Pensionsreform 2003 oder wie Alt-Werden in Österreich immer mehr zu einem Risiko gemacht wird!
Mit der angekündigten Pensionsreform verspricht die Bundesregierung der österreichischen Bevölkerung eine Erhöhung der Lebensarbeitszeit durch Aufhebung der vorzeitigen Alterspensionen und eine massive Kürzung des Rentenniveaus durch wesentlich längere Durchrechnung - statt 15 Jahren wie bisher 40 Jahre, geringeren Steigerungsbetrag, Nichtvalorisierung der Pension im ersten Pensionsjahr und höhere Abschläge bei Frühpensionen. Die Bundesregierung kürzt aber nicht nur die Pensionen, sie liefert auch noch die von ihr gewünschte Sichtweise dieser Maßnahmen gleich mit. Mit ihren Maßnahmen verarmt sie nicht die künftigen Pensionisten, nein sie sichert deren Pensionen, wenn sie die aktiv Beschäftigten in Hinkunft länger arbeiten lässt und ihnen dann im Vergleich zu heute weniger an Pension auszahlt. Denn dass eine Erhaltung der zukünftigen Pensionisten auf bisherigem Niveau in Zukunft nicht mehr leistbar ist, wenn die Alten immer länger leben und immer mehr werden, während die Erwerbstätigen im Verhältnis dazu abnehmen, das müsse jedermann klar sein. Eine kritische Anfrage derart "Was ist denn das für eine Wirtschaft, in der man für höheres Alter mit mehr Armut büßen muss?" braucht sie nicht zu fürchten, auch keine Zweifel an der Überlegenheit einer Wirtschaftsweise, die die Erhaltung eines Pensionisten durch zwei oder gar nur einen Erwerbstätigen ungeachtet aller sonst so gerne als Erfolgsausweis der Wirtschaft angeführten Produktivitätssteigerungen als nicht leistbares Schreckgespenst an die Wand malt. Stattdessen bricht in der Republik bei voller Einigkeit über die Notwendigkeit einer Pensionsreform eine Debatte über Schnelligkeit und soziale Verträglichkeit der geplanten Maßnahmen aus.
Was man aus der Pensionsreform über den Zweck von Staat und Ökonomie lernen kann und was von den allseits geteilten Begründungen ihrer Notwendigkeit zu halten ist, das ist das Thema der Sendung.
1.
Die Bundesregierung verweist darauf, was ihre Experten von der Bevölkerungswissenschaft über das generative Verhalten der Österreicher vorausberechnet haben und alle ohne Ausnahme, die Damen und Herren von der rot-grünen Opposition ebenso, wie der ÖGB und auch die gesamte Öffentlichkeit sind sich einig. Sie alle stimmen ein in den Chor: "So wie bisher kann es nicht weitergehen mit dem Pensionssystem". Um es davor zu retten, dass es morgen, übermorgen oder auf jeden Fall irgendwann einmal zusammenbricht, muss es dringend, am besten noch heute reformiert werden. Die gemeinsame Antwort auf die Frage, durch wen oder was dieses System denn eigentlich bedroht ist, fällt denkbar simpel und eigenartig aus. Bedroht wird dieses System durch diejenigen, für die es da ist. Vor denen, die es brauchen – pardon für die, die es brauchen – muss es gerettet werden. Dazu folgendes Zitat aus der Vorab-Presseinformation zu diesem Gesetzesvorhaben:
"Österreich muss auch im Jahr 2010 ein Land der lebendigen Solidarität zwischen den Generationen sein. Dabei gilt es zwei Bevölkerungstrends zu beachten. Die Zahl der Geburten nimmt ab und die Zahl der älteren Menschen nimmt zu. Das heißt: das Verhältnis zwischen den Berufstätigen und Pensionisten wird in wenigen Jahrzehnten 1:1 lauten. Das heißt: in unserem umlagefinanzierten Pensionssystem werden immer weniger Erwerbstätige immer mehr Pensionisten finanzieren müssen. Wir müssen daher rasch eine Pensionssicherungsreform umsetzen, damit auch die jüngeren Generationen eine Chance auf eine existenzsichernde Pension im Alter haben."(Homepage des Sozialministeriums)
Hier wird absichtsvoll die Differenz von Geburten- und Sterberate mit der Änderungsrate der Zahl der Beschäftigten verwechselt. So als ob es da nicht noch so etwas wie einen Arbeitsmarkt gäbe, der durch die ihm eigentümlichen Gesetzmäßigkeiten dafür sorgt, dass noch längst nicht aus jedem hoffnungsfroh in die Welt gesetzten und bei fehlender Erbschaft mittellosen Erdenbürger auch schon ein erfolgreicher Arbeitnehmer wird. Abgesehen davon bleibt immer noch die Frage offen, was denn an dem als Gefahr an die Wand gemalten demografischen Verhältnis von 1:1, das in dreissig Jahren droht, so erschreckend sein soll. Was wäre denn, möchte man fragen, das richtige Verhältnis? Eine Frage auf die es, würde sie denn gestellt, gar keine vernünftige Anwort gäbe. Schließlich lassen sich aus demografischer Sicht das Problem und seine Lösung gar nicht unterscheiden. Reicher Kindersegen heute und damit gesicherte Pensionen morgen sind schließlich, wenn man der Logik der demografischen Argumentation folgt, der Keim der Pensionskatastrophe von übermorgen.
Aber so, als ein Versuch, Lösungen für ein wirkliches Problem zu finden, ist der Verweis der Bundesregierung auf die Resultate des Gebär- und – in unverantwortlicherweise geänderten – Sterbeverhaltens ihrer Österreicher gar nicht gemeint. Dann würde ja auch schon der bloße Hinweis auf die aus aller Welt nach Europa drängenden Immigranten und auf die weltweite Bevölkerungsexplosion genügen, das vermeintliche Problem auch schon wieder als gelöst zu betrachten.
Die Leistung dieses Argumentes ist eine andere: Mit ihm kriegen diejenigen, deren Wohlergehen nicht nur im Alter angeblich im Mittelpunkt der Wirtschaft im allgemeinen und dieser wie schon aller vorangangenen Pensionsreformen im besonderen steht, auch argumentativ den Stellenwert zugewiesen, den ihnen Politik und Ökonomie praktisch schon immer zuweisen – die Rolle der abhängigen Variablen. Eine Abhängigkeit, die aber keinesfalls in den Zwecken von Politik und Ökonomie, sondern ausschließlich in dem notwendig stets misslingenden Zahlenverhältnis von Jung und Alt gründen soll. Diejenigen, um die es angeblich geht, kriegen, weil sie im falschen Mischungsverhältnis von Alt und Jung vorliegen, den Stellenwert eines Problems verpasst, dem sich die Politik einfach nicht anders stellen kann, als ihnen das, was sie nach allgemeiner Auffassung unbedingt brauchen, dadurch zu sichern, dass sie es ihnen zusammenstreicht.
2.
Um aus der für die Zukunft prognostizierten Verschiebung des Verhältnisses von Alt zu Jung eine ökonomische Katastrophe abzuleiten, darf man eines auf keinen Fall tun, den Reichtum betrachten, den die Lohnarbeit täglich aufs neue hervorbringt. Weil der Reichtum, auf den es in unserer Gesellschaft ankommt, ausschließlich in der Geldsumme vorliegt, um die das Eigentum der Arbeitgeber wächst, eine Geldsumme, die die lohnabhängige Mannschaft nichts angeht, will gleich niemand mehr auffallen, dass sich damit die Pensionisten lässig flott versorgen ließen. Aber für diesen Zweck steht der Reichtum in unserer Gesellschaft eben gar nicht zur Verfügung. Der ist dafür da, dass er sich vermehrt und dabei darf er keinesfalls behindert werden.
Deswegen kann und darf der Wirtschaft auf keinen Fall mehr an Kosten für die Erhaltung der gesamten Arbeitsmannschaft, inklusive ihrer in Pension befindlichen Teile, zugemutet werden, als sie bereit ist, den Aktiven an Bruttolohn zu bezahlen. Ausgerechnet der Lohn, die negative Größe der Wirtschaft, die in keiner maßgeblichen ökonomischen Kalkulation als Maßzahl und Ausweis des Erfolgs der Wirtschaft oder einer Unternehmung auftritt, die im Gegenteil in allen derartigen Kalkulationen als eine immer zu hohe Kost des mit ihr gekauften Dienstes, seinen Käufer reicher zu machen, behandelt wird und die daher notwendig immerzu knapp bemessen ausfällt, ausgerechnet diese negative Größe muss den Erhalt auch der Arbeitnehmer leisten, die für die Vermehrung des gesellschaftlichen Reichtums nicht mehr in Betracht kommen.
Umlageverfahren oder auch Generationenvertrag heißt diese soziale Errungenschaft. Im Wissen darum, dass sich die Arbeitnehmer vom Verdienten eine Vorsorge für die Zeit nach dem Ende ihres Arbeitslebens nicht leisten können – jeder Euro für die Altersvorsorge fehlt notwendig an anderer Stelle -, zwingt der Staat dem aktiven Teil der Arbeitnehmerschaft die Erhaltung ihres in Pension befindlichen Teiles auf. Er zieht Teile des Lohns der Aktiven ein und bestreitet nach seinem Gutdünken mit diesen Geldmitteln die Aufwendungen für den Erhalt der Pensionisten. So sorgt er dafür, dass das, was nicht geht, trotzdem gehen muss. Dieses Pensionsystem verteilt nicht den Reichtum um, den die Lohnarbeit hergibt, sondern die Armut, die ihre Grundlage ist. Klar, dass dann jedes Jahr, das die Arbeitnehmer im Durchschnitt länger leben, jeder Rückgang der Beschäftigtenzahl und jeder Anstieg der Arbeitslosigkeit nur eines bewirkt, das sowieso schon knappe Geld, das in die Sozialkassen fließt, reicht nun erst recht nicht mehr.
Diesen Generationenvertrag völlig abschaffen wollen auch Schüssel, Bartenstein und Konsorten nicht, wenn sie versprechen, Österreich und seinen Arbeitnehmern auch künftig – bis ins Jahr 2010 und darüberhinaus – dieses Stück "lebendiger Solidarität" bescheren zu wollen. Dazu schätzten sie die Leistung dieses Umlagesystems viel zu sehr, dafür zu sorgen, dass die Alten am Ende eines Arbeitslebens, das in ihren Händen offenbar noch nicht einmal soviel an Reichtum zurückgelassen hat, dass sie davon in Ruhe ihren Lebensabend genießen könnten, nicht dem Staat bzw. seiner Sozialhilfe zur Last fallen. Der Generationenvertrag verlangt aber laut Bundesregierung Adaptierungen. Fragt sich bloß welche.
3.
Eines steht von vorneherein fest, eine Erhöhung der Beiträge zur Pensionsversicherung kommt keinesfalls in Frage:
"Die Szenarien" der Expertenkommission "ließen keinen Zweifel daran, dass die Hauptprobleme der Zukunft durch die wünschenswerte Verlängerung der Lebenserwartung und die Veränderungen im Bevölkerungsaufbau verursacht werden. Die Konsequenzen werden vor allem an der Entwicklung des sogenannten impliziten Beitragssatzes (jenes Beitragssatzes, der erforderlich wäre, würde die Pensionsversicherung zur Gänze durch Beiträge finanziert) deutlich: Er betrug im Jahr 2000 schon 31,3 % und würde sich selbst nach dem Barcelona-Szenario bis zum Jahr 2035 auf 36,7 % erhöhen."(Regierungsvorlage zur Pensionssicherungsreform 2003)
Was spricht denn eigentlich gegen die Erhöhung des Beitragssatzes, wenn sie nun mal für einen ordentlichen Ruhestand nach 40 Jahren Arbeit notwendig ist, möchte man fragen? Wenn der Lohn der Aktiven keinen ordentlichen Lebensunterhalt der gesamten lohnabhängigen Klasse - inklusive ihrer im Ruhestand befindlichen Teile - hergibt, dann gibt es doch nur eine logische Schlussfolgerung, dann ist er zu nieder. Dann ist die Arbeit zu billig. Und dann muss eben für die Beschäftigten mehr Lohn her, damit die Alten ein anständiges Auskommen haben und die Aktiven ihre Abzüge verkraften. Für unsere modernen Sozialpolitiker und ihre Experten stellt sich die Sachlage genau umgekehrt dar. Für sie sind nicht die Aktiven zu billig, für sie ist das Volk im Ruhestand zu teuer. Das Problem, dass es dann nach Ansicht der Regierung und ihrer Experten zu bewältigen gilt, ist das längere Leben der Rentner. Kein Wunder, dass eine solche Bestandsaufnahme dann betonen muss, dass die Verlängerung der Lebenserwartung "wünschenswert" ist. Die längere Lebenserwartung wird den Pensionisten also nicht vorgeworfen, nein man wünscht sie ihnen, aber dass dies ein "Risiko" für die Pensionsversicherung ist, mit dessen Bewältigung weder die Unternehmen noch der Staat belastet werden soll, das soll schon außer Frage stehen.
4.
Die Unfinanzierbarkeit der Pensionen auszurufen hat nichts mit einem im System des Generationenvertrages eingebauten Sachzwang zu tun, dazu braucht es schon eines politischen Beschlusses, keine weiteren Finanzmittel, schon gar nicht aus anderen Quellen als dem Lohn in die Sozialversicherung einzuschleusen:
"Aus Gründen der Erreichung der mittelfristigen Budgetziele sowie aus Gründen der Senkung der Ausgaben- und Abgabenquote sowie vor allem zur nachhaltigen Sicherung der Pensionen hat sich die Bundesregierung zum Ziel gesetzt, die Bundesmittel zur gesetzlichen Pensionsversicherung bereits mittelfristig um 1 000 Mio Euro zu senken." (Regierungsvorlage zur Pensionssicherungsreform 2003)
Die Bundesregierung verkündet, die Bundesmittel zur gesetzlichen Pensionsversicherung nicht nur nicht zu erhöhen, sondern im Gegenteil den Anteil des Bundesbeitrags zu Pensionsversicherung sogar zu senken. Hat man sich zu Zeiten der Einführung des ASVG zu einer Drittel- Finanzierung der Pensionen der österreichischen Arbeitnehmer verstanden, also je ein Drittel durch Arbeitnehmer-, Arbeitgeber- und einen Bundesbeitrag aus Steuermitteln, so wird heutzutage, wo sämtliche Staaten der EU ihre nationalen Haushalte auf den Prüfstand stellen, der Bundesanteil zunehmend als eine Last gesehen, von der man sich befreien will. Dass der Anteil des Bundeszuschusses an den Gesamtaufwendungen der gesetzlichen Pensionsversicherung nicht nur nie ein volles Drittel betrug, sondern im ASVG-Bereich seit 1990 ausnahmslos unter 20 % liegt, dass der Anteil des Bundeszuschusses zur Pensionsversicherung im Verhältnis zu den Gesamtausgaben des Bundes seit Mitte der 80er Jahre laufend zurückgeht und auch bei ungeänderter Gesetzeslage bis zum Jahr 2007 weiter sinken würde, ist von daher für die Bundesregierung kein Grund für Zufriedenheit und Zuversicht, sondern als immer noch bestehende Zuzahlung zu den Pensionen aus Steuermitteln ein Ärgernis. Schließlich hat sich Österreich mit seinen europäischen Partnern im Interesse eines starken Euros, der dem Dollar als Weltgeld Konkurrenz machen soll, im Stabilitätspakt auf einen ausgegelichenen Staatshaushalt als mittelfristiges Budgetziel verständigt. Das gebietet eine Durchforstung der Staatsausgaben, welche davon man in Hinkunft als nützlich und daher auch weiterhin leistbar und welche man als bloße Unkost und damit als nicht mehr finanzierbar ansieht.
Bei dieser Durchforstung springt der Regierung zielsicher der Bundeszuschuss zur Pensionsversicherung ins Auge. Mit ihrem Beschluss, ihn um 1 Mrd.Euro zu reduzieren, gibt sie kund, dass Steuergelder dafür zu schade sind, der Arbeitsmannschaft nach Erschöpfung ihres Arbeitsvermögens den Ruhestand zu finanzieren. Das stellt eine Unkost dar, die reduziert gehört.
Dass die Entscheidung, den Bundeszuschuss herunterzufahren, rein gar nichts mit der Beschränktheit der staatlichen Finanzmittel zu tun hat, zeigt sich neben der in derselben Ministerratssitzung getroffenen Grundsatzentscheidung für den Ankauf von Kampfflugzeugen ein weiteres Mal an dem in einem Atemzug mit der Pensionsreform genannten Beschluss, die Abgabenquote zu senken, um die Wirtschaft zu entlasten. Auch eine Auskunft - Pensionisten belasten die Wirtschaft! Es wäre für die österreichischen Arbeitnehmer hoch an der Zeit, sich die Frage zu stellen, ob sie sich eine solche Wirtschaft, die alle ihren Notwendigkeiten unter die Kategorie unerträgliche Belastungen abbucht, eigentlich leisten können.
5.
Wenn es einmal beschlossene Sache ist, dass die abnehmende aktive Arbeitnehmerbevölkerung für die zunehmende Anzahl von Alten aufzukommen hat, wenn gleichzeitig den Unternehmern von Staats wegen "Belastungen" erspart werden müssen und der Bundesbeitrag als Finanzierungsquelle in Zukunft deutlich reduziert werden soll, dann muss die Altersversorgung aus gesetzlichen Kassen heruntergefahren werden:
"Unter Zugrundelegung dieser Zielsetzungen und angesichts der eben dargestellten unvermeidbaren Entwicklungen muss das derzeitige Leistungsniveau der Pensionsversicherung, das weit über jenem in vergleichbaren Staaten liegt, so verändert werden, dass einerseits der jungen Generation die Finanzierung des Systems noch zugemutet werden kann, während andererseits die Pensionisten nach wie vor erstrebenswerte Pensionen erwarten können. Im Vordergrund muss dabei die Erhöhung des gesetzlichen Pensionsantrittsalters stehen. Das ist nicht nur im Hinblick auf eine Annäherung an das Barcelona-Ziel notwendig, sondern auch unvermeidlich, um eine längerfristige Finanzierung sicherzustellen." (Regierungsvorlage zur Pensionssicherungsreform 2003)
Das derzeitige Leistungsniveau der Pensionsversicherung ist laut Bundesregierung zu hoch. Diesen Befund entnimmt sie dabei nicht dem Wohlstand österreichischer Pensionisten – das wär bei einer Durchschnittspension von unter 1000 Euro auch nur schwer möglich -, sondern ihrem eigenen Beschluss der Pensionsversicherung – gemessen an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit Österreichs - künftig weniger finanzielle Mittel zur Verfügung stellen zu wollen. Im Namen der jungen Generation nimmt sie den bis dato geltenden Rechtsanspruch der Pensionisten aufs Korn.
Zwar war die bisher von der Politik selbst in Umlauf gebrachte Sichtweise der gesetzlichen Pension als Lebensstandardsicherung auch schon nur die halbe Wahrheit, schließlich konnte sich ja kein Pensionist über die Fortzahlung des letzten Lohns freuen, sondern musste sich, sofern er es überhaupt auf die 40 Beitragsjahre gebracht hatte, mit maximal 80% seines Durchschnitsslohns von 15 Jahren zufrieden geben. Jetzt geht die Bundesregierung aber daran, auch noch diesen Standpunkt gegenüber der gesetzlichen Pension aus dem Verkehr zu ziehen. Mehr als die Erhaltung der Existenz will sie den künftigen Pensionisten nicht mehr zugestehen. Und dass man auch mit weniger noch leben kann, das dürfen die Pensionisten sorgsam ausgewählter anderer Staaten schon heute unter Beweis stellen.
Als Nutznießer der jetzigen Pensionskürzungen dürfen sich dabei ausgerechnet diejenigen fühlen, die von ihnen mit voller Härte getroffen werden – die Mitglieder der jungen Generation. Bei unverkürzten Beiträgen jetzt werden sie - mit etwas Glück – dann aber ganz sicher in den ungeschmälerten Genuss einer auch noch vom letzten Rest auf Sicherung des Lebensstandardes befreiten Pension kommen. Dass sie dafür sorgen wird, dass auch diese Pensionen dann noch immer erstrebenswert sind, kann man der Politik ruhig glauben. Schließlich beweist sie doch gerade mit der jetzigen Reform, das sie Willens und in der Lage ist, ein Armutsniveau durchzusetzen, dass dazu angetan ist, auch noch aus der schlechtesten Pensionen eine erstrebenswerte Sache zu machen.
Damit man diese erstrebenswerten Leistungen in Hinkunft aber auch tatsächlich bekommt, muss man in Zukunft auch noch länger arbeiten. Die Pensionsreform soll schließlich nicht nur aus den Pensionen eine todsichere Sache machen, sie soll außerdem auch noch dazu beitragen, dass Österreich seinen im Rahmen der EU vereinbarten beschäftigungspolitischen Zielsetzungen nachkommt und seine Erwerbsquote der 55 bis 64-jährigen deutlich anhebt. Weil in dieser besten aller möglichen Welten der eigentumslose Mensch nicht arbeitet, um zu leben, sondern lebt um zu arbeiten, kann und darf es einfach nicht sein, dass sich der Beginn des wohlverdienten Ruhestand allzuweit von der durchschnittlichen Lebenserwartung entfernt. Arbeitnehmer die nicht arbeiten, obwohl sie noch könnten, sind daher für die Politik kein Grund zur Freude, sondern Anlass zur Sorge.
Die einzige Sicherheit, die die jetzt vor der Beschlussfassung stehende Pensionssicherungsreform stiftet, ist die Sicherheit, dass die gesetzliche Pension für den Ruhestand in Hinkunft kaum mehr als eine Überlebenshilfe bringen wird.
6.
Als Mittel, die mit der jetzigen Pensionsreform 2003 durchgesetzte Altersarmut knapp über dem Sozialhilfeniveau abzufedern, verweist die Bundesregierung auf ihr segensreiches Wirken bereits in der vergangenen Gesetzgebungsperiode:
"Der verstärkte Ausbau der zweiten und dritten Säule – hier ist insbesondere die Abfertigung neu zu nennen sowie die prämienbegünstigte private Altersvorsorge – werden aber dazu beitragen, dass diese Lücke in Summe über alle Vorsorgeleistungen im Alter betrachtet geringer ausfallen wird als hier dargestellt."( Entwurf zur Änderungen ASVG, Homepage des BM für Soziale Sicherheit)
Noch als alte Bundesregierung hat sie mit der vergangenen Juli in Kraft getretenen "Abfertigung neu" den bis zu diesem Datum bestehenden Anspruch der Arbeitnehmer auf eine Abfertigung abgeschafft – sprich enteignet – und in eine betriebliche Pensionsvorsorge umgewandelt. Einzig der ÖGB verkauft bis heute den unter seiner Mitwirkung eröffneten Einstieg in eine kapitalgedeckte Pensionsvorsorge den österreichischen Arbeitnehmern als Errungenschaft unter dem Titel: "Abfertigung für alle" mit dem Verweis auf das von ihm geltend gemachte Wahlrecht zwischen Auszahlung als Abfertigung und Verwendung als zweite Säule der Pensionsvorsorge.
Neben dieser zweiten Säule wurde den den österreichischen Arbeitnehmern – ebenfalls schon in der vergangenen Gesetzgebungsperiode – noch eine weitere, dritte Säule der Altersvorsorge beschert. Seither haben sie, wenn ihnen die Bewältigung ihres Arbeitsalltsags tatsächlich noch Geld überlässt, die Möglichkeit auch noch zusätzlich durch staatlich gefördete Einzahlungen in private Pensionsfonds vorzusorgen. Der besondere Charme dieser neuen Form der Alterssicherung liegt darin, dass die eingesammelten Beiträge nun nicht mehr den Bruttolohn und damit die Wirtschaft, sondern nur noch den Nettolohn der Arbeitnehmer belasten. Kein Wunder daher, dass der notorische Geldmangel der Arbeiterhaushalte aus dieser letzten Säule bis zum heutigen Tag nicht die Erfolgsgeschichte hat werden lassen, als die sie der Öffentlichkeit bei ihrer Einführung verkauft wurde.
Dieses ihr Werk – das 3-Säulen-Modell - vollendet die Bundesregierung nun mit der jetzigen Pensionsreform 2003. Indem sie einfach davon ausgeht, dass die österreichischen Arbeitnehmer auch noch privat vorsorgen, und zwar unabhängig davon, ob die dazu überhaupt in der Lage sind, sorgt sie auf deren Seite für den nötigen Anreiz, sich der Frage, wie die eigene Armut am besten und sichersten über das gesamte Leben zu verteilen wäre, mit ganz neuer Ernsthaftigkeit zu stellen. Auf die Idee, der geminderten Leistungsfähigkeit, der nun zu einer von insgesamt drei Säulen herunterdefinierten gesetzlichen Pension auch eine entsprechende Absenkung der Beiträge folgen zu lassen, und damit die Arbeitnehmer überhaupt erst in die Lage zu versetzen, den Notwendigkeiten einer privaten Vorsorge nachzukommen, verfällt die Regierung konsequenterweise nicht.
So schaut sie also aus, die von der Bundesregierung versprochene Adaptierung des Generationenvertrages. Statt wie bisher die sozialen Lebensrisken der Arbeiter zu verstaatlichen und die Verantwortung für das Auskommen im Alter der gesamten Klasse aufzubürden, kann nun im neuen Pensionsystem jeder einzelne Arbeitnehmer ganz frei und selbstbestimmt unter Einsatz seines Nettolohns und in Abhängigkeit von seiner ganz und gar individuellen Beschäftigungsbiografie im Dienste des Kapitals sehen, wo er im Alter bleibt.
Privat ist die neue Form der Vorsorge noch in einem ganz anderen Sinn. Das bei den Arbeitnehmern mit dem Versprechen seiner wundersamen Vermehrung eingesammelte Geld soll nämlich ganz nebenbei noch eine ganz andere segensreiche Wirkung entfalten. Durch die Verpflichtung der neu einzurichtenden privaten Pensionsfonds darauf, zumindest 40% der eingesammelten Beträge in heimischen Aktien zu veranlagen, soll außerdem noch der darniederliegende heimische Börseplatz zu neuem Leben erwachen. Der Charme – oder, um es in den Worten des Finanzministers auszudrücken – die Intelligenz der neuen Gestaltung der Altersicherung liegt darin, dem Lohn der Arbeitnehmer ein Stück Förderung der österreichischen Aktienkultur abzutrotzen. Beschwert darüber haben sich nicht die Arbeitnehmer, sondern die Pensionskassen, die sich durch derartige Auflagen in ihrem Geschäft beschränkt sehen.
Fazit
Der in Österreich gezahlte Lohn muss wahrlich viel leisten: eine hohe Wertschöpfung in den Betrieben, eine Belebung des österreichischen Aktienmarktes und dem Staat möglichst viel Einnahmen bescheren soll er auch noch. Aber eines kann man dem "Faktor Arbeit" offensichtlich nicht zumuten, dass er denen, die die Arbeit verrichten, ein sorgenfreies Leben während ihrer aktiven Zeit und schon gar nicht im sogenannten "wohlverdienten Ruhestand" ermöglicht.
Dafür tritt auch der ÖGB nicht ein, was unter anderem an der Art und Weise wie er sich in die Pensionsdebatte einmischt erkennbar ist. Was will der ÖGB? Eine soziale Pensionsreform - BRAVO!! Pensionskürzung ja, aber anders, sozial verträglich. So dass wer nicht leidet? Die von den Pensionskürzungen Betroffenen? Nein, denen will auch der ÖGB eine Pensionsreform verpassen. Gestritten wird von ihm um das Wie und Wann. Die vorliegende Reform sei keine Reform und überhaupt "zu schnell". Womit sich sein Einwand endgültig auf den Punkt zuzuspitzt, die Regierung möge ihm Zeit bis zum 30.September geben, Zeit dafür einen eigenen, anderen Schröpfvorschlag vorzulegen. Und dafür dürfen Herr und Frau Arbeitnehmer dann auch noch demonstrieren und sogar ein bisschen streiken – sozial verträglich, versteht sich.
Kein Wunder, dass sich bei so viel konstruktivem Geist des ÖGB bei der Vertretung der Wirtschaft und sogar beim höchstem Repräsentanten der Republik, dem Bundespräsidenten, Zweifel auftun, ob das sture Bestehen der Bundesregierung auf ihrem Zeitplan nicht Österreich durch die Beschädigung des sozialen Friedens mehr schadet als nützt.
Und die Arbeitnehmer? Die machen das auch noch mit, regen sich auf, wenn es verlangt ist und gehen dann wieder an ihren Arbeitsplatz, weil schließlich ihr Betrieb nicht leiden darf. Statt sich einen Lohn und Arbeitsbedingungen zu erstreiken, die Gesundheit und Auskommen im Alter nicht zum Risiko werden lassen.