GEGENARGUMENTE

NACHLESE ZUR NATIONALRATSWAHL 2006 - Der Ausländerwahlkampf von FPÖ und BZÖ

 

Bei der am 1.Oktober stattgefundenen Nationalratswahl konnten die Ausländer-Raus-Parolen der Haider-Westenthaler-Strache- Parteien über 15% der Stimmen auf sich ziehen. Ausländerfeindliche Wahlkampfparolen wie „Daham statt Islam”, „Sichere Pensionen statt Asylmillionen” , „Alarm Islamismus!”, „Senkung der Zahl der Ausländer in den kommenden drei Jahren um 30 Prozent” fanden nicht wenige österreichische Staatsbürger nicht nur nicht dumm und zynisch sondern waren im Gegenteil geradezu überzeugende Argumente für sie, den Proponenten dieser Forderungen – FPÖ und BZÖ – den Auftrag zur Mitwirkung an der  Gesetzgebung für die nächsten 4 Jahre zu erteilen.

 

Dass Bürger, die in ihrem praktischen Alltag in der Mehrzahl der Fälle mit Problemen wie: Wo bekomme ich einen Arbeitsplatz? Was kann ich mir von dem dort erzielten Lohn leisten, was alles nicht? Wie stehe ich finanziell da, sollte ich krank werden, wie im Alter? usw. – beschäftigt sind, auf die Idee kommen, in einer „Ausländer-Raus-Politik” ein Angebot für sich zu entdecken, stößt bei den anderen Parteien – SPÖ, ÖVP – und der demokratischen Öffentlichkeit nicht auf Verwunderung. Wie auch, sie selbst sind es doch gerade, die das Problem des „Asylmissbrauchs”, der „Integration”, der „Zuwanderung”, „der Gefahr des Islamismus” permanent in Umlauf bringen. Kein Wunder daher, dass keine Kritik an den Positionen von FPÖ und BZÖ ohne grundsätzliche Anerkennung des von den beiden Parteien im Wahlkampf behaupteten „Ausländerproblems“ auskommt. Die ÖVP verweist auf die Erfolgsstatistik von Innenministerin Prokop bei der Lösung des Ausländerproblems:

 

Wir haben durch die neuen Gesetze, die wir gemeinsam verabschiedet haben, 30 % weniger Asylwerber, weil wirklich nur echte Flüchtlinge zu uns kommen. Wir haben 40 % weniger Einbürgerung, weil mehr verlangt wird, Deutsch zum Beispiel und Integrationsfähigkeit. Wir haben 60 % weniger Zuwanderung, weil genauer hingeschaut wird.”(Schüssel im Standard)

 

Eine ”absolute Erfolgsstory”! Fragt sich nur für wen und für was! Die SPÖ findet an der Asylpolitik der ÖVP nichts Wesentliches auszusetzen. Auch für sie ist ”Zuwanderung ...kein Recht, sondern ein Privileg” und ”Integration von zentraler Bedeutung, weil sie das wesentlichste Instrument ist, damit Österreichs Identität (!) nicht gefährdet wird.” (10 Punkte Programm der SPÖ). In der Sache sind sich ÖVP und SPÖ mit den politischen Konkurrenten am rechten Rand offenbar einig.

 

Und die Grünen beweisen mit einem eigens von ihnen entwickelten „Punktesystem zur Steuerung der Erwerbsmigration”, dass das Fernhalten von Ausländern bzw., wie es bei den Grünen nobler heißt, die „Steuerung (!) der Erwerbsmigration” ganz “ohne Ausländerhetze geht”.

 

Dass sämtliche Interessen, die Ausländer in Österreich verfolgen bzw. verfolgen wollen, zuallererst Österreich dienlich sein müssen, darin sind sich alle im Nationalrat vertretenen Parteien einig.

 

In der heutigen Sendung wollen wir klären, welches Bedürfnis der Bürger mit derartigen ausländerfeindlichen Sprüchen bedient wird, was der Grund ihrer Ausländerfeindlichkeit ist und wie der Staat zu den Ausländern steht. Welchen Kriterien folgt die staatliche Ausländerpolitik und welche Schlüsse zieht sie aus Globalisierung und Terrorbekämpfung?

 

Welches Bedürfnis bedienen ausländerfeindliche Sprüche von FPÖ und BZÖ? Was ist der Grund der Ausländerfeindlichkeit der Bürger?

 

Sozialstaat statt Zuwanderung“ und „Sichere Pensionen statt Asylmillionen“, mit diesen und ähnlichen Parolen suchte im zurückliegenden Wahlkampf die FPÖ die Bürger davon zu überzeugen, ihre Stimme ihr und nicht den anderen, konkurrierenden Parteien zu geben. Und sie hatte damit Erfolg. Nicht wenige Wähler haben das Angebot aufgegriffen, eine Partei zu wählen, die für derartige Aussagen steht. Worin besteht dieses Angebot eigentlich? Anders gefragt, was muss sich ein Wähler denken, um in derartigen „Politikversprechen“ ein Angebot für sich zu entdecken?

 

Eines ist schon einmal sicher. Wer auf derartige Slogans hin, mit denen auf die missliche soziale und ökonomische Lage vieler Arbeitnehmer angespielt wird, die FPÖ wählt, der ist offensichtlich mit den eigenen Lebensumständen nicht zufrieden. Wer den Sozialstaat nicht braucht, weil er über genügend Geld verfügt, oder wessen Auskommen wenigstens eine ausgemachte Sache ist, den bräuchten ein paar Millionen Euro für geflüchtete Elendskreaturen aus aller Herren Länder nicht zu stören. Und an zugewanderten Arbeitnehmern würde ihm wahrscheinlich viel eher auffallen, dass sich deren Lage gar nicht so sehr von der seinigen unterscheidet, als in ihnen eine Bedrohung des Sozialstaates zu sehen. Wie er müssen auch sie für Lohn ihn fremden Diensten arbeiten und Sozialversicherungsbeiträge zahlen. Wie sich vom verdienten Lohn leben lässt, ob und wie viel sie im Falle des Falles aus den Sozialkassen kriegen, beides richtet sich nicht nach seinen Notwendigkeiten, sondern nach den Nutzenerwägungen derer, die gewöhnlich die Wirtschaft heißen, auf der einen und nach den Kalkulationen des Staates als Sozialstaat auf der anderen Seite. Die Unzufriedenheit mit den Maßnahmen, mit denen die Politik auch in der vergangenen Legislaturperiode wieder einmal aus ihrem Leben eine höchst unsichere und ungemütliche Angelegenheit machte, bildet daher zweifelsohne den Ausgangspunkt für die Entscheidung, das Wahlkreuz einer Oppositionspartei wie der FPÖ zu geben.

 

Ebenso sicher ist aber, dass es diesen Wählern bei ihrer Entscheidung ganz sicher noch nicht einmal darum ging, wenigstens die Schlechterstellungen der letzten Jahre rückgängig gemacht zu sehen, von einer Durchsetzung zufriedenstellender Lebensbedingungen gar nicht zu reden. Wäre es ihnen nämlich darum zu tun gewesen, wäre ihnen sofort aufgefallen, dass derartiges von der FPÖ überhaupt nicht versprochen wurde. Zwar hat sie mit ihren Losungen genau auf den Umstand der Verarmung österreichischen Arbeitnehmer durch Pensionsreform und Reformen im Gesundheitsbereich hingewiesen. Eine Rücknahme dieser Verschlechterungen wird aber gar nicht versprochen. Stattdessen werden Schuldige benannt, derentwegen diese Maßnahmen notwenig sind. Schuldig gemacht haben sich ausgerechnet Ausländer - Asylwerber und Zuwanderer - Menschen, die garantiert nicht zu den Entscheidungsträgern und Nutznießern unserer Gesellschaft zu zählen sind.

 

Wäre es den Wählern der FPÖ um ihre eigene Lage gegangen, wäre ihnen sicher auch aufgefallen, dass die angeblichen „Asylmillionen“, sprich die Kosten für die Unterbringung und Verpflegung von ein paar Asylanten, schon allein angesichts der vergleichsweise geringen Zahl von gerade einmal etwas mehr als zwanzigtausend Asylanträgen pro Jahr - und nur ein Bruchteil dieser Anträge endet überhaupt mit einem für die Asylwerber positiven Bescheid - unmöglich der Grund der vergangenen Pensionskürzungen gewesen sein können. Diese von den Asylwerbern verursachten Kosten stehen in anderen Worten in überhaupt keinem Verhältnis zu Geldbeträgen, die im Rahmen der vergangenen Pensionsreform bewegt - sprich den künftigen Pensionisten und Pensionistinnen weggenommen wurden. Und was die andere Gruppe der Ausländer, die sich in Österreich aufhalten betrifft, die Zuwanderer, so gilt für sie dasselbe wie für österreichische Arbeitnehmer auch - sie müssen sich für die heimische Wirtschaft erst noch nützlich machen, um irgendwelche Ansprüche zu erwerben.

 

Kürzungen im Bereich des Sozialstaates haben schlicht und ergreifend nichts mit Zuwanderung, Gewährung oder Nichtgewährung von Asylanträgen zu tun. Noch nicht einmal die für die Pensionskürzungen verantwortlich zeichnenden Parteien sind auf derlei hanebüchene „Begründung“ verfallen. Wie man sich wohl noch unschwer erinnern wird, sollten mit der Pensionsreform die Pensionen nicht vor Heerscharen von Asylanten, sondern vor dem Gespenst einer angeblich drohenden demographischen Krise gerettet werden. Wenn überhaupt wurde ein Zuzug von Ausländer als mögliche Lösung unserer Pensionsprobleme diskutiert. Ein Vorschlag, der einhellig von allen Parteien abgelehnt wurde. Das zweifelhafte Verdienst eine Beziehung zwischen Zuwanderung und Asylantenzahl auf der einen Seite und Abbau von Pensionssystem und Sozialstaat zu konstruieren, gebührt einzige der wahlkämpfenden FPÖ.

 

Dass sich die FPÖ damit bei ihren Wählern nicht blamierte, liegt daran, dass diese das Angebot der „Heimatpartei“ schon richtig verstanden haben. Von einer Prüfung, was es denn ihnen persönlich bringen würde, gäbe es keine Ausländer mehr in Österreich, haben sie sich schon längst emanzipiert. Sie gehen gar nicht davon aus, dass sich ohne Asylanten und Zuwanderer ihre persönliche Lage irgendwie verbessern würde, aber - so ihre Logik - wenn schon sie arm gemacht werden, dann müssen sie sich doch nicht auch noch Ausländer in ihrer unmittelbaren Umgebung bieten lassen. Weil sie sich die Notwendigkeit ihrer eigenen Verarmung wie selbstverständlich gefallen lassen, finden sie es für ungehörig, dass andere und dann noch dazu Ausländer - Menschen, die in ihren Augen doch überhaupt nichts hier zu schaffen haben und denen demgemäß doch eigentlich gar nichts zusteht - überhaupt irgendwas kriegen. Eine Überprüfung der Gründe der Pensionsreform ist für diesen Standpunkt ebensowenig notwendig, wie eine Nachfrage, was Asylanten denn eigentlich wirklich kriegen und warum.

 

Grundlage dieses Standpunktes ist die staatliche Sortierung der Menschheit in In- und Ausländer. Ohne diese Sortierung wüsste der angestammte Österreicher nämlich noch nicht einmal, dass er einer ist und wohin er demgemäß gehört und, dass - komplementär dazu - die anderen, weil Ausländer, hier nichts verloren haben. Im Vergleich zu denen, die nicht dazugehören, hat ein Einheimischer tatsächlich die Staatsgewalt auf seiner Seite. Sie macht die Staatsangehörigkeit zur ersten Lebensbedingung, der alle wirklichen Bedürfnisse, Interessen und Kalkulationen untergeordnet sind. Gewohnheitsmäßig interpretieren Staatsbürger diese Sortierung durch eine originär “eigene”, genau zu ihnen passende Herrschaft und das besondere Pflicht- und Treueverhältnis, in das diese sie qua überlegener politischer Gewalt stellt, als einen einzigen Dienst an ihnen. Das alle Bereiche des tagtäglichen Lebens erfassende und normierende Rechtssystem, mit dem der Staat alle Handlungen seiner Bürger auf sich bezieht, gilt ihnen als unbedingt nötige Voraussetzung dafür, überhaupt Interessen geltend machen zu können. Wie es mit Erfolg oder Misserfolg aussieht, darüber soll damit noch nichts gesagt sein. Darüber entscheiden die ökonomischen Mittel, über die ein Bürger verfügt.

 

Dass der Staat nicht nur für die Anerkennung ihrer Interessen sorgt, sondern ihnen - mit der Verpflichtung auf den rechtlichen Rahmens ihres Tuns - erst den negativen, einander wechselseitig ausschließende Inhalt gibt, nehmen sie so nicht zur Kenntnis. Sie sehen die Sache gründlich anders: Soweit sie sich an die Gesetze halten, dürfen und sollen sie ihren Interessen nachgehen, arbeiten, Geld verdienen, den Reichtum, über den sie verfügen oder auch nicht, vermehren, heiraten, Kinder kriegen, sich am politischen und kulturellen Leben beteiligen und wählen.

 

Dass bei nicht wenigen Bürgern Unzufriedenheit nicht ausbleibt, dass die Einlösung der Interessen für viele nicht so aufgeht wie angestrebt, man sich gegen die „Anderen”, nicht so durchsetzen kann, wie gewünscht, ist kein Zufall. Dass die Interessen der Gesellschaftsmitglieder in Konkurrenz stehen und sich wechselseitig ausschließen, war und ist ja der Ausgangspunkt ihres Bedürfnisses, sich einer garantiert eigenen Herrschaft zugehörig wissen und sich ihres Dienstes versichern zu wollen. Alle Kompromisse, die sie machen, und die Opfer, die sie im Interesse der Allgemeinheit bringen müssen, sind für sie der leider unhintergehbare Preis für das Recht die eigenen Interessen verfolgen zu dürfen. Sie verlangen nur das, was „drin” ist – je nach Zeitenlauf und danach, was von oben als realistisch angesehen wird. Dass am „Sozialen” gespart werden muss, „unser“ Wirtschaftsstandort an zu hohen Löhnen leidet, das Pensionssystem die Pensionen nicht mehr verträgt, das alles wollen sie nicht bezweifeln, kurz sie sind zu jedem Dienst bereit, wenn und sofern er nur der eigenen Heimat dient.

 

Anspruchsvoll wird ein solcher ganz normaler staatsbürgerlicher Standpunkt einzig denen gegenüber, die doch gar nicht dazu gehören – gegenüber den Ausländern. Dass er von der politischen Herrschaft als lebendiges Nationalinventar requiriert wird, deutet ein Staatsbürger dahingehend, dass dies auf Gegenseitigkeit beruhe und der Staat deshalb der „seinige“ sei. Dass er der Nation angehört, und zwar auf Gedeih und Verderb, soll dasselbe sein wie, dass die Nation für ihn eingerichtet ist. Den Ausländern gegenüber, die doch der Staat selbst nicht zu seiner angestammten Mannschaft zählt, leitet er dieser Sichtweise gemäß das moralische Recht auf Vorzugsbehandlung ab und wird dann doch immerzu enttäuscht. Wie er wohnen „die“ hier, haben Familie und Freunde, sind mehr oder weniger religiös und suchen durch schuften ihr Glück zu machen. Und all das, obwohl sie doch hier rein gar nichts verloren haben. Alle Schädigungen, die er im Laufe seines Lebens ganz persönlich erfährt, setzt er ins Verhältnis zu denen. Nicht in dem Sinn, dass er glaubte, diesen Schädigungen ohne die Anwesenheit von Ausländern zu entgehen. Aber dass die, wenn er schon geschädigt werden muss, auch irgendwas dürfen, das leuchtet ihm nicht ein.

 

Von diesem Standpunkt aus ist den Wählern von FPÖ und BZÖ die praktizierte Ausländerpolitik zu wenig radikal. Wegen ihres Glaubens an die Nation verdächtigen sie die Politiker der anderen Parteien, ihre Verantwortung ihnen gegenüber nicht ernst genug zu nehmen. An diesen Zweifel knüpfen Parteien wie FPÖ und BZÖ umgekehrt an, um ihn in eine Stimme für den je eigenen Haufen zu verwandeln, wenn sie bloß noch mit Sprüchen werben wie: „Der Patriot“.

 

Wie steht der Staat zu den Ausländern?

 

a.Aus Gastarbeitern werden Ausländer

 

So gut der Staatsmacht die bedingungslose Treue als Stellung ihrer Untertanen gefällt, geht sie selber ihr „Ausländerproblem“ viel weniger prinzipiell an. Sie weiß sehr genau zwischen Ausländern und Ausländern zu unterscheiden. Von Sängern und Malern, Dichter und Denker bis hin zu ausländischen Fußball- und sonstige -stars sind alle herzlich willkommen, die durch ihr künstlerisches, wissenschaftliches oder sportliches Schaffen heimisches Ansehen in der Welt mehren. Gern gesehen sind Ausländer auch dann, wenn sie als „Arbeitgeber“ zu uns kommen. Nicht erst seit den heutigen Zeiten sogenannterGlobalisierung“ beschränkt der Staat sich, wenn es darum geht, seinen Reichtum zu mehren, nicht mehr auf das, was er bei sich zu Hause an Reichtumsquellen vorfindet. Ausländische Arbeitgeber, Menschen die Kapital aus dem Ausland mitbringen, um es hier durch einheimische Arbeitskräfte vermehren zu lassen, waren daher schon immer gern gesehen. Ihnen ihre ausländische Herkunft vorzuwerfen, käme niemandem in den Sinn. Auch ausländische Touristen dürfen sich, ob ihres lobenswerten Beitrags zu unserer Leistungsbilanz eines herzlichen Willkommens sicher sein.

 

Vorbehalte gegenüber Ausländer gibt es aber bei der Sorte Mensch, die Arbeitsplätze nicht schafft sondern nachfragt. Bei ihr steht nicht von vorneherein fest, ob ihre Anwesenheit der österreichischen Wirtschaft oder Politik nützt oder nicht. Das sogenannte Ausländerproblem bezieht sich ausschließlich auf ausländische Lohnarbeiter bzw. solche, die es werden wollen. Der demokratische Staat sortiert Menschen mit ausländischem Pass nach ihrer Klassenzugehörigkeit. Wie nach innen ist er auch nach außen Klassenstaat.

 

Gastarbeiter dürfen dann ins Land, wenn der Staat zum Befund kommt, dass es dem heimischen Arbeitsmarkt vielleicht nicht unbedingt an willigen - dafür sorgt schon die soziale und ökonomische Lage von Arbeitnehmern -, aber doch zumindest an ausreichend billigen Exemplaren dieser Gattung gebricht. Selbst ideologische Barrieren wie zum seinerzeitigen Jugoslawien spielen dann keine Rolle.

 

Dieser Bedarf hat sich in den letzten beiden Jahrzehnten grundsätzlich gewandelt. Die Zeiten, in denen Österreich wegen Arbeitskräfteknappheit im Ausland Arbeitskräfte anwerben musste, sind längst vorbei. Spätestens seit dem Zusammenbruch des ehemaligen Ostblocks 1989, dem nachfolgenden Krieg in Ex-Jugoslawien und dem Anschluss der aus diesen „Wirren“ hervorgegangenen Nachfolgestaaten an „unser“ Friedensprojekt EU verfügt Österreich über mehr williges und billiges Arbeitskräftepotential als die Wirtschaft verwenden will. Gastarbeiter“ werden wieder zu „Ausländer“, Bundes- und Landeshöchstzahlen für die Beschäftigung werden eingeführt und laufende Verschärfungen des Asyl- und Fremdenrechts schrauben die Anforderungen dafür, eine Aufenthaltsberechtigung in Österreich zu erhalten, zunehmend höher, ohne dass sich eine der Regierungen jemals dem Vorwurf der Ausländerfeindlichkeit ausgesetzt gesehen hätte.

 

Ab dem Jahr 1994 stellt die österreichische Regierung ihre Fremdenpolitik und den Titel „Integration vor Neuzuzug” und gibt damit hochoffiziell zu Protokoll, dass die Zeit in der hinreichende Billigkeit allein schon für die Teilnahme am österreichischen Arbeitsmarkt qualifizierte, endgültig der Vergangenheit angehört. Seitdem steht Ausländerpolitik zunehmend im Zeichen einer Sortierungs- bzw. Ausgrenzungspolitik. Darin, dass eine solche Sortierungspolitik nötig ist, herrscht Einigkeit über alle politischen Lagergrenzen hinweg. So ließ etwa Van der Bellen im letzten Wahlkampf verlauten:

 

Bei durchschnittlich 300.000 arbeitslosen Personen jährlich ist das Ausmaß an erwünschter Zuwanderung heute gering.”(A.v.d.Bellen, Standard 23.09.06)

 

Auch für Grüne ist es offenbar selbstverständlich, dass eine Volkswirtschaft nicht den Reichtum und dessen Mehrung am Bedarf der Leute, sondern die Zahl der Leute am Bedarf des Reichtums auszurichten hat. Wenn die kapitalistischen Erfolge bei der Steigerung der Produktivität verbunden mit den - mit dem Einzug der Gesetze des kapitalistischen Geldverdienens in den Staaten des ehemaligen Ostblocks eröffneten und mit der EU-Osterweiterung 2004 weiter ausgebauten - Freiheiten in der weltweiten kapitalistischen Benutzung von Land und Leuten für massenweise einkommenslose Bevölkerungsteile im In- und Ausland sorgen, die dem Kapital als Bodensatz der Reservearmee zur Verfügung stehen, dann lautet auch das Urteil des grünen Parteichefs über Zuwanderungswillige: „Sorry, Ihr seid hier zu viel!“. Statt ausländerhetzerisch „Ausländer raus“ zu fordern, entwerfen Grüne ein „Punktesystem zur Steuerung der Erwerbsmigration”, auf dass künftig ja nur die Richtigen reinkommen:

 

Das Punktesystem vergibt für Ausbildung, Sprachkenntnisse und qualifizierte Arbeitserfahrung Punktewerte. Diese orientieren sich primär an den Bedürfnissen des Einwanderungslandes, erlauben aber auch den EinwanderInnen vom Heimatland aus, ihre Chancen abzuschätzen.”(Einwanderungspolitik, die Grünen)

 

Eben! Grüne haben nichts gegen Ausländer, sie sollen nur, wenn hier nicht gebraucht, bei sich zu Hause bleiben. Und das soll man dann auch noch als Dienst an den Ausländern verstehen, schließlich erlaubt das Punktesystem den einwanderungswilligen Ausländern, schon „vom Heimatland aus ihre Chancen abzuschätzen“.

 

Steuerung der Erwerbsmigration”, „Kontrollierte Zuwanderung” bis hin zum „Zuwanderungsstopp” – in einem sind sich die Proponenten dieser Forderung einig - Ausländer gehören eigentlich nicht hierher, sind sie doch einem fremden Herrn verpflichtet. Wer schon hier ist, hat sich zu integrieren und wer erst zu uns will, der ist einer peniblen Überprüfung zu unterziehen, ob er überhaupt zu uns passt.

 

b.Ausländerpolitik wird anspruchsvoll: wie aus dem Ausländerproblem ein Islamismusproblem wird.

 

Spätestens seit dem Anschlag auf das World Trade Center am 11.September 2001 und dem in seiner Folge von den USA ausgerufenen „Krieg gegen den Terror“ entdeckt der Staat an den Ausländern bei sich zu Hause ein Kontrollproblem. Dass aufenthaltsberechtigte Ausländer ihren alltäglichen Geschäften nachgehen – arbeiten, einkaufen, Steuern zahlen, usw. - kurz sich wie die meisten Inländer an die Gesetze halten und sich in deren Rahmen betätigen, reicht nicht mehr. Sie werden darüberhinaus nicht bloß von wildgewordenen Ausländerfeinden, sondern von offizieller Seite daraufhin begutachtet, ob sie ausreichend integriert sind. Diese damit formulierte Forderung nach Integration zielt ganz auf das Privatleben - insbesondere muslimischer - Ausländer ab. Wer sich nicht bis in seine private Lebensführung hinein die österreichischen Sitten zu eigen macht, wer Schweinsbraten und Wienerschnitzel nicht ebenso mag wie - angeblich - Herr und Frau Österreicher, wer der falschen Fußballmannschaft die Daumen hält oder ein Kopftuch trägt, zum falschen Gott betet oder gar seiner Sippe und Religion mehr verhaftet ist, als Österreich, der macht sich verdächtig. All das sind fortan Zeichen einer potentiellen Ablehnung bzw. Gefährdung der „österreichischen Identität”.

 

Unausgesprochen Voraussetzung einer solchen kritischen Beäugung ist die allgemeine politische Einschätzung, dass hierzulande zuviele Ausländer wohnhaft sind, zuviele für alle nur denkbare Fälle ihrer Verwendung. Ein ganzes Heer von nicht gebrauchten Ausländern steht zur Verfügung, das dem Staat - weil nicht gebraucht - zumindest als tote Last, wenn nicht gar als Kontrollproblem ins Auge fällt.

 

Noch die vergangene Regierung hat daher die Einführung von abgestuften Überprüfungen der Integrationswilligkeit ausländischer Mitbürger beschlossen. Diese Prüfungen grenzen aus. Hierzulande einen Arbeitsplatz zu haben und diesen auch zu allgemeiner Zufriedenheit auszufüllen, ist keine ausreichende Eintrittskarte mehr für einen über eine Saison hinausgehenden Rechtstitel auf Aufenthalt. Zusätzlich muss erst noch die für den jeweiligen Fall vorgesehene und angeordnete staatliche Prüfung in Sachen Deutschkenntnisse bestanden werden. Bewerber für die österreichische Staatsbürgerschaft müssen darüberhinaus die Liebe zu ihrer neuen Heimat vorab durch entsprechende Grundkenntnisse der demokratischen Ordnung, über die Geschichte Österreichs und die Geschichte des Bundeslandes in dem sie sich aufhalten, unter Beweis stellen.

 

Genau besehen lässt sich Integration natürlich gar nicht überprüfen, einfach deshalb, weil sich selbst gelernte Österreicher nie und nimmer darüber einig werden würden, was denn nun die richtige, die österreichische Lebensweise ist, weil es - noch deutlicher gesagt - die österreichische Eigenart eben gar nicht gibt. Nicht zufällig machen sich Leute wie Grasser, Schüssel und Gusenbauer nur im Wahlkampf mit dem kleinen Mann gemein und der von Gusenbauer so gern herbeizitierte Bauarbeiter teilt sicher nicht die Lebensgewohnheiten der Mitglieder österreichischen Seitenblickegesellschaft. Andererseits ist ja aber auch gar nicht abzusehen, wieso denn eine Vorliebe für Hammelbraten und Schaffleisch gegen die rechte Gesinnung eines Prüflings sprechen sollte. Auf die Details der Prüfung der Integrationswilligkeit kommt es insofern also gar nicht an. Wichtig ist nur der Standpunkt: dass geprüft werden soll und muss.

 

Das lassen sich Herr und Frau Inländer wiederum nur allzugern sagen. Und dann wundert sich jemand über Ausländerfeindlichkeit?