht nur als ökonomische Ressource. Würde man das Problem der Überalterung der Gesellschaft nämlich rein ökonomisch betrachten, dann wäre es auch schon wieder gelöst – durch die Einwanderung von Arbeitskräften aus den Entwicklungsländern. Aber diese Lösung kommt keinesfalls in Frage. Das Volk ist nämlich außerdem auch noch eine Ressource des Staates. Und da wird der biologische Gedanke der Ressource endgültig rassistisch.
„Eine Lösung des Problems alleine in der
Migrationspolitik zu suchen ist illusorisch. Die rein rechnerisch benötigte
Anzahl von Migranten zur Aufrechterhaltung der Bevölkerungsanzahl und einer
politisch erwünschten Altersstruktur würde die Integrationsfähigkeit der
Bevölkerung in einem nicht mehr vertretbaren Maße belasten.”(Sozialsysteme
bis 2050: Megatrends und Reformbedarf; Strategien der Wirtschaftskammer
Österreich; präsentiert in Alpbach 2003; S7)
Vom Staat aus, ist es eben nicht dasselbe, ob man Ausländer reinlässt, weil Arbeitskräfte gebraucht werden, oder ob man Eingeborene hat. Ausgedrückt in dem Zitat der Wirtschaftskammer als – naja die Österreicher würden das nicht vertragen. Als ob sie in anderen Dingen so zimperlich wären. Der politische Stehsatz – dann muss man es ihnen halt erklären – der gilt da offenbar nicht.
Der Standpunkt des Eingeborenen ist die Idee des biologisch definierten Staatsbürgers, die Idee eines Menschenmaterials des schon durch Blut und Geburt gar nicht anders kann als diesem Gemeinwesen treu zu dienen, diesem Staat zur Verfügung zu stehen. Jeder andere, den er reinholt oder reinlässt, kommt, weil er sich einen Vorteil ausrechnet. Ja in Europa, in EU-Gefilden kann er mehr verdienen als in Marokko oder im Tschad. Also wandert er aus und kommt her.
Der unbedingte Staatsbürger, der unbedingt verlässliche, das ist zwar keine Wahrheit, jeder Mensch ist schließlich frei sich was Neues zu denken, und dann ist er überhaupt nicht mehr verlässlich. Aber Staaten, die denken so. Die wünschen sich lauter unbedingt verlässliche, unbedingt zur Verfügung stehende Untertanen, und da ist das Blut und die Geburt die beste Garantie. Einer der nicht aus Berechnung hier ist, nicht weil er sich einen Vorteil verspricht, sondern weil er einfach überhaupt hier ist und nirgendwo anders hin kann, also so leicht auch gar nicht weg kann. Der steht unbedingt zur Verfügung und solche brauchts.
Das sind alles Konsequenzen, Verlängerungen, die in diesem Bild der "vergreisende Republik" enthalten sind. Die falsche Erklärung der sozialen Nöte. Dann die neuen, diese Töne, wir brauchen mehr Kinder und dann bis zum Rassismus des Staates - alles steckt in diesem Ding da drin.