WEM NÜTZEN ARBEITSPLÄTZE? - LEHREN AUS SEMPERIT, DIE NIEMAND ZIEHEN WILL!

"Wir wollen Arbeitsplätze!", mit Forderungen wie dieser empfingen die demnächst arbeitslosen Semperit-Arbeiter Wirschafts- und Arbeitsminister Bartenstein bei seinem Werksbesuch in Traiskirchen. Im Kapitalismus braucht tatsächlich die Mehrzahl der Mitglieder der Gesellschaft einen Arbeitsplatz. Mit dem staatlich geschützten "Recht auf Eigentum" werden all jene, die keines haben, auf den Dienst an fremdem Eigentum verpflichtet. Schließlich macht der Staat mit seiner Garantie des Eigentuns die Befriedigung noch des elementarsten Bedürfnisses von der Verfügung über Geld abhängig. Für Leute ohne Eigentum bedeutet das den Zwang zur Arbeit für fremdes Eigentum.

Dass Arbeisplätze deshalb, weil Arbeitnehmer sie brauchen, noch lange nicht ihr Mittel sind, sich ein ordentliches und gesichertes Auskommen zu sichern, dass Schaden und Nutzen der Arbeitsplätze sich sehr dauerhaft und einseitig auf Arbeitnehmer und Arbeitgeber verteilen, dafür könnte die Schließung des Semperit-Reifenwerks in Traiskirchen – zumindest für all jene, die es wissen wollen - wieder einmal ein Lehrstück sein.

Unrentable Arbeit findet nicht statt,...

Seit Dezember vorigen Jahres steht es fest,

"Die Reifenproduktion im niederösterreichischen Traiskirchen wird Mitte 2002 aufgelassen, die Herstellung Reifen-Vorprodukte ein Jahr später. Insgesamt etwa 1300 "Semperitler" müssen sich um einen neuen Job umsehen. "Der Ausstieg ist beschlossene Sache", sagt der im Conti-Vorstand für das internationale Geschäft zuständige Hans Joachim Nikolin in einer Pressekonferenz am Donnerstag. Die Entscheidung sei "nicht gegen Österreich gerichtet", sondern im Zusammenhang mit den massiven Nachfragerückgängen nach LKW- und PKW-Reifen infolge der Konjunkturabschwächung zu sehen."(Standard, 7.12.01)

Der Umstand, dass die bei Semperit hergestellten Reifen nicht mehr im bisherigen Umfang gesellschaftlich gebraucht werden und daher die mit dieser Produktion verbundenen Arbeitsanstrengungen nicht mehr notwendig sind, ist offenbar kein Grund zu ungetrübter Freude über den erzielten Stand der Produktivkräfte und für eine damit einhergehende Ersparnis an Anstrengung seitens der Arbeitnehmer! Für die bisher bei Semperit Beschäftigten bedeutet dieser Befund des Vorstandes allerdings nicht bloß den Verlust ihres Arbeitsplatzes - über diesen Verlust würden sie sich sicher hinwegtrösten lassen, so schön wird es schon nicht sein, jeden Tag bei Semperit antreten zu dürfen – sondern den Verlust ihres Einkommens. Ihre ganze Freiheit besteht in der Notwendigkeit, wieder von einem Arbeitgeber gebraucht zu werden. Für mehr als dafür, auch am nächsten Arbeitstag wieder bei Semperit anzutreten, hat der Lohn schließlich nie gereicht. Dass sie deswegen, weil sie einen neuen Job brauchen, auch einen finden werden, das wollte Nikolin nicht sagen. Als Manager eines weltweit erfolgreichen Konzerns weiß er am allerbesten, dass die Anwendung einer Arbeitskraft für das Kapital nur dann in Frage kommt, wenn sie ausreichend Gewinn für dieses Kapital abwirft. Ist das nicht der Fall, unterbleibt die Anwendung der Arbeitskraft und zwar eben völlig unabhängig davon, was das für den betroffenen Arbeitnehmer bedeutet.

...rentable Arbeit reproduziert das Kapitalverhältnis!

Weil Arbeitnehmer für ihr Auskommen auf einen Arbeitsplatz angewiesen sind, gelten ihnen Botschaften wie die aus dem Jahr 1998 als gute Nachricht:

"Heute sind die Produktionskosten um 30% gesenkt und 1500 Arbeiter und Angestellte haben noch einen Job. Dreihundert mehr als geplant. Die Auftragslage ist sehr gut. 1998 sollen 50% mehr LKW- und PKW-Reifen produziert werden und um ein Drittel billiger.

Die Belegschaft müß allerdings heute mehr arbeiten: Ein Mitarbeiter macht 28 PKW-Reifen statt früher 16 pro Stunde, und auch bei den schweren LKW Reifen werden ein Drittel mehr Reifen pro Stunde hergestellt. Und die Arbeiter verzichten auch auf Geld, hat sich das alles gelohnt?

Den Kraftakt der Produktionsrationalisierung haben Betriebsrat und Vorstand gemeinsam durchgezogen. Beide haben die Botschaft verstanden: Kein Protest macht Semperit konkurrenzfähig, sondern nur Produktivitätsfortschritte."(ORF, Schilling, 12.2.1998)

Dass sich die Kapitalisten von Continental über solche Fortschritte freuen, ist klar. Schließlich haben sich die Arbeitnehmer des Traiskirchner Reifenwerks von Vorstand und Betriebs(!)rat eine nicht unerhebliche Intensivierung ihrer Arbeit und einen Lohnverzicht verordnen lassen. Und das alles ganz unumwunden für die Konkurrenzfähigkeit "ihres" Werkes.

Einen Schluss wollten die Arbeitnehmer aus all dem damals wie heute nicht ziehen, - dass sich die Herstellung der Konkurrenzfähigkeit des Semperit-Reifenwerks und ihr eigenes Interesse – Arbeiten, um Geld zu verdienen –nicht miteinander vertragen. Lieber haben sie sich - von ihrer Gewerkschaft dabei tatkräftig unterstützt – zum wiederholten Mal den falschen Vergleich aufdrängen lassen, dass es besser ist, einen Arbeitsplatz zu besitzen als keinen, weshalb sich dann die Frage, was man von diesem Besitz eigentlich hat, verbietet. Damals wie heute gelingt es Arbeitnehmern so, aus der in ihrer Armut begründeten Erpressbarkeit ein Argument dafür zu machen, auch in Zukunft nichts gegen diese Erpressbarkeit zu unternehmen. Kündigungen haben sie sich damit schon damals nicht erspart.

So haben die Semperit-Arbeiter mit ihrem Fleiß in Verbindung mit Produktivitätsfortschritten, die es dem Continental-Konzern heute ermöglichen, Aufträge "eher innerhalb von Stunden anstelle von Wochen" zu erledigen, für Continental in den vergangenen Jahren Produktionspotenzen hervorgebracht, die sich dem Management von Continental jetzt als ein Zuviel an Standorten für seinen Gewinn darstellen. Mit einem Einwand seitens der

österreichischen Politik

muss Continental nicht rechnen. Die sieht die Sache nämlich im Prinzip ähnlich wie Continental. So sehr die Politik Interesse daran hat, erfolgreiches Kapital dazu zu bringen, in Österreich einen Standort aufzuschlagen und hiesige Arbeitskraft zur Vermehrung seines Reichtums zu nutzen, so sehr ist sie an erfolgreichem Kapital interessiert. Dafür tut sie alles in ihrer Macht stehende. Kapital aber nur im Land zu halten, um österreichische Arbeitskräfte zu beschäftigen, ist die Sache nicht erst der schwarz-blauen Bundesregierung nicht:

"Im (geheizten) Foyer des Verwaltungsgebäudes äußerte Bartenstein dann .... Verständnis für die Enttäuschung der Arbeiter, erklärte aber auch, dass gegen die Schließung des Werkes kaum mehr etwas unternommen werden könne. Um die Folgen vor allem für die Region, abzufedern, sei ein Hilfspaket geschnürt worden."(Presse 15.12.2001)

Bei allem Verständnis für die Enttäuschung der Arbeitnehmer, die sich dieses Verständnis redlich dadurch verdient haben, dass sie noch nicht einmal jetzt auch nur im Traum daran denken, der Politik das Vertrauen zu entziehen, sind für die Bundesregierung "die Folgen vor allem für die Region abzufedern". Inwiefern die jetzt Entlassenen sich für diese Sicherung der Zukunft der Region brauchen lassen, können sie im Rahmen der schon seit 1996 bestehenden und jetzt ausgeweiteten "Semperit-Arbeitsstiftung" beweisen, finanziert aus den Mitteln des Arbeitsmarktservice, also aus den Lohnteilen, die ihnen und ihresgleichen all die Jahre über für genau diesen Fall der Notwendigkeit der Wiederherstellung ihrer Brauchbarkeit für Staat und Kapital abgezogen wurden und werden. Ganz sachgerecht im Sinne des Zweckes der Arbeitslosenversicherung entspricht daher "die den Teilnehmern an der Arbeitsstiftung monatlich gezahlte Summe im Wesentlichen dem Arbeitslosengeld".(Standard, 11.12.2001) Und für jene, denen der Nachweis ihrer Brauchbarkeit für die Region nicht gelingt, ist nur mehr ihre Pauperisierung vorgesehen.

Der ÖGB sorgt für den sozialen Frieden!

Auch angesichts der bevorstehenden Kündigungen von über 1300Arbeitnehmern kommt für den ÖGB ein Streik für Lohnerhöhungen und ordentliche Abfindungen nicht in Betracht. Und das ganz sicher nicht, weil die Semperitler keine Mittel für Kampfmaßnahmen in der Hand hätten. Auch die Drohung mit der Vergrößerung der Schließungskosten ist schließlich ein Erpressungsmittel. Wenn der ÖGB solches nicht einmal in Erwägung zieht dann deshalb, weil ihm der Gewinn als oberstes Sachgesetz allen Produzierens heilig ist. Dieses in Frage stellen, kommt daher für ihn keinesfalls in Frage. Statt das Kapital mit einer Minderung seines Gewinns zu erpressen, greift er viel lieber "nach jedem Strohalm"(Standard, 29.12.2001) und überprüft die Buchführung des Unternehmens, um sich davon zu überzeugen, ob nach rein betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten betrachtet die Schließung wirklich notwendig ist oder ob nicht gar von Continental Möglichkeiten der Ausbeutung seiner Arbeitnehmer in Traiskirchen übersehen wurden. Dass er sich damit nicht lächerlich macht verdankt sich nur dem Umstand, dass das Kapital die nützliche Seite des vom ÖGB garantierten sozialen Friedens zu schätzen weiß.

Auch die Gewerkschaftsjugend denkt nicht im Traum daran, den Kapitalismus zu kritisieren, wenn sie Continental Gewinnmaximierung vorwirft:

"Der Weltkonzern Continental zeigt mit der gestrigen Entscheidung im Vorstand, dass ihm die Gewinnmaximierung mehr wert ist, als das Schicksal von mehr als tausend Beschäftigten sowie dutzenden Zulieferbetrieben"(ÖGJ, Homepage ÖGB, 6.12.2001)

Ausgerechnet jetzt fällt der Gewerkschaftsjugend Gewinnmaximierung auf. Dass das keine Kritik am Gewinn mitsamt all seinen Konsequenzen für die Arbeiter ist, merkt man nicht zuletzt daran, dass von dieser Kritik in all den vergangenen Jahren, in denen die Semperitarbeiter "die Streichung von Sozialleistungen, Aussetzung einer Kollektivvertragsrunde, flexible Arbeitszeiten und Werksurlaube und vieles mehr mitgetragen" haben, nichts zu hören war. Im Gegenteil, das alles geschah ja im Namen des Erhalts der Arbeitsplätze. Jetzt aber hat Continental beschlossen, den hiesigen Standort zu schließen, jetzt sind nicht mehr nur die Arbeiter betroffen sondern auch die Zulieferbetriebe – die um ihren künftigen Gewinn gebracht werden -, jetzt geht es um ein Stück "industrieller Geschichte in Österreich", jetzt geht es um den Standort Österreich. Mit dieser Sorge um den Standort Österreich dokumentiert die Gewerkschaftjugend leider nur eines – ihre Reife, in die Fußstapfen von Olah, Benya, Verzetnitsch und Co. zu treten.

Es gibt keine Alternative zur Abschaffung des Kapitalismus!

Man muss sich schon entscheiden, ob man die dauernde Gefährdung und Zerstörung der eigenen Existenz durch die Logik des Profits mit kritischen Sprüchen begleiten und hinnehmen will, oder ob einem am eigenen Wohlergehen was liegt.

Man muss sich entscheiden,ob man sich diesem Prinzip unterwerfen oder es abschaffen will.

Man muss sich entscheiden, ob man ein ewig enttäuschter Liebhaber des Kapitals bleiben, oder sein Feind sein will.