GEGENARGUMENTE

Haderer, ein österreichischer Karikaturist - bekifft von der Meinungsfreiheit?

Warum das Bild eines surfenden Jesus zu einem Fall für den Richter wurde und was niemand daran auffallen will!

 

Einleitung

 

Im Januar des heurigen Jahres war der österreichische Karikaturist Gerhard Haderer in Griechenland wegen Religionsbeschimpfung durch seinen Komikband „Das Leben des Jesu“ in 1.Instanz zu 6 Monaten Haft bzw. einer Ersatzgeldstrafe von €1.600,-- verurteilt worden.

 

In dem Buch wird „Christus als liebenswerter Weihrauch-Kiffer, die wundersame Fischvermehrung als Bootsunglück und der Gang über den See Genezareth als Surf-Trip gezeigt“, was auch in Österreich für Proteste gesorgt hatte. Kardinal Schönborn sieht durch besagte Darstellungen die religiösen Gefühle seiner Schäfchen mit Füßen getreten und verlangte bereits 2002 nach Erscheinen des Buches eine Entschuldigung Haderers.

 

Zu einer gerichtlichen Verurteilung kam es bis dato nur in Griechenland. „Ich habe nicht damit gerechnet, dass es in einem Land wie Griechenland, das als Wiege der Demokratie gilt, solcher Art mittelalterliche Reaktionen gibt,“ lässt Gerhard Haderer wissen und sieht gemeinsam mit Künstlerkollegen wie Elfriede Jelinek und anderen in der erstinstanzlichen Verurteilung einen Angriff auf „die in europäischen Demokratien geschützten Grundrechte der Meinungs- und Kunstfreiheit“, einen „skandalösen Angriff auf die Grundlage ihrer Arbeit“.

 

In der Berufungsverhandlung im April des heurigen Jahres wird die Erstentscheidung aufgehoben, Haderer vom Vorwurf der Religionsbeschimpfung freigesprochen. Die Welt des Gerhard Haderer und die seiner Künstlerkollegen ist damit wieder in Ordnung.

 

Wir wollen diesen Fall zum Anlass nehmen, zu klären, was es mit dem staatlich gewährten Recht auf Meinungsfreiheit und den gesetzlich definierten Grenzen zum Schutz der religiösen Gefühle auf sich hat und was von Karikaturisten zu halten ist, die all das als Grundlage ihrer Tätigkeit sehen.

 

Vom Recht auf Meinungsfreiheit

 

In Artikel 10 Absatz 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention heißt es:

 

Jedermann hat Anspruch auf freie Meinungsäußerung. Dieses Recht schließt die Freiheit der Meinung und die Freiheit zum Empfang und zur Mitteilung von Nachrichten oder Ideen ohne Eingriffe öffentlicher Behörden und ohne Rücksicht auf Landesgrenzen ein. Dieser Artikel schließt aus, dass die Staaten Rundfunk-, Lichtspiel- oder Fernsehunternehmen einem Genehmigungsverfahren unterwerfen.

 

Der Staat, gewährt seinen Bürgern also das Recht, zu denken und sich ein Urteil über alle für ihr praktisches Leben mehr oder weniger wichtigen Belange zu bilden. Dass selbst derart harmlose wie unvermeidliche Lebensäußerungen wie zu Denken und das Maul aufzumachen, erst noch der staatlichen Erlaubnis bedürfen, das gilt gemeinhin nicht als bedrohliche Anmaßung des Staates, der selbst noch das Denken seiner Bürger unter seine Kontrolle stellt, sondern ganz im Gegenteil als Gütesiegel demokratisch verfasster Herrschaft. Und auch die Staaten, die ihren Bürgern das Recht auf freie Meinungsäußerung gewähren, halten sich selbst enorm viel darauf zugute, ihren Bürger das Denken zu erlauben.

 

Dabei sollte die Gewährung eines solchen Rechtes weniger zufrieden als vielmehr nachdenklich stimmen. Wären die Bedürfnisse der Bürger oberster und einziger Zweck von Staat und Wirtschaft, würden die Menschen daher wirklich gehört, wäre die Gewährung eine Rechtes auf Äußerung ihrer Meinung eine höchst überflüssig anmutende Angelegenheit. Das Recht auf Äußerung von Unzufriedenheit und Beschwerde ist umgekehrt doch nur dann eine erstrebenswerte Sache, wenn das Wirken von Politik und Wirtschaft Gründe für Unzufriedenheit schafft und zwar nicht zufällig hier und dort, sondern beständig und systematisch.

 

Gründe und Anlässe für Unzufriedenheit liefert der kapitalistische Alltag tatsächlich in ausreichender Zahl. Die mit dem staatlichen Schutz des Privateigentums durchgesetzte Trennung der Mehrzahl der Bürger von allen Mitteln ihrer Reproduktion und die damit für diese Bürger gesetzte Notwendigkeit zu unselbstständiger Arbeit im Dienst und zum Nutzen eines Eigentums, das nicht das ihre ist, sorgt nämlich nicht nur für einen dauerhaften Mangel an Geld in ihren Händen, sondern gleich auch noch dafür, dass ihre ganze Existenz eine im höchsten Maße unsichere Angelegenheit ist. Dass sich dann seitens dieser Bürger Unzufriedenheit einstellt, wenn sie trotz beständig strebenden sich Bemühens nicht und nicht auf einen grünen Zweig kommen wollen, ist kein Wunder.

 

Der Staat reagiert auf diesen Umstand auf seine Weise. Nicht indem er die Ursache des bleibenden Schadens der Bürger zurücknimmt. Gerade weil die Wirtschaft ihm selbst ökonomische Grundlage sein soll, richtet er sie mit Freiheit, Gleichheit und Privateigentum so ein, wie sie ist. Im Wissen um die zwangsläufig sich einstellende Unzufriedenheit seiner Bürger bei der Verfolgung ihrer gegensätzlichen Interessen in der damit von ihm durchgesetzten Welt von Demokratie und Marktwirtschaft erklärt er mit der Gewährung des Rechtes auf Meinungsfreiheit die Äußerung von Unzufriedenheit zu einem allen Bürgern gleichermaßen zustehenden Recht.

 

Worüber sie urteilen und welche Meinungen sie sich bilden, bleibt den Bürgern grundsätzlich selbst überlassen. Niemand schreibt ihnen vor, was sie sich zu denken haben. Eine schäbige Stellung zu ihrem Denken müssen sie aber schon einnehmen, wenn sie in diesem Recht tatsächlich ein Angebot sehen und es als solches wahrnehmen. Die Kehrseite dieses ihres Rechtes, den eigenen Unmut mit Gott und der Welt zum Ausdruck bringen zu dürfen, besteht nämlich darin, auch die widerstreitenden und konkurrierenden Urteile anderer als gleichermaßen berechtigte Äußerungen und Willenskundgaben anerkennen zu müssen.

 

Jedes Interesse darf also geäußert werden, über jeden Schaden darf sich beschwert werden, aber nur unter der einen entscheidenden Voraussetzung, dass sich jede solche Äußerung gleichzeitig den Mangel der eigenen Partikularität, dass es sich bei ihr bloß um eine Äußerung neben vielen anderen, anders lautenden, dem eigenen Urteil widersprechenden aber ebenso berechtigten Äußerungen handelt, zur Last legt.

 

Mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung gestattet der Staat also seinen Bürgern, ihre Unzufriedenheit darüber, es trotz besten Willens zu nichts zu bringen, zu behalten und zu pflegen. Verlangt ist von ihnen aber eines: es muss kenntlich sein, dass sie selbst ihre Raunzerei für praktisch irrelevant und folgenlos erklären. Alles was sie wollen, und den Ärger darüber, wie wenig davon zum Zug kommt, dürfen sie äußern - als Meinungen, als Urteile, deren Gewissheit sie keinesfalls behaupten wollen - und damit den praktischen Verzicht auf die Durchsetzung ihres Interesses leisten. Dass ihr Wollen ein anerkennenswertes Anliegen ist, wird ihnen nicht bestritten, wenn sie sich nur gleichzeitig damit einverstanden erklären, dass die Durchsetzung nicht in ihren Händen liegt.

 

Mit dieser Verwandlung des Willens in einen Wunsch, ist der gewollte Inhalt nicht verschwunden. Der Bürger, der in voller Anerkennung der widerstreitenden Interessen, gerne seinen Willen verwirklicht sähe, hat sich damit aber die Aufgabe eingehandelt, sich um die Bedingungen seiner Realisierbarkeit zu kümmern. Nur der Wille, dem es gelingt, nachzuweisen, dass er sich mit dem staatlichlicherseits definierten Allgemeinwohl in Einklang bringen lässt, kann auf Realisierung hoffen. Das findet im Denken seinen Niederschlag - es wird konstruktiv. Die Probleme, die das Wirken von Staat und Wirtschaft ihm bereiten, werden kundig in Probleme von Politikern und Unternehmern übersetzt.

 

Die Praktizierung dieser Geisteshaltung bleibt nicht ungedankt. Bürger die nichts anderes wollen, als ihre Meinung zu äußern, kriegen die Anerkennung, dass ihr so vorgetragener Wille - eine Wille, der seine Unerfüllbarkeit immerzu schon mitdenkt - zumindest berechtigt ist.

 

Mit der Verwandlung aller Urteile in belanglose Meinungen, die ihr Kriterium nicht mehr in wahr oder falsch haben, reißt eine Beliebigkeit des Denkens ein, dessen Bezug zum unabhängig davon abzuspulenden Werkeltagsleben einzig darin besteht, dieses Alltagsleben konstruktiv zu begleiten. Eine Beurteilung welche der meinungsmäßig betreuten Gegenstände wichtig und welche bedeutungslos für das eigene praktische Leben sind, findet nicht mehr statt. Vom Zustand der österreichischen Eishockey Nationalmannschaft, über die Frage, ob das Klonen menschlicher Embryonen erlaubt oder verboten werden sollte, den Krieg im Irak, die Arbeitslosigkeit bis zur heißen Frage nach dem Gast der Lugners beim nächsten Opernball, alles gehört gleichermaßen zum Feld der Themen, zu denen man eine Meinung hat. Kein Gegenstand, der nicht meinend besetzt würde. Und in diese seine gewusstermaßen belanglose Meinung legt der brave Staatsbürger dafür dann seinen ganzen Stolz. Mit dem Respekt, den sie erfährt, steht und fällt der Respekt, den er selbst in der Welt verdient und genießt.

 

Zu glauben, dass in Form der Meinung alles gesagt und gedacht werden dürfte, ist verkehrt. Eine rechtliche Erlaubnis ist nicht einfach ein Gewähren lassen, sondern die Kehrseite eines Verbotes. Die Kundgabe der Meinungen wird dementsprechend in Absatz 2 von Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention unter Auflagen gestellt:

 

Da die Ausübung dieser Freiheiten Pflichten und Verantwortung mit sich bringt, kann sie bestimmten, vom Gesetz vorgesehenen Formvorschriften, Bedingungen, Einschränkungen oder Strafandrohungen unterworfen werden, wie sie in einer demokratischen Gesellschaft im Interesse der nationalen Sicherheit, der Aufrechterhaltung der Ordnung und der Verbrechensverhütung, des Schutzes der Gesundheit und der Moral, des Schutzes des guten Rufes oder der Rechte anderer unentbehrlich sind, um die Verbreitung von vertraulichen Nachrichten zu verhindern oder das Ansehen und die Unparteilichkeit der Rechtssprechung zu gewährleisten.

 

Wenn das Denken schon nicht ohne den Staat zu haben ist, dann ist es eben genau soweit erlaubt, als es sich für ihn als tauglich erweist. Die freiheitlich demokratische Grundordnung selbst und alles was dazugehört in Zweifel zu ziehen, ist daher jedenfalls nicht erlaubt, Verstöße dagegen werden unter Strafe gestellt. Da der Staat die bewusstseinsbildende Funktion der Religion schätzt, stellt er die gesetzlich anerkannten Religionen unter seinen Schutz:

 

Wer öffentlich eine Person oder eine Sache, die den Gegenstand der Verehrung einer im Inland bestehenden Kirche oder Religionsgesellschaft bildet, oder eine Glaubenslehre, einen gesetzlich zulässigen Brauch oder eine gesetzlich zulässige Einrichtung einer solchen Kirche oder Religionsgesellschaft unter Umständen herabwürdigt oder verspottet, unter denen sein Verhalten geeignet ist, berechtigtes Ärgernis zu erregen, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit einer Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen.“(§188 StGB)

 

Die Meinungsfreiheit erfährt nach staatlichem Beschluss dort ihre Grenze, wo die religiösen Gefühle der Mitbürger, die einer der von ihm anerkannten Kirchen oder Religionen anhängen, verletzt werden.

 

Der Irrationalismus des Glaubens ist in der modernen Welt des 21.Jhdts. alles andere als ausgestorben, er kriegt im Gegenteil den ihm gebührenden Platz. Der Staat macht sich nicht zum unmittelbaren Parteigänger der Religion. Ein Gottesstaat, der seine Autorität daraus ableitet, Stellvertreter Gottes auf Erden zu sein, will er nicht sein. Nicht er ist von Gott gewollt, umgekehrt verhält es sich, was staatlich anerkannte Götter sind - er kennt offenbar mehrere die ihm alle gleich lieb sind - entscheidet allein er.

 

Auf die nützliche Seite des Glaubens will er deswegen aber noch lange nicht verzichten. Der moderne Staat bekennt sich ausdrücklich zu der von ihm geschätzten Funktion der religiösen Moral für ein modernes, freiheitlich kapitalistisches Gemeinwesen. Gläubige Bürger, denen der liebe Gott die Notwendigkeit des Opfers und die Willfährigkeit gegenüber der Obrigkeit aus der Menschennatur der Gotteskindschaft weismacht, sind keine schlechten Untertanen. Diese Geisteshaltung seiner Schäfchen lässt er sich nicht so einfach durch ihre Beleidigung beschädigen und stellt sie daher unter seinen ganz persönlichen Schutz.

 

Gerade weil es dem Staat auf die Nützlichkeit der Geisteshaltung seiner Bürger für ihn ankommt, stellt er nicht nur die Religion als eine Möglichkeit der Sinnstiftung, sondern auch die Kunst unter seinen Schutz. Damit hat er sich das leidige Problem eingehandelt, die sich notwendig einstellenden Streitfälle zwischen der Freiheit der Kunst und dem Gefühlsleben rechtgläubiger Menschen entscheiden zu müssen. Dieser Fall ist in Griechenland eingetreten.

 

Ein surfender Jesus - Freiheit der Kunst oder Verletzung religiöser Gefühle

Ankläger und Beschuldigter verteidigen gegeneinander die Meinungsfreiheit

 

Ein Athener Gericht hatte Haderer im Januar wegen Verletzung des öffentlichen Anstands und religiöser Gefühle in Abwesenheit zu sechs Monaten Haft verurteilt. Seine Bücher wurden beschlagnahmt und aus den griechischen Buchhandlungen entfernt. Am 13. April soll der Fall in Berufung gehen. In seinem Comic-Buch "Das Leben Jesu" stellt Haderer Jesus als liebenswerten Weihrauch-Kiffer vor. Die wundersame Fischvermehrung ist ein Bootsunglück und der Gang über den See Genezareth ein Surf-Trip.“(http://www.vaticanradio.org/ am 30.4.2005)

 

Die europäische christliche Gemeinde fühlt sich ganz im Sinne der Ökumene über alle Konfessionsgrenzen hinweg durch das vom österreichischen Karikaturisten Gerhard Haderer herausgegebene Büchlein „Das Leben des Jesus“ in ihrer religiösen Ehre gekränkt. Anders als in Österreich, wo es trotz mehrerer Anzeigen zu keinem Prozess kommt, führt eine Anzeige des Episkopates in Griechenland nicht nur zu einem Prozess sondern sogar zu einer Verurteilung Haderers in erster Instanz.

 

Worin besteht das, Haderer zur Last gelegte, Verbrechen? Wenn er sich dem Irrationalismus des Glaubens zuwendet, dann in der Absicht, dem Publikum ein Schmunzeln zu entlocken und zwar im gegenständlichen Fall dadurch, dass er ihm eine liebevolle, zugleich aber ein klein wenig respektlose Deutung, des in der Bibel erzählten religiösen Geschehens vorhält, eine Deutung ob derer alle lächeln, weil seine Darstellung des Heilands gar keinen Zweifel daran aufkommen lässt, dass gar kein Anspruch auf Gültigkeit des Gebotenen erhoben wird.

 

Ein bekiffter Jesus, dem im Rausch so manch seltsames Erlebnis widerfährt, der sich surfend am See Genezareth die Zeit vertreibt, der die versammelte und - ganz nach dem Bild, das sich die Amtskirche von ihren Gläubigen macht - nur bedingt dem echten und wahren Glauben anhängende menschliche Meute mit Hilfe von Zu- und Unfällen zu bekehren versucht und der schließlich, angewidert von der Geschäftemacherei selbst der von ihm erwählten Jünger, seinem heiligen Vorbild gleich, aber ohne den etwas komplizierten Umweg über das Kreuz gegen Himmel fährt. Kurz, Haderer traut sich frech zu sein und bringt ein paar Pennälerwitzchen zu Papier, die in dem, was ihr Witz sein soll, ganz vom Respekt vor dem offenbar nicht nur der Kirche Allerheiligsten leben.

 

Frevel und Blasphemie liegen in unserer Welt offenbar schon dann vor, wenn einer - aus welch schlechten Gründen immer - die den Gläubigen in ihrem heiligen Buch näher gebrachten Wunder mit den paar Erkenntnissen der Naturwissenschaft konfrontiert, über die noch jeder halbwegs gebildete Staatsbürger verfügt. Nicht der gilt als verrückt, der einem weismachen will, dass Jesus über den See Genezareth ging, sondern derjenige als ein Gotteslästerer, der dem diesseitigen Jenseitigen ein surfbrettähnliches Holzbrett unter die Füße zaubert.

 

Mitten in einer staatlich verfassten Welt, der „Informations- und Wissensgesellschaft“, einer Welt die sich ganze naturwissenschaftliche Abteilungen hält, einzig zu dem Zweck, herauszufinden, was es denn mit der Natur auf sich hat, um so der Geschäftemacherei nur ja kein mögliches Tätigkeitsfeld vorzuenthalten, eine Naturwissenschaft, die genau anzugeben weiß, warum und unter welchen Voraussetzungen sich ein Körper über Wasser halten kann, mitten in dieser Welt ist es verboten, sich über den Wunderglauben an einen über einen See laufenden Allerheiligsten auch nur lustig zu machen.

 

Offenbar handelt es sich um eine missbräuchliche Verwendung naturwissenschaftlicher Erkenntnis, wenn man ihre Resultate nicht - wie vorgesehen - fürs Geschäftemachen, sondern - und wenn auch nur spielerisch - gegen die andere Produktivkraft staatlichen Lebens - die Religion - in Anschlag bringt. Dann ist nicht sachliche Prüfung der getätigten Aussagen sondern ihr Verbot auf der Tagesordnung!

 

In seiner Verteidigung gegen den ihn vorgebrachten Vorwurf der Verletzung religiöser Gefühle, führt sich Haderer als treudoofen Anhänger der gegen ihn in Anschlag gebrachten Prinzipien vor. Nicht dass er mit seinem Comic-Band ein Fall für den Richter wird, irritiert ihn, sondern das im Raum stehende Urteil, er befände sich mit seinen Zeichnungen nicht in Übereinstimmung mit der von ihm so geschätzten staatlich gewährten Freiheit der Meinung und der Kunst. „Haderer selbst akzeptiert die gesetzlich definierten Grenzen der Meinungsfreiheit zum Schutz religiöser Gefühle“ kann man in der Presse vom 23.3.2005 nachlesen.

 

Dem - wie er sich selbst bezeichnet - „Geistesarbeiter“ Haderer platzt auch nicht der Kopf, dass man in unserer „Wissensgesellschaft“ die biblischen Wunder bei Strafandrohung zu respektieren hat. Überhaupt will er gegen die Wunder recht eigentlich gar nichts gesagt haben. Er meint die aufgeregte Öffentlichkeit daran erinnern zu müssen, dass er doch bloß Karikaturist sei und man daher seine Werke nicht mit einer ernsten Auseinandersetzung geschweige denn Kritik eines Glaubens an einen höchsten, allmächtigen Herrn, dessen unerklärlicher Ratsbeschluss die Geschicke der Welt bestimmen würde, verwechseln solle.

 

Ich gebe ja zu, daß meine Version der Geschichte nicht in allen Punkten den letztgültigen Wahrheitsanspruch erhebt. Wenn beispielsweise die Frage gestellt wird, wie die wundersame Fischvermehrung tatsächlich vonstatten ging oder wie und warum es zum letzten Abendmahl gekommen ist und wer schließlich dafür die Rechnung bezahlt hat, dann sind meine Antworten darauf sicher anzweifelbar; zu verteufeln - bitteschön - sind sie mit Sicherheit nicht. Ein kleiner Rest von Selbstironie würde schon genügen, die Verhältnisse ins rechte Lot zu rücken, aber eben diese hat man oder hat man nicht. So ergeht meine Botschaft an all jene, die nicht anders können, als Aussagen von Karikaturisten so ernst zu nehmen, als sei eine neue Bibel geschaffen worden. Bleibt cool, Leute.“ (Die Presse, 19.3.2002)

 

Nie und nimmer wolle er mit seiner Darstellung etwa der Fischvermehrung als Bootsunglück - eine Darstellung, die zumindest noch den Anschein der Realitätsnähe für sich hat - der biblischen Darstellung derselben als Wunder die Wahrheit absprechen. Da sieht er schon lieber seine Darstellung mit ein wenig Selbstironie „ins rechte Lot gerückt“. Den Vertretern und Verteidigern religiöser Einbildungen ruft er zu: Nehmt mich doch nicht so ernst!

 

Dass Haderer die Religion nicht kritisieren wollte, schon gar nicht mit böser Absicht, zu diesem Befund kam dann letztlich in 2.Instanz auch das Athener Gericht und sprach ihn daher vom Vorwurf der Religionsbeschimpfung frei. Damit sieht sich Haderer nicht nur in seinem Selbstverständnis, sondern qua Richterspruch auch amtlich in seiner Übereinstimmung mit den Grundsätzen bestätigt, die ihn beinahe zu einem Fall für einen EU-Haftbefehl hätten werden lassen.

 

Nach der "absurden" Erstentscheidung hielt Haderer das Schlimmste für möglich, persönlich fühlt er sich nun zwar "erleichtert: Aber es geht nicht nur um mein persönliches Wohl." Kollegen in ganz Europa hätten ihm nach der Erstentscheidung geschrieben, sie würden die Verurteilung als "Angriff auf die Basis ihrer Arbeit" empfinden. "Da entsteht für die Künstler eine massive Schere im Kopf." Allein die Möglichkeit, dass einem "Geistesarbeiter" ein europäischer Haftbefehl angedroht werden könne, ist für Haderer "untragbar".“(Die Presse, 14.4.2005)

 

Wenn dieser geistige Held der Meinungsfreiheit seinen Freispruch nicht verdient hat, wer sonst! Nicht er wäre beinahe das Opfer der gelobten Meinungsfreiheit geworden, sondern ausgerechnet dieses gegen ihn in Anschlag gebrachte Gesetz. Selbst gegenteilige Erfahrungen können hart gesottene Liebhaber der Meinungsfreiheit offenbar nicht daran irre machen, in der staatlichen Gewalt nicht nur einen Segen für die Menschheit sondern gleich auch noch die wahre Quelle ihrer eigenen Schaffenskraft zu entdecken - na dann Prost Mahlzeit. Ernst genommen was braucht ein Karikaturist: Papier, Bleistift und Ideen. Dass es einem „Geistesarbeiter“ so locker über die Lippen kommt, dass weniger dies die Basis seiner Arbeit sei, sondern die „Freiheit der Meinung und der Kunst“, führt nicht nur die Verkommenheit des Denkens von Anhängern der Meinungsfreiheit vor Augen, sondern auch die Vorzüge der vom Staat gewährten Meinungsfreiheit für diesen. Selbst von Leuten, die nichts Kontroverseres vorhaben, als mit ein paar Bilderwitzchen, das eine oder andere Lächeln in die Welt zu zaubern, ergeht an ihn der Auftrag, mit seiner ganzen Gewalt dafür zu sorgen, dass ihnen das im Namen ihrer Harmlosigkeit doch bitte auch erlaubt werden möge. Gegen wen sonst als gegen sich selbst er eigentlich dafür sorgen soll, interessiert solche „Geistesarbeiter“ nicht. Anhänger der Meinungsfreiheit sind eben doch die perfekteren Untertanen des Staates.